Landgericht Hannover
Urt. v. 11.02.2009, Az.: 6 O 134/06

Werkvertragliche Ansprüche nach Kündigung eines Bauvertrages; Wirkungsverlust einer Kündigungsandrohung aufgrund des Vorspiegelns einer erledigten Kündigungsandrohung durch den Auftraggeber

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
11.02.2009
Aktenzeichen
6 O 134/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 34228
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2009:0211.6O134.06.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 22.05.2009 - AZ: 14 U 45/09
OLG Celle - 07.07.2009 - AZ: 14 U 45/09

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein Unternehmer hat gegen den Besteller einen Zahlungsanspruch aus § 633 BGB iVm § 649 BGB, wenn der Besteller den Werkvertrag kündigt.

  2. 2.

    Ist zwischen den Vertragsparteien die VOB/B vereinbart, liegt eine Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 8 Nr. 3 I und § 4 Nr. 8 I VOB/B nicht vor, wenn es an der nach § 4 Nr. 8 I 4 erforderlichen Androhung der Auftragsentziehung fehlt.

  3. 3.

    Voraussetzung dafür, dass sich ein Besteller auf den fruchtlosen Ablauf einer gesetzten Frist berufen kann, ist, dass er zwischen Setzung der Nachfrist und der Kündigungserklärung sich nicht noch in einer Weise mit dem Unternehmer als dem Auftragsnehmer eingelassen hat, aus der bei objektiver Betrachtung nicht mehr auf einen ernsthaften Kündigungswillen aus den bisher maßgebenden Gründen geschlossen werden kann. Dies ist etwa der Fall bei der Fortsetzung von die Leistung betreffenden Verhandlungen. In diesem Fall ist eine erneute Nachfristsetzung erforderlich. Erweckt der Besteller durch weitere Verhandlungen oder auch durch Annahme weiterer Leistungen des Unternehmers nach Fristablauf den Eindruck, dass sich eine Kündigungsandrohung erledigt hat, dass er also für den Unternehmer erkennbar nicht an seiner Kündigungsandrohung festhält, verliert eine solche ihre Wirkung.

  4. 4.

    Eine Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Unternehmer die ihm obliegende Leistung endgültig und ernsthaft verweigert. An eine solche Verweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Das Verhalten des Auftragnehmers muss als sein endgültiges, letztes Wort aufzufassen sein.

  5. 5.

    Eine Fristsetzung ist auch entbehrlich, wenn dem Auftragnehmer eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Eine solche kann vorliegen, wenn der Unternehmer den Besteller über seine Leistungsfähigkeit getäuscht hat.

  6. 6.

    Eine unwirksame außerordentliche Kündigung kann als freie Kündigung umgedeutet werden, wenn nach der Sachlage anzunehmen ist, dass diese dem Willen des Erklärenden entspricht und dieser Wille in seiner Erklärung gegenüber dem Erklärungsempfänger zum Ausdruck gekommen ist. Bei einem Bauvertrag ist dies regelmäßig anzunehmen, wenn aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes folgt. Solche Umstände müssten konkret vom Bauherrn vorgetragen werden.

  7. 7.

    Der Unternehmer kann im Fall einer solchen freien Kündigung Vergütung bisher erbrachter Leistungen und außerdem die Vergütung für die vertraglich an sich noch zu erbringenden Leistungen verlangen, muss sich dabei aber ersparte Aufwendungen anrechnen lassen.

In dem Rechtsstreit
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2009
durch
den Richter als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 254.104,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der durch die Verweisung entstandenen Mehrkosten, die der Kläger trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Klägerin (im folgenden: Schuldnerin) werkvertragliche Ansprüche nach Kündigung eines Bauvertrags durch die Beklagte geltend.

