Landgericht Hannover
Urt. v. 17.03.2010, Az.: 23 O 124/09
Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern i.R.v. im Konzernverbund stehenden Unternehmen bei der Aufsichtsratsbesetzung; Pflichtenkollision eines Aufsichtsratsmitgliedes bei Wahrung der Unternehmensinteressen der Gesellschaft sowie Wahrung der Interessen in seiner Funktion als Rechtsberater für eine andere Gesellschaft; Anfechtung von in einer Hauptversammlung des Aufsichtsrates erfolgten Beschlussfassungen wegen Fehlerhaftigkeit; Anforderungen an das gesetzliche Verbindungsgebot für aktienrechtliche Anfechtungsverfahren; Möglichkeit der Entsenderechte in den Aufsichtsrat für bestimmte Aktionäre; Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex i.R. des bestehenden Wahlrechts der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft; Gefahr dauerhafter Interessenkollisionen in der Person eines Aufsichtsratsmitgliedes; Investorenvereinbarung zwischen einer Hauptaktionärin und dem Vorstand sowie dem Aufsichtsrat als eigenständige Grundlage für die Anfechtung der Aufsichtsratswahlen in der Hauptversammlung
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 17.03.2010
- Aktenzeichen
- 23 O 124/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 35468
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2010:0317.23O124.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 100 Abs. 4 AktG
- § 101 Abs. 2 AktG
- § 104 Abs. 2 AktG
- § 123 Abs. 3 S. 3 AktG
- § 124 Abs. 4 S. 2 AktG
- § 127 AktG
- § 131 AktG
- § 161 AktG
- § 245 Nr. 1, 2 AktG
- § 248 Abs. 1 S. 1 AktG
- § 251 Abs. 2 S. 1 AktG
Fundstellen
- AG 2010, 459-464
- AR 2010, 91
- BB 2010, 2264-2267
- DStR 2010, 11
- EWiR 2010, 345
- GWR 2010, 275
- Konzern 2010, 437-448
- NZG 2010, 744-749
- ZBB 2010, 263
- ZIP 2010, 833-839
...
hat die 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung
am 3. Februar 2010
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landgericht ... und
der Handelsrichter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 23. April 2009 zu Tagesordnungspunkt 5, durch den Rechtsanwalt ... zum Mitglied des Aufsichtsrats gewählt wurde, wird für nichtig erklärt.
Im übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 1. zu 1/10, die Kläger zu 3. bis 9. zu je 1/10 und die Beklagte zu 2/10.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1. tragen die Beklagte zur Hälfte. Im übrigen trägt der Kläger zu 1. seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2. trägt die Beklagte.
Die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 3. bis 8. trägt die Beklagte zu 1/5. Im übrigen tragen die Kläger zu 3. bis 8., die Klägerin zu 9. insgesamt, ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Nebenintervenient zu 1. trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Nebenintervenientin zu 2. trägt ihre durch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 3. Februar 2010 entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst und daneben 2/10 ihrer weiteren außergerichtlichen Kosten. Die übrigen außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin zu 2. tragen der Kläger zu 1. zu 1/10 und die Kläger zu 3. bis 9. zu jeweils 1/10.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
für die Gerichtskosten, sowie die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 3. bis 9., der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 2. auf 250.000 €;
für die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1. auf 100.000 €;
für die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2. und des Nebenintervenienten zu 1. auf 50.000 €.
Tatbestand
Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Ihr Grundkapital beträgt nach dem Stand der Satzung am 23. April 2009 432.655.316,48 €. Das Grundkapital ist eingeteilt in 169.005.983 Stückaktien.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind fünf der zehn Wahlbeschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am. 23. April 2009 zum Tagesordnungspunkt 5 (Aufsichtsratswahlen). Zu wählen waren mit einer Amtszeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das Geschäftsjahr 2013 zu beschließen hat, 10 Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre sowie Ersatzmitglieder für die zu wählenden Aufsichtsräte. Die Wahlen wurden im Verfahren der Einzelwahl durchgeführt (Anlage B 2, Seite 11).
Für die Aufsichtsratswahlen lagen zwei Wahlvorschläge mit jeweils zehn Nominierungen und zwei Ersatznominierungen vor. Der eine Vorschlag war der des Aufsichtsrats der Beklagten. Dieser Wahlvorschlag war in der am 17. März 2009 veröffentlichten Einladung zur Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 (Anlage B 1) enthalten. Der andere, kurz vor Beginn der Hauptversammlung angekündigte Wahlvorschlag wurde von Herrn ... als Vertreter der ... KG, der Hauptaktionärin der Beklagten, in der Hauptversammlung als Antrag gestellt (Anlage B 2, Seite 15-17 und N 6 und 7). Die beiden Wahlvorschläge für die zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder und die zu wählenden Ersatzmitglieder stimmten inhaltlich nur in jeweils einer Nominierung nicht überein. Professor ... war im Wahlvorschlag der Hauptaktionärin nicht genannt. Statt seiner schlug die Hauptaktionärin Herrn ... zur Wahl als Aufsichtsrat vor. Herr ... ist neben Herrn ... ein weiteres Mitglied der Geschäftsführung der persönlich haftenden Gesellschafterin der Dachgesellschaft der Unternehmen der ... Gruppe.
Der Versammlungsleiter der Hauptversammlung am 23. April 2009, der Nebenintervenient zu 1., teilte der Hauptversammlung zu den geänderten Wahlvorschlägen mit, dass Professor ... nach Verabschiedung des Wahlvorschlags des Aufsichtsrats mitgeteilt habe, für das Aufsichtsratsamt nicht zur Verfügung zu stehen. Der Wahlvorschlag der ... KG sei aus diesem Grund geändert und ergänzt.
Wie bereits vom Versammlungsleiter angekündigt, wurde in der Hauptversammlung über die Wahlvorschläge der Hauptaktionärin der Beklagten vorrangig abgestimmt. Die Wahlvorschläge sowohl für die Aufsichtsratsmitglieder als auch für die Ersatzmitglieder des Aufsichtsrates erhielten jeweils die satzungsgemäß erforderlichen Stimmenmehrheiten der Hauptversammlung. Der Versammlungsleiter stellte im Anschluss an die Wahlen die Wahl folgender Aufsichtsratsmitglieder und folgender Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten fest (Anlage B 2, Seite 35 mit Anlagenkonvolut 3):
Aufsichtsratsmitglieder
Dr. ...
Dr. ...
Dr. ...
Prof. Dr.-Ing. ...
...
Dr. ...
...
Dr. ...
Ersatzmitglieder
Dr. h. c. ...
Professor Dr. ...
Über den Wahlvorschlag des Aufsichtsrats der Beklagten wurde danach nicht mehr abgestimmt.
In dem als Teil der Einladung zur Hauptversammlung am 23. April 2004 veröffentlichten Wahlvorschlag des Aufsichtsrats der Beklagten für die Wahlen zum Aufsichtsrat war als ausgeübter Beruf des nominierten ... "Rechtsanwalt" angegeben. Der Wahlvorschlag der Hauptaktionärin der Beklagten benennt als dessen Beruf ergänzend: "Rechtsanwalt und Partner der internationalen Anwaltskanzlei ...".
Den in der Hauptversammlung der Beklagten durchgeführten Wahlen für den Aufsichtsrat vorausgegangen war eine mehrstündige Aussprache, in der der Kläger zu 2., vertreten durch Herrn ..., mündlich mehrere Fragen stellte. Welchen Wortlaut genau die Fragen gehabt haben, wird vom Kläger zu 2. und von der Beklagten nicht übereinstimmend dargestellt.
Der Kläger zu 2. bezieht sich für den Wortlaut auf den Inhalt der Niederschrift über die Hauptversammlung der Beklagten (Anlage B 2 Anlagenband II; Nr. 150 der Urkundenrolle Jahrgang 2009 des Notars ..., Hannover).
Die Beklagte bezieht sich für den Wortlaut der von Herrn ... für den Kläger zu 2. gestellten Fragen auf ein Typoskript der vorläufigen stenographischen Aufzeichnung der Sprechbeiträge des Vertreters des Klägers zu 2. (Anlage B 5 Anlagenband II).
Wegen des Wortlauts des Protokolls und der Übertragungen der stenographischen Aufzeichnung im einzelnen wird auf die genannten Teile der Akte und auf Abschnitt A. 1.
(Seiten 2-6) des Beschlusses der Kammer vom 19. August 2009 in dem Auskunftsverfahren 23 O 90/09 Bezug genommen (Anlage K 11).
Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten haben eine einheitliche Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex abgegeben. Der Text der vor der Hauptversammlung am 23. April 2009 abgegebenen und veröffentlichten Erklärung stammt vom 10. Dezember 2008. Wegen des vollständigen Textes wird auf die Anlage K 2 zu Band I der Akten Bezug genommen. Bezüglich der Empfehlungen betreffend den Aufsichtsrat wird folgende Erklärung abgegeben:
"Die Empfehlungen nach Ziff. 5.4.3, Satz 1 (zwingende Durchführung der Wahlen zum Aufsichtsrat durch Einzelwahl) und Ziff. 5.4.4 (regelmäßiger Ausschluss des Wechsels des bisherigen Vorstandsvorsitzenden oder eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsrat oder den Vorsitz eines Aufsichtsratsausschusses) werden nicht übernommen."
Den Aufsichtsratswahlen in der Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 vorausgegangen war der Ende Januar/Anfang Februar 2009 erklärte Rücktritt von vier der insgesamt zehn Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner im Aufsichtsrat der Beklagten. Nachdem die gewählten Ersatzmitglieder erklärt hatten, dass sie ihr Amt als Aufsichtsrat nicht antreten werden, beantragte der Vorstand der Beklagten beim Amtsgericht Hannover (HRB 3527) am 4. Februar 2009, die Gesellschafter der ... Gruppe, Frau ... und ihren Sohn, Herrn ..., den Vorsitzenden der Geschäftsführung der ... KG, Herrn ... sowie den Nebenintervenienten zu 1. nach § 104 Abs. 2 AktG bis zur Beendigung der nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten zu Mitgliedern des Aufsichtsrats zu bestellen.
Diesem Antrag entsprach das Amtsgericht durch Beschluss vom 5. Februar 2009.
