Sozialgericht Stade
Urt. v. 14.11.2008, Az.: S 23 R 87/07
Objektiver Sinngehalt einer Erklärung als maßgebliches Kriterium eines Verwaltungsaktes i.S.v. § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X); Rechtscharakter eines Schreibens über die Mitteilung der Aufnahme der Zahlung von Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 14.11.2008
- Aktenzeichen
- S 23 R 87/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 33995
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2008:1114.S23R87.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 31 SGB X
- § 39 Abs. 3 SGB X
- § 45 SGB X
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Zu den notwendigen Bestandteilen eines Verwaltungsakts im Sinne von § 31 SGB X gehören weder eine ausdrückliche Bezeichnung als Verwaltungsakt bzw. Bescheid noch ein sogenannter Verfügungssatz, mit welchem einleitend und/oder an hervorgehobener Stelle die konkret getroffene Regelung angegeben wird. Maßgeblich ist vielmehr in Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) der objektive Sinngehalt einer Erklärung, wie sie der Empfänger der Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste.
- 2.
Über die Versicherungs- und Beitragspflicht einer nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die Höhe der zu zahlenden Rentenversicherungsbeiträge hat nicht die Pflegekasse, bei der die pflegebedürftige Person versichert ist, zu entscheiden, sondern der zuständige Träger der Rentenversicherung, bei welcher die pflegende Person versichert ist.
- 3.
Ist eine Versicherungspflicht durch bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt festgestellt worden, bleibt dieser gemäß § 39 Abs. 2 SGB X wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Lediglich eine "Stornierung" der Beitragsentrichtung kommt daneben nicht in Betracht.
Tenor:
Es wird unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 29. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2007 festgestellt, dass für die Klägerin im Zeitraum 9. Januar 2003 bis 31. März 2006 Versicherungspflicht als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson bestand.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht einer nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson.
Die am 10. Juli 1957 geborene Klägerin pflegte ab 9. Januar 2003 ihre am 24. Februar 1924 geborene Mutter Herta G., die bei der beigeladenen Pflegekasse versichert war. Auf Antrag der Frau G. bewilligte ihr die Beigeladene mit Bescheid vom 4. April 2003 ein Pflegegeld nach Pflegestufe 1 iHv 205,00 EUR monatlich ab 9. Januar 2003. In einem zuvor von der Beigeladenen eingeholten Pflegegutachten des MDK Niedersachsen vom 2. April 2003 war für die Grundpflege ein Zeitaufwand von 56 Minuten/Tag und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 54 Minuten/Tag ermittelt und die Klägerin als Pflegeperson mit einer Pflegezeit von 14 bis unter 21 Stunden pro Woche angegeben worden.
Mit Schreiben an die Klägerin vom 23. April 2003 teilte die Beigeladene mit, dass sie aufgrund der Pflegetätigkeit der Klägerin Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten werde. In diesem Schreiben heißt es:
"Wir werden ab dem 09.01.2003 für Sie monatlich Beiträge in Höhe von 123,76 EUR auf Ihr Rentenkonto einzahlen. Der Berechnung liegt ein fiktiv ermitteltes Einkommen von 634,67 EUR zugrunde. Bei einer Änderung der Bemessungsgrundlagen werden die genannten Werte entsprechend angepasst. Als Grundlage für die Beitragsentrichtung haben wir nach Ihren Angaben und den Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung wöchentlich 14 Pflegestunden ermittelt. Bitte berücksichtigen Sie dabei, dass es uns bei der Feststellung der Pflegezeit nur möglich ist, die vom Gesetzgeber genannten gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen anzuerkennen, die auch Grundlage für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit sind. Eine Abweichung von tatsächlich geleisteter Pflegezeit, die in der Regel auch andere Hilfeleistungen sowie die Zeiten der Beaufsichtigung und Betreuung enthält, ist daher möglich.
Wir gehen davon aus, dass unsere Entscheidung hinsichtlich der Beitragsentrichtung und dessen Höhe unstrittig ist. Sollten Sie mit dem Inhalt unserer Mitteilung nicht einverstanden sind, so teilen Sie uns bitte Ihren Einwand schriftlich innerhalb eines Monats nach Zugang des Schreibens mit. Wir werden dann den Vorgang zur Bescheiderteilung an den zuständigen Rentenversicherungsträger übermitteln.
