Sozialgericht Stade
Urt. v. 29.08.2008, Az.: S 17 AS 334/07

Angemessene Kostenerstattung für eine Unterkunft als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; Ermittlung der Höhe eines Anspruchs auf Wohngeld

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
29.08.2008
Aktenzeichen
S 17 AS 334/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 35623
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2008:0829.S17AS334.07.0A

Tenor:

Der Bescheid vom 25.07.2006 in der Fassung des Bescheides vom 10.08.2006 in der Fassung des Bescheides vom 15.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2007 sowie der Bescheid vom 27.12.2006 in der Fassung des Bescheides vom 14.05.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2007 werden geändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Kosten der Unterkunft auf der Basis von 401,50 EUR zuzüglich 66,04 EUR Heizkosten bis einschließlich August 2006 sowie 84,54 EUR Heizkosten ab September 2006 zu gewähren, wobei der Klägerin die Hälfte davon zusteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt 9/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft.

2

Die Klägerin bezieht Grundsicherungsleistungen. Sie lebt in einer Bedarfsgemeinschaft zusammen mit ihrem Ehemann, G. (- 22.01.1940) und zunächst mit der Tochter H ... Herr G. ist bereits seit längerer Zeit Altersrentner. Die Ehepartner bewohnen eine Wohnung in der I. Straße 16 in J. (K.). Diese Wohnung umfasst eine Wohnfläche von 68 m², bei 3 Zimmern (Bl. 5 dVA). Ursprünglich beliefen sich Miete inkl. Nebenkosten (ohne Heizung) auf knapp 450 Euro pro Monat.

3

Mit Bescheid vom 09.11.2004 bewilligte noch die Agentur für Arbeit Rotenburg der Klägerin Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.01.- 30.06.2005 (Bl. 19 dVA). Dem Bescheid beigefügt war ein Hinweis, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien und lediglich höchstens für einen Zeitraum von sechs Monaten anerkannt werden könnten, hier bis zum 30.06.2005 (Bl. 29 dVA).

4

Am 15.04.2005 reichte die Klägerin eine Mietbescheinigung zur Akte (Bl. 56 dVA) und erklärte, dass die Tochter H. ab dem 01.04.2005 nicht mehr im elterlichen Haushalt wohne. Bereits mit Bescheid vom 18.04.2005 erkannte der Beklagte lediglich die Miete zzgl Nebenkosten ohne Kosten für Kabelgebühren an (Bl. 63 dVA). Als Anlage zu diesem Bescheid erklärte der Beklagte seinerseits, dass die Kosten der Unterkunft (KdU) der Klägerin unangemessen seien. Der 2-Personen-Bedarfsgemeinschaft stünde Wohnraum mit einer Fläche von 60 m² zu, die Miete inkl Nebenkosten, ohne Heizung dürfe 365 Euro nicht übersteigen (Bl. 67 dVA). Eine Begründung, wie der Beklagte diese Werte errechnet, ist aus dem Bescheid nicht ersichtlich.

5

Mit Bescheid vom 25.07.2006 (BWZR von 07/06 - 12/06) i.d.F. des Bescheides vom 10.08.2006 (Bl. 233 dVA) i.d.F. des Bescheides vom 15.11.2006 (Bl. 249 dVA) wurden der Klägerin KdU iHv 182,50 Euro bewilligt. Die Klägerin hatte zunächst die Anerkennung der Wohnfläche als angemessen beantragt, da der Ehemann einen Schlaganfall erlitten habe und dieser aus medizinischen Gründen ein eigenes, getrenntes Schlafzimmer benötige. Nach Stellungnahme des medizinischen Dienstes des Beklagten vom 04.08.2006 lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 10.08.2006 ausdrücklich die Gewährung von höheren KdU ab, medizinische Gründe würden dies nach Stellungnahme des medizinischen Dienstes nicht rechtfertigen.

