Sozialgericht Stade
Beschl. v. 05.05.2008, Az.: S 34 SF 91/08
Anwendung der sog. Mittelgebühr bei Verfahren von durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad und durchschnittlichem Umfang
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 05.05.2008
- Aktenzeichen
- S 34 SF 91/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 34002
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2008:0505.S34SF91.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 RVG
- § 14 RVG
Tenor:
Auf die Erinnerung des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 15. Juli 2008 geändert. Die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 337,81 EUR zuzüglich Zinsen von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2008 festgesetzt.
Gründe
I
Streitig ist die Höhe erstattungsfähiger Rechtsanwaltsgebühren.
Im zugrundeliegenden Klagverfahren erhob der Kläger eine Untätigkeitsklage gemäß § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die er in dem zur Erörterung des Sachverhalts bestimmten Termin am 22. Februar 2008 für erledigt erklärte. Darauf hin setzte die zuständige Urkundsbeamtin mit Beschluss vom 15. Juli 2008 die von der Beklagten zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 248,56 EUR fest. Sie erkannte dabei u.a. eine Verfahrensgebühr über 150,00 EUR an; den Ansatz einer Mittelgebühr lehnte sie ab.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Klägers. Er ist der Auffassung, dass eine Reduzierung der Verfahrensgebühr auf 150,00 EUR nicht nachvollziehbar und ungerechtfertigt sei. Aus der Verfahrensakte ergebe sich, dass sein Prozessbevollmächtigter ausführlich zur Sach- und Rechtslage sowie zum gegnerischen Vorbringen Stellung genommen habe. Dazu sei auch eine weitere Besprechung zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten erforderlich gewesen.
Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II
Die Erinnerung ist begründet. Für die im Klagverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten des Klägers ist der Ansatz einer Verfahrensgebühr in Höhe von 250,00 EUR gerechtfertigt.
1.
Nach den §§ 3, 14 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bestimmt bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände - vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers - nach billigem Ermessen. Nach § 14 Abs. 1 S 3 RVG ist weiter das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist dabei die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 S 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. In diesem Zusammenhang teilt das Gericht die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung vorherrschende Ansicht, dass eine Unbilligkeit vorliegt, wenn die durch den Rechtsanwalt bestimmte Gebühr die nach Auffassung des Gerichts angemessene Gebühr um mehr als 20% übersteigt (vgl hierzu u.a. LSG Thüringen, Beschluss vom 15. Juni 2004 - L 6 B 25/04 SF).
Ausgangspunkt für die Gebührenfestsetzung ist dabei die sogenannte Mittelgebühr; d.h. die Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens (Hälfte von Höchst- und Mindestgebühr). Diese kann bei Verfahren von durchschnittlicher Bedeutung und durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad angesetzt werden, in denen die vom Rechtsanwalt geforderte und auch tatsächlich entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war. So wird eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis gewährleistet (vgl. hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. April 2006 - L 4 B&61472;4/05 KR SF). Abweichungen hiervon können sich ergeben, wenn ein Tatbestandsmerkmal der §§ 3, 14 RVG fallbezogen unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten ist.
2.
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist die hier zuständige Urkundsbeamtin zu Recht von der hiesigen Praxis abgewichen, für die Untätigkeitsklage nach § 88 SGG eine hälftige Mittelgebühr als Verfahrensgebühr festzusetzen. Allerdings wird die von ihr tatsächlich festgesetzte Gebührenhöhe der durchschnittlichen Bedeutung und dem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad des zurückliegenden Klagverfahrens nicht in vollem Umfang gerecht.
So zeigt eine Durchsicht der Verfahrensakte, dass sich vorliegend der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht wie bei anderen Untätigkeitsklagen darauf beschränken konnte, einen Verstoß der Beklagten gegen die in § 88 Abs. 1 S 1 SGG vorgesehene Frist für die Bescheidung eines Antrags zu prüfen. Vielmehr war es zusätzlich erforderlich, auf die Klagerwiderung der Beklagten einzugehen und umfangreich vorzutragen, weshalb in diesem Verfahren aus Sicht des Klägers keine Gründe dafür vorlagen, den beantragten Verwaltungsakt trotz Fristablaufs noch nicht zu erlassen. Bei lebensnaher Betrachtung erforderte dies eine längere Besprechung zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten sowie eine gesonderte juristische Bewertung. Unter Berücksichtigung dessen liegen Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit noch im (unteren) durchschnittlichen Bereich. Weiter sind Anhaltspunkte dafür, dass die übrigen Bemessungskriterien der §§ 3, 14 RVG gegen den Ansatz einer Verfahrensgebühr in Höhe einer Mittelgebühr sprechen könnten, weder ersichtlich noch vorgetragen. Insgesamt ist daher von einem durchschnittlichen Verfahren vor der Sozialgerichtsbarkeit auszugehen.
Nach alledem hat die Beklagte die dem Kläger entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe der zur Festsetzung beantragten 337,81 EUR zu erstatten.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).