2

Die Beklagte beauftragte die Schuldnerin mit Auftrag vom 20.10.2003 mit Rohbauarbeiten auf dem Kasernengelände der englischen Truppen in . Hierbei handelte es sich um einen Einheitspreisvertrag auf der Grundlage der VOB/B 2002. Die Klägerin hatte sich mit Schreiben vom 10.10.2003 bereits während der Angebotsphase den Einsatz von Nachunternehmern für die Gewerke Beton und Maurerarbeiten vorbehalten. In der Folgezeit hat die Klägerin die als Nachunternehmerin für die beiden Gewerke geworben. Mit Schreiben vom 11.05.2004 (Anlage B 2, Bl. 208 d.A.) teilte die Beklagte der Schuldnerin mit, dass der Weitergabe von Maurer und Betonarbeiten an die in einem vorherigen Schreiben der Klägerin aufgeführten Nachunternehmer nicht zugestimmt werde. Dabei wurde die Schuldnerin ferner aufgefordert, prüffähige Referenzen und Nachweise zur Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der von ihr vorgeschlagenen Nachunternehmer zu übersenden. Ferner forderte die Beklagte die Klägerin unter Androhung der Entziehung des Auftrags gem.§ 8 Nr. 3 VOB/B auf, die Arbeiten unverzüglich, spätestens am 24.05.2004 mit eigenem Personal wieder aufzunehmen. Mit Schreiben vom 30.06.2004 (Anlage K 5, Bl. 21 d.A.) forderte die Beklagte die Schuldnerin erneut auf, prüffähige Referenzen und Nachweise zur Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der von ihr vorgeschlagenen Nachunternehmer vorzulegen und setzte hierzu eine letzte Frist bis zum 09.07.2004. Ferner forderte die Beklagte die Schuldnerin letztmalig auf, die Arbeiten spätestens am 19.07.2004 mit eigenem Personal wieder aufzunehmen, und drohte erneut die Auftragsentziehung gem. § 8 Nr. 3 VOB/B an. Mit Schreiben vom 12.07.2005 bat die Klägerin um eine persönliche Besprechung der Angelegenheit. Mit Schreiben vom 19.07.2004 (Anlage K 6, Bl. 23 d.A.) lud die Beklagte die Schuldnerin zu einem Gespräch ein und schlug als Termin Dienstag, den 20.07.2004 oder alternativ Mittwoch, den 21.07.2004 vor. Ferner wies die Beklagte darauf hin, dass die Unterlagen bezüglich der Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der vorgeschlagenen Nachunternehmer bisher nicht vorgelegt worden seien und dass die Vorlage dieser Unterlagen zum Gesprächstermin Voraussetzung für die Durchführung des Termins sei. Am 21.07.2004 fand eine Besprechung zwischen der Schuldnerin und der Beklagten statt. Die Beklagte erklärte, dass die zur Prüfung der als Nachunternehmer vorgesehenen Firmen vorgelegten Unterlagen nach wie vor nicht ausreichend seien, um eine Prüfung vornehmen zu können. Die Schuldnerin erklärte in diesem Gespräch, dass sie die Arbeiten am Folgetag mit eigenem Personal fortsetzen werde. Eine inhaltlich gleiche Erklärung übersandte die Schuldnerin der Beklagten mit Fax vom 21.07.2004 (Anlage K 8). Am 22.07.2004 waren drei Mitarbeiter der Schuldnerin auf der Baustelle und führten dort Arbeiten aus, indem sie ausgesparte Verzahnungsmöglichkeiten bei einem Installationsschacht zumauerten. Ab dem 23.07.2004 wurden von der Klägerin Ausschalarbeiten durchgeführt. Mit Schreiben vom 26.07.2004 (Anlage K 2, Bl. 16 d.A.) kündigte die Beklagte den Bauvertrag gem. § 8 Nr. 3 VOB/B mit der Begründung, die bis zum 19.07.2004 gesetzte Frist zur Wiederaufnahme der Arbeiten mit eigenem Personal habe die Schuldnerin fruchtlos verstreichen lassen. Am 18.11.2004 erfolgte die Abnahme der von der Schuldnerin erbrachten Leistungen. Der Wert der von der Schuldnerin erbrachten Leistungen beträgt 579.690,62 EUR. Der Wert der nicht erbrachten Leistungen beläuft sich auf 1.587.231,17 EUR. Die von der Schuldnerin hierdurch ersparten Kosten betragen 1.205.816,99 EUR sowie weitere 7.000,00 EUR für die Position Holz und weitere 16.000,00 EUR für die Position Rohbaumaterial, sodass sich für die nicht erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der ersparten Kosten ein Betrag von 358.414,18 EUR ergibt. Auf den sich daraus ergebenden Werklohn in Höhe von 938.104,80 EUR hat die Beklagte Abschläge in Höhe von 684.00,00 EUR gezahlt, woraus sich die Differenz in Höhe der Klagforderung von 254.104,80 EUR ergibt. Mit Schreiben vom 08.02.2005 mahnte die Schuldnerin unter Fristsetzung bis zum 28.02.2005 die Zahlung des Werklohns an.