Damit die Beitragszahlung an die Rentenversicherung korrekt erfolgen kann, ist Ihre Mitwirkung erforderlich.
Bitte teilen Sie uns mit, wenn
- Sie Ihre Pflegetätigkeit unterbrechen oder beenden,
- sich der Umfang Ihrer Tätigkeit ändert,
- Sie eine Erwerbstätigkeit aufnehmen,
- Sie eine Rente beziehen,
- sich sonstige Änderungen ergeben, die wesentlich für die Beitragsentrichtung zur Rentenversicherung sein könnten.
Sollten Sie Fragen haben, so stehen wir Ihnen gern zur Verfügung."
Mit Schreiben vom 4. Mai 2006 an den MDK Niedersachsen teilte die Beigeladene mit, bei einer Überprüfung der Angelegenheit habe sie festgestellt, dass bei den pflegerelevanten Verrichtungen des täglichen Lebens lediglich ein Gesamthilfebedarf von durchschnittlich 12,83 Stunden pro Woche bestehe. Die Mindestpflegezeit von 14 Stunden werde demnach nicht erreicht. Auf die von der Beigeladenen erbetene Mitteilung, ob die zur Rentenversicherungspflicht führende Mindestpflegezeit von 14 Stunden pro Woche in diesem Fall gegeben sei, antwortete der MDK Niedersachsen mit Schreiben vom 19. Mai 2006, dass der anrechenbare Pflegeaufwand weniger als 14 Stunden betrage.
Daraufhin teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 30. Mai 2006 der Klägerin mit, bei einer Überprüfung der Angelegenheit sei festgestellt worden, dass aus einem durchschnittlichen Hilfebedarf von lediglich rund 12,8 Stunden pro Woche eine wöchentliche Pflegeleistung von 14 Stunden nicht resultieren könne. Da sich die Prüfung der Rentenversicherungspflicht an den tatsächlichen Verhältnissen auszurichten habe, sei die Beitragsentrichtung zu Unrecht erfolgt. Die festgestellte Versicherungspflicht sei zu stornieren.
Mit Schreiben an die Beigeladene vom 10. Juni 2006 beantragte die Klägerin eine Überprüfung der Angelegenheit. Daraufhin bat die Beigeladene mit Schreiben vom 8. August 2006 die Beklagte um eine abschließende Entscheidung über die Versicherungspflicht.
Mit Bescheid vom 29. August 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Antrag auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen als Pflegeperson für die Zeit ab 9. Januar 2003 werde abgelehnt, weil Versicherungspflicht nicht bestehe. Nach den Feststellungen der Pflegekasse liege der von ihr ausgeübte Umfang der Pflegetätigkeit unter 14 Stunden in der Woche. Einen mit Schreiben vom 22. September 2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2007 zurück.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 28. Februar 2007 erhobenen Klage. Nach ihrer Auffassung ist die Ablehnung des Antrags, für sie Rentenversicherungsbeiträ-ge ab 9. Januar 2003 zu zahlen, rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten. Eine rückwirkende Ablehnung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil dem Antrag bereits mit Bescheid vom 23. April 2003 stattgegeben worden sei. Eine Stornierung der Rentenversicherungsbeiträge, wie sie die Beigeladene vornehmen will bzw. vorgenommen habe, komme nicht in Betracht. Eine Rücknahme des Bescheides sei nicht möglich, da keine Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, sondern die Beigeladene nach Ablauf von mehr als zwei Jahren festgestellt habe, dass in dem eingeholten Gutachten vom 2. April 2003 die durchschnittliche Dauer der wöchentlichen Pflegeleistungen versehentlich mit 14 bis 21 Stunden angegeben worden sei. Eine Rücknahme komme jedenfalls für die Vergangenheit nicht in Betracht, da sie darauf vertraut habe, dass durch die Beigeladene Rentenversicherungsbeiträge für sie gezahlt werden. Wäre ihr Antrag ablehnend beschieden worden, hätte sie die Zahlung von Beiträgen auf andere Weise sicherstellen können. Ab Anfang April 2006 habe sie sich im Urlaub befunden; nach diesem Zeitpunkt sei die Versicherungspflicht nicht mehr streitig.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 29. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2007 festzustellen, dass Versicherungspflicht für eine nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson im Zeitraum 9. Januar 2003 bis einschließlich März 2006 bestand.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Auffassung handelt es sich bei dem Schreiben vom 23. April 2003 um keine verbindliche Feststellung einer Rentenversicherungspflicht der Klägerin. Der Erklärungsgehalt dieses Schreibens beschränke sich auf die Mitteilung, dass die Beigeladene die Zahlung von Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung aufnehmen werde.