6

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und reichte einen ärztlichen Attest zur Akte (Bl. 258 dVA). Ebenso wurde eine aktualisierte Mietbescheinigung vom 23.10.2006 übersandt (Bl. 271 dVA).

7

Mit Bescheid vom 27.12.2006 (BWZR von 01/07 - 12/07) wurden weiterhin KdU iHv 182,50 Euro gewährt. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin unter dem 24.0.2007 Widerspruch (Bl. 303 dVA).

8

Mehrere Widersprüche wurden durch den Widerspruchsbescheid vom 24.05.2007 zusammengefasst. Die Widersprüche gegen die Höhe der KdU wurden insoweit zurückgewiesen.

9

Die Klägerin hat am 25.06.2007 Klage erhoben.

10

Sie vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und bezieht sich insbesondere auf die Erkrankung des Ehemannes. In dieser Sache hat am 26.02.2008 ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf das entsprechende Protokoll wird insoweit Bezug genommen. In diesem Termin war verabredet worden, eine weitere Untersuchung durch das Gesundheitsamt des Beklagten durchführen zu lassen. Diese Untersuchung ist erfolgt, auf das entsprechende Gutachten (Bl. 24 GA) wird Bezug genommen.

11

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.)

    Den Bescheid vom 25.07.2006 in der Fassung des Bescheides vom 10.08.2006 in der Fassung des Bescheides vom 15.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2007 sowie den Bescheid vom 27.12.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14.05.2007 wiederum in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2007 zu ändern.

  2. 2.)

    Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.07.2006 bis zum 31.12.2007 Unterkunftskosten auf der Basis von 401,50 EUR zuzüglich Heizkosten in Höhe von 66,04 EUR (78,48 EUR - 6,22 EUR - 6,22 EUR) bis einschließlich August 2006 sowie ab September 2006 Heizkosten in Höhe von 84,54 EUR (96,98 EUR - 6,22 EUR - 6,22 EUR) zu gewähren. Hierbei muss Berücksichtigung finden, dass Anspruchsinhaberin hier nur die Klägerin ist und der gesamte Anspruch der Bedarfsgemeinschaft sich hier nur auf die Klägerin niederschlagen kann.

12

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Er ist insbesondere der Auffassung, dass die gesundheitlichen Einschränkungen eine Erhöhung der angemessenen Unterkunftskosten nicht rechtfertigen würden.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Streitgegenständlich ist der Bewilligungszeitraum von 07/2006 - 12/2007 (Bescheid vom 25.07.2006 in der Fassung des Bescheides vom 10.08.2006 in der Fassung des Bescheides vom 15.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2007 sowie Bescheid vom 27.12.2006 in der Fassung des Bescheides vom 14.05.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2007). Zu beachten ist, dass lediglich die Klägerin Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bezog. Der am 22.01.1940 geborene Ehemann der Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum Altersrente, § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II.

16

Zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gehören gemäß § 19 Abs. 1 SGB II auch die angemessenen Kosten für die Unterkunft. Gemäߧ 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (Satz 1). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 2). Die tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung in J. (K.) (Mietstufe 3 gem Anlage zu § 1 Abs. 4 Wohngeldverordnung (WoGV)) betragen ohne Kosten für Garagenmiete iHv 36 Euro und Heizung inkl Warmwasserkosten iHv 96,98 Euro insgesamt 434,31 EUR monatlich (382,68 EUR Kaltmiete plus 51,63 EUR Nebenkosten). Demgegenüber will der Beklagte auf der Basis der genannten Bescheide und in Übereinstimmung mit dem Hinweis vom 18.04.2005 für den 2-Personen-Haushalt nur den Betrag von 365,00 EUR (anteilig für die Klägerin 182,50 Euro) erstatten. Entscheidend ist allein, welche Unterkunftskosten angemessen im Sinne des§ 22 SGB II sind.