Gegen die Entscheidung, soweit sie die Bestellung des Nebenintervenienten zu 1. betraf, legte der Kläger zu 2. Beschwerde beim Landgericht Hannover ein, das den Vollzug der Entscheidung des Amtsgerichts wegen Fehlern bei der Vorbereitung der Beschlussfassung durch das Amtsgericht (fehlende Anhörung der übrigen Aufsichtsratsmitglieder) durch einstweilige Anordnung zunächst aussetzte, sodann die Beschwerde durch Beschluss vom 12. März 2009 (21 T 2/09) jedoch zurückwies.
In ihrer Entscheidung hat sich die 1. Kammer für Handelssachen insbesondere auch mit den vom Aktiengesetz prinzipiell hingenommenen möglichen Interessenkonflikten von Aufsichtsratsmitgliedern im Konzernverbund stehender Unternehmen bei der Aufsichtsratsbesetzung beschäftigt. Die Kammer hat solche Interessenkonflikte allgemein und gerade auch mit Bezug auf den Nebenintervenienten zu 1. bejaht und ihn dabei als Vertreter der ... Gruppe angesehen. Aus besonderen einzelfallbezogenen Gründen hat die 1. Kammer für Handelssachen die Bestellung auch des Nebenintervenienten zu 1. als hinnehmbar gewertet:
"Jedoch liegen hier besondere Umstände vor, die dazu führen, dass Interessenkollisionen auch bei der gerichtlichen Bestellung eines Vertreters der ... Gruppe als Aufsichtsratsmitglied der ... AG beachtet werden müssen.
Es kann offen bleiben ob sich dies schon im Hinblick auf die kritische Finanzsituation der ... Gruppe ergibt. ... Jedenfalls kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die ... Gruppe in der Investorenvereinbarung vom 20.08.2008 verpflichtet hat, in einem Verfahren wie dem vorliegenden bei der Benennung von Personen, die vom Vorstand für den Aufsichtsrat vorgeschlagen werden sollen, potentielle Interessenkonflikte zu berücksichtigen. In Ziff. III.3.1.1 der Investorenvereinbarung ist geregelt, dass die ... Gruppe mit von ihr benannten Vertretern angemessen im Aufsichtsrat der ... AG repräsentiert sein soll. Im Weiteren heißt es:
Falls ... ein oder mehrere Anteilseigner Vertreter im Aufsichtsrat der ... AG ihr Amt niederlegen, wird der Vorstand im Rahmen des rechtlich Zulässigen ... die gerichtliche Bestellung von ... benannter Personen als Anteilseignervertreter beantragen. ... Die vorstehenden Verpflichtungen der ... AG bestehen nur, wenn und soweit die von ... benannten Personen die nach ... dem Deutschen Corporate Governance Kodex, insbesondere nach den Ziffern 5.4.1 und 5.4.2 ... erstellten Anforderungen erfüllen.
...
Bei dem Beteiligten zu 2 dürfte zwar eine Pflichtenkollision bestehen. Diese ist aber nicht unlösbar. Die Kammer geht vielmehr unter Berücksichtigung der Äußerungen der amtierenden Aufsichtsratsmitglieder davon aus, dass sich die Pflichtenkollision mit Hilfe der Investorenvereinbarung beherrschen lässt.
...
Die Pflichtenkollision besteht darin, dass der Beteiligte zu 2 als maßgeblicher Rechtsberater der ... Gruppe zur Wahrung von deren Interessen verpflichtet ist, während er als Aufsichtsratsmitglied der ... AG allein das Unternehmensinteresse dieser Gesellschaft wahren muss. Das Unternehmensinteresse ist insbesondere auf die Erhaltung des Unternehmens und seine langfristige Rentabilität gerichtet. ..."
Die Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 zum Tagesordnungspunkt 5 werden von den einzelnen Klägerin des durch Beschluss der Kammer vom 22. Juli 2009 (Band IV Blatt 4-9 d.A.) verbundenen und zuvor durch Beschluss der Kammer vom 15. Juli 2009 im Verfahren 23 O 127/09 auf die Aufsichtsratswahlen konzentrierten und isolierten vorliegenden Verfahrens in unterschiedlichem Ausmaß angefochten.
Der Kläger zu 1. wendet sich primär nur gegen die Wahl des Nebenintervenienten zu 1. und der Wahl von Herrn ... als Aufsichtsrat der Beklagten.
Der Kläger zu 2. beanstandet nur die Wahl des Nebenintervenienten zu 1..
Die Kläger zu 3. bis 9. haben ihre zunächst allgemein gegen "die Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt 5" gerichtete Anfechtungsklage in der mündlichen Verhandlung am 3. Februar 2010 dahin präzisiert, dass sie zusätzlich zur Wahl des Nebenintervenienten zu 1. und von Herrn ... auch die Wahlen von Frau ..., Herrn ... und Herrn ... anfechten.
Die Kläger zu 1. bis 7. waren in der Hauptversammlung vertreten und haben ihren Widerspruch zu Protokoll der Hauptversammlung erklärt. Die Kläger zu 8. und 9. waren demgegenüber in der Hauptversammlung nicht anwesend beziehungsweise dort vertreten. Für sie wurde gleichwohl durch den Kläger zu 4. Widerspruch zu Protokoll erklärt.
Die von den Klägern vorgebrachten Anfechtungsgründe konzentrieren sich im Kern auf folgende Gesichtspunkte:
Hinsichtlich der Wahl von Herrn ... liege ein Bekanntmachungsmangel bezüglich seiner Person vor, weil in der Einladung zur Hauptversammlung sein Beruf nur allgemein, nicht jedoch seine Partnerschaft in einer Rechtsanwaltsgemeinschaft bekanntgemacht worden sei (§ 123 Abs. 3 Satz 3 AktG in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung). Die Fehlerhaftigkeit der Bekanntmachung schließe auch die Wahl aufgrund des Wahlvorschlages der Hauptaktionärin der Beklagten aus (§ 124 Abs. 4 Satz 1 AktG). § 124 Abs. 4 Satz 2 AktG finde auf einen nachträglichen Wiederholungsvorschlag keine Anwendung.
Die Beklagte habe die Fragen des Klägers zu 2. betreffend den quantitativen Anteil der durch das ... mandat erzielten Berufseinkünfte des Rechtsanwalts ... an dessen gesamten Berufseinkünften nicht beantwortet (§§ 131 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 243 Abs. 4 Satz 1 AktG).
Die Beklagte habe ihre von Vorstand und Aufsichtsrat am 10. Dezember 2008 (Anlage K 2 zu Band I) abgegebene Erklärung nach § 161 AktG vor der Hauptversammlung am 23. April 2009 nicht geändert. Insbesondere in der Person der Aufsichtsratsmitglieder ... und ... bestünden jedoch wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Ausübung des Aufsichtsratsamtes wegen ihrer engen Verbundenheit zur und Interessenvertretung für die ... Gruppe (Ziffer 5.4.2 Sätze 1 und 2, Ziffer 5.5.3 Satz 2 DCGK). Herr ... habe als Rechtsanwalt und Berater der ... Gruppe den zunächst verdeckt erfolgten wesentlichen Beteiligungserwerb der jetzigen Hauptaktionärin der Beklagten maßgeblich begleitet. Herr ... sei der Finanzchef der Beteiligungsführungsgesellschaft der unternehmerischen Geschäfte der ... Gruppe. Er sei neben Herrn ... Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der ... KG.
Die die Wahlbeschlüsse tragende Hauptaktionärin habe durch die Stimmabgabe gegen die zwischen der ... Gruppe und der Beklagten am 20. August 2008 geschlossene Investorenvereinbarung verstoßen und dadurch ihre, der ... Gruppe, gesellschafterliche Treuepflicht gegenüber den anderen Aktionären der Beklagten verletzt. Zwar sei der Inhalt der Investorenvereinbarung nur durch die Pressemitteilung der Beklagten (Anlage K 1 zu Band I), im übrigen in den Einzelheiten jedoch nicht bekannt. Es bestehe Grund zu der Annahme, dass nach dem Inhalt der Investorenvereinbarung der ... Gruppe als Hauptaktionärin der Beklagten das Benennungsrecht nur für vier Mandate im Aufsichtsrat der Beklagten zustehen solle. Auch der Wahlbewerber ... sei bereits in dem der Hauptversammlung am 23. April 2009 vorausgegangenen gerichtlichen Aufsichtsratsbestellungsverfahren vom Vorstand der Beklagten nach Benennung durch deren Hauptaktionärin als Aufsichtsrat vorgeschlagen und nur deshalb vom Gericht bestellt worden.
Die Kläger zu 3. bis 9. greifen die Beschlussfassungen der Beklagten zum Tagesordnungspunkt 5 wegen der Verletzung ihrer Informationsrechte auf der Grundlage der vom Aktionär ... aus Geldern in der Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 gestellten Fragen an. Die Fragen seien vom Vorstand der Beklagten unzureichend und ausweichend beantwortet worden. Die Kläger zu 3. bis 9. beanstanden darüber hinaus die nicht verwirklichte Ankündigung des Vorstands der Beklagten, innerhalb von 100 Tagen nach der Hauptversammlung ein Gesamtkonzept für die Zukunft der Beklagten, insbesondere mit Blick auf ihr Verhältnis zu ihrer Großaktionärin, der ... Gruppe, vorzulegen. Der Vorstand habe über seine bereits am 23. April 2009 vorhandenen alternativen Überlegungen zu diesem Gesamtkonzept nicht hinreichend informiert. Wegen des weiteren Sachvortrags der Kläger zu 3. bis 9. wird auf ihren Schriftsatz vom 25. Mai 2009 (Seiten 6-9; Band III Blatt 5-9 d.A.) nebst dazu vorgelegter Anlagen Bezug genommen.
Der Kläger zu 1. beantragt;
dass die zu Punkt 5. der Tagesordnung der Hauptversammlung der Beklagten vom 23.04.2009 beschlossene Wahl der
Herren
..., Rechtsanwalt, und
..., Finanzvorstand der ... Gruppe,
zu Aufsichtsratsmitgliedern der Beklagten für nichtig erklärt wird.
Der Kläger zu 2. beantragt:
Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 23. April 2009, durch den zu Punkt 5 der Tagesordnung Herr Rechtsanwalt ... zum Mitglied des Aufsichtsrates gewählt wurde, wird für nichtig erklärt.
