Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.10.2024, Az.: 1 KN 34/23
Umweltverträglichkeitsprüfung eines Bebauungsplans; Bebauungsplan für den Surfpark Stade
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.10.2024
- Aktenzeichen
- 1 KN 34/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 25293
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2024:1002.1KN34.23.00
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a UmwRG
- § 2 Abs. 6 Nr. 3 Var. 1 UVPG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Auf Antrag eines anerkannten Umweltverbands ist ein Bebauungsplan, der ein Vorhaben nach Nr. 18 der Anlage 1 zum UVPG zum Gegenstand hat, als Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 6 Nr. 3 Var. 1 UVPG einer Vollprüfung zu unterziehen (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 4 CN 2.23 -, NVwZ 2024, 1501 = BauR 2024, 1472 = juris Rn. 21).
- 2.
In einem raumordnungsrechtlich festgelegten großflächigen Vorranggebiet für industrielle Anlagen und Gewerbe dürfen immissionssensible Nutzungen eine industrielle Nutzung durch emittierende bzw. Störfallbetriebe nicht substantiell erschweren.
- 3.
Selbst eine vollständige Umgestaltung eines Landschaftsbilds kann unter der Erheblichkeitsschwelle des § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG bleiben, wenn diese sich bei der gebotenen großflächigen Betrachtung durch den aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter harmonisch in die umgebende Landschaft einfügt. Dies kann durch eine mittel- bzw. langfristig zu erreichende vollständige Eingrünung des Plangebiets gelingen, wenn die entsprechenden Pflanzvorgaben eine ausreichende Zahl an bis zur möglichen Höhe baulicher Anlagen aufwachsenden Bäumen und zugleich einen hinreichend dichten Unterwuchs vorsehen.
- 4.
Bei der Beurteilung der Geeignetheit von CEF-Maßnahmen kommt es für den Begriff des räumlichen Zusammenhangs i.S.d. § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BNatSchG auf artspezifische Vernetzungsdistanzen an, sodass sich etwaige Ersatzlebensräume innerhalb des Aktionsradius der betroffenen Individuen befinden müssen. Bezogen auf Bruthabitate der Feldlerche, die als Zugvogel jedes Jahr einen neuen Brutstandort sucht und sich dabei ohnehin an veränderte lokale Bedingungen - etwa durch Bewuchs - anpassen muss, ist ein größerer Radius anzunehmen. Jedenfalls Entfernungen von bis zu 5 km - ggf. auch mehr - sind daher in der Regel unbedenkllich (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 1.8.2024 - 1 MN 75/24 -, juris Rn. 28).
- 5.
Der Belang des Klimaschutzes ist in der Bauleitplanung im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 i.V.m. § 1 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 Nr. 7a, § 1a Abs. 5 BauGB zu berücksichtigen, wo etwaige negative Auswirkungen ins Verhältnis zu den mit der Planung erstrebten Vorteilen gesetzt werden müssen. Klimaschutzgesichtspunkten kommt nicht von vonherein ein Vorrang vor anderen Gesichtspunkten zu; ein Optimierungsgebot besteht nicht.
- 6.
Die Bauleitplanung ist wegen ihres bodenrechtlichen Bezugs kein Instrument, das die Gemeinde berechtigt oder gar verpflichtet, eine allgemeine Klimaschutzpolitik ohne Rücksicht auf die kompetenziellen Grenzen des Bauplanungsrechts zu verfolgen. Bauleitplanerischer Klimaschutz muss sich daher auf die konkrete Art der Bodennutzung - insbesondere die Standortsteuerung - und die Gestaltung baulicher Anlagen beziehen, wobei die Grenzen des Fachrechts zu beachten sind.
- 7.
Wie intensiv die Gemeinde ihre Planung mit Blick auf den Klimaschutz hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Lokalklima sowie ihrer Standortwahl untersuchen muss, hängt insbesondere von der Art der konkreten Planung ab, erfordert aber auch im Fall einer energie- und/oder verkehrsintensiven Anlage im Außenbereich nicht zwingend eine zahlenmäßige Bilanzierung der Auswirkungen, sondern kann sich auf deren verbale Beschreibung beschränken. Die zu § 13 KSG ergangene Rechtsprechung des BVerwG auf der Ebene der Vorhabenzulassung ist insoweit nicht übertragbar.
Tenor:
Auf den Antrag des Antragstellers zu 1) wird der vom Rat der Antragsgegnerin am 11. Juli 2022 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 500/3 "Gewerbe- und Surfpark Stade" für unwirksam erklärt.
Auf die Rücknahme des Antrags durch den Antragsteller zu 2) wird das Verfahren eingestellt.
Die Gerichtskosten tragen die Beigeladene, deren Kosten erstattungsfähig sind, und die Antragsgegnerin jeweils zu 3/10 und der Antragsteller zu 2) zu 2/5. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1) je zur Hälfte. Der Antragsteller zu 2) trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen je zu 2/5. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 500/3 "Gewerbe- und Surfpark Stade", mit dem die Antragsgegnerin die Entwicklung eines Sondergebiets "Surfpark und freizeitbezogenes Gewerbe" sowie eines Gewerbegebiets ermöglichen will.
Der Antragsteller zu 1) zählt zu den in Niedersachsen anerkannten Natur- und Umweltschutzvereinigungen. Der Antragsteller zu 2) betreibt in der Nachbarschaft des Plangebiets Landwirtschaft. Die Beigeladene ist die derzeitige Vorhabenträgerin für die Errichtung des geplanten Surfparks.
Das Plangebiet ist ca. 16,6 ha groß und liegt ca. 1 km südlich des Flugplatzes Stade, 4 km südwestlich der Anschlussstelle Stade-Ost der BAB 26 und ca. 6 km südöstlich des Stadtzentrums der Antragsgegnerin. Im Süden und Osten wird es durch die Kreisstraße 30 (im Folgenden K30), im Übrigen durch landwirtschaftlich genutzte Flächen begrenzt. Eine Anbindung an den ÖPNV besteht nicht. Die nächstgelegenen Haltestellen der S-Bahnlinie 3 (Hamburg- Stade) liegen in ca. 4,5 km Entfernung in Agathenburg und Dollern. Das Plangebiet liegt im zentralen Bereich auf der Kuppe des sog. Hahnbergs (25 m üNN) und fällt nach Nordosten und Süden auf Höhen von rund 22,5 m üNN ab. Es wird bislang intensiv ackerbaulich genutzt. Am westlichen und nordwestlichen Rand des Plangebiets werden die Ackerflächen durch Wallhecken begrenzt. Das Regionale Raumordnungsprogramm 2013 des Landkreises Stade (Fassung v. 8.1.2015, Neubekanntmachung v. 19.10.2017, im Folgenden RROP 2013) legt das Plangebiet als Teil eines Vorranggebiets zur Trinkwassergewinnung (Ziffer 3.2.4.2 Abs. 01 RROP 2013) und eines ca. 165 ha großen Vorranggebiets für industrielle und gewerbliche Anlagen (Ziffer 2.1 Abs. 09 RROP 2013) fest. Das Plangebiet liegt am südöstlichen Rand dieses Vorranggebiets, das nach Ziffer 4.1.1 Abs. 07 Satz 1 RROP 2013 insbesondere für die Ansiedelung großindustrieller Anlagen des Produzierenden Gewerbes vorgesehen ist. Ca. 500 m südöstlich des Plangebiets liegt das FFH-Gebiet Feerner Moor (2433-301), rund 770 m südwestlich des FFH-Gebiet Schwingetal (2322-301). Das Plangebiet liegt zudem innerhalb der Schutzzone III des Wasserschutzgebiets für das Wasserwerk Stade-Süd.
Anlass für die Planaufstellung war das Vorhaben eines privaten Investors, im südlichen Teil des Plangebiets einen sog. Surfpark zu errichten, d.h. eine Anlage mit einem künstlichen Wasserbecken unter offenem Himmel, in der mechanisch Wellen erzeugt werden, die das Erlernen und Ausüben des Surfsports ermöglichen.