17

Die Prüfung der Angemessenheit von Wohnungskosten erfolgt auf zwei tatsächlichen Ebenen mit unterschiedlichen Darlegungs- und Mitwirkungspflichten der Beteiligten (BSG, SozR 4-4200 § 22 Nr. 3; ausführlich: Link, Sozialrecht Aktuell 2007, 8-14). Eine erste "abstrakte Angemessenheitsprüfung" muss die örtlichen Verhältnisse erfassen und beurteilen, damit auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne für die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten festgesetzt werden kann. Die Darlegung dieser Entscheidungsgrundlage im Prozess obliegt allein den Behörden und nicht den Hilfebedürftigen. Liegen für die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt kein Mietspiegel bzw. keine validen Mietdatenbanken vor, so ist der Grundsicherungsträger gehalten, für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich eigene - grundsicherungsrelevante - Tabellen zu erstellen (vgl auch BSG 14. Senat, Urteil vom 18.06.2008, Aktenzeichen: B 14/7b AS 44/06 R). In einer zweiten "konkreten Angemessenheitsprüfung" ist dann zu prüfen, ob dem Hilfebedürftigen eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist. Auf dieser zweiten Ebene ist der Hilfebedürftige auch verpflichtet, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er trotz intensiver Bemühungen keine preisgünstigere Wohnung gefunden hat. Besteht im Einzelfall eine solche konkrete günstigere Unterkunftsalternative nicht, sind die tatsächlichen Aufwendungen für die gemietete Wohnung als angemessen anzusehen.

18

Maßgebliche Kriterien für die Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft sind die Wohnraumgröße, der Wohnort und der Wohnungsstandard. Angemessen im Sinne des § 22 SGB II sind nämlich die Unterkunftskosten nur dann, wenn die Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Zweck der Grundsicherung für Arbeitssuchende, nur den notwendigen Bedarf sicher zu stellen, sodass zum Beispiel nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise abzustellen ist. Die Wohnung muss hinsichtlich der maßgeblichen Kriterien, die als den Mietpreis bildende Faktoren in der Regel im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach Größe der in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Bei der Bestimmung des maßgeblichen örtlichen Wohnungsmarktes zur Festlegung der abstrakten Angemessenheitsgrenze ist vorrangig auf den Wohnort des Hilfebedürftigen abzustellen, weil ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, in der Regel von ihm nicht verlangt werden kann (BSG, SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 26).

19

Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ergibt sich dann als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter ("Produkttheorie"). Das bedeutet, dass nicht jeder einzelne Faktor wie Wohnungsgröße, Ausstattungsstandard oder Quadratmeterpreis für sich isoliert angemessen sein muss, weil es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt. Entscheidend ist daher das Ergebnis aus der Quadratmeterzahl und der Miete je Quadratmeter, sodass der Hilfebedürftige sich bei einem besonders günstigen Mietzins auch eine größere Wohnung leisten oder Ausstattungsmerkmale mit gehobenem Wohnstandard durch andere Elemente ausgleichen kann, wenn die Unterkunftskosten im Ergebnis noch angemessen sind (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. April 2007 - L 7 AS 494/05 -).

20

Die berücksichtigungsfähige Wohnfläche ist in Niedersachsen nach den Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsbestimmung - WFB - 2003) in dem Runderlass vom 27. Juni 2003 zu ermitteln (Niedersächsisches Ministerialblatt 2003, Heft 27, S. 580). Danach gilt für Mietwohnungen bei einem 2-Personen-Haushalt eine Wohnfläche bis 60 m² als angemessen (Nr. 11.2). Die - nach dem Auszug der Tochter - alleine von der Klägerin und ihrem Ehemann bewohnte Wohnung in Rotenburg (Wümme) hat eine Wohnfläche von 68 m² und ist nach diesen Vorgaben zu groß. Das Gericht hatte in der mündlichen Verhandlung auf Nr. 11.4 der Richtlinie hingewiesen, wonach sich die angemessene Wohnfläche u.a. für jeden schwerbehinderten Menschen um jeweils weitere 10 m² erhöht. Eine aktuelle Schwerbehinderung des Ehemannes der Klägerin konnte nicht festgestellt werden, vielmehr hatte die Prozessbevollmächtigte erklärt, diese Feststellung ggf. beantragen zu wollen.