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie trägt vor, mit Schreiben vom 23. April 2003 sei von ihr lediglich ausgeführt worden, wann und in welcher Höhe Beiträge entrichtet werden könnten. Ein Verwaltungsakt sei damit nicht erlassen worden. Für die Beurteilung der Rentenversicherungspflicht seien die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich. Es müsse davon ausgegangen werden, dass eine Pflegezeit von unter 14 Stunden wöchentlich vorgelegen habe und die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nicht erfüllt seien. Eine weitere Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge sei jedenfalls mit ihrem Bescheid vom 30. Mai 2006 ausgeschlossen. Dieser Bescheid stelle die Rücknahme ihrer ursprünglichen Feststellung vom 23. April 2003 dar. Im Übrigen sei bei rückwirkendem Wegfall einer irrtümlich angenommenen Versicherungspflicht im Ergebnis keine Vertrauensschutzprüfung durchzuführen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen, welche das Gericht beigezogen hat, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Versicherungspflicht der Klägerin für den hier streitgegenständlichen Zeitraum 9. Januar 2003 bis 31. März 2006 ist bereits mit Schreiben der Beigeladenen vom 23. April 2003 festgestellt worden. Hierbei handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Dieser ist nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben worden. Er ist daher weiterhin wirksam, § 39 Abs. 2 SGB X. Auf Antrag der Klägerin ist festzustellen, dass für den genannten Zeitraum Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson bestand. Im Einzelnen gilt folgendes:
1.
Bei dem Schreiben der Beigeladenen vom 23. April 2003 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, mit welchem die Versicherungspflicht der Klägerin als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson ab 9. Januar 2003 festgestellt worden ist. Gemäß § 31 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten beschränkt sich der Erklärungsgehalt des Schreibens der Beigeladenen vom 23. April 2003 nicht auf die bloße Mitteilung, dass die Beigeladene die Zahlung von Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung aufnehmen wird, sondern wird zugleich die Versicherungspflicht der Klägerin gegenüber unmittelbar festgestellt. Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut des Schreibens nicht unmittelbar, dass es sich um einen Verwaltungsakt oder -wie in der Verwaltungsterminologie üblich - um einen Bescheid handelt. Auch enthält das Schreiben keinen sog. Verfügungssatz, mit welchem einleitend und/oder an hervorgehobener Stelle die konkret getroffene Regelung angegeben wird. Weder ein derartiger Verfügungssatz noch eine ausdrückliche Bezeichnung sind jedoch notwendige Bestandteile eines Verwaltungsakts. Maßgeblich für die Frage, ob ein Verwaltungsakt iSv § 31 SGB X vorliegt, ist vielmehr in Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) der objektive Sinngehalt einer Erklärung, wie sie der Empfänger der Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste (vgl von Wulffen, SGB X Rdz 26 m.w.N.). Aus dem Schreiben der Beigeladenen vom 23. April 2003 ergibt sich, dass ab 9. Januar 2003 Beiträge gezahlt werden. Dies setzt voraus, dass aufgrund der Pflegetätigkeit von wöchentlich mindestens 14 Stunden für einen Pflegebedürftigen in dessen häuslicher Umgebung überhaupt Versicherungspflicht besteht, § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI. Eine derartige Feststellung der Versicherungspflicht ist nicht etwa bereits zuvor in gesondertem Bescheid getroffen worden; vielmehr ist für die Klägerin erstmals den Ausführungen der Beigeladenen in diesem Schreiben zu entnehmen, dass aufgrund der Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse für sie die Beiträge entrichtet werden. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund können die Ausführungen der Beigeladenen in dem Schreiben vom 23. April 2003 von einem objektiven Dritten nur als verbindliche Feststellung aufgefasst werden, dass für die Klägerin Versicherungspflicht besteht und deswegen von der Beigeladenen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet werden. Verstärkt wird der Eindruck dieser rechtsverbindlichen Regelung durch den Hinweis, dass etwaige Einwendungen innerhalb eines Monats mitzuteilen sind. Sollte es sich um eine bloße Mitteilung der Beitragsentrichtung bzw. der Grundlagen zur Beitragshöhe handeln, wäre der Hinweis auf eine Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen, noch dazu innerhalb der für Verwaltungsakte geltenden Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 SGG), überflüssig.