Das Aufstellungsverfahren verlief wie folgt: Der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin beschloss am 17. September 2018 die Aufstellung des streitgegenständlichen Bebauungsplans. Dieser Beschluss wurde am 9. April 2020 im Stader Tageblatt bekannt gemacht. Die Behörden wurden mit Schreiben vom 25. Februar 2020 frühzeitig beteiligt. Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgte vom 20. April bis 17. Mai 2020. Der Verwaltungsausschuss billigte am 4. Oktober 2021 den Entwurf des streitgegenständlichen Bebauungsplans und beschloss dessen öffentliche Auslegung in der Zeit vom 29. November 2021 bis 7. Januar 2022. Der Rat der Antragsgegnerin billigte am 11. Juli 2022 die städtebaulichen Verträge zwischen der Antragsgegnerin und den damaligen Vorhabenträgern für die Entwicklung des Plangebiets (Grundlagenvereinbarung II = GrdV II, Erschließungsvertrag = ErschlV und Kompensationsvertrag = KompV) und beschloss den Plan als Satzung. Die Bekanntmachung dieses Beschlusses erfolgte im Amtsblatt für den Landkreis Stade am 23. Februar 2023.
Der südwestliche Teil des Plangebiets ist als Sondergebiet "Surfpark und freizeitbezogenes Gewerbe" festgesetzt. Dieses dient der Unterbringung einer künstlichen Anlage zum Wellenreiten zu Sport- und Freizeitzwecken einschließlich Empfangs-, Sanitär- und Umkleidegebäuden, Wellnesseinrichtungen, Einzelhandel und Gastronomie sowie ergänzenden Beherbergungsbetrieben und Übernachtungsmöglichkeiten, sonstigen freizeitbezogenen Gewerbebetrieben und sonstigen Anlagen für sportliche und kulturelle Zwecke (Textliche Festsetzung [TF] Nr. 1.1). Das Sondergebiet ist in vier Teilgebiete gegliedert. Teilgebiet 1 ist schwerpunktmäßig für die Errichtung des offenen Wasserbeckens mit Wellenerzeuger vorgesehen (TF Nr. 1.2). Die weiteren Teilgebiete 2-4 sollen ergänzende Nutzungen, darunter "sonstige freizeitbezogene Gewerbebetriebe", aufnehmen, deren Zulässigkeit unter der aufschiebenden Bedingung der Errichtung der Anlage zum Wellenreiten steht (TF Nr. 1.3-1.5).
Das Maß der baulichen Nutzung variiert in den Teilbereichen zwischen einer zulässigen Grundflächenzahl von 0,25 bis 0,75 mit der Möglichkeit einer Überschreitung durch Stellplätze und Nebenanlagen zwischen 0,3 und 0,8 (vgl. TF Nr. 2.1 bis 2.4). Die Höhenfestsetzung variiert zwischen 33 und 41 m üNN, was einer relativen Höhe über dem Gelände von 8 m bis 16 m entspricht. Flankierend wird die Zahl der zulässigen Vollgeschosse begrenzt (variiert zwischen 1 und 3).
In dem nordöstlich der Planstraße 1 liegenden Bereich setzt der Plan Gewerbegebiete fest. Dort sind nach der TF Nr. 1.6 die nach § 8 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungen unzulässig. Der Ausschluss erfasst entgegen der Planbegründung nicht Bordelle und bordellartige Betriebe. Die TF Nr. 1.8 schließt die Ansiedelung von Störfallbetrieben aus. Bei einer Grundflächenzahl von 0,5 sind bis zu 3 Vollgeschosse bis zu einer maximalen Höhe von 40 m üNN zulässig.
Am östlichen Rand des Plangebiets weist der Plan Flächen für Versorgungsanlagen und Flächen für die Wasserwirtschaft, den Hochwasserschutz und die Regelung des Wasserabflusses einschließlich eines Regenrückhaltebeckens aus. An den nördlichen und westlichen Rändern sind die Maßnahmenflächen M1-4 ausgewiesen, auf denen die vorhandenen Wallhecken zu erhalten (M2 und 3) sowie Wallhecken (M1) bzw. Gehölzstreifen (M4) neu anzulegen sind. Am Rande des SO sind nach Südwesten, Nordosten und Osten Flächen festgesetzt, in denen Aufschüttungen bis zu den vorgegebenen Höhen (2 bzw. 3 m) zulässig sind (TF Nr. 4). Diese Flächen sind zugleich als Flächen für die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern festgesetzt (s. zu den Details TF Nr. 5.1, 5.3). Im Plangebiet sind die Dachbegrünung oder eine Solarenergienutzung bei gleichzeitiger Fassadenbegrünung vorgegeben (zu den Details TF Nr. 6.5). Zum Grundwasserschutz sind im Plangebiet bei Gebäuden Tiefgeschosse oder sonstige Gebäude-Unterkellerungen ausgeschlossen (TF Nr. 6.6). Die Lichtquellen sind nach oben und zur freien Landschaft abzuschirmen oder so auszurichten, dass direkte Lichteinwirkungen auf die freie Landschaft vermieden werden (TF Nr. 6.7).
Unter der Überschrift "Hinweise" werden externe Flächen als Ausgleichsflächen für den Eingriff in das Schutzgut Boden und für vorgezogene artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen für Feldlerche und Schafstelze zugeordnet (Nr. 7.2) sowie die Information gegeben, dass zu dem Bebauungsplan ein städtebaulicher Vertrag existiert (Nr. 8). In dem städtebaulichen Vertrag vom 21. Juni 2022 sind u.a. Vorgaben zum Shuttleverkehr (§ 16 GrdV II), zur Energieversorgung (§ 16a GrdV II) und zur Regenwassernutzung (§ 16c GrdV II) enthalten, teils mit dinglicher Sicherung. Eine etwaige Rechtsnachfolge ist für alle drei Teile des städtebaulichen Vertrags geregelt (§ 18 GrdV II, § 25 ErschlV, § 9 KompV).
Parallel zu der Aufstellung des Bebauungsplans änderte die Antragsgegnerin ihren Flächennutzungsplan (39. Änderung) dahingehend, dass der südwestliche Bereich des Plangebiets als Sonderbaufläche "Surfpark und freizeitbezogenes Gewerbe" und der nordöstliche Teil als gewerbliche Baufläche dargestellt ist. In der Begründung werden für den Surfpark anhand seiner Anforderungen an Gelände und Gefälle, Windbedingungen und Bodenbeschaffenheit alternative Standorte im Stadtgebiet, aber auch auf Kreisebene geprüft.
Bereits vor der Bekanntmachung des streitgegenständlichen Plans erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen unter dem 10. Februar 2023 Baugenehmigungen für das Vorhaben "Neubau Surfpark Stade - Bauantrag 1 - Haupt- und Multifunktionsgebäude mit Nebengebäuden" (Az. 00260-22-01) und für das Vorhaben "Surfpark Stade - Bauantrag 2 - Neubau einer Sportanlage für Oberflächen-Wassersport - Surfbecken mit Technikbereich" (Az. 00294-22-01). Letztere ist Gegenstand eines Eilverfahrens, in dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. April 2024 (- 2 B 175/24 -, juris), die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des hiesigen Antragstellers zu 1) angeordnet hat. Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag (Az. 1 ME 71/24) zurückgewiesen.
Mit ihren am 10. März 2023 (Antragsteller zu 1)) bzw. am 21. Februar 2024 (Antragsteller zu 2)) gestellten Normenkontrollanträgen führen diese im Wesentlichen aus: Der Plan leide unter verschiedenen formellen Fehlern. Der Umsetzung des Plans stünden artenschutzrechtliche Hindernisse entgegen, weil Brutplätze der Feldlerche und der Schafstelze ohne wirksamen Ausgleich beseitigt würden. Das Auseinanderfallen von Planinhalt und Planbegründung in Bezug auf den Ausschluss von Bordellen und bordellartigen Betrieben sei fehlerhaft. Daneben seien einige Festsetzungen zu beanstanden, insbesondere sei die Formulierung "sonstige freizeitbezogene Gewerbebetriebe" zu unbestimmt. Zudem sei der Plan nicht an die Ziele der Raumordnung angepasst und leide an Abwägungsfehlern im Hinblick auf die Eingriffe in Natur und Landschaft. Insbesondere die Auswirkungen auf das Landschaftsbild, den Wasserhaushalt und die Bodenfunktionen würden weder richtig erfasst noch ausreichend kompensiert. Bezüglich des globalen Klimaschutzes bestünden bereits erhebliche Ermittlungs- und Bewertungsfehler. Die Antragsgegnerin habe die Klimaschutzbelange zudem im Ergebnis fehlerhaft abgewogen.