21

Ebenso konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass ein größerer Wohnraumbedarf aus medizinischen Gründen indiziert ist. Das Gericht stützt sich insoweit auf die überzeugenden Ausführungen der Amtsärztin Dr med L ... Letztlich können die geschilderten Schlafprobleme nicht mit einer größeren Wohnung behoben werden, da die Größe der Wohnung nicht primärer Auslöser dieser Probleme ist. Vielmehr schildert das Gutachten, dass der Ehemann der Klägerin durch Einflüsse von Außen im Schlaf gestört wird; diese Einflüsse können auch außerhalb der Wohnung liegen. Eine vergrößerte Wohnung würde hieran nichts ändern. Wenn die Schlafproblematik in dem besonderen Zusammenhang der Schnarchprobleme stehen sollte, so ist dies ein Umstand, den viele Ehepaare zu gewärtigen haben. Ein besonderer grundsicherungsrechtlicher Bedarf entsteht hierdurch jedoch nicht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch den Eheleuten hier eine Möglichkeit zur räumlichen Trennung offen steht. Bei beengten Wohnverhältnissen bietet sich dann in der Tat wie hier die Nutzung einer Schlafcouch an, die tagsüber für Wohnzwecke verwendet werden kann.

22

Anhaltspunkte für einen gehobenen Wohnungsstandard sind nicht erkennbar. Insoweit geht die Kammer davon aus, dass Lage und Ausstattung der Wohnung einfache Wohnverhältnisse nicht übersteigen. Es kommt also darauf an, ob die gezahlte Miete nach abstrakten Überprüfungskriterien noch angemessen ist.

23

Die Kammer sieht sich nicht in der Lage, anhand von konkreten Daten einen marktüblichen Mietzins über den spezifischen Wohnungsmarkt in J. (K.) und näherer Umgebung festzusetzen.

