Landgericht Hannover
Urt. v. 23.06.2009, Az.: 18 S 74/08
Minderung eines Reisepreises i.R.e. Kulturreise aufgrund der Absage eines Konzerts eines berühmten Solisten
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 23.06.2009
- Aktenzeichen
- 18 S 74/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 37882
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2009:0623.18S74.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 23.10.2008 - AZ: 406 C 6029/08
Rechtsgrundlagen
- § 651c Abs. 1 BGB
- § 651d Abs. 1 BGB
Fundstellen
- RRa 2010, 29-30
- VRR 2011, 87
In dem Rechtsstreit
...
hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 02.06.2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
den Richter am Landgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 23.10.2008 - Az. 406 C 6029/08 - wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Hannover teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.828,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2008 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 114,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2008 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz festgesetzt auf insgesamt 1.828,- €.
Gründe
I.
Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau eine "5-tägige Kulturreise in die ..." zum Preis von 4.572,-€ (ohne Anreise). Zu den Reiseleistungen gehörte unter anderem die Teilnahme an zwei Konzerten des "Festival ... - ... Festival". In dem Reiseprospekt der Beklagten waren ein Konzert mit dem Violinisten ... sowie - als "der kulturelle Höhepunkt" der Reise - ein gemeinsamer Auftritt der ... und der ... angekündigt. Aufgrund der Absage dieser Solisten traten stattdessen ... und ... auf. Der Kläger hat deshalb erstinstanzlich eine Minderung des Reisepreises in Höhe von 40 % begehrt, da es ihm und seiner Frau besonders darauf angekommen sei, einmal ... im kleinen Kreis zu hören und dies der ausschlaggebende Grund der Reise gewesen sei. Das Amtsgericht hat einen Reisemangel bejaht und dem Kläger eine Minderung von 25 % zugesprochen.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils - nach Maßgabe der Ausführungen zu Ziff. II der Gründe - gemäß §540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 ZPO Bezug genommen.
Der Beklagte begehrt mit der Berufung die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussberufung seine Sachanträge erster Instanz weiter.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Hingegen ist die zulässige Anschlussberufung der Beklagten begründet.
Der Kläger hat gemäß §§651 c Abs. 1, 651 d Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises in der geltend gemachten Höhe von 40 % des Reisepreises (1.828,- €).
1.
Zutreffend hat das Amtsgericht einen Minderungsanspruch des Klägers dem Grunde nach bejaht. Die hiergegen mit der Berufung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
a)
Dass die drei in dem Reiseprospekt der Beklagten zugesagten Solisten ... und ... nicht aufgetreten sind, stellt einen Reisemangel im Sinne des §651 c BGB dar. Dem steht es nicht entgegen, dass die als Ersatz aufgetretenen Musiker künstlerisch gleichwertig gewesen sein mögen. Die Sollbeschaffenheit der Reise, die maßgeblich durch die Prospektangaben bestimmt wird, ist damit nicht erreicht. Anders als bei einem Orchester, bei dem der Austausch einzelner Mitglieder regelmäßig nicht ins Gewicht fallen wird, ist bei den zugesagten Konzerten die Teilnahme der angekündigten Solisten von besonderer Bedeutung. Es handelt sich, insbesondere bei der Sopranistin ..., um besonders populäre "Stars" der klassischen Musik. Wie bei Konzerten der sog. Unterhaltungsmusik ist es für das interessierte Publikum auch hier von besonderer Bedeutung, einen bestimmten, aus den Medien bekannten Solisten einmal "life" zu sehen, sodass der Auftritt anderer Musiker auch dann keinen hinreichenden Ersatz darstellt, wenn ihre Musik künstlerisch gleich- oder sogar höherwertig sein mag. Auch wenn im vorliegenden Fall der Auftritt der ersatzweise verpflichteten Künstler einen geringeren Mangel darstellt, als es bei einem vollständigen Ausfall der Konzerte der Fall gewesen wäre, ändert dies nichts daran, dass die zugesagte Reiseleistung nicht erbracht wurde.
b)
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger den Reisemangel gerügt hat. Eine fehlende Mängelrüge steht dem Minderungsanspruch nicht entgegen, da der Beklagten eine Abhilfe nicht möglich war. Die drei angekündigten Solisten hatten unstreitig abgesagt, sodass es der Beklagten nicht möglich war, die zugesagten Konzerte mit diesen Künstlern anzubieten.