Nach der Antragsrücknahme durch den Antragsteller zu 2) beantragt der Antragsteller zu 1),
den durch den Rat der Antragsgegnerin am 11. Juli 2022 beschlossenen Bebauungsplan Nr. 500/3 "Gewerbe- und Surfpark Stade", bekannt gemacht im Amtsblatt für den Landkreis Stade Nr. 7 - 2023 vom 23. Februar 2023, für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen jeweils,
den Antrag abzulehnen.
Sie verteidigen den streitgegenständlichen Bebauungsplan.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Auf die Antragsrücknahme des Antragstellers zu 2) ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Der zulässige Antrag des Antragstellers zu 1) ist begründet (zum Prüfungsmaßstab unter 1.), da der streitgegenständliche Plan gegen das raumordnungsrechtliche Anpassungsgebot verstößt (hierzu unter 2.) und sich zudem als abwägungsfehlerhaft bezüglich seiner Auswirkungen auf das Landschaftsbild (hierzu unter 3. a)) sowie im Hinblick auf die fehlende Festsetzung zum Ausschluss von Bordellen und bordellartigen Betrieben (hierzu unter 3. b)) erweist.
1.
Der anzulegende Prüfungsmaßstab ergibt sich aus § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, da es sich bei dem angegriffenen Bebauungsplan um eine Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 6 Nr. 3 Var. 1 UVPG handelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterfallen § 2 Abs. 6 Nr. 3 Var. 1 UVPG auch die Bebauungspläne, die auf Vorhaben nach Nr. 18 der Anlage 1 zum UVPG bezogen sind, und zwar unabhängig von dem Grad ihrer Konkretisierung (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 4 CN 2.23 -, NVwZ 2024, 1501 = BauR 2024, 1472 = juris Rn. 21). Da allein das Wasserbecken als Kernstück des Surfparks eine Fläche von mehr als 20.000 qm haben soll, sind jedenfalls die Voraussetzungen eines Städtebauprojekts gemäß Nr. 18.7.2 der Anlage 1 zum UVPG erfüllt. Begründet ist der Normenkontrollantrag gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG mithin schon dann, wenn dieser gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für den Bebauungsplan von Bedeutung sind. Das führt zu einer Vollprüfung des Plans.
2.
Der Bebauungsplan verstößt gegen § 1 Abs. 4 BauGB. Danach sind die Bauleitpläne, zu denen der Bebauungsplan gemäß § 1 Abs. 2 BauGB zählt, den Zielen der Raumordnung anzupassen. Die Planung ist mit den raumordnungsrechtlichen Festlegungen "Premiumstandort Hansestadt Stade - Steinbeck" und "Vorranggebiet industrielle Anlagen und Gewerbe - Stade-Süd -", wobei Stade-Steinbeck und Stade-Süd dasselbe Gebiet bezeichnen, nicht zu vereinbaren.
Nach dem RROP 2013 des Landkreises Stade befindet sich das Plangebiet im südöstlichen Teil des sog. Premiumstandorts Hansestadt Stade - Steinbeck, der eine Fläche von ca. 165 ha hat. Hierzu findet sich in Ziff. 2.1 Abs. 09 Satz 6 RROP 2013, durch Fettdruck als Ziel gekennzeichnet, folgende Festlegung:
Regional bedeutsame Industrie- und Gewerbeflächen sind an den Premiumstandorten
...
Hansestadt Stade - Steinbek
...
zu entwickeln.
In der Begründung des RROP 2013 wird zu den Premiumstandorten auf S. 18 ausgeführt, dass diese sehr gute Standorteigenschaften hinsichtlich Infrastrukturausstattung und Verkehrsanbindung - ggf. sogar als Alleinstellungsmerkmal - bei einem nur geringen Konfliktpotential aufwiesen. Wegen ihrer Lage, Größe und Standorteigenschaften könnten sie überregional Aufmerksamkeit erwecken und seien prädestiniert für überregionale (Groß-)Ansiedlungen.
Das Plangebiet ist zugleich als Vorranggebiet industrielle Anlagen und Gewerbe festgelegt. Die Begründung des RROP 2013 führt allgemein zu den Vorranggebieten industrielle Anlagen und Gewerbe aus, dass diese grundsätzlich der Unterbringung von Industrie- und Gewerbebetrieben dienten und entsprechend der Nutzungsempfehlung zu realisieren seien (vgl. Begr. S. 19). Zu dem das Plangebiet überlagernden Vorranggebiet findet sich in Ziffer 4.1.1 Abs. 07 Satz 1 RROP 2013 folgendes Ziel:
In dem Vorranggebiet industrielle Anlagen und Gewerbe - Stade-Süd - sind insbesondere großindustrielle Anlagen des Produzierenden Gewerbes (Definition entsprechend der gültigen Branchensystematik der EU) anzusiedeln.
Die Begründung des RROP 2013 führt hierzu auf S. 79 aus:
"Die für den Landkreis erarbeitete Konzeption für die zukünftige regionale Industrie- und Gewerbeflächenentwicklung im Landkreis Stade geht in ihrer Bewertung der Fläche Stade-Steinbeck von sehr guten Standorteigenschaften aus. Das Gebiet ist sehr gut für eine industrielle Nutzung geeignet und soll für großflächige Industrieansiedlungen reserviert werden. Das RROP 2004 weist hier bereits ein Vorranggebiet aus."
Die in Bezug genommene Festlegung des RROP 2004 geht zurück auf das letztlich nicht erfolgreiche Bestreben der Antragsgegnerin, auf der - damals noch etwas größeren, d.h. ca. 200 ha umfassenden - Fläche ein BMW-Werk anzusiedeln. Die oben zitierte Vorstellung für die Verwendung des Vorranggebiets Stade-Steinbeck wird wie folgt ergänzt:
"Das Vorranggebiet Stade - Steinbeck hat vielfältige infrastrukturelle Vorteile (Verkehr, Energie, große zusammenhängende Fläche), die das Gelände für eine einheitliche Nutzung prädestinieren.
Um die Standortvorteile vollständig nutzen zu können, ist für eine Ansiedlung eine Beschränkung der Branchen auf das Produzierende Gewerbe (Abschnitte C Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden und D Verarbeitendes Gewerbe; NACE-Code 10 bis 37) gerechtfertigt." (Begr. zu der Zielvorgabe in Ziffer 2.1 Abs. 09 Satz 6 RROP 2013, S. 18 f.)
Zusammenfassend lässt sich dem RROP 2013 entnehmen, dass das Vorranggebiet Stade-Steinbeck bzw. Stade-Süd für die Ansiedelung regional bedeutsamer Industrie- und Gewerbebetriebe vorgesehen ist, um Standortvorteile des Vorranggebiets, zu denen die relativ große zusammenhängende Fläche, aber insbesondere auch das bislang geringe Konfliktpotential mit anderen Nutzungen gehören, auszunutzen. Ziffer 4.1.1 Abs. 07 Satz 1 RROP 2013 konkretisiert dies dahingehend, dass die Fläche vorrangig ("insbesondere") von großindustriellen Anlagen des Produzierenden Gewerbes mit ihren besonderen Standortanforderungen genutzt werden soll. Das schließt sonstige gewerbliche und industrielle Nutzungen nicht von vornherein aus. Diese müssen sich jedoch hinsichtlich der Flächeninanspruchnahme den großindustriellen Anlagen klar unterordnen. Zudem dürfen sie die Ansiedlung großindustrieller Anlagen im verbleibenden Vorranggebiet weder unmöglich machen noch substantiell erschweren. Das gilt vor allem im Hinblick auf ihre Empfindlichkeit gegenüber Immissionen wie Lärm, Staub und Gerüchen, die zur Vermeidung schwerwiegender Folgen von Störfällen bei großindustriellen Anlagen häufig einzuhaltenden Achtungsabstände sowie die Lage im Raum, die nicht zu einer "Zerstückelung" des Vorranggebiets führen darf. Ein Verstoß gegen die Zielfestlegung liegt dabei schon dann vor, wenn eine sonstige gewerbliche oder industrielle Nutzung die Bandbreite der im Vorranggebiet realisierbaren großindustriellen Nutzungen spürbar verringert. Dass ein nicht unerhebliches Spektrum solcher Nutzungen weiterhin möglich bleibt, ist entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Antragsgegnerin nicht ausreichend. Sonstige industrielle und gewerbliche Nutzungen können das Vorranggebiet arrondieren; sie dürfen dieses jedoch nicht prägen.
