Landgericht Hannover
Beschl. v. 12.03.2009, Az.: 21 T 2/09
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 12.03.2009
- Aktenzeichen
- 21 T 2/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 42914
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2009:0312.21T2.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 05.02.2009 - AZ: HRB 3527
- AG Hannover - 06.02.2009 - AZ: HRB 3527
Fundstellen
- AG 2009, 341-343
- GWR 2009, 297
- NZG 2009, 869
- ZIP 2009, 761-764 (Volltext mit red. LS) "Continental/Schaeffler"
In der Beschwerdesache
...
hat die 21. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Hannover am 12.03.2009 durch den Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzenden sowie die Handelsrichter ... und ... beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Hannover vom 5. und 6. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert wird für die Beschwerdeinstanz auf 200 000 EUR und für die erste Instanz, insoweit unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts, auf 300 000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Ende Januar/Anfang Februar 2009 erklärten vier der insgesamt zehn Aufsichtsratsmitglieder der Aktionärsseite der C. mit sofortiger Wirkung die Niederlegung ihres Amtes. Die Ersatzmitglieder erklärten, dass sie das Amt nicht antreten werden.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2009 hat der Vorstand der betroffenen Gesellschaft beim Amtsgericht beantragt, die Gesellschafter der S. und ... sowie den Vorsitzenden der Geschäftsleitung der ... und den Beteiligten zu 2 gemäß § 104 Abs. 2 und 3 AktG bis zur Beendigung der nächsten ordentlichen Hauptversammlung der C. zu Mitgliedern des Aufsichtsrats zu bestellen. Zur Begründung hat der Vorstand ausgeführt, der Aufsichtsrat sei nach den Amtsniederlegungen nicht mehr satzungsgemäß und nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes besetzt. Die nächste ordentliche Sitzung des Aufsichtsrats finde bereits am 6. März 2009 statt, die ordentliche Hauptversammlung, in der eine Nachwahl erfolgen könne, erst Ende April 2009.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 5. Februar 2009 die im Antrag genannten vier Personen zu Aufsichtsratsmitgliedern der C. bestellt.
Der Beteiligte zu 1 ist Aktionär der C.. Er hat am 5. Februar 2009 bei dem Amtsgericht beantragt, den Antrag des Vorstands, soweit er den Beteiligten zu 2 betrifft, zurückzuweisen und eines der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder erneut zu bestellen. Der Beteiligte zu 2 sei Rechtsberater der S., die durch die Übernahme von ca. 90 % der Aktien der C. AG in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. Die C. AG habe ihre Finanzsituation kürzlich durch eine Bankenvereinbarung geordnet. Es sei zu befürchten, dass die S. mangels anderer Finanzierungsmöglichkeiten darauf angewiesen sei, einen Teil ihrer Verschuldung von rund 11 Mrd. EUR bei der betroffenen Gesellschaft unterzubringen. Dies bedeute für den Beteiligten zu 2, der als neuer Aufsichtsratsvorsitzender gewählt werden solle, eine nicht lösbare Interessenkollision.
Daraufhin hat das Amtsgericht am 6. Februar 2009 seinen Beschluss vom 5. Februar 2009 dahin ergänzt, dass der Antrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen wird. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Gericht entscheide grundsätzlich frei über die Person des zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieds. Die Auswahlfreiheit des Gerichts werde gem. § 104 Abs. 4 Satz 4 AktG nur dann eingeschränkt, wenn ein Aufsichtsratsmitglied zu bestellen sei, bei dessen Wahl eine Spitzenorganisation der Gewerkschaften oder die Betriebsräte ein Vorschlagsrecht hätten. Das sei hier nicht der Fall, weil es um die Bestellung von Vertretern der Aktionäre gehe. Persönliche Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder stelle das Gesetz, abgesehen von hier nicht vorliegenden Hinderungsgründen im Sinn von § 100 und 105 AktG, nicht. Die Einwände des Beteiligten zu 1 basierten im Wesentlichen auf Spekulationen über die negative Beeinflussung der Gesellschaft durch die Bestellung des Beteiligten zu 2 als Aufsichtratsmitglied. Die geäußerten Vermutungen könnten die Eignung des Beteiligten zu 2 nicht in Frage stellen, zumal eine vergleichbare Begründung auf alle aus dem Lager der S. vorgeschlagenen Personen vorgebracht werden könne.
Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde eingelegt. Er rügt, das Amtsgericht habe lediglich den Vorschlag des Vorstands übernommen, ohne von seinem pflichtgemäßen Ermessen Gebrauch zu machen. Angesichts des gravierenden Interessenkonflikts hätte das Amtsgericht die amtierenden Aufsichtsratsmitglieder anhören müssen. Außerdem hätte es den zur Bestellung vorgeschlagenen Beteiligten zu 2 zu der Frage anhören müssen, wie weit er sich als Aufsichtsratsmitglied durch das Beratungsmandat für die S. gebunden sehe. Es hätte geprüft werden müssen, ob das Beratungsmandat der Bestellung entgegenstehe. Die ausgeschiedenen Aufsichtsratsmitglieder hätten dazu befragt werden müssen, ob sie von Seiten der S. aufgefordert worden seien, die Interessen der S. gegen die Interessen der C. AG zu verfolgen, oder dieses zu dulden. Soweit das Amtsgericht angenommen habe, die in Bezug auf den Beteiligten zu 2 vorgebrachten Einwände ließen sich auch auf alle anderen Mitglieder der S. übertragen, habe es nicht berücksichtigt, dass der Beteiligte zu 2 als Aufsichtsratsvorsitzender vorgesehen sei, und dass er als entscheidender Berater der S. alles daran setzen müsse, deren Interessen bei der C. AG durchzusetzen. Der Beteiligte zu 1 beantragt,
- 1.
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben, soweit der Beteiligte zu 2 zum Mitglied des Aufsichtsrats bestellt wurde, bzw. soweit der Antrag zurückgewiesen wurde, eines der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder erneut zu bestellen,
- 2.
eines der ausscheidenden Aufsichtsratsmitglieder ..., Prof. Dr. ... oder ... zum Aufsichtsratsmitglied zu bestellen,
hilfsweise das Amtsgericht anzuweisen, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts über den Antrag auf Bestellung des Beteiligten zu 2 als Aufsichtsratsmitglied oder einer anderen der vorstehend genannten Personen erneut zu befinden.
Das Amtsgericht hat die sofortige Beschwerde dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Gegen die Entscheidung des Registergerichts ist die sofortige Beschwerde zulässig (§ 104 Abs. 2 Satz 4 AktG).
Der Beteiligte zu 1 ist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde berechtigt. Gemäß § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Der Beteiligte zu 1 ist als Aktionär der C. AG durch die gerichtliche Einsetzung des von ihm nicht vorgeschlagenen Beteiligten zu 2 in seinem Recht beeinträchtigt (vgl. OLG Schleswig, ZIP 2004, 1143 [OLG Schleswig 26.04.2004 - 2 W 46/04]; OLG Dresden, Beschl.v. 30.09.1997 - 15 W 1236/97; MünchKommAktG/Semler, 2. Aufl., § 104 Rn. 113; Mertens in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 104 Rn. 21; a.A. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 104 Rn. 5).
2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.
Die Kammer hat die nach §§ 146 Abs. 1 FGG i.V.m. 145 Abs. 1 FGG gebotene (vgl. Beschlüsse in dieser Sache vom 26.02.2009 und vom 05.03.2009), in erster Instanz nicht durchgeführte Anhörung der amtierenden Aufsichtsratsmitglieder nachgeholt, die Satzung der C. AG beigezogen, Feststellungen zum Inhalt der Investorenvereinbarung vom 20.08.2008 zwischen der S. KG bzw. deren Gesellschaftern und der C. AG getroffenen, und auf dieser Grundlage den Antrag nach § 104 AktG in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht geprüft (zum Prüfungsumfang in der Beschwerdeinstanz: OLG Dresden aaO; Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 25 Rn. 7, 8). Die Prüfung hat ergeben, dass der vom Vorstand der C. AG vorgeschlagene Beteiligte zu 2 zum Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaft zu bestellen ist.
a) Der Aufsichtsrat der C. AG ist durch das Gericht zu ergänzen.