Da die Mängelrüge des §651 d Abs. 2 BGB kein Selbstzweck ist, sondern dem Reiseveranstalter ermöglichen soll, einem Reisemangel abzuhelfen, kann sich der Reiseveranstalter bei einem Mangel, dessen Abhilfe ihm ohnehin nicht möglich ist, nicht auf eine fehlende Rüge des Reisenden berufen (BGH NJW 1985, 132 [BGH 20.09.1984 - VII ZR 325/83]; Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., §651 d Rn. 4; MüKo-BGB/Tonner, 5. Aufl. 2009, §651 c Rn. 12 m.w.N.; BeckOK-BGB/Geib, Edition 13, §651 c Rn. 5).
c)
Dass der Kläger ohne ausdrücklichen Protest an den Ersatz-Konzerten teilgenommen hat, ist auch nicht als konkludente Vereinbarung einer Vertragsanpassung zu werten. Ein derartiger Erklärungswert ist dem Verhalten des Klägers nicht beizumessen. Es ist selbstverständlich, dass der Kläger die angetretene Reise genutzt hat, um wenigstens die Ersatz-Konzerte anzuhören. Daraus konnte die Beklagte nicht schließen, dass er diese als vertragsgemäße Leistung akzeptieren wollte.
d)
Unerheblich ist auch, ob der Beklagten vorzuwerfen ist, dass sie die Reisenden nicht früher über den Ausfall der drei Solisten informiert hat. Der Minderungsanspruch besteht verschuldensunabhängig. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung auf die Frage von Schadensersatzansprüchen abstellt, verkennt sie, dass in diesem Rechtsstreit nur ein Anspruch auf Minderung streitgegenständlich ist.
2.
Das Amtsgericht hat allerdings die dem Kläger zustehende Minderung zu niedrig bemessen. Die von dem Kläger verlangte Minderung von 40 % des Reisepreises ist angemessen. Die durch das Amtsgericht zugesprochene Minderung von 25 % berücksichtigt nicht hinreichend die besondere Bedeutung, die den angekündigten Solisten, insbesondere der Sopranistin ..., für die von der Beklagten veranstaltete Konzert-Reise zukommt.
In dem Prospekt ist - auch optisch - besonders herausgestellt, dass die Beklagte ... und ... "fest im Programm" hat. Hierzu wurde darüber hinaus ein "VIP-Package" für ... und ... mit "Meet & Greet mit den Künstlern nach dem Konzert" zugesagt. Gerade bei ... handelt es sich um eine Sängerin, die in den Medien ein vergleichbares Interesse findet wie internationale Pop-Stars. Die besonders hohe Wertschätzung, die sie beim Publikum genießt, zeigt sich unter anderem auch an ihren CD-Verkaufszahlen. In den offiziellen deutschen "Klassik-Charts" für CD-Verkäufe belegte ... beispielsweise im April 2007, dem Monat in dem der Kläger die Reise buchte, drei der ersten fünf Plätze (Nr. 1, 4 und 5). Die zentrale Bedeutung, die den angekündigten Auftritten für die Konzert-Reise zukam, spiegelt sich auch in dem sehr hohen Reisepreis (4.572,- € für 2 Personen mit 4 Übernachtungen, ohne Anreise (s. Anlage K1)) wieder. Die kurze Reisedauer zeigt, dass die Reise im Wesentlichen zur Teilnahme an den angekündigten Konzerten unternommen wurde und dem übrigen Rahmenprogramm eine eher geringe Bedeutung zukam. Auch wenn ein künstlerisch hochwertiges Ersatzprogramm geboten wurde, wurde der zentrale Zweck der Reise, ... in kleinem Rahmen zu hören und persönlich zu treffen, verfehlt. Dies rechtfertigt eine Minderung in der verlangten Höhe. Darauf, wie der Reisepreis von der Beklagten im Einzelnen kalkuliert wurde, kommt es dabei nicht an. Maßgeblich ist, inwiefern die Gesamtreise durch den Mangel in ihrem Wert gemindert wurde (MüKo-BGB, a.a.O., §651 d Rn. 15).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.