Landgericht Hannover
Urt. v. 17.08.2009, Az.: 1 O 59/09

Minderung des Reisepreises wegen eines Mangels der Reise; Haftung des Reiseveranstalters für klimatische Verhältnisse am Reiseort und für außergewöhnliche Naturereignisse; Windverhältnisse und Wellenverhältnisse während des Urlaubs; Zusicherung eines uneingeschränkten Badevergnügens und Schnorchelvergnügens; Wetterverhältnisse und Naturereignisse auf den Seychellen

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
17.08.2009
Aktenzeichen
1 O 59/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 36257
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2009:0817.1O59.09.0A

Verfahrensgegenstand

Reisepreisminderung

...
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
durch
die ... auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2009
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen angeblicher Reisemängel in Anspruch. Die Ehefrau des Klägers buchte für sich, den Kläger und die gemeinsame Tochter bei der Beklagten für die Zeit vom 30.06. bis 15.07.2008 eine Flugreise auf die Seychelleninsel mit Aufenthalt in dem ausweislich des Reiseprospektes im Nordwesten der Insel gelegenen ... zu einem Reisepreis von 27.058,00 €. Der dieser Reise zugrundeliegende Prospekt enthält unter dem Abschnitt "Seychellen-Indischer Ozean" zu den klimatischen Bedingungen folgende Ausführungen:

"Klimatisch unterliegen die Seychellen dem Einfluss des Monsuns. Ganzjährig herrschen gleichmäßige Temperaturen, die nur selten unter 24 °C fallen. Da die Seychellen außerhalb der Zyklon-Zone liegen, treten hohe Windstärken oder Stürme kaum auf. Von November bis April weht ein Nord-West-Passat, der an den jeweiligen Küsten zu unruhigem Wasser (Unterströmungen) führen kann. Baden ist dann eingeschränkt möglich. Die durchschnittlichen Höchsttemperaturen liegen bei 29 bis 31 °C, die Luftfeuchtigkeit beträgt ca. 80 %. Von Mai bis Oktober fächert der Südost-Passat etwas Kühlung heran, die Tagesmaxima betragen dann durchschnittlich 26 bis 28 °C bei geringerer Luftfeuchtigkeit. In dieser Zeit kann das Meer an den Südost- und Ostküsten recht bewegt sein, Bade- und Wassersportmöglichkeiten sind dann beeinträchtigt."

2

Unter Vorlage einer von seiner Ehefrau ausgestellten Abtretungserklärung vom 20.10.2008 verlangt der Kläger eine Minderung des Reisepreises um 25 %. Er behauptet, bei der Buchung hätten er, seine Frau und seine Tochter besonderen Wert auf die Möglichkeit des Badens und Schnorchelns im Urlaub gelegt. Das Reiseziel Seychellen hätten sie nur gewählt, um diese Sportarten ausüben zu können. Entsprechendes hätten sie auch dem Reisebüro mitgeteilt, in dem sie die Reise gebucht hätten. Mehrfach habe er im Rahmen der Anbahnung des Reisevertrages im Reisebüro angefragt, ob Baden und Schnorcheln wetterbedingt möglich seien, was ihm die Mitarbeiterin des Reisebüros ... bestätigt habe. Diese habe auch zweimal telefonisch Rückfrage bei der Beklagten gehalten und jeweils bezüglich der Wetterverhältnisse auf der Urlaubsinsel positive Antworten erhalten. Bei einem unmittelbar vor Buchung am 14.12.2007 erfolgten Telefonat habe die Beklagte gegenüber ... mitgeteilt, dass die geplante Reisezeit für Baden und Schnorcheln "die beste sei". Aus dem Prospekt habe er im Umkehrschluss entnommen, dass Bade- und Wassersportmöglichkeiten an der Nordwestküste in der Sommerzeit nicht beeinträchtigt seien. Tatsächlich seien Schnorcheln und Baden nicht nur für den Kläger, sondern auch jeden durchschnittlichen und besonderen Dritten unzumutbar und sogar lebensgefährlich gewesen. Es habe über den Zeitraum der Aufenthaltsdauer einen leichten Sturm gegeben, die Wellen seien bis zu 1,5 m hoch gewesen. Auf Befragung hätten Inselbewohner erzählt, dass die gebuchte Urlaubszeit aus wetterbedingten Gründen wegen eines starken Windes und hoher Wellen die schlechteste sei. Die beste Urlaubszeit sei April bis Juni.