Nach § 104 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 AktG hat das Gericht einen Aufsichtsrat, in dem die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach dem Mitbestimmungsgesetz haben, auf Antrag zu ergänzen, wenn ihm, abgesehen von dem in Abs. 3 Nr. 1 der Vorschrift genannten weiteren Mitglied, nicht alle Mitglieder angehören, aus denen er nach Gesetz oder Satzung zu bestehen hat.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach §§ 95, 96 Abs. 1 AktG, § 7 MitbestG und § 10 der Satzung besteht der Aufsichtsrat der C. AG aus 10 Arbeitnehmervertretern und 10 Vertretern der Aktionäre. Vier der bisherigen Anteilseignervertreter sowie die Ersatzmitglieder haben ihr Amt niedergelegt. Die Amtsniederlegungen ohne Angabe von Gründen sind wirksam (vgl. Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, AktG, § 103 Rn. 17). Somit gehören dem Aufsichtsrat - auch unter Berücksichtigung der nicht angefochtenen gerichtlichen Bestellung von, und - nicht alle 10 Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre an. Die gesetzlich und satzungsgemäß vorgesehene Parität ist gestört. Die C. AG hat die Ergänzung des Aufsichtsrats beantragt.
b) Das Gericht wählt das zu bestellende Aufsichtsratsmitglied nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aus, ohne an die Vorschläge der Antragsteller gebunden zu sein ( BayObLG, NJW-RR 1998, 330; OLG Schleswig aaO; MünchKommAktG/Semler, 2. Aufl., § 104 Rn. 75; Mertens in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 104 Rn. 15).
c) Bei der Prüfung muss das Gericht beachten, dass das auszuwählende Aufsichtsratsmitglied die für das Amt erforderliche Qualifikation mitbringt (MünchKommAktG/Semler, 2. Aufl., § 104 Rn. 84; Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, § 104 Rn. 7). Dies betrifft zunächst die fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen des Aufsichtsratsmitglieds, die bei dem Beteiligten zu 2 offensichtlich gegeben sind und vom Beteiligten zu 1 auch nicht in Zweifel gezogen werden.
d) Die Kammer muss aber auch mögliche Interessenkonflikte des Beteiligten zu 2 in Betracht ziehen. Würde im Fall seiner Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied eine gravierende, unlösbare Pflichtenkollision bestehen, dann müsste eine andere Person ausgewählt werden:
aa) Das Gesetz nimmt Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern weitgehend in Kauf (zu den wenigen gesetzlich geregelten Fällen vgl. § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 AktG und § 105 AktG). Ein Aufsichtsratsmitglied kann allerdings wegen seiner Treubindung zur Gesellschaft verpflichtet sein, das Amt niederzulegen, wenn sich eine Interessenkollision zum andauernden Pflichtenwiderstreit verdichtet und nicht auf andere Weise gelöst werden kann (MünchKommAktG/Habersack, 3. Aufl., § 100 Rn. 72; Hüffer, Aktiengesetz, 8. Aufl., § 116 Rn. 5; Mertens in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., § 116 Rn. 32; Dreher, JZ 1990, 896, 902; Marsch-Barner in Semler/v.Schenk (Hrg.), ARHdb, 2. Aufl., § 12 Rn. 102 m.w.N.; für Konflikte im Vorfeld einer Übernahme: Möllers, ZIP 2006, 1615, 1619). Lässt sich im Verfahren über die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds voraussehen, dass ein solcher Interessenkonflikt bei dem vorgeschlagenen Kandidaten im Falle seiner Bestellung vorliegen würde, dann darf das Gericht dem Vorschlag nicht folgen (vgl. OLG Schleswig, ZIP 2004, 1143, 1144 [OLG Schleswig 26.04.2004 - 2 W 46/04]). Denn es wäre sinnwidrig, ein Aufsichtsratsmitglied zu bestellen, dass sein Amt umgehend niederlegen müsste. Für diese Rechtslage spricht auch 5.4.1 des Deutschen Corporate Governance Kodex, wonach bei Vorschlägen zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern potentielle Interessenkonflikte berücksichtigt werden sollen. Der Deutsche Corpoarte Covernance Kodex hat zwar keine Gesetzeskraft (Hüffer, Aktiengesetz, 8. Aufl., § 161 Rn. 3). Seine Bestimmungen sind aber bei der C. AG zu beachten, und zwar nicht nur bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung sondern auch im vorliegenden Verfahren der gerichtlichen Bestellung (vgl. MünchKommAktG/Semler, § 104 Rn. 84). Die C. AG hat nicht erklärt, von der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abweichen zu wollen.
bb) Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der S.und der C. AG um Unternehmen im Konzernverbund handelt.
