Sozialgericht Stade
Urt. v. 09.12.2008, Az.: S 24 AL 445/04
Anspruch eines Vertriebsleiters auf Gewährung von Insolvenzgeld i.H.v. 2.000.000 EUR.; Berücksichtigung von Jahressonderzahlungen i.R.d. Insolvenzgeldes
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 09.12.2008
- Aktenzeichen
- S 24 AL 445/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 34335
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2008:1209.S24AL445.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 183 Abs. 1 S. 1 SGB III
- § 185 Abs. 1 SGB III
Fundstelle
- ZInsO 2009, 931-933
Redaktioneller Leitsatz
Eine als Vorschussleistung auf zukünftige Provisionsansprüche vereinbarte Zahlung stellt keine sogenannte insolvenzgeldfähige Jahressonderzahlung im Sinne von § 183 SGB III dar. Im Übrigen sind mit dem Insolvenzgeld grundsätzlich keine Ansprüche des Arbeitnehmers für die Zukunft, d.h. die über das Insolvenzereignis hinaus gehen, versichert.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Insolvenzgeld iHv 2.000.000,- EUR.
Der 1952 geborene Kläger ist Volljurist. Ab 1. Mai 2000 war er bei der Firma G. Windkraft und Umwelttechnologie in H. als Vertriebsleiter für die Bereiche Windkraft, Biomasse und Landwirtschaft beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag war er insbesondere zuständig für die Überwachung der selbständig akquirierten Projekte, die Akquisition und die Projektierung; danach fiel die bauliche Abwicklung der Projekte nicht in seinen Verantwortungsbereich. Vereinbart wurde ein monatliches Bruttogehalt iHv 12.500,- DM. Darüber hinaus war vereinbart, dass der Kläger pro akquirierte, vermittelte, dazu gekaufte oder errichtete Windkraftanlage, die an das Stromnetz angebunden wird, 5.000,- DM erhält. Im Jahr 2001 wurde die Firma G. Windkraft und Umwelttechnologien Holding GmbH (in der Folge: GmbH) gegründet. Geschäftsführer war der Zeuge G ... Mit Anstellungsvertrag vom 7. Mai 2003 zwischen der GmbH als neuem Arbeitgeber, dem Zeugen G. als bisherigem Arbeitgeber und dem Kläger als Angestellten wurde u.a. vereinbart, dass mit Wirkung ab 1. Mai 2003 das zwischen dem Kläger und dem bisherigen Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis gemäß Vertrag vom 1. Mai 2000 mit allen wechselseitigen Rechten und Pflichten durch den neuen Arbeitgeber übernommen werde. Vereinbart wurde zudem ein Bruttogehalt von 6.500,- EUR monatlich. Zugleich wurde festgelegt, dass für alle bis zum 30. April 2003 entstandenen Ansprüche des Angestellten aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis der bisherige Arbeitgeber für den Kläger weiterhin persönlich hafte. Unter "§ 4 Sonstige Zuwendungen" vereinbarten die Vertragsparteien u.a. Folgendes:
(4)
Für die Zeit ab 01.05.2003 gilt folgende Regelung für sonstige Zuwendungen:a)
Der Angestellte hat gegen den neuen Arbeitgeber Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung iHv 2.556,- EUR für jede Windkraftanlage, die vom bisherigen oder neuen Arbeitgeber unmittelbar und/oder mittelbar akquiriert, vermittelt, dazugekauft oder errichtet worden ist oder wird. Dies gilt auch für vor Netzanschluss weiter veräußerte Windkraftanlagenstandorte, auch wenn darauf noch keine Windkraftanlagen errichtet worden sind.b)
Der Vergütungsanspruch entsteht bei Ankauf bestehender Anlagen zum Zeitpunkt des Erwerbs und ansonsten im Zeitpunkt des Netzanschlusses. Bei Veräußerung eines Windenergieanlagenstandortes ist dieser Zeitpunkt maßgebend. Die Vergütung ist gegenüber dem Angestellten zum nächstfolgenden Halbjahresende - 30. 06. bzw. 31.12. - abzurechnen und zum 15. des darauf folgenden Monats auszuzahlen.c)
Die Ansprüche sind begrenzt auf die nächsten 6000 Anlagen, für die die Ansprüche ab dem 1. Mai 2003 entstehen.d)
Der Angestellte erhält eine Sonderzahlung von 2.000.000,- EUR, die mit Baubeginn des 3. Windparks in Italien, spätestens jedoch zum 30.08.2003 fällig wird. Als Baubeginn gilt der Beginn der Erdarbeiten auf dem dafür vorgesehenen Gelände. Die Zahlung ist auf die oben unter a) aufgeführten Ansprüche anzurechnen.
