Landgericht Hannover
Urt. v. 10.02.2009, Az.: 18 O 229/08

Anspruch auf Unterlassung der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen Unwirksamkeit von diesen; Anforderungen an die Unangemessenheit von formularmäßigen Vertragsbestimmungen i.R.d. Stellung einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Bürgschaft zur Absicherung aller sich aus einem Bauvertrag ergebenen Zahlungsverpflichtungen

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
10.02.2009
Aktenzeichen
18 O 229/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 37993
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2009:0210.18O229.08.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 19.08.2009 - AZ: 13 U 48/09
BGH - 27.05.2010 - AZ: VII ZR 165/09

...
hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
den Richter am Landgericht ... und
die Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Der Beklagten wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00€, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Beklagten untersagt, in Bezug auf Bauverträge mit Verbrauchern die nachfolgenden oder inhaltsgleichen Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden und sich bei bestehenden Verträgen auf die Klauseln zu berufen:

    1. 1.

      Der Bauherr ist verpflichtet, spätestens acht Wochen vor dem vorgesehenen Baubeginn dem Unternehmen eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft eines in Deutschland zugelassenen Kreditinstituts in Höhe der nach dem vorliegenden Vertrag geschuldeten Gesamtvergütung (unter Berücksichtigung von aus Sonderwünschen resultierenden Mehr- oder Minderkosten) zur Absicherung aller sich aus dem vorliegenden Vertrag ergebenden Zahlungsverpflichtungen des Bauherrn vorzulegen.

    2. 2.

      Abtretungserklärung

      Projektnummer/ ...

      Kaufvertrags-Datum ...

      Meine/unsere Ansprüche gegen ... (Darlehensgeber)

      aus dem Darlehen Nr. ... vom ... trete ich/wir hiermit bis zur Höhe von Euro ...

      (in Worten: Euro ...) an die Firma ..., erfüllungshalber ab und weise/n die ... unwiderruflich an, insoweit Zahlungen ausschließlich an die ... zu leisten ...

      ...

      Ort, Datum Unterschrift

      Wir, die ... (Darlehensgeber) nehmen von obiger Abtretung Kenntnis und haben sie in genannter Höhe zugunsten der Firma ... vorgemerkt. Wir bestätigen, dass die Voraussetzungen zur Auszahlung (außer von ... zu erbringenden Baustandsbericht) gegeben sind. Die mit den Kunden vereinbarten Vertragsbedingungen (§15 Zahlungsbedingungen) liegen als Kopie vor.

      Auszahlungen können nur mit schriftlicher Anweisung der Darlehensnehmer erfolgen. Eine Abtretung von Ansprüchen aus dieser Finanzierungsbestätigung (auch teilweise Abtretung) an Dritte ist ausgeschlossen.

      ...

      Ort, Datum

      Bank

      ...

      Stempel/Unterschrift

      Wir, Fa. ... nehmen diese Abtretung an.

      ...

      Ort, Datum

      ...

      VK_Abtretung.doc

    3. 3.

      Das Unternehmen muss seine vertraglich geschuldeten Leistungen erst erbringen, wenn ...

      - die Bürgschaft gemäß §4 dem Unternehmen im Original vorliegt.

    4. 4.

      Das Unternehmen kann den Vertrag kündigen, ....

      c) wenn der Bauherr die gemäß §4 erforderliche Bürgschaft nicht fristgerecht vorlegt.

  2. II.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  3. III.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 9.600 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Klauseln waren Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens 18 O 332/07 LG Hannover und sind durch Urteil vom 12.02.2008 für unwirksam erklärt worden. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb im Ergebnis erfolglos (vgl. OLG Celle BauR 2009 S. 103 ff [OLG Celle 03.07.2008 - 13 U 68/08]). Die Klägerin ist ein Schutzverband, der nach §4 UKlaG berechtigt ist, im eigenen Namen Unterlassungsansprüche gegen Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen nach §1 UKlaG geltend zu machen. Die Beklagte verwendet gegenüber privaten Bauherren die streitgegenständlichen allgemeinen Vertragsbedingungen nebst Anlagen.

2

Die Klägerin meint, die im Tenor genannten Vertragsbedingungen verstießen gegen §307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und seien deshalb unwirksam. Die in §4 der AGB geregelte Verpflichtung zur Erbringung einer Zahlungsbürgschaft stelle eine unangemessene Benachteiligung für Verbraucher dar, wenn die Klägerin als Auftragnehmer und Verwender der AGB nicht die Avalprovision für die zu leistende Bankbürgschaft übernehme und sie sich zusätzlich zu der Bürgschaft die Möglichkeit einer Bauhandwerkersicherungshypothek offen halte, obwohl diese Rechte nach §648 Abs. 4 BGB nur alternativ geltend gemacht werden könnten. Die Klägerin erhalte so eine über die gesetzliche Regelung hinausgehende Sicherheit, die auch das Verbraucherprivileg aus §648 a Abs. 6 BGB übergehe.