Die Kläger zu 3. bis 9. beantragen:
Der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 23. April 2009, durch welchen die Zustimmung zur Neuwahl des Aufsichtsrats (Tagesordnungspunkt 5.) betreffend die Wahlen von Herrn ..., von Herrn ..., von Herrn ..., von Herrn ... und von Frau ... erklärt wird, wird für nichtig erklärt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Nebenintervenienten zu 1. und 2., die dem Verfahren auf Seiten der Beklagten beigetreten sind, beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die Klagen der Kläger zu 8. und 9. schon deshalb für unbegründet, weil diesen Klägern die Anfechtungsbefugnis fehle. Sie seien in der Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 nicht anwesend gewesen und hätten sich dort auch nicht vertreten lassen.
Auch den Klägern zu 3. bis 7. fehle die Anfechtungsbefugnis. Die Nachweise für ihren Anteilsbesitz bezögen sich nicht auf den Tag vor Bekanntmachung der Tagesordnung zur Hauptversammlung am 23. April 2009.
Eine unzureichende Bekanntmachung des tatsächlich ausgeübten Berufes des Wahlbewerbers ... liege nicht vor. Die Bezeichnung als "Rechtsanwalt" treffe zu und sei ausreichend. Im übrigen fehle einer etwaigen Ungenauigkeit der Bekanntmachung die Relevanz für die sodann erfolgte Wahl von Herrn ... als Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten.
Die vom Kläger zu 2. verlangten Auskünfte zu den beruflichen Einkünften von Herrn ... seien in der Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 zutreffend und vollständig gegeben worden. Über weitere Informationen verfüge die Beklagte nicht und könne diese auch nicht beschaffen, da sich Herr ... auf seine rechtsanwaltliche Geheimhaltungspflicht berufe. Eine Entbindung von der Schweigepflicht durch seine Mandanten sei nicht erfolgt und auch nicht zu erreichen gewesen. Eine weitergehende als die erfolgte Beantwortung der gestellten Fragen betreffe keine Angelegenheit der Gesellschaft, sei zur sachgerechten Beurteilung des Wahlvorschlags auch nicht erforderlich und für die Ausübung des Wahlrechts ohne Relevanz.
Eine Unvereinbarkeit zwischen einer Aufsichtsratstätigkeit bei der Beklagten und einer beruflichen Tätigkeit in Unternehmen der Hauptaktionärin der Beklagten bestehe nicht. Das Aktienrecht verbiete nicht die Repräsentanz eines Hauptaktionärs im Aufsichtsrat der Gesellschaft. Eine Interessenkollision könne - wenn - dann nur das künftige Abstimmungsverhalten von Aufsichtsratsmitgliedern im Einzelfall betreffen. Die von der Beklagten durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat abgegebene Erklärung nach § 161 AktG vom 10. Dezember 2008 sei unverändert zutreffend und habe nicht ergänzt oder eingeschränkt werden müssen. Potentielle Interessenkonflikte habe der Aufsichtsrat bei seinen Wahlvorschlägen lediglich zu berücksichtigen (Ziffer 5.4.1 Satz 2 DCGK). Dies sei geschehen. Im Falle des Wahlbewerbers ... müsse zudem berücksichtigt werden, dass er erst in der Hauptversammlung zur Wahl vorgeschlagen worden sei. Der Aufsichtsrat habe ein Auswahl- und Einschätzungsermessen, wie viele unabhängige Mitglieder ihm angehören sollen (Ziffer 5.4.2 Sätze 1 und 2 DCGK).
Die Gefahr von nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikten, bei deren Vorliegen Ziffer 5.5.3 Satz 2 DCGK einem amtierenden Aufsichtsratsmitglied eine Beendigung seines Mandats empfehle, stehe einer Wahl solcher Personen nicht entgegen. Auch hier gelte, dass Herr ... erst in der Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 zur Wahl vorgeschlagen worden sei. Da die Unternehmen der ... Gruppe keine wesentlichen Wettbewerber der Beklagten seien, stünden dort ausgeübte Organfunktionen oder Beratungsaufgaben den Wahlbeschlüssen nicht entgegen (Ziffer 5.4.2 Satz 4 DCGK). Abgesehen davon wirke die Aufsichtsratswahl erst in die Zukunft. Sie erfordere deshalb nicht die Ergänzung der Erklärung der Beklagten zu § 161 AktG bereits im Vorfeld der Wahl.
Eine Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht durch Verstoß gegen die Investorenvereinbarung, die nicht gegeben sei, rechtfertige eine Anfechtung der Wahlbeschlüsse nicht. Die Hauptversammlung der Beklagten sei durch die Investorenvereinbarung nicht gebunden, sondern in ihrer Willens- und Mehrheitsbildung frei. Abgesehen davon habe die Investorenvereinbarung keine dem Gesetz oder der Satzung vergleichbare Normqualität, durch die eine Anfechtung begründet sein könne.
Die vom Vorstand der Beklagten in der Hauptversammlung am 23. April 2009 gegebenen Informationen über künftige unternehmerische Konzepte seien auf der Grundlage des damals vorhandenen Kenntnisstandes zutreffend und vollständig gegeben worden.
Der Nebenintervenient zu 1. verteidigt seine Wahl zum Aufsichtsrat der Beklagten und die Wahl der übrigen Aufsichtsratsmitglieder als in jeder Hinsicht dem Gesetz und der Satzung der Beklagten entsprechend. Er hebt hervor, dass die Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 allein auf der Grundlage des erst in der Hauptversammlung gestellten, kurz zuvor angekündigten Antrags der Hauptaktionärin gefasst worden seien. Die inzwischen ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zur Bedeutung von Erklärungen nach § 161 AktG auf die Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen einer Aktiengesellschaft beziehe sich nicht auf Wahlbeschlüsse zum Aufsichtsrat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im übrigen auf die Seiten 5-62 des Schriftsatzes vom 24. August 2009 (Band IV Blatt 77-133 d.A.) Bezug genommen.
Nach der Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 ist es zu Änderungen in der Zusammensetzung des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten gekommen. Der am 23. April 2009 noch amtierende Vorstandsvorsitzende der Beklagten trat nach einer im Aufsichtsrat zunächst an § 29 Abs. 2 Satz 1 MitbestG gescheiterten Abberufung anschließend vom Amt zurück. Sein Nachfolger wurde zusammen mit drei weiteren Vorstandsmitgliedern anschließend neu bestellt. Herr Dr. ..., der am 23. April 2009 als Mitglied des Aufsichtsrats gewählt worden war, trat vom Amt zurück. Das Amtsgericht Hannover bestellte im Verfahren nach § 104 Abs. 2 AktG Professor Dr. ... als Aufsichtsratsmitglied der Beklagten. Nach vorangegangenem Rücktritt des Nebenintervenienten zu 1. als Aufsichtsratsvorsitzender wählte der Aufsichtsrat der Beklagten Professor Dr. ... zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden.
Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 19. August 2009 im Auskunftsverfahren 23 O 90/09, durch den die Beklagte - dortige Antragsgegnerin - zur Ergänzung ihrer Auskunft betreffend den Kern der Fragen des Klägers zu 2. - dortigen Antragstellers - zum anteiligen Umfang der Berufseinkünfte des Nebenintervenienten zu 1. aus dem ... Mandat an seinen Berufseinkünften als Rechtsanwalt im übrigen für verpflichtet erklärt worden war, wurde auf die vom Landgericht Hannover zugelassene sofortige Beschwerde der Beklagten durch Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Januar 2010 (9 W 93/09) abgeändert und der Auskunftsantrag des Klägers zu 2. zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht verneinte eine weitere Auskunftspflicht, da die verlangten Informationen gegeben beziehungsweise ohnehin allseits bekannt seien. Zur weiteren Sachdarstellung der Entscheidung des Oberlandesgerichts wird auf die Akten (Anlage B 9) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Für das vorliegende Anfechtungsverfahren gilt das Aktienrecht in der am 23. April 2009 geltenden Fassung, also ohne die Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechtes vom 25. Mai 2009, das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie vom 30. Juli 2009 und das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31. Juli 2009.
B.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auch die Kläger zu 3. bis 7. im vorliegenden Verfahren anfechtungsbefugt.
Aus dem Gesamtteilnehmerverzeichnis zur Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 ergibt sich, dass auch die Kläger zu 3. bis 7. in der Hauptversammlung anwesend waren bzw. sich dort haben vertreten lassen und Widerspruch zur Niederschrift des Verhandlungsnotars erhoben haben. Das spricht sowohl für ihren Aktienbesitz als auch für die Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte als Aktionäre der Beklagten. Denn zur Aufnahme in das Teilnehmerverzeichnis mussten sich die Kläger bei der Beklagten anmelden und ihren Beteiligungsbesitz belegen. Die Beklagte hatte die Angaben und die Belege verantwortlich zu prüfen. Für dabei etwa gemachte Fehler oder Versäumnisse hat die Beklagte nichts vorgetragen. Müssten sie festgestellt werden, könnte dies der Ordnungsmäßigkeit der in der Hauptversammlung erfolgten Beschlussfassungen entgegenstehen.
Allerdings bezieht sich der Prüfungszeitpunkt für den Beteiligungsbesitz der im Teilnehmerverzeichnis erwähnten Versammlungsteilnehmer wegen § 123 Abs. 3 Satz 3 AktG nicht auf den Tag, der nach § 245 Nr. 1 i.V.m. § 251 Abs. 2 Satz 1 AktG zur Anfechtung berechtigt.
Es ist jedoch ernstlich zweifelhaft und verfassungsrechtlich nicht unbedenklich, ob Anteilserwerbe im Zeitraum zwischen dem Tag der Einberufung zu der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft und dem Nachweisstichtag nach § 123 Abs. 3 Satz 3 AktG in verfassungsmäßiger Weise von den aus dem Anteilseigentum abzuleitenden Mitgestaltungs- und Mitverwaltungsbefugnissen von Aktionären, wozu auch das Anfechtungsrecht gehört, wirksam ausgeschlossen werden können.
Für die Kammer reicht der Inhalt der vorhandenen Dokumente als Grundlage für die Feststellung der Anfechtungsbefugnis der Kläger zu 3. bis 7. aus. Mit Sachvortrag über eine etwa missbräuchliche Ausnutzung der Anfechtungsrechte durch die Kläger zu 3. bis 7. ist die Beklagte nicht hervorgetreten.