Diese Vorgaben des RROP 2013 hat die Antragsgegnerin im Grundsatz zutreffend erfasst, wenn sie in der Planbegründung zur Standortwahl auf die Ausführungen in der Begründung zur 39. Änderung des FNP verweist, wo es auf S. 23 f. heißt:
"Das Vorranggebiet für Industrielle Anlagen und Gewerbe zielt generell auf die Unterbringung von Industrie- und Gewerbebetrieben mit besonderen Standortanforderungen, beispielsweise einem hohen Flächenbedarf, ab. Schwerpunktnutzung sollen gemäß Beschreibung im RROP insbesondere großindustrielle Anlagen des produzierenden Gewerbes sein. Durch die Öffnungsklausel "insbesondere" sind jedoch auch andere Nutzungen denkbar, sofern sie mit der grundlegenden Konzeption des Vorranggebietes Industrie und Gewerbe in Einklang stehe.
Bei einem kommerziell betriebenen Surfpark handelt es sich nicht nur um eine Freizeiteinrichtung, sondern auch um einen Gewerbebetrieb, dessen besondere Standortanforderungen insbesondere durch seinen hohen Flächenbedarf (ca. 10 ha) sowie in den Bereichen der Bodenbeschaffenheit, der Geländetopografie sowie der Verkehrsanbindung gegeben sind.
Um ausschließen zu können, dass die Aufstellung des Bebauungsplans eine zukünftige zielkonforme Umsetzung des Vorranggebiets unmöglich machen oder wesentlich erschweren könnte, wurde eine Prüfung zur Ausnutzbarkeit des Gebiets bei Ansiedlung des Surfparks durchgeführt. Hierzu wurde unter Berücksichtigung der heutigen örtlichen Gegebenheiten ein Strukturkonzept erarbeitet, das veranschaulicht, wie das im RROP ausgewiesene Vorranggebiet zu einer industriell-gewerblichen Baufläche entwickelt werden könnte. Maßgebliche Parameter waren hierbei insbesondere die Abstandsempfehlungen für Störfallbetriebe sowie der sogenannte "Abstandserlass NRW" für Abstände industrieller und gewerblicher Nutzungen zu Siedlungsgebieten."
Nicht tragfähig ist indes die daran anschließende, auf dem Strukturkonzept für das Vorranggebiet für industrielle Anlagen und Gewerbe Stade-Steinbeck (Anlage 2 zur Begr. der 39. Änderung des FNP) beruhende Schlussfolgerung, auch unter Berücksichtigung des geplanten Sondergebiets werde die industriell-gewerbliche Entwicklung der Flächen nicht wesentlich eingeschränkt. Mit dem Surfpark, der Gastronomie und Übernachtungsmöglichkeiten in größerem Umfang einschließen soll, wird vielmehr eine Freizeiteinrichtung zugelassen, die einen Schutz vor Immissionen beanspruchen kann. Dieser Schutzanspruch, der bei einem Sondergebiet grundsätzlich aus dem zulässigen Nutzungsspektrum abzuleiten ist (vgl. Senatsurt. v. 26.3.2014 - 1 KN 1/12 -, juris Rn. 37), ist angesichts der Tatsache, dass sich dort eine große Zahl von Menschen zu Freizeitzwecken über längere Zeit aufhalten und auch übernachten soll, nicht unerheblich. Bezogen auf Gerüche und - jedenfalls zur Nachtzeit - auf Lärm kommt er demjenigen eines Mischgebiets gleich; im Übrigen ist der Gesundheitsschutz zu beachten. Zugleich handelt es sich bei dem Surfpark um ein öffentlich genutztes Gebäude bzw. Gebiet/Freizeitgebiet i.S.v. § 3 Abs. 5d BImSchG, also um ein benachbartes Schutzobjekt i.S.d. Störfallrechts, von dem Anlagen und Betriebsbereiche einen angemessenen Sicherheitsabstand halten müssen. Seine Ausdehnung ist schließlich nicht unerheblich; er liegt zwar am Rand des Vorranggebiets, beansprucht selbst aber bereits 10 ha. Rechnet man das Gewerbegebiet hinzu, dass eine Ansiedlung großindustrieller Anlagen schon nach seinem Zuschnitt nicht erlaubt, werden knapp 17 ha bzw. etwa 10 Prozent des Vorranggebiets der primär vorgesehenen Nutzung unmittelbar entzogen.
Die damit verbundenen Beeinträchtigungen des Vorranggebiets sind substantiell. In Bezug auf das Störfallrecht ergeben sich Anhaltspunkte zur Bemessung des angemessen Sicherheitsabstands i.S.v. § 3 Abs. 5c BImSchG aus dem Leitfaden "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG" des Technischen Ausschusses für Anlagensicherheit der Störfall-Kommission beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der zweiten, überarbeiteten Fassung vom November 2010 (KAS-18, vgl. BVerwG, Beschl. v. 6.6.2024 - 7 VR 7.24 -, juris Rn. 11). Aus dessen Anhang 1, Bild 1 "Abstandsempfehlungen für die Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse" ergibt sich, dass für viele der dort aufgeführten chemischen Verbindungen Abstände von mehreren 100 m erforderlich sind. Eine entsprechende Zonierung des Vorranggebiets unter Berücksichtigung der vorhandenen Wohnnutzungen in den Siedlungen Steinbeck, Hagen und Riensförde sowie der Nutzungen in dem Sondergebiet findet sich in der Begründung zu der 39. Änderung des Flächennutzungsplans (Anlage 2). Hieraus ergibt sich, dass lediglich eine kleine Fläche im Nordwesten des Vorranggebiets den Anforderungen der höchsten Abstandsklasse genügt. Deutlich weniger als die Hälfte des Vorranggebiets steht für Industriebetriebe zur Verfügung, die mit nicht nur in der chemischen Industrie durchaus gängigen Stoffen wie Schwefeldioxid und Schwefelwasserstoff umgehen. Dieses Ergebnis relativierend wird ausgeführt, dass die Abstände bei Planumsetzung, d.h. mit Detailkenntnissen tatsächlich wesentlich geringer ausfallen, da die industriell-gewerblichen Anlagen nach dem Stand der Technik errichtet werden müssten. Hinzu komme, dass das Gewerbegebiet Steinbeck aus Sicht der Antragsgegnerin nicht vorrangig für Betriebe und Anlagen der chemischen Industrie entwickelt werden solle. Für derartige Betriebe und Anlagen seien die in der Elbmarsch gelegenen Industriegebiete rund um Bützfleth vorgesehen. Auf dieser Grundlage sei die Ausweisung von Industriegebieten i.S.d. BauNVO auf 108 ha im Nordwesten des Vorranggebiets möglich, während auf den übrigen 92 ha neben dem Sondergebiet Gewerbegebiete i.S.d. BauNVO festgesetzt werden könnten.
Abgesehen davon, dass insoweit noch nicht der neue Zuschnitt des Vorranggebiets mit nunmehr nur noch ca. 165 ha zugrunde gelegt wurde, veranschaulicht diese Karte, dass mit dem Sondergebiet ein weiteres Schutzobjekt im bislang insoweit nur durch das in der Nähe liegende FFH-Gebiet belasteten Südosten des Vorranggebiets entsteht. Das schränkt in Verbindung mit den bestehenden Vorbelastungen die Nutzbarkeit des Vorranggebiets für großindustrielle Anlagen sowohl räumlich als auch qualitativ erheblich ein. Räumlich steht - legt man die Zahlen und Angaben der Anlage 2 zur Begründung des FNP zugrunde - nur noch etwa die Hälfte des Vorranggebiets für eine Festsetzung als Industriegebiet gemäß § 9 BauNVO und damit für die Ansiedlung großindustrieller Anlagen zur Verfügung. Die übrige Hälfte ist nur noch für Nutzungen i.S.v. § 8 BauNVO vorgesehen. Von der rechtlichen gebotenen räumlichen Unterordnung der sonstigen gewerblichen Nutzungen kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein. In qualitativer Hinsicht kommt hinzu, dass selbst in den potenziellen Industriegebieten die Bandbreite der möglichen Nutzungen eingeschränkt ist bzw. Schutzvorkehrungen erforderlich werden. Das betrifft nicht nur Randbereiche des Vorranggebiets, sondern erfasst wesentliche Teile der potenziellen Industriebaulichen.
