Landgericht Hannover
Beschl. v. 29.05.2009, Az.: 2 O 100/09
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 29.05.2009
- Aktenzeichen
- 2 O 100/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 42933
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2009:0529.2O100.09.0A
In dem Rechtsstreit
...
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover am 29.05.2009 durch die Richterin am Landgericht als Einzelrichterin beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Antrag der Klägerin vom 26.3.2009 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Klägerin begehrt wegen der Folge eines Vorfalls vom 16.12.2008 die Zahlung eines Schmerzensgeldes, deren Höhe sie mit mindestens 10 000,00 € für angemessen erachtet, sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin einen Schaden aus diesem Vorfall zu ersetzen.
Die beabsichtigte Prozessführung der Klägerin bietet nicht die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bereits nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin sind die geltend gemachten Ansprüche, die sich aus § 280 Abs. 1 BGB bzw. aus § 823 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ergeben könnten, schon dem Grunde nach nicht gegeben.
I.
Die Klägerin stützt ihr Begehren auf die folgenden von ihr geschilderten Umstände: Sie sei urplötzlich mit ihrem Fuß in einem Ständer für Einkaufskörbe hängen geblieben, gestrauchelt und schwer auf ihre linke Schulter gestürzt. Dieser Ständer sei leer gewesen und habe sich am Kopfende eines Warenregals befunden (dergestalt, wie auf den Lichtbildern Bl. 18 und 19 d.A. zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen). Die Klägerin hält den Ständer für "verdeckt" abgestellt; während sie seitlich an dem Regal entlang ging, habe sie den Ständer in der Annäherung nicht sehen können, ihn allenfalls im letzten Moment des Herumgehens um das Kopfende des Warenregals bemerken können.
Sie ist der Ansicht, ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht bestehe darin, dass sich der Ständer an der beschriebenen Stelle ohne Sicherung oder Warnhinweis befunden habe; ferner bestehe er darin, dass der Ständer auf Rollen montiert und nicht gegen plötzliches Wegrollen gesichert gewesen sei.
II.
Eine der Klägerin zurechenbare fehlerhafte positive Handlung eines ihrer Bediensteten trifft sie ebenso wenig wie ein Unterlassen dahin, nicht eine besondere Vorsorgemaßnahme getroffen zu haben.
Das Hinstellen von Handeinkaufskörben für kleinere Mengen von Einkäufen gehört zu den üblichen und jedermann bekannten Serviceleistungen in Selbstbedienungsläden bzw. Kaufhausabteilungen. Diese befinden sich typischerweise in Ständern auf Rollen, damit sie beispielsweise vom Kassenbereich zurück zum Einkaufsbereich geschoben werden können. Auch kommt es im Verlauf eines Einkaufstages ohne Weiteres vor, dass ein solcher Ständer zunächst im Kassenbereich und sodann im Warenbereich immer wieder einmal zwischendurch von Einkaufskörben entleert ist. Es ist jedenfalls keine Besonderheit, dass ein solcher Ständer am Ende eines Warenregals steht. Es stellt sich bereits die Frage, wohin er besser gestellt werden sollte; es dürfte sich nicht anbieten, ihn mittig zwischen die Warenregale zu stellen. Im Übrigen gehört es zu den Üblichkeiten, dass an der kurzen Seite eines Warenregals beispielsweise Produktpaletten aufgestellt sind. Gehört das mithin zu den allgemeinen bekannten Üblichkeiten, bedarf es nicht einer besonderen Vorwarnung, dass um die Ecke der Längsrichtung eines Warenregals etwas abgestellt ist.
Verkehrsicherungspflicht bedeutet nicht, für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen zu müssen.
Es ist nicht der Beklagten zuzurechnen, dass die Klägerin offenkundig sehr eng um das Ende des Warenregals gegangen ist und dabei nicht darauf geachtet hat, wohin sie geht, sondern - so ist ihr eigenes Vorbringen zu verstehen - den Blick allein auf das nächste, jedoch in weiterer Ferne befindliche Warenregal oder gar zurück auf das soeben passierte Warenregal gerichtet hat. Indem sich die Klägerin allein auf das Betrachten von Waren beschränkt hat und nicht auf ihre nächsten Schritte geachtet hat, hat sich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, dass mit dem gedankenversunkenen Durchlaufen eines mit typischen Merkmalen ausgestatteten Kaufhauses verbunden ist. Der Sinn von Verkehrssicherungspflichten liegt nicht darin, den Verkehr vor allen denkbaren Gefahren zu warnen oder ihn jeder eigenen Sorgfalt zu entheben, sie dienen vielmehr lediglich dazu, den Verkehr vor solchen Gefahren zu schützen, die er bei Anwendung der zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht erkennen und auf die er sich daher nicht sachgerecht einstellen kann. Die Verkehrssicherungspflicht gebietet erst dann die Warnung vor ein Hindernis, wenn für einen Aufmerksamen die Gefahrenlage völlig überraschend eintritt und nicht ohne Weiteres erkennbar ist ( BGH NJW 1979, 2044; BGHZ 108, 273 ). Diese Voraussetzungen liegen hier gerade nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 GKG; § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.