3

Der Kläger meint, es handele sich bei der Kündigung der Beklagten um eine freie Kündigung. Die Beklagte könne sich nicht auf die von ihr erklärte Androhung der Auftragsentziehung gem. § 8 Nr. 3 VOB/B berufen, da sie mit der Gesprächsvereinbarung zu verstehen gegeben habe, dass sie nach wie vor bereit sei, die Leistungen der Klägerin trotz des Verstreichenlassens der gesetzten Frist entgegenzunehmen. Zudem stehe dem auch entgegen, dass die Beklagte noch nach Ablauf der gesetzten Frist Leistungen der Schuldnerin entgegengenommen habe. Das Vermauern der Verzahnung des Installationsschachtes sei im Zuge der Rohbauarbeiten auszuführen gewesen. Zudem hätten in dem Zeitraum vom 22. bis 26.07.2004 auch sonstige Maurerarbeiten stattgefunden.

4

Die ursprünglich klagende Schuldnerin hat zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 263.950,02 EUR zu verurteilen. In Höhe der Differenz zwischen diesem Betrag und der nunmehr geltend gemachten Klagforderung in Höhe von 254.104,80 EUR hat der Kläger die Klage zurückgenommen.

5

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 254.104,80 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 01.03.2005 an die Klägerin zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Die Beklagte meint, die von ihr ausgesprochene Kündigung sei aus wichtigem Grund erfolgt. Aus dem Text des Schreibens vom 19.07.2004 sei ersichtlich, dass die Gesprächstermine nur vorbehaltlich der fristgerechten Wiederaufnahme der Arbeiten am selben Tage vorgeschlagen worden seien. Die Beklagte habe dabei der Schuldnerin eine allerletzte Gesprächsmöglichkeit eröffnen wollen. Sinn des Schreibens sei gewesen, der Schuldnerin vorbehaltlich und im Anschluss an die Wiederaufnahme der Arbeit mit eigenem Personal möglichst kurzfristig bei der Behebung der Probleme mit den Nachunternehmern zu helfen. Die von den Mitarbeitern der Klägerin am 20.07.2004 durchgeführten Arbeiten seien technisch völlig unnötig gewesen. Es habe für diese keine technische Veranlassung gegeben. Die Beklagte meint, dass dies keine Arbeitsaufnahme der Beklagten, sondern lediglich eine Alibi-Tätigkeit darstelle. Ferner ist die Beklagte der Ansicht, dass eine Fristsetzung entbehrlich gewesen sei. Die Klägerin habe die weitere Vertragserfüllung mit eigenen Leuten mit der Antwort des vor Ort anwesenden Poliers, dass für eine solche Weiterarbeit eigene Leute überhaupt nicht zur Verfügung stünden, verweigert. Die Beklagte meint zudem, dass ihre Kündigung nicht als freie Kündigung zu verstehen gewesen sei. Auch sowohl aus der Erklärung als auch aus den Umständen gehe hervor, dass die Beklagte nur eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund habe vornehmen wollen. Zudem sei die Schuldnerin schwerwiegend unzuverlässig gewesen, da sie, ohne hierfür befugt gewesen zu sein, Subunternehmer habe einsetzen wollen, die nicht die Sicherheitsanforderungen der britischen Streitkräfte erfüllt hätten.

8

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist begründet.

10

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 254.104,80 EUR gegen die Beklagte aus § 633 BGB i.V.m. § 649 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B.

11

1.

Die Beklagte hat eine freie Kündigung des zwischen der Schuldnerin und der Beklagten geschlossenen Werkvertrags gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B ausgesprochen.