Die Schaffung von weiteren Schutzobjekten läuft vor diesem Hintergrund der Festlegung der Fläche als Premiumstandort zuwider, die unter anderem an das bisher geringe Konfliktpotential der Fläche anknüpft. Damit werden die Möglichkeiten der Ansiedelung industrieller Nutzungen substantiell erschwert. Richtig ist zwar der in der mündlichen Verhandlung vertiefte Einwand der Antragsgegnerin, dass eine Vielzahl von Anlagen des produzierenden Gewerbes nicht zu den Störfallbetrieben gehört und sich auf der Ebene der Vorhabenzulassung regelmäßig geringere Sicherheitsabstände ergeben. Das ändert aber nichts daran, dass der raumordnungsrechtlich geschützte Standortvorteil einer großen konfliktarmen Fläche substantiell eingeschränkt wird, wenn diese mit einem neuen Schutzobjekt belegt wird. Hinzu kommt, dass das Störfallrecht nicht allein zu betrachten ist. Von Industriebetrieben gehen - dies kommt in § 9 Abs. 1 BauNVO zum Ausdruck - typischerweise Emissionen (z.B. Lärm, Gerüche, Staub) aus, die mit den Schutzansprüchen anderer Baugebiete unverträglich sind und daher erhebliche Abstände zu schutzbedürftigen Nutzungen erfordern. Geringe Abstände sind oft nur um den Preis kostspieliger Vorkehrungen zu erreichen, die die Attraktivität des Standortes mindern. In der Gesamtschau zeigt sich, dass die Planung die durch das RROP 2013 vorgegebene einheitliche bzw. großflächige Belegung des Vorranggebiets mit großindustriellen Anlagen des Produzierenden Gewerbes substantiell beschränkt, wenn nicht gar verhindert wird.
3.
Der angegriffene Bebauungsplan leidet unter zu seiner Unwirksamkeit führenden Abwägungsmängeln.
Das in § 1 Abs. 7 BauGB verankerte Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 = juris Rn. 29). Zur Unwirksamkeit des Plans führen nur Abwägungsfehler, die offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2, 2. Hs. BauGB).
a)
Gemessen hieran hat die Antragsgegnerin die Vermeidung und den Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes (vgl. § 1a Abs. 3 Satz 1 BauGB) in der Abwägung nicht ausreichend berücksichtigt. Ihre Annahme, die Planung führe zu keiner - ausgleichsbedürftigen - erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbilds, erweist sich als nicht tragfähig.
Die Antragsgegnerin hat sich im Umweltbericht mit dem Schutzgut Landschaftsbild auseinandergesetzt (Umweltbericht S. 53 f.), indem sie die Ausführungen des Landschaftsplanerische Fachbeitrags zur Umweltprüfung mit Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung vom 3. September 2021 übernommen hat. Letztgenannter beruht u.a. auf dem Landschaftsrahmenplan des Landkreises Stade, Neuaufstellung 2014 (im Folgenden LRP 2014). Auch wenn die Antragsgegnerin nicht jede einzelne Aussage des LRP 2014 zu dem Plangebiet in die Beschreibung des Bestands aufgenommen hat, deckt sich ihre Charakterisierung des Landschaftsbilds im Planungsraum mit der des LRP 2014, der den Planungsraum zu den "Landschaftsbildeinheiten mit mittlerer Bedeutung" zählt (LRP 2014, Karte 2: Landschaftsbild).
Ausgehend hiervon stellt die Antragsgegnerin fest, dass die durch die Planung ermöglichte Neubebauung im Sonder- sowie im Gewerbegebiet verglichen mit der bislang landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaft zu einem "vollständig umgewandelten Erscheinungsbild der Landschaft" führe und aufgrund der örtlichen Gegebenheiten von einer Fernwirkung auszugehen sei. Die Planung sei jedoch so ausgestaltet, dass das Baugebiet landschaftlich eingebunden und das Landschaftsbild insgesamt neugestaltet werde, sodass keine erheblichen Auswirkungen verblieben (Umweltbericht S. 54). Die Antragsgegnerin geht mithin davon aus, dass im Ergebnis der Planung ein Eingriff i.S.d. § 14 Abs. 1 BNatSchG nicht vorliegt. Danach sind Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Das Merkmal "erheblich" verweist auf die Intensität der Einwirkung auf die maßgeblichen Schutzgüter. Das Landschaftsbild erfährt eine erhebliche Beeinträchtigung, wenn es sich bei großflächiger Betrachtungsweise infolge einer Gestalt- oder Nutzungsänderung vom Standpunkt eines "aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters" aus als gestört darstellt (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 104. EL Juni 2024, BNatSchG § 14 Rn. 18). Daraus folgt, dass selbst eine vollständige Umgestaltung des Landschaftsbilds unter der Erheblichkeitsschwelle bleiben kann (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG). Erforderlich ist hierfür, dass das bei Umsetzung der Planung entstehende Landschaftsbild sich bei der gebotenen großflächigen Betrachtung durch den aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als ungestört im Sinne von sich harmonisch in die umgebende Landschaft einfügend darstellt (vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 104. EL Juni 2024, BNatSchG § 15 Rn. 21). Dies kann ggf. durch eine vollständige Eingrünung des Plangebiets gelingen, wenn die entsprechenden Pflanzvorgaben eine ausreichende Zahl an bis zur möglichen Höhe baulicher Anlagen aufwachsenden Bäumen und zugleich einen hinreichend dichten Unterwuchs vorsehen (vgl. Senatsbeschl. v. 30.4.2024 - 1 MN 161/23 -, BauR 2024, 1011 = DVBl 2024, 781 = juris Rn. 33). Dabei ist hinzunehmen, dass die Grünkulisse anfänglich, d.h. bei Umsetzung der Planung insbesondere höhenmäßig hinter dem Erforderlichen zurückbleibt. Die Eingriffsregelung nimmt eine vorübergehende Verschlechterung des ökologischen Zustandes in Kauf (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.11.2012 - 9 A 17.11 -, BVerwGE 145, 40 = BRS 80 Nr. 100 = juris Rn. 149). Entscheidend ist, dass die Maßnahme mittel- und langfristig das Potential hat, das Plangebiet vollständig einzugrünen.