(1) Zwar greift der Grundsatz, dass ein Aufsichtsratsmitglied zur Amtsniederlegung verpflichtet sein kann, wenn sich eine Interessenkollision zum andauernden Pflichtenwiderstreit verdichtet und nicht auf andere Weise gelöst werden kann, in einem Konzernverbund so nicht ein. Das Gesetz geht davon aus, dass das im Konzern herrschende Unternehmen seinen Einfluss durch Entsendung seiner gesetzlichen Vertreter in den Aufsichtsrat der zum Konzern gehörenden Unternehmen geltend machen darf (vgl. § 100 Abs. 2 Satz 2 AktG). Die Interessengegensätze innerhalb eines Konzerns werden durch die Vorschriften der §§ 311 ff. AktG geregelt, insbesondere durch das Verbot der Nachteilszufügung und die Ausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens. Deshalb vermag der Konzernkonflikt für sich genommen eine Pflicht zur Mandatsniederlegung nicht zu begründen (MünchKommAktG/Habersack, 3. Aufl., § 100 AktG Rn. 73; MünchKommAktG/Semler, 2. Aufl., § 100 Rn. 180; Lutter ZHR 145 (1981), 224, 238). Wenn somit die Entsendung des gesetzlichen Vertreters des herrschenden Unternehmens in den Aufsichtsrat des abhängigen Unternehmens grundsätzlich zulässig ist, so gilt das auch für den Berater des Unternehmens.
Die S. ist, ungeachtet dessen, dass sie sich in der Investorenvereinbarung verpflichtet hat, ihre Beteiligung innerhalb eines bestimmten Zeitraums auf 49,99 % des stimmberechtigten Grundkapitals zu beschränken, im Verhältnis zur C.l AG herrschendes Unternehmen (§ 17 AktG). Es ist anerkannt, dass die für eine Abhängigkeit im Sinn des § 17 Abs. 1 AktG notwendige Möglichkeit der Einflussnahme bereits dann bestehen kann, wenn die Hauptversammlungen einer Aktiengesellschaft erfahrungsgemäß so besucht sind, dass die unter 50 % liegende Beteiligung eines Großaktionärs regelmäßig ausreicht, um für eine längeren Zeitraum Beschlüsse mit einfacher Mehrheit durchzusetzen ( BGH, NJW 1997, 1855, 1856 [BGH 17.03.1997 - II ZB 3/96]; Hüffer aaO § 17 Rn. 9). So ist es bei der Beteiligung der S. an der C. AG. Das Stimmpotential der S. reicht auch mit der Beschränkung auf 49,99 % aus, um in der Hauptverhandlung tatsächlich als Mehrheit zu wirken.
(2) Jedoch liegen hier besondere Umstände vor, die dazu führen, dass Interessenkollisionen auch bei der gerichtlichen Bestellung eines Vertreters der S. als Aufsichtsratsmitglied der C. AG beachtet werden müssen.
Es kann offen bleiben ob sich dies schon im Hinblick auf die kritische Finanzsituation der S. ergibt (vgl. Zukunfts-Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern der S. und der vom 23.02.2009: "Finanzierung ... in akuter Gefahr"), die es fraglich erscheinen lässt, ob sich der Konzernkonflikt durch die Anwendung der §§ 311 ff. AktG bewältigen lässt. Jedenfalls kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die S. in der Investorenvereinbarung vom 20.08.2008 verpflichtet hat, in einem Verfahren wie dem vorliegenden bei der Benennung von Personen, die vom Vorstand für den Aufsichtsrat vorgeschlagen werden sollen, potentielle Interessenkonflikte zu berücksichtigen. In Ziff. III 3.1.1 der Investorenvereinbarung ist geregelt, dass die S. mit von ihr benannten Vertretern angemessen im Aufsichtsrat der C. AG repräsentiert sein soll. Im Weiteren heißt es: "Falls ... ein oder mehrere Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat der C. AG ihr Amt niederlegen, wird der Vorstand im Rahmen des rechtlich Zulässigen ... die gerichtliche Bestellung von S. benannter Personen als Anteilseignervertreter beantragen. ... Die vorstehenden Verpflichtungen der C. bestehen nur, wenn und soweit die von S. benannten Personen die nach ... dem Deutschen Corporate Governance Kodex, insbesondere nach den Ziffern 5.4.1 und 5.4.2 ... gestellten Anforderungen erfüllen." Ziffer 5.4.1 des Deutschen Corporate Governance Kodex regelt, wie ausgeführt, dass bei Vorschlägen zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern potentielle Interessenkonflikte berücksichtigt werden sollen.
e) Bei dem Beteiligten zu 2 dürfte zwar eine gravierende Pflichtenkollision bestehen. Diese ist aber nicht unlösbar. Die Kammer geht vielmehr unter Berücksichtigung der Äußerungen der amtierenden Aufsichtsratsmitglieder davon aus, dass sich die Pflichtenkollision mit Hilfe der Investorenvereinbarung beherrschen lässt.
