Sozialgericht Stade
Beschl. v. 22.07.2008, Az.: S 34 SF 35/08
Festsetzung des Erstattungsbetrages für ein orthopädisches Gutachten für eine beschreibende Begutachtung mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad auf über 1.500 EUR
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 22.07.2008
- Aktenzeichen
- S 34 SF 35/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 47305
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2008:0722.S34SF35.08.0A
Rechtsgrundlage
- Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG
Tenor:
Die Vergütung des Antragstellers für sein Sachverständigengutachten vom 31. März 2007 wird auf 1.584,55 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller erstattete in dem unter dem Aktenzeichen S 5 R 213/05 geführten Klageverfahren auf die Beweisanordnung des Sozialgerichts vom 06. November 2006 das orthopädische Gutachten vom 31. März 2007. Mit Liquidation vom 11. April 2007 verlangte der Antragsteller eine Gesamtvergütung in Höhe von 2.215,40 EUR. Dieser Betrag errechnete sich wie folgt: Leistungsabschnitt Stundenzahl Stundensatz Summe Aktenstudium 4 Literaturstudium 2 Untersuchung 5 Auswertung 1 Ausarbeitung, Abfassung 8 Korrektur 5 Insgesamt aufgerundet 25 85,00 EUR 2.125,00 EUR
Schreibauslagen Schreibgebühr pro Seite/Anschläge Schreibgebühren - pro Seite - Schreibgebühren - pro Seite -
56,25 EUR 25,00 EUR 9,15 EUR Gesamt: 2.215,40 EUR
Der Urkundsbeamte des Sozialgerichts setzte den Erstattungsbetrag am 16. April 2007 auf 1.584,55 EUR fest. Der Urkundsbeamte rechnete das Gutachten über den Kläger der Honorargruppe M2 zu, da es sich im zugrunde liegenden Fall um eine beschreibende Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad gehandelt hätte. Gemäß Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG wäre damit lediglich ein Stundenhonorar iHv 60,00 EUR abrechnungsfähig. Für die Anfertigung von Durchschriften/Ablichtungen erhalte der Gutachter für die ersten 50 Seiten 0,50 EUR und für jede weitere Seite 0,15 EUR. In dem Gutachten wären 50 Seiten mit 0,50 EUR und 22 Seiten mit 0,15 EUR, insgesamt also 28,30 EUR erstattungsfähig.
Der Antragsteller hat am 14. Mai 2007 die richterliche Festsetzung seiner Vergütung beantragt. Es habe sich im zugrunde liegenden Fall nicht um ein Fall nach standardisiertem Schema gehandelt. Der Sachverständige hätte abgrenzende Erörterungen von organisch begründbaren Beschwerden und dem qualitativen bzw. quantitativen Einfluss nichtorganischer Schmerzsyndrome vornehmen müssen, so dass die Vergütung nach der Honorargruppe M3 gerechtfertigt wäre.
Die Bezirksrevisorin hält die vom Kostenbeamten vorgenommene Einstufung in die Honorargruppe M2 und die Entschädigungsfestsetzung insgesamt für zutreffend.
II.
Der Antrag ist gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 JVEG zulässig. Die Vergütung ist auf 1.584,55 EUR festzusetzen. Die Festsetzung des Urkundsbeamten ist zutreffend.
1.
