Sozialgericht Stade
Urt. v. 15.12.2008, Az.: S 13 EG 9/08

Angestellte und Freiberuflerinnen sind im Hinblick auf die Gewährung von Elterngeld gleichgestellt; Gleichstellung von Angestellten und Freiberuflerinnen im Hinblick auf die Gewährung von Elterngeld

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
15.12.2008
Aktenzeichen
S 13 EG 9/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 39139
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2008:1215.S13EG9.08.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Bewilligung höheren Elterngeldes.

2

Die Klägerin ist selbständige Hebamme. Ausweislich des Einkommenssteuerbescheids für das Jahr 2005 erzielte sie im Jahr 2005 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 38.887,93 EUR. Im Jahr 2006 erzielte sie Einkünfte iHv 7.924,00 EUR. Aus dem Vorauszahlungsbescheid vom 15. März 2007 ergab sich für das Jahr 2007 hinsichtlich der Einkünfte eine Prognose von 37.867,00 EUR, woraus sich Vorauszahlungen auf die Einkommenssteuer iHv 7.276,00 EUR errechneten.

3

Am 14. März 2007 gebar die Klägerin ihr Kind G. und beantragte am 24. April 2007 Elterngeld beim Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt lag der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2006 noch nicht vor. Der Beklagte ermittelte das maßgebliche Durchschnittseinkommen daher vorläufig auf Grundlage des Vorauszahlungsbescheids und bezifferte es auf 2.549,25 EUR. Mit Bescheid vom 4. Juli 2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin vorläufig Elterngeld für die ersten drei Lebensmonate des Kindes, und zwar unter Anrechnung von Mutterschaftsgeld für den ersten Lebensmonat iHv 1.305,00 EUR, 1.370,00 EUR für den zweiten und 1.708,00 EUR für den dritten.

4

Nachdem im Juni 2008 der Einkommenssteuerbescheid 2006 vorlag, nahm der Beklagte die endgültige Berechnung vor und ermittelte durchschnittliches Einkommen im maßgeblichen Zeitraum nur noch 660,33 EUR. Mit Bescheid vom 9. Juni 2008 bewilligte er der Klägerin für den ersten Lebensmonat nunmehr nur noch 151,02 EUR, für den zweiten 216,02 EUR und für den dritten 554,02 EUR, insgesamt 921,06 EUR. Die Klägerin legte Widerspruch ein und verwies zur Begründung darauf, dass sie aufgrund ihrer Schwangerschaft im Jahr 2006 ihrer Tätigkeit nur noch eingeschränkt habe nachgehen können, insbesondere nicht mehr Beleghebamme in einer Klinik habe arbeiten können. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2008 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Am 25. Juli 2008 hat die Klägerin Klage erhoben.

5

Zur Begründung trägt sie vor, dass sie mit Blick auf das Mutterschutzgesetz einer Angestellten gleichgestellt werden müsse. Der gesetzliche Schutz der werdenden Mutter müsse auch für Freiberuflerinnen gelten. Es müsse daher entweder auf die fiktiven Einkommensverhältnisse ohne die Schwangerschaft oder aber auf die Einkünfte im vorgehenden Veranlagungszeitraum abgestellt werden.

6

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 9. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2008 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

9

Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2008 waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

11

Die angegriffene Entscheidung des Beklagten entspricht den gesetzlichen Vorgaben und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kläger ist daher nicht beschwert, § 54 Abs. 2 SGG. Eine anderweitige Bestimmung des Veranlagungszeitraums ist nicht möglich.

12

Gemäß § 2 Abs. 1 Bundeselterngeldgesetz (BEEG) wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommenssteuergesetzes nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen. Gemäß § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG gilt als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit der durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn, wie er sich aus dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergibt. Dies gilt gemäß Abs. 9 Satz 2 nicht, wenn im Veranlagungszeitraum die Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 5 und 6 vorgelegen haben. Gemäß § 2 Abs. 7 Satz 5 BEEG bleiben Kalendermonate, in denen die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraums nach § 6 Satz 2 Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zu Grunde zulegenden Kalendermonate unberücksichtigt. Nach Satz 6 gilt das Gleiche für Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.

13

Die Berechnungen des Beklagten entsprechen diesen gesetzlichen Vorgaben. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte zur Ermittlung des durchschnittlichen Einkommens der Klägerin auf den Steuerbescheid für das Jahr 2006 abgestellt hat, wie in § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 BEEG vorgesehen (vgl Buchner, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 8. Aufl. 2008, § 2, Rn 45).

