Sozialgericht Stade
Urt. v. 28.05.2008, Az.: S 4 R 250/07

Klage eines gesetzlich Versicherten gegen die Rückforderung von Zuschüssen zur freiwilligen Krankenversicherung sowie gegen die Nachforderung von Beitragsanteilen für die Krankenversicherung

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
28.05.2008
Aktenzeichen
S 4 R 250/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 39771
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2008:0528.S4R250.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LSG Niedersachsen-Bremen - AZ: L 1 R 443/08

Tenor:

Der Bescheid vom 28. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2007 wird insoweit teil-weise aufgehoben, als dass die Bescheide vom 15. August 2002 über die Gewährung von Zuschüssen gemäß §§ 106, 106 a SGB VI aufgehoben werden und ein Betrag in Höhe von 4.263,09 EUR zurückgefordert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kos-ten zur Hälfte zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wehrt sich mit der Klage zum einen gegen die Aufhebung und Rückforderung von Zuschüssen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung sowie gegen die Nach-forderung von Beitragsanteilen für die Kranken- und Pflegeversicherung.

2

Der Kläger, geboren im Jahre 1941, bezieht seit dem 1. Oktober 2001 eine Altersrente von der Beklagten. Bei Rentenbeginn am 1. Oktober 2001 war der Kläger freiwillig gesetzlich versichert, und zwar noch bis zum 31. März 2002. Seit dem 1. April 2002 besteht Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.

3

Durch ein Schreiben seiner Krankenkasse vom 12. Juli 2002 erfuhr der Kläger, dass ab dem 1. April 2002 von Gesetzes wegen Versicherungspflicht eingetreten sei. Die bis da-hin gezahlten freiwilligen Beiträge wurden dem Kläger von der Krankenkasse erstattet. Der Beklagten teilte die Krankenversicherung die Änderung des Versicherungsverhältnisses ab April 2002 offenbar nicht mit. Statt dessen geht aus einem Datensatz vom 11. Juli 2002 in der Verwaltungsakte der Beklagten (Blatt 51) hervor, dass der Beklagten von der Krankenversicherung mitgeteilt wurde, dass vom 1. Oktober 2001 bis zum 31. Dezember 2001 sowie vom 1. Januar 2002 bis laufend freiwillige Krankenversicherung bestehe.

4

Mit Schreiben vom 25. Juli 2002 übersandte die Beklagte dem Kläger den Formantrag auf Zuschüsse zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung gem §§ 106, 106 a SGB VI und wies im Anschreiben darauf hin, die Krankenkasse habe ihr mitgeteilt, dass der Kläger dort freiwillig und nicht pflichtversichert sei. Am 13. August 2002 ging der vom Kläger am 8. August 2002 ausgefüllte Antrag wieder bei der Beklagten ein. Der Kläger hatte unter Ziffer 4 des Formantrags auf die Frage "Besteht oder bestand in der Zeit, für die Sie einen Zuschuss beanspruchen, Versicherungspflicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse?" angekreuzt "ja" und die Krankenkasse angegeben. Als Grund der Versicherungspflicht gab der Kläger Arbeitslosigkeit an. Der Kläger unterzeichnete auch die auf dem Formantrag befindliche Erklärung darüber, dass sich der Antragsteller verpflichte, Veränderungen der Krankenversicherung der Beklagten sofort mitzuteilen.

5

Mit Bescheid vom 15. August 2002 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente in Höhe von 1.099,24 EUR. Mit Bescheid vom selben Tage gewährte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß rückwirkend ab dem 1. Oktober 2001 einen Zuschuss zur Krankenversicherung gem § 106 SGB VI und mit einem dritten Bescheid vom 15. August 2002 auch einen Zuschuss zur Pflegeversicherung gem § 106 a SGB VI, ebenfalls mit Wirkung ab 1. Oktober 2001. Beide Bescheide über die gewährten Zuschüsse enthielten Mitteilungs-pflichten und Hinweise, aus denen hervorging, dass der Anspruch auf den Beitragszuschuss entfiele, wenn Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie Beitrags-freiheit in der Pflegeversicherung eintrete. Auch wurde auf die gesetzliche Verpflichtung der unverzüglichen Mitteilung jeder Änderung hingewiesen. Die Beklagte behielt sich vor, überzahlte Beträge zurückzufordern, wenn der Mitteilungspflicht nicht genügt werden sollte. Die Beklagte zahlte fortan dem Kläger Zuschüsse zum Krankenversicherungsbei-trag in Höhe von zunächst 127,24 DM, ab 1. Januar 2002 in Höhe von 67,56 EUR zum Krankenversicherungsbeitrag sowie Zuschüsse zum Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von zunächst 16,64 DM, ab Januar 2002 von 8,51 EUR.