Die Anzahl der für die Erstattung des Gutachtens erforderlichen Stunden (§ 8 Abs. 2 JVEG) ist vorliegend unstreitig. Die Vergütung des Antragstellers ist gemäß § 9 JVEG nach Honorargruppen zu bemessen. Die Zuordnung zu einer Honorargruppe bestimmt sich nach Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG. Der Antragsteller hat das Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet erstellt. Anlage 1 unterscheidet für medizinische Gutachten drei Honorargruppen. Während nach der Honorargruppe M1 einfache gutachterliche Beurteilungen zu vergüten sind, beinhaltet die Honorargruppe M2 beschreibende (Ist-Zustands-) Begutachtungen nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad. In der Honorargruppe M3 sind Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder diffenzialdiagnostischer Probleme oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen) erfasst. Die Anlage 1 beinhaltet eine Liste mit Regelbeispielen für Fallgestaltungen, die die Voraussetzungen für die jeweilige Honorargruppe erfüllen.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze richtet sich die Vergütung des Antragstellers nach der Honorargruppe M2, was der Kostenbeamte zutreffend angenommen hat. Als Regelbeispiel beinhaltet die Liste zu der Honorargruppe M2 in der Anlage 1 Gutachten zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität. Um ein solches Gutachten hat es sich in dem zugrunde liegenden Fall gehandelt. Das Gutachten diente der Feststellung einer etwa geminderten Erwerbsfähigkeit im Sinn der Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Antragsteller hat in seinem Gutachten beim Kläger einen klinisch-neurologischen Befund (Hirnnervenbefund, Reflexe, Kraft, Tonus, Trophik, Sensibilität, Koordination) sowie einen psychopathologischen Befund erhoben und die entsprechenden Diagnosen beim Kläger gestellt. Die sich aus den Erkrankungen (insbesondere ein Schmerzsyndrom bei somatisch-psychischer Komorbidität iSe einer somatoformen Schmerzstörung) ergebenen Funktionsbeeinträchtigungen wurden in der Zusammenfassung und mit Beantwortung der Beweisfragen vom Antragsteller dargestellt. Die Darstellung der Befunde, die Sicherung der Diagnosen - auch die eines somatoformen Schmerzsyndroms -, die vom Kläger nicht mehr zu verrichtenden Tätigkeiten sowie der Ausblick auf die Zukunft des Krankheitsgeschehens beim Kläger gehört zum allgemeinen Fachwissen eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen. Gerade die Sicherung einer Schmerzerkrankung ist dabei ein Teilgebiet der Neurologie bzw. Psychiatrie, die dem Sachverständigen nicht fremd ist. Die dem Kläger vorliegenden krankhaften Veränderungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet sind ebenfalls dem gängigen Spektrum eines Neurologen und Psychiaters zuzuordnen, die ohne besonderen Aufwand an Diagnostik bestimmt werden können. Besondere Kausalitätsfragen, z.B. ob die beim Kläger bestehende Erkrankung auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen wäre, waren vom Antragsteller nicht zu klären bzw. zu erörtern. Die Honorargruppen M1 bis M3 stellen auf die (konkrete) Schwierigkeit des Begutachtungsgegenstandes ab (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Januar 2005 - Az: L 10 SF 1/05). Im zugrunde liegenden Verfahren wies das Gutachtenverfahren - im Vergleich zu anderen Klageverfahren im Rentenversicherungsrecht betreffend die Erwerbsminderung - keine besonderen Schwierigkeiten auf. Es ist damit eindeutig dem Regelbeispiel "Gutachten zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität" der Honorargruppe M2 zuzuordnen.
2.
Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 JVEG erhält der Gutachter für die Anfertigung von Ablichtungen und Ausdrucken für die ersten 50 Seiten 0,50 EUR pro Seite und 0,15 EUR für jede weitere Seite. Das Gutachten umfasst insgesamt 36 Seiten. Der Antragsteller hat das Original und 2 Durchschriften bei Gericht eingereicht. Der Schreibaufwand für das Original des Gutachtens ist zwischen den Beteiligten unstreitig und auch nach Auffassung des Gerichts mit 56,25 EUR zutreffend erstattet worden. Für die Durchschriften sind insgesamt 72 Kopien angefallen. Es sind daher 50 Seiten mit je 0,50 EUR und die restlichen 22 Seiten mit je 0,15 EUR zu erstatten, was einen Gesamtbetrag von insgesamt 28,50 EUR ergibt.