aa) Die Pflichtenkollision besteht darin, dass der Beteiligte zu 2 als maßgeblicher Rechtsberater der S. zur Wahrung von deren Interessen verpflichtet ist, während er als Aufsichtratsmitglied der C. AG allein das Unternehmensinteresse dieser Gesellschaft wahren muss. Das Unternehmensinteresse der C. AG ist insbesondere auf die Erhaltung des Unternehmens und seine langfristige Rentabilität gerichtet (vgl. Marsch-Barner in Semler/v. Schenk (Hrsg.) ARHdb., 2. Aufl., § 12 Rn. 93; Dreher, JZ 1990, 896, 897). Der Beteiligte zu 1 führt aus: Während die C. AG ihre Finanzsituation durch eine vor kurzem abgeschlossene Bankenvereinbarung geordnet habe, befinde sich die mit ca. 11 Mrd. EUR verschuldete S. in existenzbedrohenden finanziellen Schwierigkeiten. Es sei zu befürchten, dass der Beteiligte zu 2, der als Chefberater der S. an der umstrittenen Übernahme maßgeblich mitgewirkt habe, mangels anderer Möglichkeiten versuchen werde, einen Teil der Verschuldung der S. bei der C. AG "unterzubringen". Angesichts ihrer prekären Finanzsituation sei die S. zu einem Finanzausgleich von vornherein nicht in der Lage.
Ob diese Befürchtungen berechtigt sind, lässt sich im vorliegenden Verfahren nicht klären. Sie sind aber nicht von der Hand zu weisen.
bb) Die Kammer geht indes unter Berücksichtigung der Äußerungen der amtierenden Aufsichtsratsmitglieder davon aus, dass sich die Pflichtenkollision mit Hilfe der Investorenvereinbarung handhaben lässt.
In der Investorenvereinbarung haben sich die S. KG und deren Gesellschafter verpflichtet, ihre Beteiligung an der C. AG auf maximal 49,99 % des stimmberechtigten Grundkapitals zu beschränken. Sie haben erklärt, dass S. für den Aufsichtsrat nicht mehr als vier Personen vorschlagen oder wählen werde, die Gesellschafter, Organmitglieder oder Angestellte von S. oder von mit S.i.S.d. § 15 AktG verbundenen Unternehmen sind.S. beabsichtige nicht, die Mehrzahl der von den Anteilseignern zu besetzenden Aufsichtsratspositionen neu zu besetzen. Ferner haben sich die S. KG und deren Gesellschafter in der Investorenvereinbarung verpflichtet, ohne Zustimmung des Vorstands keine der näher aufgelisteten Struktur- und Geschäftsführungsmaßnahmen vorzunehmen, die gegen die Eigenständigkeit der C. AG gerichtet sind. Zu den aufgelisteten Maßnahmen gehört die Erhöhung der Verschuldung des C.-Konzerns.
Durch diese Vereinbarung ist die Einflussmöglichkeit der Vertreter der S. im Aufsichtsrat begrenzt. Entgegen der vom Beteiligten zu 1 vertretenen Meinung kann nicht darauf abgestellt werden, dass der Beteiligte zu 2 zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats gewählt werden soll. Die Wahl des Vorsitzenden obliegt dem Aufsichtsrat (§ 107 Abs. 1 Satz 1 AktG). Die offenbar beabsichtigte Wahl des Beteiligten zu 2 zum Aufsichtsratsvorsitzenden kann für die Entscheidung nach § 104 AktG nicht unterstellt werden. Das Gericht ist im Übrigen generell nicht befugt, die Wahl einer als Aufsichtsratsmitglied vorgeschlagenen Person zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats "im Vorgriff" zu verhindern.