12

a)

Bei der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung mit Schreiben vom 26.07.2004 handelt es sich nicht um eine Kündigung aus wichtigem Grunde gem. § 8 Nr. 3 Abs. 1, § 4 Nr. 8 Abs. 1 VOB/B. Denn es fehlt an der nach § 4 Nr. 8 Abs. 1 S. 4 VOB/B erforderlichen Androhung der Auftragsentziehung. Dabei kann sich die Beklagte nicht auf die in ihrem Schreiben vom 30.06.2004 angedrohte Auftragsentziehung berufen.

13

Voraussetzung dafür, dass sich die Beklagte auf den fruchtlosen Ablauf der insbesondere mit dem Schreiben vom 30.06.2004 gesetzten Frist zum 19.07.2004 berufen kann, ist, dass der Auftraggeber zwischen Setzung der Nachfrist und der Kündigungserklärung sich nicht noch in einer Weise mit dem Auftragnehmer eingelassen hat, aus der bei objektiver Betrachtung nicht mehr auf einen ernsthaften Kündigungswillen aus den bisher fehlenden maßgebenden Gründen geschlossen werden kann. Dies ist etwa der Fall bei der Fortsetzung von die Leistung betreffenden Verhandlungen. In diesem Fall ist eine erneute Nachfristsetzung erforderlich (vgl. Ingenstau-Korbion, VOB, § 8 Nr. 3 RN 27). Erweckt der Auftraggeber durch weitere Verhandlungen den Eindruck, dass sich eine Kündigungsandrohung erledigt hat, dass also der Auftraggeber für den Auftragnehmer erkennbar nicht an seiner Kündigungsandrohung festhält, verliert eine Kündigungsandrohung ihre Wirkung (vgl. BGH MDR 2005, 410 unter I., IV.).

14

Letzteres ist hier der Fall. Die Beklagte hat mit ihrem weiteren Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass sie an der Kündigungsandrohung vom 30.06.2004 nicht festhält. Denn durch die weiteren Verhandlungen gab die Beklagte zu erkennen, dass sie grundsätzlich noch bereit war, die Eignungsprüfung bezüglich der Nachunternehmerin der Schuldnerin vorzunehmen. Erst in dem nach Fristablauf am 19.07.04 geführten Gespräch vom 21.07.2004 gab sie zu erkennen, dass sie nunmehr endgültig die Nachunternehmerin der Klägerin ablehnt.

15

Das Schreiben der Beklagten vom 19.07.2004, in dem sie einen weiteren Besprechungstermin vorgeschlagen hat, war objektiv aus Sicht der Schuldnerin dahin zu verstehen, dass die Beklagte nicht mehr an der mit Schreiben vom 30.06.2004 unter Fristsetzung bis zum 19.07.2004 ausgesprochenen Kündigungsandrohung festhält. Denn die Beklagte gab damit am Tag des Fristablaufs zu erkennen, dass sie zu weiteren Verhandlungen bereit ist, die einen bzw. zwei Tage nach dem Fristablauf stattfinden sollten. Hierdurch hat sie zu erkennen gegeben, dass sie an der ausgesprochenen Kündigungsandrohung nicht festhält. Denn die gesetzte Frist zum 19.07.2004 lief am Tag der Gesprächseinladung vom 19.07.2004 ab, sodass auch der Gesprächstermin dann erst nach Fristablauf von der Beklagten angeboten wurde. Das lässt bei objektiver Betrachtung nur den Schluss zu, dass die Beklagte an der mit Frist zum 19.07.2004 ausgesprochenen Ablehnungsandrohung nicht mehr festhält. Denn die ausgesprochene Ablehnungsandrohung steht in untrennbarem Zusammenhang mit der darin gesetzten Frist. Da diese aber zum Zeitpunkt des in Aussicht gestellten Besprechungstermins bereits abgelaufen war, konnte die Einladung der Beklagten zu einer weiteren Besprechung nur dahin verstanden werden, dass die Beklagte sich nicht mehr auf die zum 19.07.2004 gesetzte Frist und die damit verbundene Ablehnungsandrohung berufen will.

