Landgericht Hannover
Urt. v. 10.02.2009, Az.: 26 O 51/08
Provisionen für einen Handelsvertreter aus dem Handelsvertreterverhältnis; Wirksame Verrechung der Provisionen mit Bestellungen; Zurverfügungstellung der zur Ausübung der Tätigkeit des Handelsvertreters erforderlichen Unterlagen durch den Unternehmer
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 10.02.2009
- Aktenzeichen
- 26 O 51/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 25665
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2009:0210.26O51.08.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 10.12.2009 - AZ: 11 U 50/09
- BGH - 04.05.2011 - AZ: VIII ZR 10/10
- BGH - 01.06.2011 - AZ: VIII ZR 10/10
Rechtsgrundlagen
- § 86a Abs. 1 HGB
- § 86a Abs. 3 HGB
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ein Handelsvertreter ist Kaufmann und betreibt ein selbstständiges Gewerbe.
- 2.
Verrechnet ein Unternehmen vermeintliche Ansprüche aus Bestellungen gegen einen Handelsvertreter mit dessen Provisionsansprüchen, so kommt für den Zahlungsanspruch des Handelsvertreters gegen das Unternehmen nur Bereicherungsrecht in Betracht, wobei der Handelsvertreter in allen Einzelheiten darlegungs- und beweispflichtig ist, wenn das Unternehmen die Verrechnungen auf Anweisung des Handelsvertreters vorgenommen hat.
- 3.
Soweit ein Handelsvertreter geltend macht, die von dem Unternehmen - auf seine Anweisungen hin - vorgenommenen Verrechnungen seien unwirksam, weil gem. § 86 a HGB der Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen zur Verfügung zu stellen habe und davon abweichende Vertragsbedingungen im Handelsvertretervertrag unwirksam seien, muss er bei jedem Einzelvertrag darlegen, dass in Wirklichkeit ein Vertragsverhältnis trotz seiner Bestellung nicht wirksam zustande gekommen ist, weil dieser Vertrag gem. § 86 a Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat.
- 4.
Wenn ein Handelsvertreter nach dem Handelsvertretervertrag sämtliche persönlichen und sachlichen Kosten seines Geschäftsbetriebes einschließlich der Kosten für Personal, Reiseaufwendungen, Bürobedarf, Porto, Telefon etc. zu bestreiten hat, reicht ein allgemeiner Hinweis, alle selbst in Anspruch genommenen Leistungen seien erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86 a Abs. 1 HGB gewesen, nicht aus.
In dem Rechtsstreit
[...]
hat die 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht W.,
den Handelsrichter K. und
den Handelsrichter von B.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 115% des zu vollstreckenden Betrages wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger war vom 17.04.2004 bis 31.10.2007 als Handelsvertreter auf Grundlage des Handelsvertretervertrages vom 17.04.2004 tätig. Das Vertragsverhältnis wurde durch die Kündigung des Klägers vom 10.07.2007 per 31.10.2007 beendet.
Der Kläger hat zur Firma ________ als Handelsvertreter gewechselt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung persönlich angegeben, sein neuer Arbeitgeber finanziere diesen Prozess.
Die Beklagte hat mit dem Kläger während dessen Tätigkeit als Handelsvertreter im Rahmen der laufenden Rechnung monatlich durch Provisionsabrechnungen abgerechnet. Der Kläger hat zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit bei der Beklagten Gegenstände bestellt wie Werbemittel, Info-Unterlagen, Planungs- und Repräsentationsunterlagen, Schreibutensilien und andere Werbemittel. Die jeweiligen Bestellungen des Klägers bei der Beklagten wurden nach Auslieferung der Gegenstände in der jeweiligen Provisionsabrechnung des Folgemonats verrechnet. Dasselbe gilt für Kosten der Veranstaltungen, an denen der Kläger teilgenommen hat, wie z.B. die Veranstaltung zum Erwerb der sogenannten A-Lizenz oder die Teilnahme am Tag der Vertriebsarbeit. Ferner berechnete die Beklagte dem Kläger die Nutzung der überlassenen ____-Software mit monatlich 80 EUR.
Die Beklagte hat für diese drei Positionen bei dem Kläger insgesamt während dessen Tätigkeit von den Provisionen auf dessen Anweisung hin 10.079,61 EUR einbehalten.
Mit der Klage verfolgt der Kläger diese Provisionsansprüche.
Er meint, die Beklagte habe nicht mit ihren vermeintlichen Gegenansprüchen in den monatlichen Abrechnungen aufrechnen können, weil die Beklagte all diese Leistungen dem Kläger gem. § 86 a Abs. 1 und 3 HGB hätte unentgeltlich zur Verfügung stellen müssen. Wegen der umfangreichen rechtlichen Begründung des Klägers wird auf die Anspruchsbegründung vom 25.04.2008, Seite 12 ff. ab 2 ff. (Blatt 27 ff. Gerichtsakten) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 10.079,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Ansprüche, die der Kläger mit der Klage verfolge, ergeben sich nicht aus ihrer Pflicht zur Provisionszahlung, sondern seien in der Sache als Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung zu bezeichnen. Die Beklagte habe nach Bestellung des Klägers und der Weisung des Klägers den Gegenwert der Bestellungen mit Provisionsansprüchen verrechnet. Sie habe die jeweiligen Anweisungen des Klägers ausgeführt und ihre Gegenansprüche aus Kaufvertrag mit den monatlichen Provisionsabrechnungen entsprechend abgerechnet. Der Kläger habe demgegenüber entgegen dem Handelsvertretervertrag (Ziffer 8, 3) Beanstandungen nicht erhoben.
Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 04.11.2008 in Einzeldarstellung der einzelnen Provisionsabrechnungen Grund und Höhe der belasteten Kosten dargestellt, worauf ausdrücklich Bezug genommen wird (Blatt 110- 184 der Gerichtsakte).
Der Kläger hält unter Vertiefung seiner Rechtsansicht daran fest, dass die Beklagte sämtliche Weisungen, die er ihr erteilt habe, bezüglich der Lieferung des Werbematerials hätte kostenfrei erfüllen müssen wegen § 86 a Abs. 1 und 3 HGB.
Wegen des übrigen Parteivortrags wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien richten sich nach dem als Anlage K1 vorgelegten Handelsvertretervertrag. Danach ist der Kläger Kaufmann und betreibt ein selbständiges Gewerbe. Die geäußerte Rechtsansicht im Schriftsatz vom 02.12.2008 II.1. teilt die Kammer nicht, sie widerspricht der ständigen Kammerrechtsprechung dazu.
Rechtlich mögliche Anspruchsgrundlage des Klägers könnte ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegenüber der Beklagten sein, für den der Kläger in allen Einzelheiten darlegungs- und beweispflichtig ist, worauf der Kläger bereits durch gerichtliche Verfügung vom 26.09.2008 (Blatt 70 der Gerichtsakte) hingewiesen worden ist.
Rechtlicher Ausgangspunkt zwischen den Parteien ist zunächst, dass der Kläger einen unbestrittenen Provisionsanspruch aus dem Handelsvertreterverhältnis in Höhe von 10.079,61 EUR hat. Dieser Betrag, der sich durch die von der Beklagten vorgenommenen Verrechnungen ergibt, ist unter den Parteien unstreitig, er ist von der Beklagten und dem Kläger urkundlich belegt, so dass er als unstreitige Provisionsforderung zunächst zugrunde zu legen ist.
Beide Parteien haben durch Vortrag und Vorlage von Belegen eingeführt, dass der Kläger die Beklagte angewiesen hat, diesen Betrag in Raten von den monatlichen Provisionsabrechnungen zu verrechnen für vom Kläger gewünschte Warenbestellungen und in Anspruch genommene Dienstleistungen für Fortbildung und die Nutzung von EDV-Software.
Damit ist unter den Parteien unstreitig, dass die Beklagte Verrechnungen zu Lasten des Klägers auf dessen Anweisung vorgenommen hat, die in der Summe den Gegenwert von 10.079,61 EUR ausmachen. Damit ist auch unstreitig, dass die Provisionsforderungen durch Verrechnung der Beklagten mit deren Gegenansprüchen - die unstreitig sind - erfüllt sind.
Soweit der Kläger nun seinerseits behauptet, die von der Beklagten vorgenommenen Verrechnungen auf seine Anweisungen seien unwirksam, weil gem. § 86 a HGB der Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preisliste, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur Verfügung zu stellen hat und davon abweichende Vertragsbedingungen im Handelsvertretervertrag unwirksam seien, hätte der Kläger bei jedem Einzelvertrag darlegen müssen, dass in Wirklichkeit ein Vertragsverhältnis trotz der Bestellung des Klägers nicht wirksam zustande gekommen war, weil dieser Vertrag gem. § 86 a Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat.
Dieser Darlegungslast ist der Kläger nicht nachgekommen, denn der Kläger hätte bei jedem Einzelanspruch nachweisen müssen (auch für jedes sogenannte give away), dass die Beklagte ihm dies zur Ausübung seiner Tätigkeit hätte zur Verfügung stellen müssen. Dazu entbehrt die Klage jeder Einzelheit.
Auch die Replik des Klägers vom 02.12.2008 (Blatt 156 ff. der Gerichtsakten) auf die Einzeldarstellungen der Beklagten im Schriftsatz vom 04.11.2008 enthält keine schlüssige Darstellung der Einzelansprüche, insbesondere nämlich auch, weil nach dem Handelsvertretervertrag zwischen den Parteien in Ziffer 5.3 der Kläger sämtliche persönlichen und sachlichen Kosten seines Geschäftsbetriebes einschließlich der Kosten für Personal, Reiseaufwendungen, Bürobedarf, Porto, Telefon etc. zu bestreiten hat.
Der allgemeine Hinweis, alle selbst in Anspruch genommenen Leistungen seien erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86 a Abs. 1 HGB ist nicht ausreichend.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 und 709 ZPO.