24

Örtliche Mietspiegel oder andere Mietdatenbanken existieren nach Kenntnis der Kammer im Bereich des Landkreises Rotenburg (Wümme) lediglich im Bereich der Gemeinde Sittensen (http://www.sittensen.de/rathaus/was erledige ich wo/PDF-Dateien/Mietspiegel.pdf), nicht jedoch im übrigen Kreisgebiet, insbesondere nicht in Rotenburg (Wümme) (Stadt). Der Beklagte ist bis jetzt seiner Verpflichtung noch nicht nachgekommen, zum Zwecke der Ermittlung der abstrakt angemessenen Wohnkosten entsprechende Mietspiegel oder Tabellen mit grundsicherungsrelevanten Daten zu erstellen und nutzbar zu machen. In der mündlichen Verhandlung wurde diese Problematik eingehend erörtert. Die erforderlichen Tabellen dürfen grds auf einer schwächeren Datenbasis als ein Mietspiegel nach § 558 d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beruhen (vgl BSG 14. Senat, Urteil vom 18.06.2008, Aktenzeichen: B 14/7b AS 44/06 R; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 7. Senat, Urteil vom 11.03.2008, Aktenzeichen: L 7 AS 332/07 Rn. 25 zit nach [...]). Gleichwohl müssen sie den maßgeblichen örtlichen Wohnungsmarkt nachvollziehbar abbilden. Erforderlich sind z.B. Angaben zu Wohnort, Wohnfläche, Netto- und Brutto-Kaltmieten, Anmietungszeitpunkt (weil nicht Bestandsmieten, sondern nur Angebotsmieten das Mietpreisniveau darstellen können, zu dem eine Wohnung zu beschaffen ist), Umfang der ausgewerteten Datenquellen im Vergleich zu der Zahl der Absenkungsverlangen, Modalitäten des Erhebungsverfahrens. Wichtig ist es, dass die Datenerhebung vollständig und fortlaufend zu erfolgen hat, und nicht nur sporadisch oder einmalig. Insoweit haben preisgünstigere Wohnungsangebote in Zeitungsannoncen oder als Ergebnis einer Internetrecherche für die abstrakte Angemessenheitsprüfung keine große Bedeutung. Denn der Leistungsbezieher kann nicht auf vereinzelte, nicht repräsentative, atypisch günstige Wohnraumangebote verwiesen werden, weil jede Angemessenheitsgrenze bzw. Durchschnittsbewertung mit sich bringt, dass Wohnungen mit geringeren Mieten vorhanden sein müssen. Der Hilfebedürftige würde ansonsten unter einem ständigen Umzugsdruck stehen, sofern der Grundsicherungsträger ihm eine preiswertere Wohnung nachweist (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Das Bundesozialgericht hat festgestellt, dass die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage auf einem schlüssigen Konzept beruhen müsse, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (BSG, a.a.O., Rn. 16 zit nach [...]). Das könne u.a. dann der Fall sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10% des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht. Ferner müssten die Faktoren, die das Produkt "Mietpreis" bestimmen (Standard, ggf. auch ausgedrückt in Jahr des ersten Bezuges bzw. der letzten Renovierung plus Wohnungsgröße und Ausstattung) in die Auswertung eingeflossen sein. Eine solche Datengrundlage besteht nach Erkenntnis der Kammer zZ noch nicht. Wie in der mündlichen Verhandlung erläutert wurde, besteht das Konzept des Beklagten zur Ermittlung der erforderlichen Datengrundlage zZ darin, dass zwei Datenbanken entwickelt würden. Die eine Datenbank besteht aus Miet-Daten von Personen, die Leistungen nach demSGB II und dem SGB XII beziehen. Die Mietverhältnisse seien dem Beklagten bekannt. Zu einem Stichtag im Juli 2008 sei auf Grund dieser Daten einmalig eine Datenbank erstellt worden. Daten von Wohngeldbeziehern sind zZ noch nicht Gegenstand dieser Datenbank. Des Weiteren bestehe - zumindest im Ansatz - eine weitere Datenbank. Der Beklagte überwache alle kreisweit-relevanten Zeitungen mit einem Immobilienmarkt. Diesen Zeitungen würden Wohnungsangebote dergestalt entnommen, dass sie gescannt und sodann im Intranet des Beklagten zur (nicht maschinenlesbaren) Einsichtnahme zur Verfügung gestellt werden. Dies bedeutet, dass die Scans als EDV-Bilder hinterlegt werden, die vom Personal ggf. eingesehen werden können. Eine Übertragung dieser (Roh-)Daten in eine maschinenlesbare Datenbank wurde noch nicht vorgenommen. Die dergestalt erhobenen Daten wurden zum einen nicht in das Verfahren eingeführt, genügen zum anderen allerdings auch nicht den Anforderungen an eine hinreichend valide Datenbasis. Zum einen ist es erforderlich, dass die vom Leistungsträger gewählte Datengrundlage hinreichend breit aufgestellt ist. Das Bundessozialgericht hat insofern ein bestimmtes Verhältnis zum Wohnungsmarkt insgesamt gefordert. Ebenso ist es zwingend erforderlich, dass die Datenbasis den infrage kommenden Wohnungsmarkt hinreichend abbildet. In Betracht kommen insbesondere - jedoch nicht nur - nach Lage und Ausstattung der Wohnung einfache Wohnverhältnisse. Dies wird jedoch mit dem ausschließlichen Rückgriff auf Bezieher von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII nicht hinreichend abgebildet. In die Berechnung müssen zwingend die Daten der Wohngeldbezieher Einfluss finden (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 17 zit nach [...]); diese dürften regelmäßig den oberen Bereich des noch infrage kommenden Wohnungsmarktes abbilden, sie außen vor zu lassen würde das Ergebnis der Datengrundlage unbotmäßig verfälschen. Im Bereich der Leistungsbezieher nach dem SGB II und SGB XII hat nämlich der Leistungsträger über § 22 SGB II/ § 29 SGB XII weitgehende Möglichkeiten, zumindest langfristig mittelbaren Einfluss auf die durchschnittliche Miete zu nehmen. Ohne Korrekturdaten vom "Wohnungsgeldmietenmarkt" hätte der Leistungsträger selber einen zu großen Einfluss auf die Bestimmung der angemessenen Miete. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die so aufgebaute Datenbank eine vorrangige Berücksichtigung von Bestandsmieten enthalten dürfte. Letztlich ist der vom Absenkungsverlangen Betroffene jedoch immer auf den aktuellen Wohnungsmarkt verwiesen; bloße Bezüge auf festgestellte Bestandsmieten helfen hierbei nicht endgültig, wenn sie aktuell auf dem Markt nicht zu erzielen sind. Hier kann nur eine Korrektur - noch auf der Ebene der Bestimmung des abstrakten Angemessenheitswertes - durch aktuelle Marktzahlen weiterhelfen. Diese "Korrekturdatenbank" kann grds wie hier angedacht in Form der Auswertung der Wohnungsanzeigen erfolgen. Diese Daten müssen aber auch tatsächlich ausgewertet und einbezogen werden. Hieran fehlt es zZ hier noch, da ein bloßes Vorhalten der Zeitungsausschnitte für die Bestimmung des abstrakten Angemessenheitswertes nicht genügt. Zukünftig muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass die Korrektur für den aktuellen Wohnungsmarkt nur dann sinnvoll erfolgen kann, wenn die gesamten Kosten der Wohnung aus der Anzeige alleine oder durch weitere Ermittlungen bekannt sind. Regelmäßig finden sich nämlich Angaben zu den Nebenkosten und Ausstattungsmerkmale nicht in den Zeitungsanzeigen. Nur durch diese Angaben kann aber ein sinnvoller Vergleich vorgenommen werden. ggf. hat der Leistungsträger diese Daten zusätzlich zu beschaffen.

