Sozialgericht Stade
Urt. v. 22.06.2008, Az.: S 26 KG 101/08

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
22.06.2008
Aktenzeichen
S 26 KG 101/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 44875
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2008:0622.S26KG101.08.0A

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wehrt sich gegen die Rückforderung überzahlter Kinderzuschlagsleistungen im Zeitraum Juli 2007 bis Dezember 2007.

2

Die Klägerin, geboren im Jahre 1959, lebt mit vieren ihrer fünf Kinder sowie ihrem Ehemann in einem Haushalt. Sie bezieht ein eigenes Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 1.320,07 EUR brutto. Der Ehemann bezieht eine Rente in Höhe von 650,84 EUR brutto. Seit Juli 2007 befindet sich eines der Kinder in einer Berufsausbildung und erhält von dort eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 385,00 EUR monatlich.

3

Die Klägerin bezog auf Grundlage eines Bewilligungsbescheids der Beklagten vom 7. März 2007 bis 31. Dezember 2007 Kinderzuschlagsleistungen von der Beklagten in Höhe von monatlich 315,00 EUR. Im Fragebogen zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ab Januar 2008, der bei der Beklagten am 13. Februar 2008 einging, gab die Klägerin an, dass ihr Sohn F. sich seit Juli 2007 in einer Ausbildung zum Bäcker befinde. Ein Vergütungsnachweis war beigefügt. Die Beklagte nahm daraufhin eine Neuberechnung des Leistungsanspruchs gemäß § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) vor. Mit Bescheid vom 23. April 2008 lehnte sie im Ergebnis die weitere Bewilligung von Kinderzuschlag ab Januar 2008 mit der Begründung ab, durch den sich errechnenden Kinderzuschlag würde Hilfebedürftigkeit nicht mehr vermieden, so dass die Voraussetzungen für die weitere Leistungsgewährung nicht erfüllt seien. Widerspruch und Klage der Klägerin hatten keinen Erfolg (vgl Urteil des Sozialgerichts Stade vom 22. Juni 2009 - S 26 KG 3/08 -).

4

Nach der Neuberechnung des Leistungsanspruchs durch die Beklagte ergab sich, dass im Jahr 2007 seit Beginn der Ausbildung des Sohnes F. Kinderzuschlag iHv monatlich 140,00 EUR überzahlt worden war, denn unter Einbeziehung der veränderten Einkommenslage bestand Anspruch nur iHv 175,00 EUR monatlich anstelle der gewährten und ausgezahlten 315,00 EUR. Mit Bescheid vom 25. Juli 2008 hob die Beklagte die Zuschlagsbewilligung ab Juli 2007 teilweise auf und machte eine Erstattungsforderung iHv 840,00 EUR gegenüber der Klägerin geltend. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2008 als unbegründet zurück. Am 5. Dezember 2008 hat die Klägerin Klage erhoben.

5

Die Klägerin trägt vor, sie habe den Beginn der Ausbildung des Sohnes frühzeitig telefonisch mitgeteilt. Ihr sei gesagt worden, eine schriftliche Mitteilung sei nicht erforderlich. Die Klägerin beantragt,

  1. den Bescheid vom 25. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. November 2008 aufzuheben.

6

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

7

Sie verweist im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Widerspruchsbescheid.

8

Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2009 waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

10

Die streitgegenständliche teilweise Aufhebung und Rückforderung überzahlter Kinderzuschlagsleistungen für den Zeitraum Juli 2007 bis Dezember 2007 durch die Beklagte erweist sich als rechtmäßig und beschwert die Klägerin daher nicht, § 54 Abs 2 SGG. Aufgrund der veränderten Einkommenssituation nach Beginn der Ausbildung des Sohnes im Juli 2007 bestand ein geringerer Anspruch auf Kinderzuschlag. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine nachträgliche teilweise Aufhebung der ursprünglichen Leistungsbewilligung und für die Geltendmachung einer Erstattungsforderung waren erfüllt.

11

Gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Gemäß Satz 2 soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit (Nr 3) nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

12

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Hinzukommen der Ausbildungsvergütung des Sohnes Willi ab Juli 2007 stellte eine wesentliche Änderung des zugrunde liegenden Sachverhalts dar und führte zu einer Minderung des Anspruch auf Kinderzuschlag gemäß § 6a BKGG.