Es bestehen auch keinerlei Zweifel, dass dem Schreiben ein Regelungswille zugrunde lag. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Beigeladene in dem Schreiben vom 23. April 2003 selbst ausführt, eine "Entscheidung" hinsichtlich der Beitragsentrichtung getroffen zu haben. Ferner wird der Charakter eines mit Regelungswillen erlassenen Verwaltungsakts auch dadurch bestätigt, dass die Beigeladene der Klägerin mit Schreiben vom 30. Mai 2006 mitteilt, sie über die "festgestellte Versicherungspflicht" informiert und eine "Entscheidung" getroffen zu haben, und sogar mit Schriftsatz vom 9. November 2007 angegeben hat, der nachfolgende Bescheid vom 30. Mai 2006 stelle die "Rücknahme ihrer ursprünglichen Feststellung vom 23. April 2003" dar. Durchgängig bis in das gerichtliche Verfahren hinein ging sie selbst ganz offensichtlich davon aus, am 23. April 2003 über die Versicherungspflicht der Klägerin und die daraus folgende Beitragsentrichtung eine verbindliche Regelung getroffen zu haben.
2.
Der Bescheid vom 23. April 2003 ist auch nicht wegen Nichtigkeit unwirksam, § 39 Abs. 3 SGB X. Zwar ist dieser Verwaltungsakt schon deswegen rechtswidrig, weil die Beigeladene für die Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin nicht zuständig war. Über die Versicherungs- und Beitragspflicht einer nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die Höhe der zu zahlenden Rentenversicherungsbeiträge hat nicht die Pflegekasse, bei der die pflegebedürftige Person versichert ist, zu entscheiden, sondern der zuständige Träger der Rentenversicherung, bei welcher die pflegende Person versichert ist (vgl BSG, Urteil vom 22. März 2001, Az: B 12 P 3/00 R). Nichtig ist ein Verwaltungsakt gemäß § 40 Abs. 1 SGB X jedoch nur dann, soweit ein schwerwiegender Fehler bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände für den Empfänger auch offensichtlich ist. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Selbst wenn es sich bei der Feststellung der Versicherungspflicht durch einen unzuständigen Versicherungsträger um einen schwerwiegenden Fehler des Verwaltungsakts handelt, war dieser jedenfalls nicht offensichtlich. Für eine Pflegeperson ist nicht ohne Weiteres erkennbar, dass für die Feststellung der Versicherungspflicht der Träger der Rentenversicherung zuständig ist, zumal die Zahlungen von Rentenversicherungsbeiträgen für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen durch die Träger der Pflegeversicherung vorgenommen werden. Ob der Bescheid vom 23. April 2003 darüber hinaus auch deswegen rechtswidrig ist, weil der Pflegebedarf der Versicherten unter 14 Stunden pro Woche lag und demzufolge die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a SGB VI i.V.m. § 14 SGB XI nicht vorlagen, kann dahin gestellt bleiben, weil dieser Fehler weder schwerwiegend noch offensichtlich wäre. Selbst die mit Pflegegutachten regelmäßig befasste Beigeladene hat ein Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung nicht erkannt. Im Übrigen ist trotz des Umstandes, dass nach dem Pflegegutachten vom 2. April 2003 nur ein Pflegebedarf von 12,83 Stunden pro Woche bestand, nicht ausgeschlossen, dass ein tatsächlicher Bedarf von über 14 Stunden pro Woche bestand und die Klägerin in mindestens diesem Umfang Pflegetätigkeiten für die Versicherte erbracht hat. Zwar beruht die Mitteilung eines über 14 Stunden umfassenden Pflegeaufwands durch den MDK auf einem offenkundigen Rechenfehler in dessen Gutachten vom 2. April 2003. Eine Überprüfung des tatsächlichen Pflegebedarfs hat auf die Anfrage der Beigeladenen vom 5. April 2006 trotz der erkannten Fehlerhaftigkeit des Gutachtens aber dann nicht mehr stattgefunden.
3.