3

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

4

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die von der Klägerin angegriffenen Regelungen wirksam und mit geltendem Recht vereinbar seien. Die Vorschrift des §648 a BGB sei nicht anzuwenden, da diese nur für ein Sicherheitsverlangen Anwendung finde, dass nach Vertragsschluss erfolge. Hier handele es sich aber um eine von vornherein vereinbarte Sicherheit, die nicht von §648 a BGB erfasst sei. Die Beklagte habe ein anerkennenswertes Sicherungsinteresse, das es rechtfertige, neben der Sicherheit aus §648 BGB eine Bürgschaft zu vereinbaren und die Kostentragungspflicht einer Avalprovision dem Verbraucher aufzuerlegen.

6

Hinsichtlich der Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 20. Januar 2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist begründet.

8

I.

Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte gem. §1 UKlaG auf Unterlassung der Verwendung der im Tenor aufgeführten allgemeinen Geschäftsbedingungen zu. Die Klägerin ist eine nach §4 UKlaG qualifizierte Einrichtung, die Ansprüche nach diesem Gesetz durchsetzen darf. Die von der Beklagten verwendeten und im Tenor genannten allgemeinen Geschäftsbedingungen sind gemäß den §§307 und 308 BGB unwirksam.

9

Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Die Anwendung dieses Maßstabs setzt eine Ermittlung und Abwägung der wechselseitigen Interessen voraus. Die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt ist (st. Rspr, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 1. Februar 2005 - X ZR 10/04, NJW 2005, 1774).

10

1.

Die in §4 der AGB enthaltene Klausel, spätestens acht Wochen vor dem vorgesehenen Baubeginn eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft zur Absicherung aller sich aus dem Vertrag ergebenen Zahlungsverpflichtungen zu stellen, ist unwirksam, da sie eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. §307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellt.

11

Die Regelung des §4 der AGB konterkariert das in §648 a Abs. 6 BGB alter und nun ab dem 01.01.2009 geltender Fassung enthaltene Verbraucherprivileg, nach dem sich die gesetzlichen Sicherungsmöglichkeiten bei Bauverträgen mit einem Verbraucher auf die Rechte des §648 BGB beschränken. Die Eintragung einer Sicherungsbürgschaft im Sinne des §648 a BGB ist danach nicht möglich. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der Unternehmer gerade hinsichtlich der in §648 a Abs. 6 Nr. 2 BGB genannten Personen weniger schutzbedürftig sei und insoweit des Leistungsverweigerungsrechts aus §648 a Abs. 1 BGB nicht bedürfe. Solche Bauvorhaben seien in der Regel solide finanziert, und die lebenslängliche Haftung des Bestellers sei genügend sichergestellt (Bundestagsdrucksachen 12/1836 S. 11 u. 12/4526 S. 11).

12

Durch die Regelung in §4 der AGB wird dieses gesetzliche Privileg ins Gegenteil verkehrt. Dem Unternehmer wird entgegen der Vorschrift des §648 a Abs. 6 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht im Sinne des §648 a BGB eingeräumt, ohne dass dafür ein legitimes Sicherungsinteresse auf Seiten der Beklagten besteht. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich auch nicht um eine grundsätzlich zulässige Bürgschaft, die der Unternehmer zur Sicherung seiner Vergütungsforderung aufgrund einer im Bauvertrag vereinbarten Sicherungsabrede beanspruchen kann. Letztere verschafft dem Unternehmer einen auf übereinstimmendem Willen der Vertragsparteien beruhenden, durchsetzbaren Anspruch auf Bestellung der Sicherheit in vereinbarter Höhe. §648 a BGB gibt dem Unternehmer hingegen, um seinem Interesse an Absicherung seiner Vergütungsforderung Nachdruck zu verleihen, lediglich das Recht, die Leistung zu verweigern und den Vertrag zu kündigen, wenn die geforderte Sicherheit nicht erbracht wird (vgl. VII ZR 146/04, BGHZ 167, 345). Die vorformulierte Regelung in §4 der AGB verschafft der Beklagten ein Sicherungsrecht, das wie die Sicherungsbürgschaft des §648 a BGB ausgestaltet ist und ebenfalls gemäß §6 Nr. 1 der AGB ein Leistungsverweigerungsrecht nach sich zieht. Danach kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht darauf an, ob die Sicherheit vor oder nach Vertragsschluss vereinbart worden ist. Für die Wirksamkeit der Klausel ist entscheidend, ob die vorformulierte Regelung der Bauhandwerkersicherung des§648 a BGB entspricht.