16

Anhaltspunkte für ein anderes Verständnis des Schreibens vom 19.07.2004 ergeben sich aus diesem Schreiben nicht. Entgegen der Behauptung der Beklagten im Prozess wurde der Gesprächstermin auch nicht unter dem Vorbehalt der Wiederaufnahme der Arbeiten am 19.07.2004 mit eigenen Mitarbeitern der Klägerin gestellt. Hierfür ergeben sich aus dem Schreiben vom 19.07.2004 keine Anhaltspunkte. Darin heißt es lediglich, dass die Vorlage prüffähiger Unterlagen bezüglich der Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der vorgeschlagenen Nachunternehmer Voraussetzung für die Durchführung des Termins sei. Mithin ergibt sich aus dem Schreiben vom 19.07.2004 gerade nicht, dass die Beklagte an der zum 19.07.2004 gesetzten Frist zur Wiederaufnahme der Arbeiten festgehalten hat.

17

b)

Darüber hinaus kann sich die Beklagte nicht auf die Ablehnungsandrohung vom 30.06.2004 berufen, weil sie noch nach Fristablauf Arbeiten der Klägerin entgegengenommen hat. Auch deswegen wäre eine erneute Fristsetzung erforderlich gewesen, an der es hier fehlt.

18

Die Beklagte hat hier unstreitig noch weitere Arbeiten durch Mitarbeiter der Klägerin am bzw. ab dem 22.07.2004 entgegengenommen. Diese haben nicht nur Ausschalarbeiten vorgenommen, sondern auch eine Vermauerung der Verzahnungsmöglichkeiten der Installationsschächte durchgeführt. Dabei ist es irrelevant, ob es sich dabei, wie die Beklagte behauptet, um technisch nicht notwendige Arbeiten handelte. Entscheidend ist, dass die Beklagte noch Arbeiten der Klägerin nach Ablauf der gesetzten Frist entgegengenommen hat. Wenn die Beklagte dies einerseits hinnimmt, kann sie sich nicht andererseits auf die bereits abgelaufene Fristsetzung berufen.

19

c)

Die Fristsetzung war hier auch nicht entbehrlich.

20

aa)

Das Erfordernis der Fristsetzung entfällt hier nicht deshalb, weil die Schuldnerin ihre Leistung, also die Aufnahme oder Ausführung der Arbeiten im eigenen Betrieb, ernsthaft und endgültig verweigert hat (vgl. Ingenstau/Korbion § 4 Nr. 8 RN 21).

21

Denn eine solche ernsthafte und endgültige Verweigerung liegt hier nicht vor.

22

Hieran sind strenge Anforderungen zu stellen. Das Verhalten des Auftragnehmers muss als sein endgültiges, letztes Wort aufzufassen sein (vgl. Palandt, BGB, 65. A., § 323, RN 18; § 281, RN 14).

23

Eine solche endgültige Verweigerung kann in der von der Beklagten behaupteten Aussage des Poliers vor Ort, er habe keine Mitarbeiter, nicht geschlossen werden. Es ist schon nicht ersichtlich, dass eine solche Aussage der Schuldnerin zuzurechnen wäre. Darüber hinaus könnte aus dieser angesichts der Gesamtumstände und der erst kurz zuvor gescheiterten Verhandlungen der Parteien nicht geschlossen werden, dass die Schuldnerin endgültig die Aufnahme der Arbeiten mit eigenen Leuten verweigert, zumal sie diese mündlich und schriftlich avisiert hat und daher mit einem künftig vertragstreuen Verhalten der Schuldnerin zu rechnen war; hinzu kommt, dass sie ja tatsächlich auch Arbeiten auf der Baustelle, wenn auch in geringem Umfang, ausgeführt hat.

24

bb)

Die Fristsetzung war auch nicht deswegen entbehrlich, weil der Schuldnerin eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorzuwerfen wäre. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Schuldnerin die Selbstausführung der Arbeiten unmöglich war und dass sie die Beklagte bei Vertragsschluss über ihre Leistungsfähigkeit getäuscht hat (vgl. Ingenstau/Korbion a.a.O.).

25

Denn es kann nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin nicht in der Lage gewesen wäre, die Arbeiten auch mit eigenen Arbeitnehmern durchzuführen.