C.
Die Anfechtungsbefugnis der Klägerin zu 8. ist nur insoweit gegeben, als sie die Wahl des Nebenintervenienten zu 1. zum Aufsichtsrat der Beklagten anficht. Im übrigen, nämlich hinsichtlich der Anfechtung der anderen Wahlbeschlüsse, besteht keine Anfechtungsbefugnis der Klägerin zu 8..
Eine Anfechtungsbefugnis der Klägerin zu 9. ist nicht gegeben.
1.
Eine allgemeine Anfechtungsbefugnis der Klägerin zu 8. für die Streitgegenstände des vorliegenden Verfahrens besteht nicht, weil sie in der Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 ausweislich des Teilnehmerverzeichnisses weder anwesend war noch vertreten worden ist und der auch für die Klägerin zu 8. durch den Kläger zu 4. erhobene Widerspruch gegen die in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse für sich allein betrachtet die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 1 i.V.m. § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG weder ersetzt noch ihr Vorliegen belegt.
2.
Die Anfechtungsbefugnis der Klägerin zu 8., allerdings beschränkt auf die Wahl des Nebenintervenienten zu 1., ergibt sich jedoch aus § 245 Nr. 2 AktG i.V.m. § 251 Abs. 2 Satz 1 AktG, weil danach auch nicht erschienene Aktionäre zur Anfechtung berechtigt sind, wenn der Gegenstand einer Beschlussfassung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist.
Dies wird zwar von der Klägerin zu 8. nicht selbst geltend gemacht, wohl aber vom Kläger zu 2. und zwar - nur - hinsichtlich der Bekanntmachung des Wahlvorschlags betreffend die Nomination des Nebenintervenienten zu 1..
Wegen der weitreichenden Wirkungen von gerichtlichen Entscheidungen in aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren (§ 248 Abs. 1 Satz 1 AktG), die zwar nicht allgemein (§ 251 Abs. 3 AktG) auch für die Anfechtung von Aufsichtsratswahlen, jedoch speziell durch die Regelung nach § 252 Abs. 2 Satz 1 AktG dort ebenfalls gelten, und daneben wegen des gesetzlichen Verbindungsgebotes für aktienrechtliche Anfechtungsverfahren (§§ 246 Abs. 3 Satz 5, 251 Abs. 3 AktG) können einzelne Anfechtungsgründe nicht lediglich dem sie konkret geltend machenden Aktionär "zugerechnet", sondern müssen allen in einem einheitlichen Verfahren auftretenden Anfechtungsklägern unabhängig von der jeweils individuellen Begründung zugeordnet werden.
3.
Nicht entscheidend ist dafür auch, ob der geltend gemachte Anfechtungsgrund besteht oder ob er sich letztlich als nicht gerechtfertigt erweist.
Denn die Befugnis, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, die die Regelungen der §§ 245, 251 Abs. 1 Satz 2 AktG begrenzen, kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob eine Rechtsverletzung tatsächlich festzustellen ist oder - nach Prüfung in der Sache - verneint werden muss.
4.
Die gebotene Zuordnung der Anfechtungsgründe, soweit sie zulässiger Weise, insbesondere soweit sie - wie hier - fristgerecht geltend gemacht worden sind, auf alle Kläger eines aktienrechtlichen Anfechtungsverfahrens, ist allerdings auf den Streitgegenstand beschränkt, für den sie vorgebracht werden. Bei der Anfechtung von Wahlbeschlüssen zum Aufsichtsrat, die - wie hier - mittels Einzelwahl durchgeführt worden sind, beschränkt sich die erweiterte Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 2 AktG auf die Streitgegenstände, für die sie - von welchem Anfechtungskläger auch immer - erhoben werden.
Da nur der Kläger zu 2. Bekanntmachungsmängel rügt und auch dies nur hinsichtlich der Wahl des Nebenintervenienten zu 1., ist die erweiterte Anfechtungsbefugnis der Klägerin zu 8. auf diesen Teilstreitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits beschränkt. Im übrigen besteht sie nicht.
5.
Obwohl die erweiterte Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 2 AktG prinzipiell auch von der Klägerin zu 9. geltend gemacht werden kann, ist die Anfechtungsbefugnis dieser Klägerin gleichwohl nicht gegeben, weil nicht festgestellt werden kann, dass diese Klägerin vor der Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 überhaupt Aktionärin der Beklagten war.
Zwar hat die Klägerin zu 9. dies - wie auch die Kläger zu 3. bis 8. - in ihrer Klageschrift vom 25. Mai 2009 (dort auf Seite 5) behauptet und sich zum Beleg auf das Anlagenkonvolut K 1 sowie für den Bestreitensfall auf das Zeugnis von sechs Mitarbeitern verschiedener Banken bezogen. Im Anlagenkonvolut findet sich jedoch kein Nachweis über einen Aktienbesitz auch der Klägerin zu 9..
Ob allein dies ausreicht, den - hilfsweise - gestellten Beweisantrag der Klägerin zu 9. zurückzuweisen, weil kein ausreichender konkret bestreitbarer Sachvortrag gehalten ist, zu dem eine Beweisaufnahme durchgeführt werden könnte, kann hier dahinstehen. Denn ersichtlich werden als Zeugen jeweils Mitarbeiter der Banken benannt, von denen die im Anlagenkonvolut K 1 enthaltenen Dokumente stammen. Ein Mitarbeiter der Bank, bei der die Klägerin zu 9. ihre Aktien der Beklagten gehalten haben will, ist schon nicht darunter, weil insoweit überhaupt kein Dokument vorgelegt wird. Bei dieser Sachvortrag- und Dokumentenlage liefe eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der sechs benannten Zeugen auf eine Beweisermittlung hinaus, die unzulässig ist.
D.
Die Anfechtungsklagen der Kläger zu 1. bis 8. betreffend die Wahl von Rechtsanwalt ... zum Aufsichtsrat der Beklagten durch den Wahlbeschluss der Hauptversammlung am 23. April 2009 sind begründet.
Die Wahl ist für nichtig zu erklären, weil die Erklärung von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten zu § 161 AktG in der Fassung vom 10. Dezember 2008, bezogen auf die Grundsätze für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Beklagten, nicht uneingeschränkt hätte aufrechterhalten werden dürfen, sondern noch vor der Hauptversammlung am 23. April 2009 hätte ergänzt werden müssen. Es musste bekanntgemacht werden, dass im Aufsichtsrat aus Anlass des im Februar 2009 erfolgten Wechsels in der Besetzung, nämlich durch die Aufnahme von vier neuen Vertretern der Anteilseigner, die durch die Hauptaktionärin benannt worden waren, nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte bei einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern nicht auszuschließen seien, deren Bedeutung und Gewicht für die Arbeit des Aufsichtsrats erst durch Beachtung des Inhalts der Investorenvereinbarung vom 20. August 2008 für beherrschbar anzusehen seien (§§ 251 Abs. 1 Satz 1 und 2; 251 Abs. 3, 246, 241 Nr. 5, 243 Abs. 4, 161 AktG).
I.
1.
Es unterliegt allerdings keinem Zweifel, worauf die Beklagte und der Nebenintervenient zu 1. zu Recht ausdrücklich hinweisen, dass das Aktiengesetz von den in den §§ 100, 105 AktG genannten Fällen abgesehen, keine besonderen persönlichen Voraussetzungen an die Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft stellt. Damit ist insbesondere nicht ausgeschlossen, dass Aktionäre mit relevanten Beteiligungsanteilen, also auch und gerade Mehrheitsaktionäre oder Hauptaktionäre, im Aufsichtsrat vertreten sind oder ihn sogar dominieren.
§ 101 Abs. 2 AktG sieht sogar vor, dass in der Satzung einer Aktiengesellschaft für bestimmte Aktionäre Entsenderechte in den Aufsichtsrat eingeräumt werden können, sofern der gesetzliche Höchstanteil von einem Drittel der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre nicht überschritten wird. Daneben können weitere persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder nur in der Satzung begründet werden (§ 100 Abs. 4 AktG).
Im übrigen obliegt die Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, sofern nicht mitbestimmungsrechtliche Einschränkungen bestehen, dem freien Wahlermessen der Hauptversammlung. Dieses Wahl- und das damit verbundene Auswahlrecht gehört - wie das Informationsrecht (§ 131 AktG) - zu den fundamentalen Mitgliedschaftsrechten im Recht der Aktiengesellschaft.
2.
Dass im europäischem Raum bei börsennotierten Gesellschaften die Repräsentanz von Anteilseignern mit einer Kontrollbeteiligung und von deren Vertretern und Beratern in den nicht geschäftsführenden Direktorien und Aufsichtsräten sowie deren Ausschüssen deutlich kritischer gesehen wird als durch das deutsche Aktienrecht, was insbesondere durch die Empfehlung der Kommission vom 15. Februar 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats (ABl. L 51-63) ihre Ausprägung gefunden hat (vgl. dort insbesondere: Erwägungsgrund (7) Sätze 3 bis 6; Abschnitt II Nrn. 4 und 5; Abschnitt III Ziffern 13.1, 13.2., 13.3, 13.3.1; Anhang I Nrn. 2.1 und 4.1; Anhang II Nr. 1 lit. d) und e)) bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner Vertiefung. Empfehlungen der Kommission der Europäischen Union haben weder unmittelbare noch mittelbare Wirkungen auf das nationale Recht, solange der nationale Gesetzgeber bestimmte eigenständige Regelungen getroffen hat, mögen sich aus ihnen auch andere - abweichende - Grundsätze ergeben.
Die Kammer hat deshalb bei ihrer Entscheidung allein das nationale Aktiengesetz zugrundezulegen. Dieses sieht nur in den §§ 100, 105 AktG Bestellungs- und damit Wahlhindernisse für Aufsichtsratsmitglieder vor.
3.