13

Zum anderen ergibt sich der Verstoß gegen §307 Abs. 1 u. 2 BGB daraus, dass §4 der AGB nicht ausdrücklich vorsieht, dass die Beklagte die Kosten für die Bestellung der Sicherheit übernimmt und somit die Avalprovisionen für eine Bankbürgschaft dem Besteller auferlegt. Nach §648 a Abs. 3 S. 1 BGB hat der Unternehmer dem Besteller die üblichen Kosten der Sicherheitsleistung bis zu einem Höchstsatz von 2 % für das Jahr zu erstatten. Der §4 der AGB enthält dagegen keine Kostenübernahmeverpflichtung der Beklagten und würde somit die Übernahme sämtlicher Avalprovisionen, die bei der Finanzierung auch eines Einfamilienhauses von erheblichem Ausmaße sein können, ohne jeglichen Ausgleich und in unangemessenem Maße dem Besteller auferlegen. Danach wäre der Besteller, der Verbraucher ist, schlechter gestellt als ein Besteller, der nicht Verbraucher ist. In letzterem Fall wäre nämlich gemäß §648 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 7 BGB der Ausschluss der Kostentragungspflicht hinsichtlich der Avalprovision unwirksam. Da §648 a Abs. 6 BGB den Verbraucher aber gerade privilegieren will, ist eine solche Schlechterstellung nicht mit dem gesetzlichen Leitbild vereinbar und stellt eine unangemessene Benachteiligung auch dann dar, wenn der Beklagten im Hinblick auf ihre Vorleistungspflicht ein Sicherungsinteresse zuerkannt wird.

14

Ferner können gemäß §648 a Abs. 4 BGB die Rechte aus §648 BGB und §648 a Abs. 1 BGB nur alternativ geltend gemacht werden, während der Wortlaut der von der Beklagten verwandten Klausel neben der Bürgschaft auch das Verlangen einer Sicherungshypothek zulässt. Diese Kumulation beider Sicherungsrechte bewirkt eine übermäßige Sicherung der Beklagten, die sie gesetzlich nicht verlangen könnte.

15

Da sich die Beklagte damit Sicherungsrechte verschafft, die über die gesetzliche Regelung auch für gewerbliche Bauvorhaben hinausgehen und die bezüglich der Kostenlast auch gegen die unabdingbare Regelung des §648 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 7 BGB verstieße, steht die Regelung insgesamt im Widerspruch zum gesetzlichen Leitbild bei der Ausgestaltung der Sicherungsrechte im Bauvertrag. Die Ausdehnung der Sicherungsmöglichkeit über den Rahmen des §648 a BGB hinaus in allgemeinen Geschäftsbedingungen verstößt deshalb gegen §307 Abs. 1 BGB.

16

2.

Die von der Beklagten als Anlage zum Bauvertrag verwendete vorformulierte Abtretungserklärung ist ebenfalls unwirksam. Die Regelung, nach der das baufinanzierende Kreditinstitut die Darlehensauszahlungsansprüche des Bauherren erfüllungshalber an die Beklagte abtreten soll, ist aus den unter Ziffer 1. genannten Gründen nicht mit den Grundgedanken des Werkvertragsrechts vereinbar. Durch die Abtretung verschafft sich die Beklagte übermäßige Sicherungsrechte, die sie nach dem Gesetz nicht verlangen könnte, da sie insoweit durch §648 a Abs. 6 BGB auf die Sicherungsmöglichkeiten des §648 BGB beschränkt ist.

17

3.

Die Regelung des §6 Nr. 1 letzter Spiegelstrich der AGB, wonach die Beklagte ihre vertraglich geschuldete Leistung erst erbringen muss, wenn die Bürgschaft gemäß §4 der AGB im Original vorliegt, ist ebenfalls unwirksam. Die Beklagte kann ihre vertraglich geschuldete Leistung nicht verweigern, weil der Vertragspartner eine Zahlungsbürgschaft nicht beibringt, zu deren Beibringung er, wie soeben dargestellt, gar nicht verpflichtet ist.

18

4.

Das in §9 Nr. 3 c der AGB enthaltene Kündigungsrecht der Beklagten ist nach §308 Nr. 3 BGB unwirksam. Wie oben unter Ziffer 1 dargestellt, besteht keine Verpflichtung des Vertragspartners zur Beibringung einer Zahlungsbürgschaft, von daher kann die Nichterbringung auch nicht zu einem Kündigungsrecht der Beklagten führen.

19

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§91 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, 709 ZPO.