26

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Schuldnerin um ein großes Bauunternehmen mit einem Jahresumsatz von rund 450 Mio. EUR handelte. Allein aus dem Umstand, dass in der Zeit kurz nach Scheitern der Verhandlungen lediglich 3 Mitarbeiter der Schuldnerin auf der Baustelle tätig waren, lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass diese überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre, die Arbeiten mit eigenen Arbeitnehmern durchzuführen. Auch aus der von der Beklagten behaupteten Aussage des Poliers ist dies nicht zu schließen. Es liegt auf der Hand, dass angesichts der langwierigen Verhandlungen und dem von der Schuldnerin grundsätzlich eingeplanten Nachunternehmereinsatz hier weitere Dispositionen der Klägerin erforderlich waren. Zudem durfte sie nach dem Vortrag der Beklagten, diese habe ihr im Anschluss an die Aufnahme der Arbeiten mit eigenem Personal möglichst kurzfristig bei der Lösung der Probleme mit den Nachunternehmern helfen wollen, schließen könnten, dass durchaus noch der Einsatz ggf. anderer Nachunternehmer möglich war. Auch ein solcher möglicher Einsatz einer anderen Nachunternehmerin erforderte ggf. entsprechende Dispositionen. Erst recht kann aus diesen Umständen nicht geschlossen werden, dass die Schuldnerin bei der Auftragsvergabe über ihre Leistungsfähigkeit getäuscht hat.

27

d)

Ein anderer wichtiger Grund für die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung liegt nicht vor. Insbesondere kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass die Klägerin rumänische Nachunternehmer-Mitarbeiter einsetzen wollte. Dagegen spricht schon, dass die Beklagte stets bereit war, bei entsprechenden Nachweisen auch diese zu akzeptieren.

28

e)

Die von der Beklagten am 26.07.2004 ausgesprochene Kündigung (Anlage K 2, Bl. 16 d.A.) ist als die Erklärung einer freien Kündigung auszulegen.

29

Eine unwirksame außerordentliche Kündigung kann nur dann als freie Kündigung umgedeutet werden, wenn nach der Sachlage anzunehmen ist, dass diese dem Willen des Erklärenden entspricht und dieser Wille in seiner Erklärung gegenüber dem Erklärungsempfänger zum Ausdruck gekommen ist (BGH NJW 2003, 3474, 3475 [BGH 24.07.2003 - VII ZR 218/02]). Bei einem Bauvertrag ist dies regelmäßig anzunehmen, wenn aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes folgt (BGH a.a.O.).

30

Umstände, aus denen anderes als der Wille der Beklagten folgt, dass die Kündigung bei Fehlen des wichtigen Grundes als freie Kündigung zu beurteilen ist, liegen nicht vor und werden von der Beklagten auch nicht konkret vorgetragen.

31

2.

Der Kläger hat für die am 18.11.2004 abgenommenen erbrachten Leistungen einen Anspruch in Höhe von 579.690,62 EUR, wie sich aus der Prüfung der Schlussrechnung durch die Beklagte ergibt, was der Kläger nunmehr unstreitig gestellt hat. Hinzuzurechnen ist die Kündigungsvergütung für nicht erbrachte Leistungen. Diese beläuft sich auf 1.587.231,17 EUR, von der ersparte Kosten der Klägerin in Höhe von 1.205.816,99 EUR sowie weitere Ersparnisse in Höhe von 7.000,00 EUR (Holz) und 16.000,00 EUR (Rohbaumaterial) in Abzug zu bringen sind, sodass sich hieraus eine Kündigungsvergütung in Höhe von 358.414,18 EUR ergibt. Höhere ersparte Aufwendungen sind von der Beklagten nicht konkret dargelegt worden, sodass hiervon auszugehen ist. Zusammen mit dem Werklohn für die erbrachten Leistungen ergibt sich daraus ein Betrag von 938.104,80 EUR, von dem die unstreitig gezahlten Abschläge der Beklagten in Höhe von 684.000,00 EUR abzuziehen sind, sodass sich daraus die klägerische Forderung in Höhe von 254.104,80 EUR ergibt.

32

3.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B. Die Zinshöhe ergibt sich aus dem Verweis auf § 188 BGB, da es sich hier um ein Rechtsgeschäft handelt, an dem ein Verbraucher nicht beteiligt ist, und es sich weiterhin um eine Entgeltforderung handelt. Daher hat der Kläger einen Zinsanspruch in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 2 BGB).

33

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 269, 281, 709 S. 1 u. 2 ZPO .