6

Durch einen Datenabgleich im November 2006 erfuhr die Beklagte, dass der Kläger bereits seit dem 1. April 2002 pflichtversichert war. Nach schriftlicher Anhörung durch Schreiben vom 4. Dezember 2006 erließ die Beklagte darauf hin den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Dezember 2006. Mit dem Bescheid vom 28. Dezember 2006 hob die Beklagte die beiden Bescheide über die Bewilligung des Beitragszuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung vom 15. August 2002 mit Wirkung ab 1. April 2002 gem § 48 SGB X auf. Zugleich erhob sie für den Zeitraum 1. April 2002 bis 31. Dezember 2006 eine Erstattungsforderung in Höhe von 4.263,09 EUR wegen zu.U.nrecht erbrachter Leistungen. Weiterhin erklärte sie die Aufrechnung des Erstattungsbetrages gegen den Anspruch des Klägers auf Rente gem § 51 Abs. 2 SGB I. Im selben Bescheid erklärte die Beklagte weiter, dass für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. Dezember 2006 nachtäglich die aus der Rente zu bemessenden und vom Kläger zu tragenden Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung iHv 5.243,59 EUR gem § 255 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I ebenfalls mit dem laufen-den Rentenanspruch des Klägers aufgerechnet würden. Die Gesamtforderung iHv 9.506,68 EUR sollte laut Bescheid durch Einbehalt von 31 monatlichen Beträgen iHv 300,00 EUR und einem Restbetrag iHv 206,68 EUR mit der weiterhin zu zahlenden Ren-te aufgerechnet werden. In der Begründung des Bescheids wies die Beklagte darauf hin, dass nach ihrer Auffassung der Kläger nach dem Ende der freiwilligen Mitgliedschaft auf den Fortbestand der Bewilligungsbescheide und damit auch die Zahlung des zweckgebundenen Zuschusses nicht mehr habe vertrauen können. Anhaltspunkte, die gegen eine rückwirkende Aufhebung der Bescheide sprechen, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich.

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Den mit Schreiben vom 5. Januar 2007 eingelegten Widerspruch der gegen den Bescheid vom 28. Dezember 2006 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2007 als unbegründet zurück. Darin stellte die Beklagte nun auf § 45 SGB X als Rechts-grundlage für die Aufhebungen ab. Am 11. Juni 2007 hat der Kläger Klage erhoben.

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Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, er habe die Rechtswidrigkeit der Bescheide über die Gewährung der Beitragszuschüsse nicht erkennen können. Zwar habe die Krankenkasse ihm mitgeteilt, er sei seit April 2002 pflichtversichert, sodass es ihm komisch vorgekommen sei, als die Beklagte ihm zwei Wochen später mitteilte, die Krankenkasse habe der Beklagten mitgeteilt, er sei freiwillig versichert. Er habe seinerzeit bei der Beklagten nachgefragt und die Aussage erhalten, es sei alles korrekt so. Daraufhin habe er nichts weiter unternommen. Die Rückforderungsansprüche der Beklagten seien im Übrigen zumindest teilweise verjährt. Der Bescheid vom 28. Dezember 2006 sei nach Eingangsstempel des Büros seines Prozessbevollmächtigten, der ihm bereits im Verwaltungsverfahren vertreten habe, erst am 2. Januar 2007 dort eingegangen.

9

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom 4. Juni 2007 aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Sie verweist zunächst auf ihr Vorbringen im angegriffenen Bescheid. Aufgrund des Schreibens der Krankenkasse vom 12. Juli 2002 sei der Kläger dahingehend aufgeklärt gewesen, dass er seit April 2002 pflichtversichert war. Bei Stellung des Antrags auf Zu-schüsse gem§§ 106, 106 a SGB VI sei dem Kläger daher bereits bekannt gewesen, dass seit April 2002 gar keine freiwillige Krankenversicherung mehr bestand. Der Kläger habe außerdem später darauf hinweisen müssen, dass er seit April 2002 pflichtversichert war. Es habe ihm auffallen müssen, dass er einen Zuschuss zu Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung erhielt, obwohl er diese Beträge gar nicht mehr selbst zahlte. Verjährung der Rückforderung der Beitragszuschüsse sei im Übrigen nicht eingetreten, da durch die Anhörung am 4. Dezember 2006 der weitere Verlauf der Verjährungsfristen gehemmt worden sei.

12

Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2008 waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg.