25

Da die vom Beklagten erstellte Datengrundlage wie erläutert zZ noch nicht hinreichend aussagekräftig ist und der Kammer zZ für diesen örtlichen Wohnungsmarkt keine weiteren Erkenntnisquellen bzw. Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, ist ausnahmsweise ein Rückgriff auf die Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz zulässig (BSG, SozR 4-4200 § 22 Nr. 3; auch BSG, B 14/7b AS 44/06 R spricht sich nicht generell gegen die subsidiäre Anwendbarkeit der Wohngeldtabelle aus, sondern gibt lediglich validen anderen Erkenntnisquellen den Vorrang. Diese liegen hier jedoch wie dargelegt gerade nicht vor). Zwar sind die Tabellenwerte in § 8 Wohngeldgesetz kein von vornherein geeigneter Maßstab für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft, weil für das Wohngeld rechtlich ohne Bedeutung ist, inwieweit die Wohnung als solche im Sinne eines notwendigen Bedarfs angemessen ist. Die Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz stellt aber mangels anderer Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln den einzig normativen Ansatzpunkt dar, an den die Angemessenheitsprüfung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angelehnt werden kann. Eventuelle Unbilligkeiten aufgrund der pauschalierenden Regelung sind mit einem Zuschlag von etwa 10% zu den (aktuellen) Tabellenwerten auszugleichen (BSG, a.a.O., Rdnr. 23). Dies wird auch dadurch gestützt, dass die Tabellenwerte in der neuen Fassung desWohngeldgesetzes um eben diese 10% angehoben werden.