Das so bestehende Wahlrecht der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft wird - auch für börsennotierte Unternehmen - durch die Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex in keiner Hinsicht eingeschränkt. Die dort enthaltenen Grundsätze haben weder Gesetzesqualität noch Satzungscharakter (Landgericht München I, Urteil vom 22.11.2007; 5 HK O 10614/07; OLG München, Urteil vom 06.08.2008, 7 U 5628/07). Die Grundsätze sind insoweit sowohl im Hinblick auf § 243 Abs. 1 AktG als auch speziell für die Anfechtung von Wahlen zum Aufsichtsrat (§ 251 Abs. 1 Satz 1 AktG) ohne primär entscheidungserhebliche Bedeutung.
4.
Für börsennotierte Aktiengesellschaften bestimmt § 161 AktG jedoch, dass Vorstand und Aufsichtsrat jährlich eine Erklärung abzugeben haben, ob den bekanntgemachten Empfehlungen der "Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex" entsprochen werde oder wird und welche Empfehlungen nicht umgesetzt wurden oder werden. Das bedeutet zunächst, dass keine Gesellschaft irgendeine Empfehlung oder Anregung des Deutschen Corporate Governance Kodex zu beachten und/oder ihnen zu folgen hat. Die gesetzliche Pflicht geht nur dahin, sich überhaupt zu den niedergelegten Grundsätzen guter Unternehmensführung zu erklären und jede Abweichung ausdrücklich transparent zu machen.
Dass der Gesetzgeber den Inhalt und die Reichweite der Erklärungspflicht börsennotierter Aktiengesellschaften durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 25. Mai 2009 noch einmal ergänzt und verschärft hat, hat für die rechtliche Beurteilung im vorliegenden Verfahren - noch - keine Bedeutung, weil die Neuregelung zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 23. April 2009 noch nicht wirksam war.
5.
In seiner grundlegenden Entscheidung vom 16. Februar 2009 (II ZR 185/07) hat der Bundesgerichtshof, zu der am 23. April 2009 bereits bestehenden Rechtslage, ergänzend ausgesprochen, dass die nach dem Gesetz jährlich abzugebenden und bekanntzumachenden Erklärungen unterjährig aktualisiert werden müssen, wenn Tatsachen eintreten, die eine Änderung zu einer bisher erklärungsgemäß umgesetzten Unternehmungspraxis begründen. Werde die nach § 161 abgegebene Erklärung eines Unternehmens in Ansehung einer eingetretenen tatsächlichen Lage, sofern sie nicht lediglich unwesentliche Punkte der täglichen Geschäftspraxis der Gesellschaft beträfen, mit Blick auf die Zukunft unrichtig und werde die bisher abgegebene Erklärung zu § 161 AktG - trotzdem - nicht geändert, könne dies die Anfechtbarkeit anschließend getroffener Hauptversammlungsbeschlüsse - im entschiedenen Streitfall eines Aufsichtsratentlastungsbeschlusses - zur Folge haben. Diese Judikatur (ebenfalls noch zur Rechtslage am 23. April 2009) hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 21. September 2009 (II ZR 174/08) bestätigt und bekräftigt.
II.
Bei der Beklagten und in Bezug auf die Besetzung ihres Aufsichtsrates sind zeitlich zwischen der abgegebenen Erklärung zu § 161 AktG vom 10. Dezember 2008 und den in der Hauptversammlung am 23. April 2009 durchgeführten Neuwahlen sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre wesentliche tatsächliche Umstände eingetreten, die eine Ergänzung der Erklärung nach § 161 AktG durch den Aufsichtsrat erforderlich gemacht haben.
1.
Vier amtierende Mitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten hatten im Januar/Februar 2009, also nur kurze Zeit vor der bereits im April 2009 bevorstehenden Hauptversammlung, ihr Amt niedergelegt. Auch die für sie gewählten Ersatzmitglieder hatten erklärt, das auf sie danach zukommende Aufsichtsratsmandat nicht anzutreten.
Dass in allen Fällen persönliche Umstände für die Mandatsverzichte bestimmend waren, ist nicht bekannt geworden, von der Beklagten auch nicht vorgetragen und angesichts der Größe des Personenkreises und der zeitlichen Nähe ihrer synchronen Entschließungen auch als eher fernliegend anzunehmen.
Die tatsächlich eingetretene Anzahl der Rücktritte und Nachfolgeverzichte erhellt sich allerdings vor dem Hintergrund der nach dem Inhalt des Beschlusses des Landgerichts Hannover vom 12. März 2009 insoweit bekannt gewordenen (vgl. auch den genauen Wortlaut insoweit: Anlage N 15), bereits am 20. August 2008 abgeschlossenen Investorenvereinbarung. Danach konnte die neu aufgetretene Hauptaktionärin der Beklagten, die ... KG, die eine Kontrollbeteiligung nach den §§ 21 Abs. 1, 16 Absätze 1 und 4 AktG erworben hatte, für den Fall des Rücktrittes von Aufsichtsratsmitgliedern, bis zu vier neue Aufsichtsratsmitglieder ihres besonderen Vertrauens für den Aufsichtsrat der Beklagten benennen.
2.
Statt für diesen Kontrollwechsel, was nach den §§ 122, 121 Abs. 1 AktG ohne weiteres möglich gewesen wäre, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen oder stattdessen die nur noch kurze Zeit bis zur bevorstehenden ordentlichen Hauptversammlung abzuwarten, wählte der Vorstand der Beklagten den Weg der Aufsichtsratsergänzung durch gerichtliche Bestellung (§ 104 AktG). Der Vorstand schlug dabei dem Gericht die vier Persönlichkeiten zur Bestellung als neue Aufsichtsräte der Beklagten vor, die ihm von der Hauptaktionärin dafür benannt worden waren.
Das dazu entscheidungsberufene Amtsgericht Hannover bestellte daraufhin die vier Vorgeschlagenen zu neuen Aufsichtsratsmitgliedern.
Ob das Amtsgericht bei der Entscheidung die in Ansehung der vorangehenden tatsächlichen Umstände und wegen der kurze Zeit danach ohnehin geplanten ordentlichen Hauptversammlung auf der Hand liegenden Besonderheiten des gestellten Aufsichtsratsergänzungsantrages überhaupt hinreichend erwogen hat, kann dahinstehen. Die Bestellungsentscheidung des Amtsgerichts Hannover blieb mit Ausnahme der Bestellung des Nebenintervenienten zu 1. unbeanstandet und wurde damit bestandskräftig.
3.
Die an sich von Anfang an gebotene eingehende Prüfung erfolgte dann jedoch nachträglich, angesichts des beschränkten Verfahrensgegenstands in der Beschwerde allerdings konkret nur bezüglich der Bestellung des Nebenintervenienten zu 1. als weiterem Aufsichtsratsmitglied der Beklagten, im Beschwerdeverfahren 21 T 2/09 Landgericht Hannover. Nach der schon wegen Verfahrensfehlern (unterlassene Anhörung der anderen Aufsichtsratsmitglieder) zunächst durch einstweilige Anordnung vorübergehend suspendierten Bestellung des Nebenintervenienten zu 1. wurde sie sodann durch den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 12. März 2009 bestätigt und die Beschwerde (des jetzigen Klägers zu 2.) dadurch zurückgewiesen.
In der Entscheidung setzte sich das Landgericht sowohl mit der Frage der für sich betrachtet bedenkenfreien Repräsentation von Vertrauenspersonen der Hauptaktionärin im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft als auch mit der Gefahr von gravierenden Pflichtenkollisionen in der Person des Nebenintervenienten zu 1. als wichtigem Berater der Hauptaktionärin der Beklagten mit Bezug auf die Grundsätze des Deutschen Corporate Governance Kodex auseinander. Das Landgericht bejahte die Gefahr einer solchen Pflichtenkollision, erachtete sie jedoch durch den Inhalt der Investorenvereinbarung vom 20. August 2008 für beherrschbar, da sie den über die Repräsentanz im Aufsichtsrat der Beklagten ausübbaren Einfluss der Hauptaktionärin der Beklagten begrenze. Die schwierige eigene wirtschaftliche Lage der Hauptaktionärin könne sich deshalb auf die Beklagte nicht nachteilig auswirken.
4.
Spätestens nach Bekanntwerden des Inhalts dieser Entscheidung ergab sich für den Aufsichtsrat der Beklagten Handlungsbedarf bezüglich des Inhalts ihrer im Dezember 2008 abgegebenen Erklärung nach § 161 AktG. Denn der Aufsichtsrat musste jetzt berücksichtigen, dass - gerichtlich festgestellt - amtierende Aufsichtsratsmitglieder nicht nur vorübergehenden Interessenkollisionen ausgesetzt sein könnten, die erst auf der Grundlage der Investorenvereinbarung vom 20. August 2008 für beherrschbar anzusehen seien.
a)
Ob der Aufsichtsrat der Beklagten dies, wie Ziffer 5.4.1 Satz 2 DCGK fordert, vor seinem am 17. März 2009 bekanntgemachten Wahlvorschlag für die Aufsichtsratswahlen am 23. April 2009 überhaupt erwogen und berücksichtigt hat, kann allerdings letztlich offenbleiben, weil der Aufsichtsrat dann der Hauptversammlung gegenüber hätte Bericht erstatten müssen (Ziffer 5.5.3 Satz 1 DCGK), was jedoch nicht geschehen ist.
Abgesehen davon musste bei der Erwägung des weiteren Vorgehens bedacht werden, dass ein solcher Bericht, zumal dann, wenn er in der Hauptversammlung lediglich mündlich abgegeben werde, nur an die erschienenen Aktionäre gerichtet sein konnte, während die Erklärung nach § 161 AktG wegen ihrer besonderen Publizität gegenüber allen Aktionären und allgemein gegenüber dem interessierten Fachpublikum und dem Finanzmarkt zu erfolgen hat und erfolgt.
Als nicht ausreichend ist es deshalb schon anzusehen, dass erst in der Hauptversammlung am 23. April 2009 Teile der Investorenvereinbarung offenbar mündlich zur Kenntnis gegeben wurden, wie es sich aus der Niederschrift über diese Hauptversammlung (Seiten 20 und 26), dort allerdings auch nur mittelbar aus den festgehaltenen Beiträgen des Aktionärs ... ergibt.
b)
In seine Prüfung, ob spätestens in Ansehung der Entscheidung des Landgerichts vom 12. März 2009 die abgegebene Erklärung nach § 161 AktG vom 10. Dezember 2009 zu ergänzen war, musste der Aufsichtsrat der Beklagten auch die Grundsätze mit einbeziehen, die § 101 Abs. 2 AktG für die Repräsentation einzelner Aktionäre im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft enthält. Denn danach kann durch Satzung ein Entsendungsrecht für einzelne Aktionäre begründet werden, dies jedoch nur für höchstens ein Drittel der Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat.