14

Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2007 erweist sich insoweit als rechtswidrig, als dass die Beklagte vom Kläger die geleisteten Zuschüsse zu den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 4.263,09 EUR für den Zeitraum 1. April 2002 bis zum 31. Dezember 2006 zurückforderte (dazu unten 1. und 2.). Hinsichtlich der Nachforderung von Beitragsanteilen für die Kranken- und Pflegeversicherung im genannten Zeit-raum in Höhe von 5.243,59 EUR sowie der entsprechenden Aufrechnung mit laufenden Rentenzahlungen erweist sich die angegriffene Entscheidung der Beklagten jedoch als rechtmäßig und beschwert den Kläger insoweit nicht, § 54 Abs. 2 SGG (unten 3. und 4.).

15

1. Die Aufhebung der Bescheide über die Zuschussgewährung vom 15. August 2002 war rechtswidrig, soweit sie in die Vergangenheit wirken sollte, da der Kläger sich insoweit auf Vertrauensschutz berufen kann.

16

Als Rechtsrundlage für die rückwirkende Aufhebung der beiden Zuschussbescheide kommt allein § 45 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X in Betracht. Nach den genannten gesetzlichen Vorgaben kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen kann. Ncht auf Vertrauen kann er sich berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruhte, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder, weil der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder Infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3).

17

Eine Versagung von Vertrauensschutz wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben (Nr. 2) kommt nicht Betracht, da der Kläger keine falschen oder unvollständigen Angaben gemacht hat. Insbesondere hat er zutreffend im Formantrag über die Zuschüsse gem§§ 106, 106a SGB VI angegeben, dass Pflichtversicherung bestehe. Die Beklagte hätte dies zum Anlass nehmen können, sich bei der Krankenversicherung noch einmal rückzuversichern, ob die bis dahin bekannten dortigen Angaben zutreffen.

18

Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung kann auch nicht zur notwenigen Überzeugung der Kammer festgestellt werden, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit der Zuschussbescheide tatsächlich kannte oder Infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). Zwar hatte die Krankenkasse ihm bereits im Juli 2002 mitgeteilt, dass seit April 2002 Pflichtversicherung bestand. Als ihm dennoch Anfang August 2002 die Beklagte mitteilte, er sei nach Mitteilung der Krankenkasse freiwillig versichert und könne einen Antrag auf Zuschuss zur Beitragszahlung stellen, war die Lage auch für den Laien erkennbar unklar. Der Kläger hat jedoch glaubhaft vorgetragen, dass er sich um Aufklärung bemüht hat und bei der Beklagten nachgefragt hat, ob dies alles seine Richtigkeit haben könne. Da er von dort die Auskunft erhielt, es sei alles in Ordnung, blieb zwar dennoch ersichtlich der Widerspruch zwischen der späteren Gewährung der beantragten Zuschüsse und dem tat-sächlich Nichtbestehen der freiwilligen Versicherung bestehen. Es kann dem Kläger je-doch unter Zugrundelegung einer Parallelwertung in der Laiensphäre nicht unterstellt werden, dass er die Rechtswidrigkeit der Zuschussgewährung aktiv erkannte oder sie ihm hätte ins Auge springen müssen. Dies muss um so mehr gelten, als dass er im Formantrag auf die Zuschussgewährung keine falschen Angaben gemacht hatte, sondern zutreffend angab, es bestand oder bestehe Pflichtversicherung. Für die Versagung von Vertrauensschutz reicht es nach dem Dafürhalten des erkennen-den Gerichts nicht aus, wenn die Bescheidlage widersprüchlich ist und dem Kläger komisch vorkommen musste, wenn er sich seinerseits um Aufklärung bemüht hat. Wenn er auf Nachfrage die Auskunft erhält, es sei alles in Ordnung, muss er sich darauf zumindest verlassen können, wenn er zuvor auf die Widersprüchlichkeit hingewiesen hatte. Einerseits erscheint es unwahrscheinlich, dass der Kläger den jahrelangen Bezug der Zuschüsse für in jedem Fall korrekt gehalten haben kann, denn er leistete selbst gar kei-ne freiwilligen Beiträge und wurde ohne Grundlage bezuschusst. Andererseits reicht es für die Annahme von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit noch nicht allein aus, wenn die Situation Fragen offen lässt, um deren Aufklärung sich der Kläger nach anfänglicher Nachfrage nicht mehr weiter bemüht hat. Die Überzahlung der streitgegenständlichen Zuschüsse beruht offensichtlich in erster Linie darauf, dass die Krankenkasse die Beklag-te nicht zeitnah über das Ende der freiwilligen Versicherung informierte und die Beklagte zugleich dem Hinweis des Klägers im Antragsformular, es bestehe Pflichtversicherung, nicht weiter nachging. Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass es angesichts der widersprüchlichen Signale der beteiligten Leistungsträger dem Kläger ins Auge springen musste, dass die Zuschussbewilligung in jedem Fall falsch sein musste.