Ist die Versicherungspflicht der Klägerin durch bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt festgestellt worden, bleibt dieser gemäß § 39 Abs. 2 SGB X wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Dementsprechend konnte eine "Stornierung" der Beitragsentrichtung durch die Beigeladene schon deshalb nicht erfolgen, weil eine derartige Möglichkeit gesetzlich nicht vorgesehen ist. Der angefochtene Bescheid der Beklagten trifft eine Regelung nur hinsichtlich der Versicherungspflicht, nicht aber über die Aufhebung, Rücknahme oder sonstige Beendigung der durch Schreiben vom 23. April 2003 getroffenen Regelungen. Dieser Verwaltungsakt konnte mit der allein streitgegenständlichen Wirkung für die Vergangenheit weder zurückgenommen noch aufgehoben werden. Nach § 45 Abs. 1 SGB X ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nach Unanfechtbarkeit nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zulässig. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Dabei ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Unwidersprochen und auch ohne Weiteres nach-vollziehbar hat die Klägerin vorgetragen, auf die Mitteilung der Beigeladenen, es würden Rentenbeiträge gezahlt, vertraut zu haben und deswegen nicht auf andere Weise sichergestellt zu haben, dass Rentenbeiträge gezahlt werden. Möglicherweise hätte die Klägerin ohne die Mitteilung der Beigeladenen auf andere Weise, beispielsweise durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit oder durch eine private Absicherung der durch die gesetzlichen Rentenversicherung abgedeckten Risiken, eine gleiche oder entsprechende Vorsorge getroffen, was im Nachhinein jedoch nicht mehr möglich ist. Es kann der Klägerin auch nicht zugemutet werden, die pflegerischen Tätigkeiten ohne die Übernahme von Beiträgen durch die Beigeladene erbracht zu haben, nachdem ihr dies zuvor zugesichert worden war. Es verstieße gegen den auch hier anzuwendenden Rechtsgedanken von Treu und Glauben, wenn Pflegetätigkeiten in Erwartung einer zugesagten Leistung erbracht werden und diese Leistung im Nachhinein wieder entzogen werden könnte bzw. nicht erbracht werden müsste, ohne dass besondere Gründe hierfür vorliegen. Umstände dafür, dass sich die Klägerin aufgrund der Vorschriften § 45 Abs. 2 S 3 Nrn 1 bis 3 SGB X nicht auf Vertrauen berufen kann, sind nicht ersichtlich. Daher überwiegt ihr Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsakts gegenüber dem öffentlichen Interesse, dass Beiträge zur Rentenversicherung nur bei tatsächlich bestehender Versicherungspflicht von der Beigeladenen entrichtet werden.
Eine Aufhebung des Bescheides vom 23. April 2003 gemäß § 48 Abs. 1 SGB X wegen Änderung in den tatsächlich oder rechtlichen Verhältnissen für den hier streitrelevanten Zeitraum scheidet schon deswegen aus, da sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse seit Beginn der Pflegetätigkeit am 9. Januar 2003 bis Ende März 2006 nicht verändert haben.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass nach Zif. 1.5 des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 11. Februar 2004 eine irrtümlich angenommene Versicherungspflicht rückwirkend entfällt für Zeiten, für die im Nachhinein festgestellt wird, dass ihre Voraussetzungen nicht vorgelegen haben. Vorliegend ist bereits nicht im Nachhinein festgestellt worden, dass die Voraussetzungen der Versicherungspflicht nicht vorgelegen haben; vielmehr resultiert die Mitteilung des MDK vom 19. Mai 2006, dass der anrechenbare Pflegeaufwand weniger als 14 Stunden betragen habe, auf einer bloßen Überprüfung des eigenen Gutachtens nach Aktenlage. Tatsächliche Feststellungen über den Umfang der Pflegetätigkeit aufgrund neuer Ermittlungen oder Erkenntnisse sind dagegen nicht getroffen worden. Das Rundschreiben enthält zudem auch keine Bestimmungen für den Fall, dass wie vorliegend die Versicherungspflicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist; eine derartige Regelung, welche sich über die gesetzlichen Vertrauensschutzregelungen §§ 45, 48 SGB X hinwegsetzt und die Wirksamkeit ergangener Verwaltungsakte außerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten beseitigt, wäre rechtlich nicht zulässig.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.