Der Beteiligte zu 1 macht geltend, dass die S. bereits in der Vergangenheit mit ihrem Verhalten die Zusagen der Investorenvereinbarung in Frage gestellt habe (Pressemitteilung der C. AG vom 12.12.2008 über ein Einmischung der S. in die Verhandlungen der C. AG mit Banken; Presseberichte vom 21.01.2009 über Erklärungen eines S.-Unternehmenssprechers, S. behalte sich das Recht vor, sämtliche Vertreter der Anteilseignerseite zu stellen). Auch damit hat der Beteiligte zu 1 im Ergebnis keinen Erfolg. Die Kammer geht davon aus, dass die Investorenvereinbarung auch mit dem Beteiligten zu 2 als Aufsichtsratsmitglied jedenfalls in dem hier interessierenden Zeitraum bis zur nächsten Hauptversammlung eingehalten wird. Die Erfüllung der von der S. in der Investorenvereinbarung übernommenen Verpflichtungen ist sowohl durch die C. AG als auch durch den als "Garant" eingesetzten Bundeskanzler a.D. - auch gerichtlich - durchsetzbar. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Aufsichtsratmitglieder der C. AG mit dem Vorschlag des Vorstands, den Beteiligten zu 2 gerichtlich zum Aufsichtsratsmitglied zu bestellen, soweit ersichtlich, mehrheitlich einverstanden sind bzw. keine durchgreifenden Bedenken haben. Von den 19 amtierenden Aufsichtsratsmitgliedern, die Gelegenheit zur Stellungnahme erhielten, haben sich acht geäußert. Sieben der acht Aufsichtsratsmitglieder vertreten die Auffassung, dass die geäußerten Bedenken gegen die Bestellung des Beteiligten zu 2 als Aufsichtsratsmitglied unbegründet sind, bzw. dass einer Bestellung des Beteiligten zu 2 durchgreifende Bedenken nicht entgegenstehen. Eines der Aufsichtsratsmitglieder hat sich zwar geäußert, sich aber einer Bewertung bezüglich der Eignung des Beteiligten zu 2 enthalten. Der amtierende Aufsichtsrat hat, wie der Beteiligte zu 2 vorträgt, in seiner Sitzung vom 6. März 2009 mit den - nach § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG allein entscheidenden - Stimmen aller Vertreter der Anteilseigner beschlossen, der für den 24.04.2009 terminierten Hauptversammlung der C. AG die Wahl des Beteiligten zu 2 in den Aufsichtsrat vorzuschlagen.
Die Kammer folgt aus diesen Gründen im Ergebnis dem Vorschlag des Vorstands der C. AG und bestellt den Beteiligten zu 2 zum Mitglied des Aufsichtsrats.
3. Das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds erlischt, sobald der Mangel behoben ist. Dies geschieht kraft Gesetzes (§ 104 Abs. 5 AktG), so dass eine zeitliche Begrenzung nicht ausgesprochen werden muss.
4. Die Kosten der ersten Instanz hat die beteiligte Gesellschaft zu tragen, weil ihr Vorstand die Tätigkeit des Registergerichts veranlasst hat (§ 2 Nr. 1 KostO; vgl. OLG München, AG 2006, 590, 591 [OLG München 12.07.2006 - 31 Wx 47/06]; MünchKommAktG/Habersck, 3. Aufl., § 104 Rn. 44). Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Streitwertbeschluss:
Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO. Die Abänderung des Geschäftswerts für die erste Instanz beruht auf §§ 31 Abs. 1 Satz 1 und 2, 30 Abs. 2 KostO. Gemäß § 30 Abs. 2 KostO ist der Wert in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung regelmäßig auf 3 000 EUR anzunehmen. Er kann nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500 000 EUR angenommen werden. Als Anhaltspunkt für die Wertfestsetzung ist § 99 Abs. 6 Satz 6 AktG entsprechend heranzuziehen ( BayObLG, Beschluss v. 29.03.2000 - 3Z BR 11/00; Beschluss vom 20.08.1997 - 3Z BR 193/97; Mertens in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 104 Rn. 23). Diese Vorschrift sieht einen Regelgeschäftswert von 50 000 EUR vor. "Nach Lage des Falles" im Sinn von § 30 Abs. 2 KostO bedeutet, dass das wirtschaftliche Gewicht des Geschäfts für die Beteiligten, Auswirkung, Zweck und Wichtigkeit des Geschäfts, die Vermögenslage der Beteiligten sowie die Mühewaltung des Gerichts daraufhin abzuwägen sind, ob und inwieweit eine Über- oder Unterschreitung des Regelwertes angebracht erscheint ( BayObLG, Beschluss vom 29.03.2000 - 3Z BR 11/00 ). Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hält die Kammer für die erste Instanz einen Wert von 300 000 EUR und für die Beschwerdeinstanz einen Wert von 200 000 EUR für angemessen. Die höhere Festsetzung für die erste Instanz beruht darauf, dass durch das Amtsgericht über die Bestellung von mehreren Aufsichtsratsmitgliedern zu entscheiden gewesen ist.