26

Bei der Anlehnung an die Tabellenwerte zu § 8 Wohngeldgesetz hält es die Kammer in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 22 SGB II für gerechtfertigt, ausschließlich die rechte Spalte der Tabelle zugrunde zu legen. Denn das Jahr der Bezugsfertigkeit des Wohnraums ist für die Höhe der vereinbarten Miete unerheblich. Ausschlaggebend sind vielmehr die Lage und die Ausstattung der Wohnung sowie die Nachfrage nach dem jeweiligen Wohnraum. Darüber hinaus kann eine modernisierte Altbauwohnung nicht selten die Preisstufe einer Neubauwohnung erreichen und überschreiten. Das Abstellen auf die rechte Spalte hat ferner für Grundsicherungsträger und Leistungsempfänger beim Fehlen anderer valider Datenbanken den wesentlichen Vorteil, dass in einer Gemeinde eine einheitliche Angemessenheitsgrenze je nach Haushaltsgröße besteht, ohne nach Bezugsfertigkeit der Wohnung zu differenzieren. Schließlich sind in § 22 SGB II keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass durch die Übernahme von Unterkunftskosten im Rahmen des Grundsicherungsrechts eine andere Zielsetzung als die fiskalische Entlastung des SGB II-Trägers verfolgt wird, wie z.B. die Steuerung von Leistungsempfängern zur Altbauwohnung.

27

Die Kammer folgt ferner der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass die in der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz alleine durch die Pauschalierung inne wohnende Unbilligkeit, die der individuellen Angemessenheitsprüfung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II entgegensteht, mit einem Zuschlag bis zu 10% der Tabellenwerte ausgeglichen werden kann. Denn die Tabellenwerte zu § 8 Wohngeldgesetz bestehen seit dem 01. Januar 2001 unverändert fort. Selbst die Änderung ab 2001 hat nach der Begründung des Gesetzgebers die seit 1990 eingetretene Mietentwicklung durch die Änderung der Tabelle nicht vollständig ausgeglichen, sondern im Durchschnitt nur etwa zur Hälfte (Bundestagsdrucksache 14/1636, S. 184). Zu berücksichtigen sind ferner die seit 2001 enorm gestiegenen Wohnnebenkosten. Um insoweit einen Ausgleich für den hier streitigen Wohnungsmarkt zu erreichen, müssen beim Fehlen valider Mietdatenbanken bei der Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 SGB II die in der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz angeführten Werte um 10% erhöht werden. Dies deckt sich insoweit mit der neuen Tabelle zu § 12 WohnGG (nF) i.d.F. der Zweiten Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss, Drucksache 16/8918). Eine unzumutbare Belastung des Beklagten ist dadurch nicht zu befürchten, denn ihm steht es jederzeit frei, eigene valide Mietspiegel oder Tabellen zu erstellen.

28

Die Stadt Rotenburg (Wümme) gehört nach den Zuordnungsmerkmalen der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz zu den Gemeinden mit Mieten der Stufe 3. Für einen 2-Personen-Haushalt sieht die rechte Spalte dieser Tabelle einen Höchstbetrag einschließlich der Nebenkosten ohne Heizung von 365,00 EUR monatlich vor. Dieser Tabellenwert ist nach den oben dargelegten Gründen um 10% zu erhöhen, sodass für die Bedarfsgemeinschaft der Kläger Unterkunftskosten ohne Heizung in Höhe von 401,50 EUR monatlich angemessen sind. Hinzu kommen die hier unstreitigen Heizkosten in Höhe von 78,48 Euro abzüglich Warmwasserkosten bis einschließlich August 2006 sowie ab September 2006 Heizkosten in Höhe von 96,98 Euro abzüglich Warmwasserkosten. Da nur die Klägerin grundsicherungsberechtigt ist, ist der so ermittelte Wert noch nach Kopfteilen aufzuteilen.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Auf Grund des zuvor weitergehenden Antrages der Klägerin, der nicht im vollen Umfang Erfolg hatte, ist diese Quote gerechtfertigt.