14

Eine anderweitige Ermittlung des maßgeblichen Gewinns der Klägerin könnte gemäß § 2 Abs. 9 Satz 2 BEEG nur dann in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen der Sätze 5 oder 6 des Absatzes 7 vorlägen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die allein in Betracht kommende Alternative der dort genannten Ausnahmefälle ist die eines teilweisen oder vollen Wegfalls von Einkommen aufgrund von während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung. Die Klägerin hat einen krankheitsbedingten Ausfall in diesem Sinne jedoch nicht nachgewiesen, insbesondere nicht durch die Vorlage ärztlicher Atteste, sondern war vielmehr durchgehend erwerbstätig. Mögliche Einnahmeausfälle, die nachweislich auf schwangerschaftsbedingten Erkrankungen beruhen, konnte das Gericht nicht feststellen und schon gar nicht bezogen auf konkrete Kalendermonate.

15

Eine über § 2 Abs. 7 Satz 5und 6 BEEG hinausgehende anderweitige Festlegung des maßgeblichen Veranlagungszeitraums ist nicht möglich. Diese gesetzlichen Vorgaben sind eindeutig und bestimmt und lassen eine Regelungslücke nicht erkennen. Der Gesetzgeber hat das Problem von Einnahmeausfällen aufgrund schwangerschafts-bedingter Erkrankungen offensichtlich erkannt und durch die Regelung in § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG gewährleistet, dass sich bei der Bestimmung des maßgeblichen Monatseinkommens dadurch keine Nachteile für die Leistungsberechtigte ergeben. Durch § 2 Abs. 9 Satz 2 BEEG hat der Gesetzgeber diese Handhabung auch auf Selbständige ausgedehnt. Aus rechtlicher Sicht bestehen daher keine Notwendigkeit und keine Möglichkeit, über die gesetzlichen Tatbestände hinaus weitere Ermittlungsmodalitäten zu bestimmen. Ein Fall wie der der Klägerin ist gesetzlich abschließend geregelt. Sobald die Klägerin durch Vorlage ärztlicher Atteste oder anderer geeigneter Unterlagen nachweisen kann, dass sie in einem Kalendermonat wegen der Schwangerschaft erkrankt war und daher Einnahmeausfälle erlitten hat, bliebe zum einen der betreffende Monat bei der Bestimmung des Veranlagungszeitraum außer Betracht, zum anderen dann käme auch ein Rückgriff auf den Einkommenssteuerbescheid gemäß § 2 Abs. 9 Satz BEEG nicht mehr in Betracht. In der Folge hätte das Einkommen für jeden einzelnen Kalendermonat des sich ergebenden Veranlagungszeitraums einzeln bestimmt werden müssen, um daraus das durchschnittliche Einkommen errechnen zu können.

16

Das von der Klägerin angeführte Problem der Beschäftigungsverbote nach den Vorschriften über den Mutterschutz und die sich daraus aus ihrer Sicht ergebende ungerechtfertigte Benachteiligung gegenüber angestellten Hebammen eines Krankenhauses führt zu keiner anderen Bewertung. Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung kann nicht erkannt werden, da die Sachverhalte tatsächlich nicht vergleichbar erscheinen. Denn als selbständige Hebamme ist es der Klägerin möglich, ihre Tätigkeit in andere Arbeitsfelder zu verlagern und z.B. verstärkt Vorbereitungskurse zu geben und dadurch weiter Einkommen zu erzielen, wenn sie aufgrund eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbots ihrer Tätigkeit als Beleg-Hebamme nicht mehr nachgehen darf. Angestellte Hebammen haben diese Ausweichmöglichkeiten nicht. Allerdings erkennt auch das Gericht, dass die gesetzliche Lösung im Ergebnis zumindest unbefriedigend ist, weil unterstellt wird, dass ein Selbständiger schwangerschaftsbedingte Einkommensausfälle aufgrund möglicher Beschäftigungsverboten durch Verlagerung seines Arbeitsschwerpunktes kompensieren kann - was in der Praxis faktisch nicht in vollem Umfange möglich sein wird -, und im Übrigen den Zusammenhang zwischen dem Einkommensverlust und der Schwangerschaft durch Atteste nachweisen kann. Selbständige werden sich in der Regel keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen lassen. Insoweit besteht gesetzgeberischer Nachbesserungsbedarf hinsichtlich der Nachweismöglichkeiten der Einkommensminderung bei Selbständigen, dennoch sieht das Gericht aus derzeitigen Sicht keine Möglichkeit einer ergänzenden Gesetzesauslegung oder für die Annahme einer Regelungslücke. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.