Bei der Beklagten bestand Anfang 2009 nun die Lage, dass ohne vorherige Satzungsänderung ein Vorschlagsrecht zur Aufsichtsratspräsenz für die Hauptaktionärin der Beklagten verabredet worden war, das quantitativ noch weiterging als es das Gesetz, selbst bei entsprechender Satzungsregelung, erlaubt. Es kam hinzu, dass von diesem Vorschlagsrecht auch Gebrauch gemacht und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Beklagten entsprechend tatsächlich ohne vorangehende Hauptversammlung nachhaltig geändert worden war.
c)
Zumindest in Verbindung mit den zum gründlichen Nachdenken Anlass gebenden Erwägungen des Beschlusses des Landgerichts vom 12. März 2009, die nicht als Persilschein, sondern eher als Warnschuss zu qualifizieren waren, ergab sich danach die Notwendigkeit, bekanntzumachen, durch welche Mittel die Grundsätze guter Unternehmensführung bei der Beklagten auch jetzt noch verwirklicht werden konnten oder dass von ihnen, was rechtlich ja ohne weiteres möglich war, künftig abgewichen werde.
d)
Wie wenig im Aufsichtsrat der Beklagten die abwägenden und auf Interessenausgleich in schwieriger Lage zielenden Aussagen im Beschluss des Landgerichts vom 12. März 2009 Beachtung und Aufmerksamkeit gefunden haben, zeigt nicht zuletzt der Umgang mit dem ad hoc präsentierten Wahlvorschlag der Hauptaktionärin der Beklagten.
Zwar mag dieser Wahlvorschlag dem Buchstaben der Investorenvereinbarung vom 20. August 2008 noch nicht widersprechen, weil zwar Herr ... zu dem dort angesprochenen Kreis der persönlich und beruflich der Hauptaktionärin verpflichteten Personen gehört, nicht jedoch der Nebenintervenient zu 1.. Mit dem Geist der Vereinbarung ist die Nachnominierung eines weiteren engen Vertrauten der Hauptaktionärin jedoch schwer in Einklang zu bringen, zumal und gerade weil der Nebenintervenient zu 1. erst im Februar 2009, also kurze Zeit zuvor, unter ersichtlichem Bezug auf die Spielräume der Investorenvereinbarung, auf Vorschlag, also als weiterer Repräsentant der Hauptaktionärin, in sein Aufsichtsratsamt gelangt war.
Die Niederschrift über die Hauptversammlung der Beklagten am 23. April 2009 lässt nicht erkennen, dass in dieser Hinsicht ein klärendes Wort seitens des Aufsichtsrats der Beklagten vor allem seines Vorsitzenden, der zugleich Versammlungsleiter der Hauptversammlung war, erfolgt ist, obwohl zumindest dies angebracht erscheinen musste.
Dies lässt darauf schließen, dass der Aufsichtsrat der Beklagten im März 2009 schon seiner Prüfungspflicht im Hinblick auf § 161 AktG nicht ausreichend nachgekommen ist.
e)
Die Gefahr dauerhafter Interessenkollisionen in der Person des Nebenintervenienten zu 1. bei - fortdauernder - Beratung und Vertretung der Hauptaktionärin der Beklagten in deren gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten auch und gerade im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Beklagten einerseits mit der Pflicht zur - ausschließlichen - Wahrung der Interessen der Beklagten als ihr Aufsichtsrat andererseits, war und ist gerade in der instabilen Konzernlage begründet, in der sich die Beklagte zumindest im Jahre 2009 befunden hat. Die durch den Erwerb der Kontrollbeteiligung an der Beklagten erwachsenen großen finanziellen Belastungen der Hauptaktionärin lassen sich nicht stets und ohne weiteres mit den ebenfalls großen eigenen Belastungen der Beklagten aus Unternehmensübernahmen und den Folgen der vor allem auch die Automobil-Zulieferbranche hart treffenden Folgen der allgemeinen Finanzkrise friktionslos in Einklang bringen.
Die von der Beklagten und dem Nebenintervenienten zu 1. in diesem Zusammenhang hervorgehobene allgemeine Erwägung, dass der Hauptaktionär einer Gesellschaft stets ein eigenes vitales Interesse an dem Unternehmen hat, an dem seine Beteiligung besteht, sagt nichts für die Auswahl der Wege, auf denen dieses Interesse verwirklicht werden soll. Die Erwägung allein trägt jedenfalls nicht den Ausgleich der oft unterschiedlichen Interessen zwischen Hauptaktionär, Minderheitsaktionären, Mitarbeitern und Kunden einer Gesellschaft.
Der Hinweis des Nebenintervenienten zu 1. auf die Stellung eines Rechtsanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege (§§ 1, 43 BRAO) sichert ihm nicht die erstrebte Neutralität und Unabhängigkeit zur Beklagten, solange er als Berater die Interessen seiner Mandantschaft zu wahren hat (§ 43 a Abs. 4 BRAO; Ziffer 2.7 BORA), also seine Beratungstätigkeit für die Hauptaktionärin der Beklagten nicht niederlegt. Deshalb können auch viele wichtige und für sich betrachtet durchaus richtige Überlegungen des Nebenintervenienten zu 1. zu den besonderen Pflichten und beruflichen Kompetenzen von Rechtsanwälten im Kontext des vorliegenden Rechtsstreits nicht überzeugen. Der Nebenintervenient zu 1. kann selbstverständlich seinen beruflichen Pflichten als Rechtsanwalt für die von ihm vertretenen Mandanten - auch mit der gebotenen Diskretion - nachkommen. Dieses Recht und die Pflicht zur - auch einseitigen - Interessenvertretung muss dann aber auch ausdrücklich benannt und transparent gemacht werden - dürfen -, wenn er Amt und Funktionen anstrebt und erhält, für die Distanz und Ausgewogenheit vorrangig ist.
f)
Die Notwendigkeit einer Ergänzung der Erklärung des Aufsichtsrats der Beklagten nach § 161 AktG bereits vor der Hauptversammlung am 23. April 2009 ergab sich mit Bezug auf den Nebenintervenienten zu 1. vor allem auch deshalb, weil er durch den Aufsichtsrat zu dessen Vorsitzenden gewählt worden war, also zu seinem Doppelmandat eine weitere herausgehobene Funktion und - qua diesen Amtes - auch noch satzungsgemäß das Amt des Versammlungsleiters für die Hauptversammlung erhalten hatte und auszuüben musste. Dabei war mit dem Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der paritätisch mitbestimmten Beklagten zudem das Doppelstimmrecht nach §§ 29 Abs. 2 Satz 1 MitBestG verbunden, das - erneut - eine gegen jeden Zweifel erhabene, in jeder Hinsicht neutrale, unabhängige Amtsführung zwingend erforderte.
Die zu späterer Zeit, nach der Hauptversammlung, nämlich im Juli/August 2009 beobachtbaren Sachverhalte im Zusammenhang mit der weitgehenden Neubesetzung des Vorstands der Beklagten, vor allem dem Wechsel im Vorstandsvorsitz, zeigen die besonderen Herausforderungen und Belastungen, die die praktische Konkordanz kumulierter und konfligierender Funktionserwartungen mit sich bringen kann.
5.
Aus alledem ergibt sich, dass der Aufsichtsrat der Beklagten noch vor der Hauptversammlung am 23. April 2009 den eingetretenen Kontrollwechsel im Aufsichtsrat transparent machen, die besondere Interessenkonfliktgefahr in der Person des Nebenintervenienten zu 1. ausdrücklich ansprechen und die Begrenzung der eingetretenen Risiken durch die Investorenvereinbarung vom 20. August 2008 offenbaren und alles dies in eine Ergänzungserklärung nach § 161 AktG aufnehmen musste.
Da dies unterlassen worden ist, ist die Wahl zumindest der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner der Beklagten bedenklich, die dem Aufsichtsrat bis zur Hauptversammlung am 23. April 2009 bereits angehört haben. Dies gilt jedenfalls für den Nebenintervenienten zu 1., dem als seinerzeit amtierendem Vorsitzenden des Aufsichtsrats die Gesamtverantwortung für die rechtmäßige Erfüllung der dem Gremium obliegenden Erklärungspflichten auferlegt war.
III.
Für die rechtliche Folgen der am 23. April 2009 nicht mehr zutreffenden Erklärung der Beklagten nach § 161 AktG für die in der Hauptversammlung der Beklagten durchgeführten Aufsichtsratswahlen ist es im Ergebnis nicht entscheidend, dass vom Nebenintervenienten zu 1., dem Versammlungsleiter, zur Grundlage der Wahlhandlung nicht der Wahlvorschlag des Aufsichtsrats der Beklagten, sondern ausschließlich der Antrag der Hauptaktionärin zur Abstimmung gemacht worden ist. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Hauptaktionärin der Beklagten, ungeachtet ihrer Bindung an die Investorenvereinbarung vom 20. August 2008, nicht Adressatin der Erklärungspflicht aus § 161 AktG ist und sie deshalb das dort enthaltene gesetzliche Gebot nicht trifft.
1.
Denn es ist schon zweifelhaft, ob der Wahlvorschlag der Hauptaktionärin auch insoweit als eigenständige Nominierung angesehen werden konnte, als er inhaltlich mit dem am 17. März 2009 bekanntgemachten Wahlvorschlag des Aufsichtsrats der Beklagten übereinstimmte. Es ist nämlich nicht unbedenklich, ob der Versammlungsleiter, der Nebenintervenient zu 1., von dem ihm zustehenden Verfahrensführungsermessen sachgerecht Gebrauch machte, als er den Wahlvorschlag der Hauptaktionärin der Beklagten, als vermeintlich weitergehenden Antrag, vorrangig zu behandeln wertete und insgesamt primär zur Abstimmung stellte, obwohl darin an sich nur ein Ergänzungsvorschlag betreffend die Nominierung von Herrn ... enthalten war, der nach der Verlautbarung des Nebenintervenienten zu 1. erforderlich geworden sei, weil einer der zunächst vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Persönlichkeiten, Herr Professor ..., seine Bereitschaft zur Annahme einer Wahl als Aufsichtsrat der Beklagten zurückgezogen hatte. Die vorrangige Behandlung des Wahlvorschlags der Hauptaktionärin war zudem deshalb zweifelhaft, weil die Aufsichtsratswahlen ohnehin als Einzelwahlen durchgeführt werden sollten und auch tatsächlich durchgeführt wurden.