13

Die Minderung kam durch eine Verringerung des Gesamtkinderzuschlags und deren Auswirkungen auf das Berechnungsgefüge zustande. Im Einzelnen:

14

Gemäß § 6a Abs 1 BKGG in der bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende Kinder, die noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn sie für diese Kinder nach diesem Gesetz Anspruch auf Kindergeld haben, sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen im Sinne des § 11 SGB II mindestens in Höhe des nach Abs 4 Satz 1 für sie maßgebenden Betrages und höchstens in Höhe der Summe aus diesem Betrag und dem Gesamtkinderzuschlag nach Abs. 2 verfügen (§ 6a Abs 1 Nr 2 BKGG) und durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird (§ 6a Abs 1 Nr 3 BKGG aF). Der Kinderzuschlag beträgt für jedes zu berücksichtigende Kind jeweils bis zu 140,- EUR (§ 6a Abs 2 BKGG) und wird in voller Höhe gezahlt, wenn das elterliche Einkommen einen Betrag in Höhe des ohne Berücksichtigung von Kindern maßgeblichen Arbeitslosengeldes II nach § 19 Satz 1 Nr 1 SGB II entspricht (§ 6a Abs 4 Satz 1 BKGG). Dabei sind die Kosten für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus dem letzten Existenzminimumsbericht der Bundesregierung ergibt. Gemäß § 6a Abs 3 BKGG vermindert sich der Kinderzuschlag um das nach den §§ 11 und 12 SGB II mit Ausnahme des Wohngeldes zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen des Kindes, wobei das Kindergeld außer Betracht bleibt.

15

Das eigene Einkommen des Sohnes F. führte wegen der Regelungen in § 6a Abs 2 Satz 1, Abs 3 BKGG zu einem Wegfall des auf ihn entfallenden Kinderzuschlags. Aus der Ausbildungsvergütung ergibt sich ein bereinigtes anzurechnendes Einkommen iHv 147,72 EUR, das den Kinderzuschlag pro Kind von 140,00 EUR übersteigt. Der Gesamtkinderzuschlag betrug damit nur noch 420,00 EUR und nicht mehr 560,00 EUR, wie im Bescheid vom 7. März 2007 noch vorausgesetzt. Dadurch verschob sich zum einen die Höchsteinkommensgrenze. Vor allem ergab sich ein geringerer Restbetrag nach Anrechnung von 70 % des die Mindesteinkommensgrenze übersteigenden Einkommens der Klägerin und ihres Ehemannes. Denn aufgrund des übersteigenden Einkommens von 353,07 EUR errechnete sich auf Grundlage des § 6a Abs 4 Satz 6 BKGG zwar ein unveränderter Minderungsbetrag von 245,00 EUR. Dieser minderte jedoch nicht mehr einen Gesamtkinderzuschlag von 560,00 EUR, sondern nur noch von 420,00 EUR, so dass der verbleibende Zuschlag nicht mehr 315,00 EUR, sondern nur noch 175,00 EUR betrug. Die monatliche Minderung betrug damit 140,00 EUR ab Juli 2007. Hochgerechnet auf die betroffenen sechs Monate ergab sich daraus eine Überzahlung iHv 840,00 EUR.

16

Der anfänglich rechtmäßige Bewilligungsbescheid vom 7. März 2007 wurde dadurch ab Juli 2007 rechtswidrig, da er nicht mehr der tatsächlichen Sachlage entsprach. Der Beklagten ist hinsichtlich der Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nur ein sehr eingeschränktes Ermessen eingeräumt ("Soll-Ermessen"). Ermessensfehler sind insoweit nicht erkennbar, denn es liegt kein atypischer Fall vor.

17

Auf die Frage, wann die Klägerin den weiteren Einkommensbezug ab Juli 2007 der Beklagten mitgeteilt hat und welche Auskünfte sie vor dort erhalten hat oder nicht, kommt hier nicht an, da § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X verschuldensunabhängig ist. Entscheidend ist allein die tatsächliche Änderung der maßgeblichen Ausgangslage und deren Auswirkungen.

18

Die Fristen des §§ 48 Abs 4, 45Abs 3 SGB X wurden eingehalten.

19

Mit der rechtmäßigen teilweisen Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 7. März 2007 durch den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 25. Juli 2008 sind auch die Voraussetzungen für die Geltendmachung der entsprechenden Erstattungsforderung gemäß § 50 Abs 1 SGB X erfüllt.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.