Hierfür reichen die Festsetzungen des Plans hinsichtlich der Eingrünung des Plangebiet jedoch nicht aus. Zwar sind im Westen und Norden des Sondergebiets sowie im Westen des Gewerbegebiets vorhandene Wallhecken zu erhalten und zu verdichten (TF Nr. 6.2 und 6.3) bzw. eine Wallhecke neu anzulegen (TF Nr. 6.1). Zudem sieht der Plan im Südwesten und Nordosten des Sondergebiets Flächen zum Anpflanzen von Sträuchern und Bäumen vor (TF Nr. 5.1), in denen zusätzlich Aufschüttungen bis zu einer Höhe von 2 m bzw. 3 m zulässig sind (TF Nr. 4). Insoweit bestehen allerdings erhebliche Lücken im Südwesten auf einer Länge von ca. 65 m, im Nordosten im gesamten Bereich der hier nach Osten verspringenden Baugrenze sowie südlich des Regenrückhaltebeckens, die einen ungehinderten Blick auf die zur Bebauung vorgesehenen Flächen gestatten. Im Norden des Gewerbegebiets ist keinerlei Eingrünung vorgesehen. Auf einen entsprechenden Einwand des Kreisbauernverbands Stade vom 6. Januar 2022 hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass hierfür kein Erfordernis bestehe und damit eine mittelfristige und unmittelbar anschließende Weiterentwicklung der Gewerbeflächen nach Norden ermöglicht werden solle. Die Grenze nach Norden könne durch einen Zaun gestaltet werden; dies sei auch üblich (Abwägung TÖB gem. § 4 Abs. 2, BA IV S. 535). Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang zwischen den Freizeitnutzungen, die "visuell zur Kreisstraße und den landwirtschaftlichen Flächen zu verringern seien" und damit möglicherweise eine Schutzbedürftigkeit des Sondergebiets unterstellt, die sie für das Gewerbegebiet verneint, verkennt sie die Auswirkungen des Gewerbegebiets auf das Landschaftsbild. Die Baugrenze des Gewerbegebiets verläuft im Norden nahezu durchgehend in einem Abstand von 3 m zur Grenze des Plangebiets, sodass dort potentiell dreigeschossige Bauten unmittelbar in die Landschaft hineinwirken können. Ein Zaun ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin offensichtlich kein geeigneter Sichtschutz. Auch im Osten trifft die Planung keine Vorkehrungen zur Einbindung des Gebiets in die Landschaft. Die von der Antragsgegnerin insoweit angeführten "in Teilen gehölzbestandenen Straßenböschungen" (Umweltbericht S. 53) sind ausweislich der in der mündlichen Verhandlung betrachteten google-streetview-Bilder nicht auf der Westseite, sondern nur auf der Ostseite der K30 vorhanden. Auch die Argumentation, dass die Baugrenze im Osten des Gewerbegebiets wegen der 20 m breiten Anbauverbotszone der K30 und den dort anzulegenden Flächen für die Regenwasserrückhaltung so weit abrücke, dass keine unmittelbare Wirkung bis in den Straßenraum gegeben sei (vgl. Umweltbericht S. 53), überzeugt nicht. Von der K30 aus gesehen mindern weder der Graben noch das Regenwasserrückhaltebecken die Auswirkungen der baulichen Anlagen in die Landschaft hinein. Die Defizite der Eingrünung werden auch nicht durch die Vorgaben zur Dach- bzw. Fassadenbegrünung (TF Nr. 6.5) kompensiert. Letztere ist nur für den Fall angeordnet, dass auf den Dachflächen Anlagen zur Nutzung von Solarenergie hergestellt werden. Hinzu kommt, dass eine 50-prozentige Fassadenbegrünung die Wirkungen der Baukörper in die umgebende Landschaft deutlich weniger mindert als eine Eingrünung der Plangebietsränder, zumal diese nicht zwingend auf der der freien Landschaft zugewandten Gebäudeseite erfolge muss.
b)
Der Plan erweist sich als abwägungsfehlerhaft, soweit er im festgesetzten Gewerbegebiet Vergnügungsstätten (vgl. TF Nr. 1.6), nicht aber Bordelle und bordellartige Betriebe ausschließt. Letzteres steht im Widerspruch zu der Planbegründung, in der es auf S. 21 heißt:
"Bordelle und bordellartige Betriebe werden gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO als Unterart der Gewerbebetriebe aller Art für unzulässig erklärt."
Städtebauliches Ziel sei es, die zur Verfügung stehenden Flächen im Gewerbegebiet dem klassischen Gewerbe vorzubehalten. Zudem solle dieser Ausschluss einer Nutzungskonkurrenz entgegenwirken sowie negative Beeinträchtigungen des Plangebiets und seines Umfelds vermeiden (vgl. Planbegr. S. 21 f.). Auch wenn die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, dass es sich insoweit um ein "Redaktionsversehen" handele und ein derartiger Ausschluss nicht beabsichtigt und aufgrund der Einflussmöglichkeiten beim Verkauf der Plangebietsflächen auch nicht notwendig gewesen sei, ändert dies nichts daran, dass der Rat der Antragsgegnerin den Plan mit dieser Begründung und dem darin zum Ausdruck gebrachten planerischen Willen als Satzung beschlossen hat. Ob die Erklärung der Antragsgegnerin zudem mit Blick darauf, dass im Gewerbegebiet nach der TF Nr. 1.6 Vergnügungsstätten unzulässig sind, überzeugt, kann dahinstehen. Festzuhalten ist, dass im Hinblick auf den fehlenden Ausschluss von Bordellen und bordellartigen Betrieben Planungswille und Planinhalt auseinanderfallen, sodass die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung im Gewerbegebiet als unwirksam erweist.
Der Mangel der Planung führt zur Gesamtunwirksamkeit des angegriffenen Plans und nicht bloß zur Unwirksamkeit der Gewerbegebietsfestsetzungen. Ein anderes Ergebnis käme nur unter der Voraussetzung einer Teilbarkeit des Plans in Betracht, die vorläge, wenn der Plan auch ohne die fraglichen Festsetzungen noch ein sinnhaftes Ganzes ergäbe und wenn mit Sicherheit anzunehmen wäre, dass die Antragsgegnerin ihn, hätte sie von der Unwirksamkeit der Festsetzungen gewusst, auch ohne diese beschlossen hätte. Dabei genügt es für die Annahme der Teilbarkeit nicht, dass der Rat der Antragsgegnerin der Teilwirksamkeit des Plans im Zweifel den Vorzug vor dessen Gesamtunwirksamkeit gegeben hätte. Bereits wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass der Rat den Plan in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der tatsächlich gefundenen Lösung auch in anderen Teilen geändert hätte, fehlt es an der Teilbarkeit (Senatsurt. v. 12.2.2024 - 1 KN 191/21 -, BauR 2024, 897 = juris Rn. 26 m.w.N.).
Gemessen hieran ist der Plan nicht teilbar. Zwar ist anhand der Plangenese erkennbar, dass die Antragsgegnerin die Planung für den Surfpark zum Anlass genommen hat, zusätzlich das in Rede stehende Gewerbegebiet auszuweisen (vgl. Planbegr. S. 7). Gleichwohl handelt es sich nicht um zwei eigenständige Pläne, die lediglich aus Gründen der Verfahrensökonomie in einem Plan zusammengefasst wurden. Dies zeigt sich insbesondere an dem Regenrückhaltebecken, das so dimensioniert wurde, dass es den Niederschlag eines 30-jährigen Regenereignisses im gesamten Plangebiet aufnehmen kann (vgl. Planbegr. S. 41). Dächte man das Gewerbegebiet einschließlich der Planstraße 2 hinweg, wäre das Regenrückhaltebecken im Hinblick auf die genannte Prämisse zu groß bemessen. Soweit die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung argumentiert hat, dass die 39. Änderung ihres Flächennutzungsplans auf den Flächen nördlich des Sondergebiets ein Gewerbegebiet in Aussicht stellt, sodass sich das geplante Regenrückhaltebecken im Vorgriff auf eine entsprechende (neue) Planung als zutreffend dimensioniert erweise, reicht dies für die Annahme, dass der Rat der Antragsgegnerin dies auch so gesehen hätte, nicht aus. Ob die Position des Regenrückhaltebecken - wie die Antragsgegnerin meint - durch das Gelände vorgegeben sei oder dieses bei einer isolierten Planung des Sondergebiets beispielsweise weiter südlich festgesetzt worden wäre, bedarf daher keiner Entscheidung. Unabhängig davon erscheint es sehr zweifelhaft, dass die Kompensation der planbedingten Eingriffe, insbesondere die Neuanlage der Wallhecke am westlichen Rand des Plangebiets, die ohne das Gewerbegebiet willkürlich in die Ackerfläche hineinreichte genau so vom Rat der Antragsgegnerin beschlossen worden wäre.
c)
Die vorgenannten innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB gerügten Mängel sind offensichtlich, weil sie sich aus den Planaufstellungsvorgängen ergeben. Sie sind auch nicht deshalb nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB unbeachtlich, weil sie sich nicht auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt haben könnten. Im Hinblick auf den Ausschluss der Bordelle und bordellartigen Betriebe erscheint es vielmehr naheliegend diese jedenfalls dann auszuschließen, wenn man - wie geschehen - Vergnügungsstätten u.a. mit der Begründung ausschließt, dass die Flächen im Gewerbegebiet "klassischen" Gewerbebetrieben vorbehalten bleiben sollen. In Bezug auf die planbedingten Auswirkungen auf das Landschaftsbild spricht schon weit Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin bei sachgerechter Bewertung des Abwägungsmaterials den Plan geändert hätte; zudem liegt insoweit auch ein nicht den vorgenannten Bestimmungen unterfallender Fehler im Abwägungsergebnis vor.
4.
