Landgericht Hannover
Urt. v. 25.05.2009, Az.: 20 S 36/08

Bewirken einer inkongruenten Deckung durch mittelbare Zahlung im Falle eines vertretungsbefugten Geschäftsführers der Schuldnerin

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
25.05.2009
Aktenzeichen
20 S 36/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 35364
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2009:0525.20S36.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 24.09.2008 - AZ: 568 C 4596/08

Fundstelle

  • ZInsO 2009, 1820-1821

In dem Rechtsstreit
...
hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 30.04.2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Bodmann,
die Richterin am Landgericht Koppe und
den Richter Fischer
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 24. September 2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.355,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

I.

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter die Rückzahlung von Gehaltszahlungen der Insolvenzschuldnerin an den Beklagten aus den Vorschriften der Insolvenzanfechtung.

2

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.

3

Der Kläger hat vor dem Amtsgericht Hannover beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.355,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2005 zu zahlen.

4

Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.09.2008 abgewiesen. Ein Anspruch auf Rückzahlung aus § 131 InsO scheitere an der fehlenden Inkongruenz, da der Geschäftsführer der Schuldnerin vertretungsbefugt und damit keine Zwischenperson sei. Ein Anspruch aus § 130 InsO bestehe aufgrund fehlender Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht.

5

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er meint, die Mittelbarkeit der Zahlung bewirke eine inkongruente Deckung. Der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin sei wie jeder andere Dritte als Zwischenperson i.S.d. Rechtssprechung des BGH zu behandeln, da die Zahlung von dessen Privatkonto" erfolgte.

6

Der Beklagte meint, der Geschäftsführer sei keine Zwischenperson i.S.d. Rechtssprechung des BGH.

7

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache Erfolg.

8

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung von 1.355,78 EUR in die Insolvenzmasse zu.

9

Ein Rückzahlungsanspruch folgt aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Das Amtsgericht hat die mittelbare Zahlung an den Beklagten zu Unrecht als kongruente Deckung gewertet. Die Zahlung ist vielmehr als eine "nicht in der Art" zu beanspruchende Leistung, also als inkongruente Deckung zu beurteilen.

10

Vereinbart ein Schuldner mit einer Zwischenperson, diese solle für ihn fällige Zahlungen entrichten, bewirkt allein die Mittelbarkeit dieser Zahlung in der Regel eine inkongruente Deckung (BGH, Urteil vom 09.01.2003, IX ZR 85/02; BGH, Urteil vom 08.12.2005, IX ZR 182/01). Es stellt eine nicht verkehrsübliche Zahlungsweise dar, wenn ein Dritter nicht an den Schuldner, sondern auf dessen Anweisung an einen seiner Gläubiger leistet (BGH, Urteil vom 09.01.2003, IX ZR 85/02).

11

Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich zwar geringfügig von den bislang durch den BGH entschiedenen Fällen, da vorliegend eine Schuldnerin der Insolvenzschuldnerin zur Befreiung einer Verbindlichkeit eine Zahlung an den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin leistete und dieser erst das Gehalt von seinem Privatkonto an den Beklagten auszahlte. Doch ist dieser Fall rechtlich gleich zu behandeln. Die Zahlung von einem Privatkonto des Geschäftsführers ist eine nicht verkehrsübliche Zahlungsweise. Da der Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung seines Gehalts gegen den Geschäftsführer als Privatperson hatte, hat dieser eine Leistung für die Insolvenzschuldnerin erbracht. Zudem erfolgten die Gehaltszahlungen üblicherweise vom Konto der Insolvenzschuldnerin.

12

Da die Zahlung vom Privatkonto des Geschäftsführers stammte, handelte dieser auch nicht als Organ der Insolvenzschuldnerin, sondern als Zwischenperson i.S.d. Rechtssprechung des BGH. Entscheidend ist, dass die Zahlung bewusst an der Insolvenzschuldnerin vorbeigeflossen ist, wie bei einer Zahlung über jeden anderen Drittschuldner auch.

13

Ob der Beklagte die Zahlung durch den Geschäftsführer persönlich als nicht unüblich ansieht, ist unerheblich. Bei der Beurteilung der Frage der Inkongruenz kommt es nicht auf die subjektive Sicht des Gläubigers an, sondern darauf, ob die Zahlungsweise verkehrsüblich ist oder nicht.

14

Die mittelbare Zahlung war auch gläubigerbenachteiligend. Durch die Zahlung wurde der Geschäftsführer von eigenen Verbindlichkeiten gegenüber der Insolvenzschuldnerin befreit. Dieser stand gegen ihren Geschäftsführer ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bezüglich der von der Drittschuldnerin an den Geschäftsführer geleisteten Zahlung zu.

15

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10 ZPO.

Dr. Bodmann
Koppe
Fischer