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2. Da die Aufhebung der Zuschussbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit rechts-widrig war, sind die Voraussetzungen des§ 50 Abs. 1 SGB X für die Rückforderung der zu.U.nrecht geleisteten Zuschüsse nicht erfüllt. In der Folge besteht insoweit auch keine Grundlage für eine Aufrechnung der Rückforderung mit der laufenden Rentenzahlung gem § 51 Abs. 2 SGB I, da diese das Bestehen einer fälligen Forderung der Beklagten gegen den Kläger voraussetzt.

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3. Soweit sich der Kläger mit der Klage gegen die Beitragsnachforderung für die Zeit der Pflichtversicherung ab April 2002 wendet, hat die Klage keinen Erfolg. Der Bescheid vom 28. Dezember 2006 erweist sich insoweit als rechtmäßig. Die gesetzlichen Vorausset-zungen für die Einbehaltung der rückständigen Beiträge durch die Beklagte gem § 255 Abs. 1, Abs. 2 SGB V i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I sind erfüllt.

21

Gem § 255 Abs. 1 Satz 1 sind Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragen-den Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen zu zahlen. Gem § 255 Abs. 2 SGB V sind, wenn bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Abs. 1 unterblieben ist, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; § 51 Abs. 2 SGB I gilt entsprechend.

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Aufgrund der unstreitig bestehenden Pflichtversicherung seit April 2002 besteht auch die Pflicht zur Entrichtung der entsprechenden Beitragsanteile des Klägers. Die Beklagte als zuständiger Rentenversicherungsträger muss die rückständigen Beiträge daher einbehalten. Ermessen ist ihr insoweit nicht eingeräumt. Rechenfehler sind nicht ersichtlich.

23

Der nachträglichen Einbehaltung der Gesamtforderung in Höhe von 5.243,59 EUR für den Zeitraum 1. April 2002 bis zum 31. Dezember 2006 steht auch nicht die Verjährung eines Teiles der Anspruche entgegen. Gem § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge nach Ablauf des Kalenderjahres, indem sie fällig geworden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sinngemäß (§ 25 Abs. 2 Satz 1 SGB IV).

24

Die vierjährige Verjährungsfrist der Beiträge für den Zeitraum April 2002 bis November 2002, in die im Jahr 2002 fällig wurden, wäre nach den gesetzlichen Vorgaben am 31. Dezember 2006 eingetreten, wurde jedoch durch die Beklagte vor Ablauf erfolgreich gehemmt. Zwar ist der Bescheid vom 28. Dezember 2006 erst im Januar 2007 in den Machtbereich des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten gekommen. Hier ist in-soweit auf den Eingangsstempel der Kanzlei abzustellen. Es ist jedoch bereits durch das Anhörungsschreiben vom 4. Dezember 2006 und die Antwort des Klägers vom 18. Dezember 2006 die Verjährung gem § 25 Abs. 2 Satz 1 SGB IV i.V.m. § 203 BGB gehemmt worden. Denn gem § 203 BGB in entsprechender Anwendung ist die Verjährung gehemmt, solange zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Der Begriff der Verhandlungen ist dabei weit auszulegen. Der Gläubiger muss klarstellen, dass er einen An-spruch geltend machen und worauf er ihn im Kern stützen will. Anschließend genügt hier der Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächliche Grundlage es sei denn, dass der Schuldner sofort erkennbar Verhandlungen ablehnt (vgl Heinrichs in: Palandt, BGB, 65. Auflage, § 203 Rn 2). Durch das Anhörungsschreiben hat die Beklagte ihre Forderung angemeldet und mitgeteilt, auf welche rechtliche Grundlage die Beitragsforderung beruht. Der Kläger hat daraufhin mit in einem Schriftsatz vom 18. Dezember 2006 mitgeteilt, dass er sich in einem weiteren Schriftsatz ausführlicher zur geltend gemachten Forderung äußern wolle. Auch teilte er bereits mit, dass die Aufrechnung gegenwärtig aus seiner Sicht nicht zulässig sei. Dieser Schriftverkehr zwischen den Beteiligten ist als Verhandlung im Sinne des § 203 BGB zu verstehen. Das Antwortschreiben des Klägers lässt auch nicht erkennen, dass er Verhandlungen generell ablehne.

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4. Die Voraussetzungen gem § 51 Abs. 2 SGB I für die Aufrechnung der Beitragsnachforderungen mit der laufenden Rentenzahlung sind im Übrigen ebenfalls erfüllt. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er durch die Aufrechnung sozialhilfebedürftig würde. Hierfür liegen auch keine anderen Anhaltspunkte vor.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.