Nur ergänzend mit Blick auf das von der Antragsgegnerin möglicherweise angestrebte ergänzende Verfahren und die weithin nicht tragfähigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts Stade in seinem Beschluss vom 29. April 2024 (- 2 B 175/24 -, juris) merkt der Senat Folgendes an:
a)
Nicht durchgegriffen hätte das Vorbringen des Antragstellers gegen die Erforderlichkeit der Planung (§ 1 Abs. 3 BauGB) wegen eines - aus seiner Sicht - unüberwindlichen artenschutzrechtlichen Hindernisses im Hinblick auf Brutreviere der Feldlerche und der Schafstelze. Die von der Antragsgegnerin vorgesehenen CEF-Maßnahmen im ca. 4,5 km entfernten Pool Wiepenkathen sind geeignet, die ökologische Funktion der betroffenen Fortpflanzungsstätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin zu erfüllen (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BNatSchG). Für den Begriff des räumlichen Zusammenhangs in diesem Sinne kommt es auf die artspezifischen Vernetzungsdistanzen an. Etwaige Ersatzlebensräume müssen sich innerhalb des Aktionsradius der betroffenen Individuen - verstanden als der Bereich, in dem sie nach dem Eingriff eine neue Fortpflanzungsstätte annehmen werden - befinden. Danach gibt es keine feststehende Grenze, ab der ein räumlicher Zusammenhang zu verneinen ist. Vielmehr kommt es auf die Verbreitung der lokalen Population im Einzelfall an. Unter lokaler Population ist keinesfalls nur die an einem bestimmten Ort anzutreffende Fortpflanzungsgemeinschaft zu verstehen. Die lokale Population umfasst eine biologisch oder geographisch abgegrenzte Zahl von Individuen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie derselben Art oder Unterart angehören und innerhalb ihres Verbreitungsgebiets in generativen oder vegetativen Vermehrungsbeziehungen stehen. Es geht demnach um die Gesamtheit der Individuen einer Art, die in einem abgegrenzten Raum vorkommen. Eine lokale Population umfasst diejenigen (Teil-)Habitate und Aktivitätsbereiche der Individuen einer Art, die in einem für die Lebens(-raum)ansprüche der Art ausreichenden räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen. Spezifisch mit Blick auf die Feldlerche ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dieser um eine Vogelart handelt, die sich ohnehin jedes Jahr nach ihrer Rückkehr aus dem Süden einen neuen Standort sucht. Räumliche Verschiebungen sind schon deswegen unausweichlich, weil die Flächen in Abhängigkeit von der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung von Jahr zu Jahr eine wechselnde Eignung als Bruthabitat haben. Vor diesem Hintergrund erscheint es angezeigt, den Aktionsradius der betroffenen Individuen und das Verbreitungsgebiet der lokalen Feldlerchenpopulation nicht zu eng zu fassen (vgl. Senatsbeschl. v. 1.8.2024 - 1 MN 75/24 -, juris Rn. 28 m.w.N.).
Entsprechend hat sich auch der Verfasser des Fachbeitrags Artenschutz in der mündlichen Verhandlung geäußert und dem Verständnis des Antragstellers, der den naturgemäß deutlich kleineren Aktionsradius des an einem Brutplatz niedergelassenen Brutpaares während der Brutsaison für maßgeblich hielt, zu Recht eine Absage erteilt. Vielmehr sei auf die aus den Winterquartieren zurückkehrenden Individuen abzustellen, die sich auf die Suche nach einem neuen Brutplatz machten. Dabei sei ein strenges Abstellen auf das im Vorjahr angetroffene Individuum aufgrund seiner im Regelfall verhältnismäßig kurzen Lebensspanne ohnehin problematisch. Im Ergebnis komme es daher darauf an, dass im räumlichen Zusammenhang eine unverminderte Anzahl an Fortpflanzungsstätten zur Verfügung stehe. Dieser räumliche Zusammenhang sei hier gewährt. Die Lokalpopulation der Feldlerche sei weit zu fassen, da sie als Vogel der norddeutschen Tiefebene keine Unterarten ausgebildet und die Art keine spezifischen Standortanforderungen habe. Ein ca. 4,5 km vom Eingriffsort entferntes Ersatzhabitat liegt sicher innerhalb der Vernetzungsdistanz der Lokalpopulation und erfüllt damit den räumlichen Zusammenhang i.S.d. § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BNatSchG. Mit 2 ha ist auch die Größe der in Aussicht genommenen Fläche für den Ersatz von zwei Bruthabitaten, zu deren Größe pro Brutpaar die Angaben stark variieren (z.B. NABU: 0,67 ha, https://www.nabu.de/tiere- und-pflanzen/aktionen- und-projekte/vogel-des-jahres/feldlerche/fakten/25183.html, zuletzt abgerufen am 18.10.2024; Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Platz, Leitfaden CEF-Maßnahmen, 2021, Anlage 4, Steckbrief Feldlerche: 0,5-1 ha), geeignet. Soweit der Antragsteller - und ihm folgend das Verwaltungsgericht Stade in seinem Beschluss vom 29. April 2024 (- 2 B 175/24 -, juris Rn. 76 ff.) - einwendet, dass die bereits 2018/2019 hergestellten Ersatzhabitate bereits belegt und damit im Zeitpunkt des Eingriffs nicht mehr zur Verfügung stünden, geht er von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Die Antragsgegnerin hat überzeugend dargelegt, dass die für die Feldlerche vorgesehene Fläche erst seit dem Jahr 2023 entsprechend dem neuen Ziel "Wiesenvogelschutz" bewirtschaftet wird. Damit steht die Fläche im zeitlichen Zusammenhang mit dem bevorstehenden Eingriff zur Verfügung.
b)
Soweit der Antragsteller- und auch insoweit ihm folgend das Verwaltungsgericht Stade mit Beschluss vom 29. April 2024 (- 2 B 175/24 -, juris Rn. 81 ff.) - meint, die Antragsgegnerin habe den Belang des Klimaschutzes fehlerhaft behandelt, teilt der Senat diese Einschätzung nicht. Ausgangspunkt ist dabei nicht § 13 KSG, sondern die für Bauleitpläne in § 1 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 Nr. 7 a), § 1a Abs. 5 BauGB - hier in der bei Satzungsbeschluss geltenden Fassung - spezialgesetzlich geregelte Pflicht zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten (vgl. BT-Drs. 19/14337, S. 36; ebenso OVG SH, Beschl. v. 7.7.2023 - 1 MR 9/20 -, NordÖR 2023, 570 [OVG Hamburg 09.05.2023 - 2 Bs 41/23] = juris Rn. 65; Fellenberg, in: Fellenberg/Guckelberger, Klimaschutzrecht, 2022, KSG § 13 Rn. 11). Gemäß § 1a Abs. 5 BauGB ist der Grundsatz, dass den Erfordernissen des Klimaschutzes sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen, Rechnung getragen werden soll, in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen. Die planende Gemeinde trifft deshalb im Rahmen der von ihr verfolgten städtebaulichen Konzeption eine Pflicht zur Ermittlung und Bewertung der Klimafolgen ihrer Planung sowie zur Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung, wo etwaige negative Auswirkungen ins Verhältnis zu den mit der Planung erstrebten Vorteilen gesetzt werden müssen. Ebenso wie § 13 KSG enthält § 1a Abs. 5 BauGB aber kein Optimierungsgebot (vgl. Senatsurt. v. 27.9.2017 - 1 KN 168/15 -, BauR 2018, 1666 = juris Rn. 186; zu § 13 KSG ebenso BVerwG, Urt. v. 4.5.2022 - 9 A 7.21 -, BVerwGE 175, 312 = NVwZ 2022, 1549 = juris Rn. 86 ff.; Urt. v. 22.6.2023 - 7 VR 3.23 -, BVerwGE 179, 226 = NVwZ 2023, 1657 = juris Rn. 40). Demzufolge müssen Klimaschutzgesichtspunkte als ein zu berücksichtigender Belang unter vielen mit dem Gewicht, das ihnen zukommt, in die Abwägung einfließen, ohne dass diesen von vornherein ein Vorrang vor anderen Gesichtspunkten zukommt. Eine Verpflichtung der Gemeinde zu bestimmten Maßnahmen wird man § 1 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 Nr. 7 a), § 1a Abs. 5 BauGB nur nach Maßgabe besonderer fachrechtlicher Bestimmungen bzw. in besonders gelagerten Ausnahmefällen entnehmen können.