3

Der Kläger behauptet ferner, der Transfer auf der Hinreise sei mangelhaft gewesen. Die Wartezeit am Hafen habe über 2 Stunden betragen. Es habe für ihn und seine Familie keinen bestimmten Aufenthaltsort und keinen kostenfreien Zugang zu einer Toilette gegeben. Der Transferbus sei sehr verschmutzt und in einem unhygienischen Zustand gewesen, die Überfahrt zur Insel in einem kleinen Motorboot sei so unerträglich gewesen, dass sich seine Ehefrau und Tochter jeweils mehrfach erbrochen hätten. Für die 5-stündigen Strapazen sei eine Minderung von 5 % angemessen.

4

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.764,50 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers, etwaige Zusagen eigener Mitarbeiter oder solcher des Reisebüros sowie die beanstandeten klimatischen Verhältnisse und Mängel des Transfers. Sie verweist darauf, dass Reiseveranstalter für das Wetter am Urlaubsort nicht haften, und beanstandet, dass der Kläger zur Mängelrüge nicht vorgetragen habe. Die Kosten des Hintransfers in Höhe von 3 × 91,00 € habe sie per Scheck, den sie an das Reisebüro gesandt habe, erstattet.

7

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.07.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Minderung des Reisepreises.

9

I.

Der Kläger ist aktivlegitimiert, etwaige Ansprüche aus dem zwischen seiner Ehefrau und der Beklagten geschlossenen Reisevertrag geltend zu machen. Denn die Ehefrau des Klägers hat ausweislich der vorgelegten Abtretungserklärung vom 20.10.2008 sämtliche Ansprüche aus dem Reisevertrag bezüglich der Reise auf die Seychellen an den Kläger abgetreten. Die für die Wirksamkeit eines Abtretungsvertrages erforderliche Annahmeerklärung des Klägers liegt konkludent in der Entgegennahme des von seiner Ehefrau ausgestellten mit "Abtretungserklärung" überschriebenen Schriftstückes.

10

II.

Ein Anspruch auf Minderung des Reisepreises gemäß §651 d BGB besteht nicht, da die Reise nicht im Sinne von §651 c Abs. 1 BGB mangelhaft war. Gemäß dieser Norm ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nachgekommen. Weder fehlten zugesicherte Eigenschaften noch wies die Reise Fehler auf, die den Wert oder die Nutzungsmöglichkeiten in rechtserheblichem Sinne beeinträchtigten.

11

1.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Wind- und Wellenverhältnisse während des Urlaubs tatsächlich den Behauptungen des Klägers entsprechend waren und Baden und Schnorcheln während der gesamten Reisezeit nicht möglich waren. Denn der Reiseveranstalter haftet nicht für klimatische Verhältnisse am Reiseort und auch nicht für außergewöhnliche Naturereignisse (vgl. Landgericht Frankfurt, NJW-RR 1990, 761 [LG Frankfurt am Main 23.04.1990 - 2/24 S 141/89]).

12

Etwas anderes hätte nur dann gegolten, wenn die Beklagte bestimmte klimatische Verhältnisse zugesichert oder aber hinsichtlich der klimatischen Verhältnisse am Reiseort zur Reisezeit Informationen gehabt hätte, die sie den Reisenden vorenthalten hätte. Keine dieser Voraussetzungen ist gegeben. Die Beklagte hat weder schriftlich noch mündlich zugesagt, dass die klimatischen Verhältnisse am Reiseort während der Reisezeit so sind, dass Baden und Schnorcheln jederzeit problemlos möglich sind. In der im Prospekt enthaltenen Beschreibung der klimatischen Verhältnisse auf den Seychellen wird auf den in den Wintermonaten wehenden Nordwestpassat und den von Mai bis Oktober vorherrschenden Südostpassat hingewiesen, der während dieser Monate an den Südost- und Ostküsten zu einer Beeinträchtigung von Bade- und Wassersportmöglichkeiten führen kann. Mit dieser Beschreibung wird nicht - wie der Kläger meint - zugesichert, dass in den Sommermonaten an der Nordküste Bade- und Wassersport stets uneingeschränkt ausgeübt werden kann. Die Beschreibung spiegelt nur die üblichen klimatischen Verhältnisse wider und zwar in genau der Weise, wie man sie auch im Internet finden kann. Wenn üblicherweise auf den Seychellen in den Sommermonaten Südostpassat herrscht und der Kläger, dessen Hotel sich im Nordwesten der Insel befindet, Wind und Wellen erlebt hat, so muss eine ungewöhnliche Wetterlage geherrscht haben. Denn bei Südostpassat hätte das Meer an der Nordwestseite der Insel nicht so bewegt sein können, wie es der Kläger behauptet. Hier hat sich ein natürliches Risiko von Meer und Wetter verwirklicht, das vom Reisenden grundsätzlich hingenommen werden muss. Kein verständiger Reisender kann erwarten, dass ein Reiseveranstalter mit seiner Leistungsbeschreibung generell Unwägbarkeiten der Natur und deren Folgen ausschließen will. Ein derart umfassender Vertrauensschutz wird im Reisenden nicht erweckt (vgl. in diesem Sinne Landgericht Frankfurt, a.a.O.). Der Reiseveranstalter hat keinen Einfluss auf Naturereignisse und wird insoweit nicht als "Erbringer von Reiseleistungen" tätig.