2.
Selbst wenn man das Vorgehen des Nebenintervenienten zu 1. aus rein praktischen, vor allem technischen Gründen, da die Wahlunterlagen zur Hauptversammlung am 23. April 2009 bereits auf der Grundlage des Wahlvorschlags des Aufsichtsrats der Beklagten vorbereitet waren, noch hinnehmen kann, hat dies den sachlichen Kern der Wahlgrundlagen für die Aufsichtsratswahlen nicht geändert. Es blieb eine Wahl auf der Grundlage des Wahlvorschlags des Aufsichtsrats der Beklagten, ergänzt um die aus gegebenem Anlass erforderlich gewordene Nachnominierung von Herrn ... nur insoweit auf Vorschlag und Antrag der Hauptaktionärin der Beklagten (§§ 127, 126 AktG). Nur insoweit lag auch ein vorrangig abzustimmender Wahlvorschlag von Aktionären vor (§ 137 AktG).
Jede andere rechtliche Bewertung des Wahlvorgangs müsste die Verfahrensweise des Versammlungsleiters als rein taktische Verfahrensführung zur Umgehung von Anfechtungsmöglichkeiten werten, womit sich der Nebenintervenient zu 1. außerhalb seiner Neutralitätspflichten als Versammlungsleiter gestellt hätte. Die Kammer hat keinen Anlass, dies dem Nebenintervenienten zu 1. zu unterstellen. Die Kammer vermag auch nicht anzunehmen, dass die Hauptaktionärin der Beklagten mit ihrem umfassenden Wahlvorschlag ihr eigenes Antragsrecht zur Aufsichtsratswahl nach § 127 AktG zur Ausschaltung von Anfechtungsmöglichkeiten für die anderen Aktionäre instrumentieren und im Zusammenwirken mit dem Nebenintervenienten zu 1. als Versammlungsleiter missbräuchlich einsetzen wollte.
IV.
Die Kammer folgt der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts München in dessen - noch nicht rechtskräftigen - Urteil vom 6. August 2008 (7 U 5628/07 - MAN/VW), dass die unterlassene Ergänzung oder Änderung der Erklärung nach § 161 AktG als Gesetzesverstoß im Sinne der §§ 243 Abs. 1, 251 Abs. 1 Satz 1 AktG zu werten ist und die Anfechtbarkeit eines Wahlbeschlusses zum Aufsichtsrat zur Folge hat, wenn ein solcher Verstoß festzustellen ist, was vorliegend gegeben ist.
Der insbesondere vom Nebenintervenienten zu 1. vertretene, in der mündlichen Verhandlung am 3. Februar 2010 noch einmal besonders unterstrichene Standpunkt, durch eine solche gerichtliche Entscheidung würde das Wahlrecht der Anteilseigner in der Hauptversammlung, ein zentrales Mitgliedschaftsrecht, entwertet und die Hauptversammlungsmehrheit für Fehler in die Pflicht genommen, die andere begangen haben, überzeugt nicht.
Das in der Tat freie Wahlrecht der Anteilseigner eine Aktiengesellschaft steht nicht über dem Gesetz, sondern kann sich nur in dessen Rahmen manifestieren und in dessen Grenzen Wirkung entfalten. Die individuelle Verantwortlichkeit für Gesetzesverletzungen und ihre Zuordnung zu bestimmten Verantwortungsträgern ist keine Voraussetzung für die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen. Weder § 243 Abs. 1 AktG noch § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG enthalten subjektive Tatbestandsvoraussetzungen.
V.
Es sprechen erhebliche Gründe dafür, dass die Wahl des Nebenintervenienten zu 1. zum Aufsichtsrat der Beklagten auch deshalb anfechtbar und für nichtig zu erklären ist, weil der von ihm ausgeübte Beruf in der Einladung zur Hauptversammlung am 23. April 2009 nicht ausreichend bekanntgemacht worden ist (§§ 251 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 251 Abs. 2, 243 Abs. 1, 246, 241 Nr. 5, 124 Abs. 3 Satz 3, 124 Abs. 4 Satz 1 AktG).
1.
In seiner Entscheidung vom 25. November 2002 (II ZR 49/01) hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass die in einem Wahlvorschlag - des Aufsichtsrats - fehlende Bekanntmachung der partnerschaftlichen beruflichen Verbindung eines Nominierten - im entschiedenen Streitfall eines Abschlussprüfers - zur Nichtigkeit der Wahl führe. Maßgebend sei allein die Beschlussfassung über einen Tagesordnungspunkt, der gesetzwidrig und damit nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden sei. Der Sinn der Mitteilung der Tagesordnungspunkte einschließlich der Beschlussvorschläge sei die sachgerechte Information der Aktionäre, aufgrund deren sie nicht nur in die Lage versetzt werden sollen, sich mit den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung zu befassen, sondern auch, ob sie überhaupt an der Hauptversammlung - selbst oder vertreten durch Dritte - teilnehmen sollen. Gerade dieser Entscheidung über die Teilnahme trage auch das in § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG ausgesprochene strikte gesetzliche Verbot, über fehlerhaft bekanntgemachte Gegenstände der Tagesordnung Beschluss zu fassen, Rechnung.
Allerdings hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 21.03.2006; 10 U 17/05) dazu ergänzend erkannt, dass ein Bekanntmachungsfehler die Anfechtung der Wahl von Aufsichtsräten dann nicht trage, wenn der Fehler so marginal sei, dass ihm die erforderliche Relevanz für den entsprechenden Wahlbeschluss fehle. Diese rechtliche Beurteilung eröffnet nur - und fordert dann - die Notwendigkeit einer Prüfung des Bekanntmachungsfehlers im Einzelfall. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist weder vom Gesetz noch von der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abgewichen.
2.
In der Tat ist es nicht offensichtlich, ob die bekanntgemachte Berufsangabe "Rechtsanwalt" in Bezug auf den Wahlbewerber ... überhaupt eine, § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG verletzende Angabe der ausgeübten beruflichen Tätigkeit ist. Herr ... ist Rechtsanwalt und übt diesen Beruf auch tatsächlich aus.
Die partnerschaftliche Verbundenheit eines Rechtsanwalts zusammen mit anderen Berufsträgern ist, zumal in der heutigen Zeit und vor allem im Wirtschaftsrecht, kein ungewöhnlicher Zustand mehr, durch dessen Offenbarung im Regelfall eine relevante zusätzliche Information erreicht werden kann. Die Berufsangabe "Rechtsanwalt" in der Wahlbekanntmachung zur Hauptversammlung am 23. April 2009 kann deshalb nicht ohne weiteres, vor allem mit der einschneidenden Folge des Beschlussverbots nach 124 Abs. 4 Satz 1 AktG als fehlerhaft angesehen werden. Der Angabe, um welche Kanzlei es sich dabei handelt, kommt jedoch ein besonderer Informationswert zu. Denn bei der internationalen Rechtsanwaltsgemeinschaft ... handelt es sich nicht nur um eine große Beratungspraxis. Diese Kanzlei ist im nationalen und internationalen Wirtschafts- und Rechtsverkehr vielmehr für ihre engagierte Beratung und Begleitung von Unternehmenszusammenschlüssen und Unternehmensübernahmen weithin bekannt und genießt dafür einen besonderen Ruf.
In dieser Hinsicht ist die partnerschaftliche Verbundenheit von Rechtsanwalt ... zu dieser Kanzlei eine wichtige Information zur Beurteilung seiner beruflichen Tätigkeit und der Kompetenz- und Interessenschwerpunkte für die angestrebte Amtsführung als Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten, die hier noch dadurch als besonders herausgehoben zu qualifizieren war, da der bekanntgemachte Wahlvorschlag des Aufsichtsrats die Absicht bekundete, Rechtsanwalt ... zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Beklagten zu wählen, eine Funktion, die er zu Beginn der Hauptversammlung bereits innehatte und als der er satzungsgemäß auch das Amt des Versammlungsleiters der Hauptversammlung am 23. April 2009 ausübte. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es einen anderen Informationswert für die Ausübung des Wahlrechts hat, zu wissen, ob der Wahlbewerber nur Soziusanwalt ist oder ein ausgewiesener Spezialist für Unternehmensstrukturmaßnahmen und Unternehmensübernahmen in einer Großkanzlei, die gerade auch dieses Beratungs- und Handlungsfeld hervorgehoben zu ihren Arbeitsschwerpunkten rechnet.
3.
Letztlich kann die Entscheidung, ob insoweit ein relevanter Bekanntmachungsfehler vorliegt, der dann - selbständig und schon allein für sich betrachtet - die Nichtigkeit der Wahl des Nebenintervenienten zu 1. zur Folge hätte, offenbleiben.
Dies beruht nicht darauf, dass dazu erneut die Feststellung erforderlich wäre, dass der einer Bekanntmachung nicht bedürfende Wahlvorschlag der Hauptaktionärin der Beklagten (§ 127 Satz 3 AktG), der eine genauere Information enthielt, in welcher Rechtsanwaltskanzlei der Nebenintervenient zu 1. seinerzeit tätig war, in Bezug auf ihn nicht als eigenständiger Wahlgegenantrag zu werten war und als solcher verfahrensmäßig auch nicht hätte behandelt werden dürfen (siehe oben unter D. III.). Es bedarf auch nicht der Vertiefung, wie das Beschlussverbot aus § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG zur Vermeidung von missbräuchlichen Umgehungen durch ad-hoc-Anträge in der Hauptversammlung im Lichte von § 127 Abs. 3 AktG von § 124 Abs. 4 Satz 2 AktG abzugrenzen ist. Entscheidend ist für die Kammer allein, dass einem formellen Verstoß gegen Bekanntmachungsvorschriften in ihrer Bedeutung für ordnungsgemäße Beschlussfassungen der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft jedenfalls geringeres Gewicht beizumessen ist als einem Verstoß bei der Beachtung der Grundsätze und Empfehlungen guter Unternehmensführung und der Transparenz ihrer Nichtbeachtung (§ 161 AktG).