Begrenzt werden die Pflicht und zugleich auch die Möglichkeiten der planenden Gemeinde zur Berücksichtigung von Klimaschutzgesichtspunkten im Rahmen der Bauleitplanung dadurch, dass jede Bauleitplanung und jede damit verfolgte Maßnahme einen bodenrechtlichen Bezug aufweisen muss. Die Bauleitplanung ist mithin kein Instrument, das die Gemeinde berechtigt oder gar verpflichtet, eine allgemeine Klimaschutzpolitik ohne Rücksicht auf die kompetenziellen Grenzen des Bauplanungsrechts zu verfolgen. Bauleitplanerischer Klimaschutz muss sich daher auf die konkrete Art der Bodennutzung - insbesondere die Standortsteuerung - und die Gestaltung baulicher Anlagen beziehen (vgl. zutreffend Wagner, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 153. EL Januar 2024, § 1a Rn. 286). Zudem sind die Grenzen des Fachrechts zu beachten, zu dem sich die planende Gemeinde insbesondere nicht in Widerspruch setzen darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.9.2017 - 4 CN 6.16 -, BVerwGE 159, 356 = BRS 85 Nr. 34 = juris Rn. 13 ff.). Sie ist auch nicht verpflichtet, über die Vorgaben des Fachrechts durch eigene Maßnahmen hinauszugehen. Nimmt es das Fachrecht beispielsweise hin, dass weiterhin fossile Brennstoffe verwendet oder energieintensive Anlagen ohne Verpflichtung zur Nutzung regenerativer Energien errichtet werden, und setzt dieses auf eine Steuerung mittels finanzieller Instrumente wie den Treibhausgasemissionshandel statt auf enge regulatorische Vorgaben, ist die Gemeinde nur in den Grenzen der Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 BauGB berechtigt, aber keinesfalls gezwungen, im Rahmen ihrer Bauleitplanung eine weitergehende Regulierung vorzunehmen. Etwaige Defizite des Fachrechts - so man solche annehmen möchte - muss die Gemeinde nicht durch eigene weitergehende Maßnahmen im Rahmen der Bauleitplanung ausgleichen, sondern sie darf sich in dem ihr gesetzten Rahmen grundsätzlich frei bewegen.
Konkret bedeutet das, dass die Gemeinde unter dem Aspekt des Klimaschutzes die Planung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Lokalklima, wie Kaltluftschneisen, Grüngürtel o.ä., sowie ihrer Standortwahl untersuchen muss. Bei Letzterer können beispielsweise die Lage im Raum insbesondere mit Blick auf die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien und die verkehrliche Anbindung, eine besondere Bodenbeschaffenheit etwa bei besonders kohlenstoffhaltigen Böden und die allgemeine Ressourcenverfügbarkeit eine Rolle spielen. Welcher Aufwand im Einzelfall zu betreiben ist, hängt insbesondere von der Art der konkreten Planung ab. Macht die planende Gemeinde im Rahmen der Innenentwicklung eine brachgefallene Fläche für den Wohnungsbau nutzbar, sind die Anforderungen wesentlich geringer als bei der Standortentscheidung für die Errichtung einer energie- und/oder verkehrsintensiven Anlage im Außenbereich. Auch im letztgenannten Fall können sich Art und Ausmaß der Ermittlungen aber darauf beschränken, die Auswirkungen der Planung auf den Klimaschutz verbal zu beschreiben. Eine zahlenmäßige Bilanzierung, wie sie der Antragsteller für notwendig hält, ist gesetzlich nicht gefordert und im Rahmen der Abwägung auch nicht mit einem nennenswerten Rationalisierungsgewinn verbunden. Denn es bestehen vielfach weder praktikable Vergleichsgrößen noch eine Pflicht der Gemeinde, jenseits der fachrechtlichen Vorgaben auf die mit Blick auf den Klimaschutz beste verfügbare Technik hinzuwirken. Zu einem Vergleich eignen sich insbesondere die nationalen Klimaschutzziele bzw. die Sektorziele der §§ 3, 3a KSG nicht, da sich im Vergleich zu ihnen die klimatischen Folgen nahezu jeder Planung als marginal darstellen. Soweit der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung die Pflicht zur Ermittlung konkreter Zahlen damit begründet hat, man brauche diese, um für künftige Planungen eine Vergleichsgröße zu schaffen, entbehrt dies einer gesetzlichen Grundlage. Die vom Antragsteller zur Stützung seiner gegenteiligen Auffassung ins Feld geführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die § 13 KSG eine Pflicht zur Ermittlung der Menge an Treibhausgasen, die aufgrund eines Vorhabens emittiert werden, entnimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.6.2023 - 7 VR 3.23 -, BVerwGE 179, 226 = NVwZ 2023, 1657 = juris Rn. 39; Urt. v. 15.9.2023 - 7 VR 6.23 -, ZUR 2023, 675 = juris Rn. 42), ist auf die Bauleitplanung und die in diesem Rahmen maßgeblichen § 1 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 Nr. 7 a), § 1a Abs. 5 BauGB nicht übertragbar. Die Rechtsprechung betrifft die Ebene der Vorhabenzulassung, nicht aber die Ebene der Bauleitplanung, auf der häufig noch keine Gewissheit über das zu errichtende Vorhaben besteht. Selbst wenn das aber ausnahmsweise der Fall ist, ist die vorhabenbezogene Prüfung, um eine solche handelt es sich bei der Beurteilung vorhabenbezogener Treibhausgasemissionen, im Rahmen der nachgelagerten Zulassungsentscheidung und nach Maßgabe des dafür vorgesehenen Fachrechts durchzuführen. Auf dieser Ebene kann mithin nach Maßgabe der konkreten gesetzlichen Bestimmungen eine zahlenmäßige Ermittlungspflicht bestehen. Auf der Ebene der Bauleitplanung, mithin der Standortentscheidung, ist eine solche Pflicht nicht gegeben.
Ausgehend von den dargestellten Vorgaben hat die Antragsgegnerin die Auswirkungen der Planung auf die Belange des Klimaschutzes hinreichend ermittelt. Sie hat sich mit dem Wasser- und Energiebedarf der Planung sowie mit deren verkehrlichen und kleinklimatischen Auswirkungen auseinandergesetzt und daraus eine insgesamt negative Klimabilanz des Vorhabens abgeleitet. Diese hat sie mit verschiedenen Festsetzungen (z.B. relativ geringer Versiegelungsgrad in den festgesetzten Gewerbegebieten, Dachbegrünung, Zulässigkeit von Solarenergie) - ergänzt durch Vereinbarungen in dem zu der Planung gehörenden städtebaulichen Vertrag (z.B. Vorgabe, die Energieversorgung möglichst aus erneuerbaren Energien zu decken, § 16a GrdV II, und mit einem Shuttle-Verkehr die Anbindung an den ÖPNV - befristet - zu sichern, § 16 GrdV II) - versucht, abzumildern. Dass die Klimabilanz der Planung gleichwohl negativ bleibt, hat die Antragsgegnerin erkannt, diesen Gesichtspunkt aber zugunsten des Planungsziels, einen neuen Freizeit- und Gewerbestandort zu schaffen, zurückgestellt (vgl. Planbegr. S. 53). Dies ist nicht zu beanstanden. Auch wenn die Belange des Klimaschutzes mit einigem Gewicht in die Abwägung einzustellen sind, sind sie weiterhin der Abwägung und damit auch dem nachvollziehbar begründeten Wegwägen zugänglich. Der allein dafür zuständige Gesetzgeber hat die Klimaschutzziele derzeit nicht so ausgestaltet, dass ihnen ein Verbot von Planungen mit einer negativen Klimabilanz zu entnehmen ist (Fortführung v. Senatsurt. v. 27.9.2017 - 1 KN 168/15 -, BauR 2018, 1666 = juris Rn. 186).
c)
Die Frage, ob die in Orientierung an den Arbeitshilfen der Landesnaturschutzverwaltung zur Anwendung der Eingriffsregelung erfolgte Kompensation der Eingriffe in das Schutzgut Boden durch Aufwertung von Flächen geeignet und in dem angesetzten Verhältnis hinreichend ist, lässt der Senat mangels näherer Befassung offen. Alle weiteren Angriffe gegen die Planung hätten voraussichtlich nicht durchgegriffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 155 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 (analog), § 709 Satz 2, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt, wobei auf den Antragsteller zu 1.) 30.000,00 EUR und auf den Antragsteller zu 2.) 20.000,00 EUR entfallen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).