13

Auch mündlich hat die Beklagte uneingeschränkte Bade- und Wassersportmöglichkeiten während der geplanten Reisezeit nicht zugesichert. Es kann dahingestellt bleiben, ob tatsächlich die von dem Kläger beschriebenen Telefonate zwischen der Mitarbeiterin des Reisebüros und der Beklagten mit dem von dem Kläger behaupteten Inhalt stattgefunden haben. Denn selbst wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der Beklagten die geplante Reisezeit als "die beste" für Baden und Schnorcheln beschrieben hätte, läge darin keine Zusicherung uneingeschränkten Bade- und Schnorchelvergnügens. Denn auch seitens der Beklagten konnte man bei Buchung der Reise, im Dezember 2007, nicht vorhersehen, dass am Reiseort des Klägers 7 Monate später das Meer unruhig sein würde.

14

Eine Haftung der Beklagten hätte sich daraus allenfalls dann ableiten lassen, wenn generell die erste Hälfte des Monats Juli nicht mehr als beste Reisezeit zum Baden- und Schnorcheln zu qualifizieren wäre. In diesem Sinn behauptet der Kläger, Inselbewohner hätten berichtet, die gebuchte Urlaubszeit sei aus wetterbedingten Gründen wegen starken Windes und hoher Wellen die schlechteste. Die beste Urlaubszeit sei April bis Juni. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag mangels ausreichender Substanz nicht einlassungsfähig ist, kann er schon deshalb das klägerische Vorbringen nicht stützen, weil es schlechterdings undenkbar ist, dass eine Reisezeit bis Ende Juni die beste ist und ab Anfang Juli die schlechteste sein soll. Derartige gravierende Veränderungen in Wetterlagen treten üblicherweise nicht schlagartig auf und orientieren sich nicht starr an kalendarischen Daten.

15

2.

Auch der Transfer vom Flughafen zum Hotel war nicht mangelbehaftet. Die Unpässlichkeiten der Angehörigen des Klägers während der Überfahrt mit dem Motorboot sind zu bedauern, fallen aber nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten, weil sie, wie der Kläger selbst behauptet, auf den Wetterverhältnissen beruhten. Bei der Wartezeit von 2 Stunden am Hafen, der Gesamtdauer des Transfers von 5 Stunden und dem hygienischen Zustand des Transferbusses, der nicht näher beschrieben ist, handelte es sich um Unannehmlichkeiten, für die die Beklagte nicht haftet. Im Übrigen hat diese durch Übersendung eines Schecks von 293,00 € an das Reisebüro dem Kläger einen Ausgleich in Höhe der Transferkosten angeboten, den dieser nur noch anzunehmen braucht.

16

3.

Da Reisemängel ohnehin nicht vorliegen, bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob der Kläger Minderungsansprüche möglicherweise dadurch verwirkt hat, dass er unterlassen hat, vor Ort die klimatischen Verhältnisse zu rügen. Die Beklagte hätte diese zwar an dem konkreten Reiseort nicht ändern können, möglicherweise hätte sie aber dem Kläger und dessen Familie ein gleichwertiges Ersatzhotel an der Südküste der Insel ... oder einer anderen Seychelleninsel anbieten können, wo die klimatischen Bedingungen anders gewesen sein müssen.

17

III.

Die Nebenentscheidungen habe ihre Grundlage in §§91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.