VI.
Für die Nichtigkeit der Wahl des Nebenintervenienten zu 1. zum Aufsichtsrat der Beklagten bedarf es keiner Vertiefung der Frage, ob die Beklagte in der Hauptversammlung am 23. April 2009 das Auskunftsrecht des Klägers verletzt hat oder ob dies nicht der Fall war (§§ 251 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 246, 241 Nr. 5, 131 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 243 Abs. 4 AktG).
Bereits in der mündlichen Verhandlung über den Informationserzwingungsantrag des Klägers zu 2. am 22. Juli 2009 im Verfahren 23 O 90/09 hatte die Kammer ausdrücklich hervorgehoben, dass ein Automatismus zwischen Informationspflichtverletzung auf der einen und Anfechtbarkeit einer Beschlussfassung in der Hauptversammlung auf der anderen Seite nicht besteht. Das entspricht auch ständiger Rechtsprechung.
Für die Anfechtungsklagen der Kläger zu 1. bis 8. betreffend die Wahl des Nebenintervenienten zu 1. bedarf es auch nicht mehr der Auseinandersetzung, wonach der Kläger nun tatsächlich gefragt hat und ob die von ihm verlangte Information nicht gegeben wurde (so die Kammer in ihrem Beschluss vom 19.08.2009) oder ob der Kläger zu 2. der Information nicht mehr bedurfte, weil die nachgefragten Tatsachen allseits bekannt waren (so das OLG Celle in seiner Beschwerdeentscheidung vom 26.01.2010 - 9 W 93/09). Denn das danach auf der Basis des Beschlusses des Oberlandesgerichts Celle allseits Bekannte ist Grundlage der Entscheidung der Kammer, angesichts dessen die Ergänzung der Erklärung der Beklagten nach § 161 AktG für erforderlich zu halten (siehe oben unter D. I. bis IV).
VII.
Die Investorenvereinbarung zwischen der Hauptaktionärin der Beklagten und dem Vorstand sowie dem Aufsichtsrat der Beklagten und dem Garantor vom 20. August 2009 ist jedenfalls für die Kläger zu 1. bis 8. keine eigenständige Grundlage für die Anfechtung der Aufsichtsratswahlen in der Hauptversammlung am 23. April 2009.
1.
Die Aktionäre der Beklagten, also auch die Kläger zu 1. bis 8., sind nicht Vertragspartner der Vereinbarung. Die Vereinbarung hat auch keinen Satzungscharakter. Dass ihr Gesetzeskraft fehlt, versteht sich von selbst.
Die Kläger zu 1. bis 8. haben auch nicht aufgezeigt, dass ihnen durch die Investorenvereinbarung als etwa begünstigten Dritten eigene Rechte auf Ausübung von Stimmrechten aus den Aktien der Hauptaktionärin in bestimmter Weise oder auf Unterlassung bestimmter Abstimmungen, also aus echten Stimmbindungsvereinbarungen, zugewiesen wären.
2.
Allerdings ist denkbar, die Investorenvereinbarung vom 20. August 2008 als Konkretisierung der Treuepflicht zu werten, die jedem Aktionär einer Aktiengesellschaft obliegt (§ 243 Abs. 2 Satz 1 AktG), um vermeidbaren Schaden von der Gesellschaft oder ihren Aktionären abzuwenden.
Inwieweit sich diese Treuepflicht allerdings auch auf Aufsichtsratswahlen erstrecken kann - § 251 Abs. 1 Satz 3 AktG verweist nur auf § 243 Abs. 4 AktG und wiederholt in § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG lediglich § 243 Abs. 1 AktG, nicht jedoch § 243 Abs. 2 Satz 1 AktG - kann hier jedoch dahinstehen. Denn es fehlt jedenfalls an Sachvortrag der Kläger, dass und wie sich das Abstimmungsverhalten der Hauptaktionärin der Beklagten und etwa ihr zuzurechnender weitere Aktionäre konkret bei den Wahlen zum Aufsichtsrat ausgewirkt hat. Dies ist jedoch die als tatsächliche Grundlage für jede, an eine konkrete Stimmrechtsausübung angeknüpfte Beschlussanfechtung unerlässliche, in der Darlegungslast der Anfechtungskläger liegende Voraussetzung.
E.
Die Anfechtungsklagen des Klägers zu 1. und der Kläger zu 3. bis 7. betreffend die Wahl von Herrn ... zum Aufsichtsrat der Beklagten sind nicht begründet.
Herr ... wurde von der Hauptversammlung mit der für seine Wahl erforderlichen Mehrheit erst aufgrund eines entsprechenden eigenständigen, nach § 127 AktG zulässigen Ergänzungswahlvorschlags der Hauptaktionärin der Beklagten, der erst unmittelbar vor der Hauptversammlung verlautbart und erstmals in der Hauptversammlung gestellt worden war, zum Aufsichtsrat der Beklagten gewählt.
Die unterlassene Ergänzung der Erklärung des Aufsichtsrats der Beklagten nach § 161 AktG war für die Wahl von Herrn ... nicht entscheidend. Dessen große Nähe zur Hauptaktionärin wurde der Hauptversammlung gegenüber nicht verborgen gehalten. Die Allgemeinwirkung der unterlassenen Erklärung nach § 161 AktG auch gegenüber den nicht in der Hauptversammlung erschienenen Aktionären der Beklagten konnte mit Bezug auf ihn keine Wirkung entfalten, weil er erst - at hoc - als Kandidat nominiert worden war und es einer Bekanntmachung der Nominierung nicht bedurfte (§ 127 Satz 3 AktG).
In der Person von Herrn ... liegende, persönliche gesetzliche Bestellungs- und damit Wahlhindernisse, sind von den Klägern zu 1. und 3. bis 7. nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich. Besondere, speziell die Wahl von Herrn ... betreffende Anfechtungsgründe werden von diesen Klägern auch nicht vorgebracht.
Aus der Investorenvereinbarung vom 20. August 2008 können die Kläger zu 1. und 3. bis 7. kein Abstimmungsverbot gegenüber der Hauptaktionärin der Beklagten herleiten, weil diesen Klägern dazu die individuelle Berechtigung fehlt. Gesellschaftliche Treuepflichten für Aktionäre bestehen bei Aufsichtsratswahlen nicht (siehe oben unter D.VII.).
F.
Die Anfechtungsklagen der Kläger zu 3. bis 7. betreffend die Wahl von Herrn ..., Herrn ... und Frau ... zu Aufsichtsräten der Beklagten sind ebenfalls unbegründet.
Der von den Klägern zu 1. und 2. vorgebrachte Anfechtungsgrund aus § 161 AktG hat für die Kläger zu 3. bis 7. nur insoweit rechtliche Wirkungen, als er auf die Streitgegenstände bezogen ist, die die Kläger zu 1. und 2. neben den Klägern zu 3. bis 7. zulässigerweise, nämlich fristgerecht geltend gemacht haben, also für die Wahlen des Nebenintervenienten zu 1. und von Herrn .... Im übrigen, nämlich für die nur von den Klägern zu 3. bis 7. angefochtenen Wahlbeschlüsse von weiteren drei Aufsichtsratsmitgliedern ist dieser rechtliche Gesichtspunkt demgegenüber prozessual nicht wirksam geltend gemacht worden und damit nicht beachtlich.
Soweit die Kläger zu 3. bis 7. in ihrer Klage überhaupt eigenständige Anfechtungsbegründungen vorgebracht haben, greifen diese nicht durch.
Die sehr allgemein gehaltenen Anfechtungsbegründungen der Kläger zu 3. bis 7. haben die Kammer schon betreffend die Streitgegenstände, die Gegenstand des Rechtsstreits 23 O 123/09 sind, nicht überzeugt. Insoweit wird auf die Abschnitte B.III.5., B.IV.8. und B.IV. 10. des Urteils der Kammer vom 3. Dezember 2009 Bezug genommen. Bezogen auf die Aufsichtsratswahlen am 23. April 2009 sind die vorgebrachten Argumente noch fernliegender als dort.
G.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Absätze 1 bis 3, 101 ZPO.
Drei Wahlbeschlüsse fechten nur die Kläger zu 3. bis 9. an, einen weiteren zusammen nur mit dem Kläger zu 1.. Lediglich die Unwirksamkeit der Wahl des Nebenintervenienten zu 1. wird von allen Klägern gemeinsam angegriffen. Die Anfechtungsbefugnis der Klägerin zu 9. fehlt gänzlich; die der Klägerin zu 8. ist auf einen Streitgegenstand beschränkt.
Der Nebenintervenient zu 1. ist zwar hinsichtlich seiner Wahl interventionsbefugt (§ 252 Abs. 1 AktG), im übrigen aber nicht (§§ 251 Abs. 2 Satz 1, 245 Nr. 5 AktG).
Die Nebenintervenientin zu 2. war in der mündlichen Verhandlung am 3. Februar 2010 nicht ordnungsgemäß vertreten. Die auf Rüge des Klägers zu 4. hin vom Gericht zu prüfende Vollmacht des für die Nebenintervenientin zu 2. erschienenen Rechtsanwalts (§ 88 ZPO) hat ergeben, dass er in der von ihm vorgelegten Vollmachtsurkunde der Nebenintervenientin zu 2. nicht als bevollmächtigter Rechtsanwalt benannt ist. Eine danach notwendige Untervollmacht wurde nicht vorgelegt.
H.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung ergeht nach § 709 Satz 1 ZPO.
I.
Den Streitwert hat die Kammer nach § 247 Abs. 1 AktG bestimmt.
Zu bewerten ist dabei jeder Streitgegenstand gesondert, zumal die Kläger die unterscheidbaren Streitgegenstände streitgenössisch unterschiedlich anhängig gemacht haben.
Die besondere Bedeutung und das Gewicht der Streitgegenstände erfordert hier eine Wertbestimmung, die über die durchschnittliche Bewertung von Wahlbeschlussanfechtungen hinausgeht.
Anträge nach § 247 Abs. 2 AktG sind innerhalb der Frist nach § 247 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht gestellt worden.