Am 29. August 2003 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2003. Am 2. September 2003 erfolgte eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin. In dem arbeitsgerichtlichen Verfahren kam es am 7. Mai 2004 zu einer Einigung in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich zwischen dem Kläger und dem Zeugen G.; das Verfahren gegen die GmbH wurde wegen der Insolvenz der GmbH abgetrennt.
Am 11. Dezember 2003 wurde das Insolvenzverfahren hinsichtlich der GmbH eröffnet. Am 12. Dezember 2003 beantragte der Kläger Insolvenzgeld. Mit Bescheid vom 13. August 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. September bis 30. September 2003 iHv 3.811,06 EUR. Mit dem gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass ihm darüber hinaus Insolvenzgeld iHv 2.000.000,- EUR aufgrund der arbeitsvertraglich geregelten und am 30. August 2003 fälligen Sonderzahlung sowie iHv 9.332,34 EUR für angefallene Aufwendungen, insbesondere Reisekosten, zustehen würden. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte aus, die zeitliche Zuordnung des Arbeitsentgeltes zum Insolvenzgeldzeitraum sei von besonderer Bedeutung. Sinn und Zweck der gewährten Einmalzahlung sei im besonderen Maße zu berücksichtigen. Die Gewährung der Sonderzahlung sei am 7. Mai 2003 vereinbart worden. Dabei handele es sich nicht um eine übliche Sondervergütung, die während des maßgeblichen Insolvenzgeldzeitraums erarbeitet worden sei. Mit Bescheid vom 13. April 2005 lehnte die Beklagte die weiteren geltend gemachten Ansprüche auf Insolvenzgeld hinsichtlich der Aufwendungen ab. Zur Begründung führte sie aus, die Arbeitgeberin habe hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen die Aufrechnung mit einem Darlehen erklärt. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2005 zurück.
Der Kläger hat gegen die beiden Widerspruchsbescheide am 17. Dezember 2004 bzw. 29. November 2005 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, es bestehe kein Zweifel daran, dass die in die Insolvenz geratene GmbH mit dem Kläger die schriftliche Vereinbarung vom 7. Mai 2003 getroffen habe und daher Schuldnerin der zugesagten Sondervergütung iHv 2.000.000,- EUR sei. Für die Entstehung und Fälligkeit dieser als Provision anzusehenden Sondervergütung komme es nicht auf eine konkrete darauf bezogene Tätigkeit an, sondern zur Vermeidung von Unklarheiten habe man als Fälligkeitszeitpunkt den 30. August 2003 als spätesten Zeitpunkt festgelegt. Bei der Sonderzahlung handele es sich keinesfalls - wie vom Insolvenzverwalter ausgeführt - um eine Schenkung.
Das Gericht hat die beiden Verfahren durch Beschluss vom 18. September 2007 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 24 AL 445/04 verbunden. Hinsichtlich des geltend gemachten Insolvenzgeldanspruchs bezüglich der ausstehenden Reisekosten haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2008 darauf geeinigt, dass eine Zahlung an den Kläger iHv 750,- EUR erfolgen wird und weitere Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 13. August 2004 und den Widerspruchsbescheid vom 16. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Insolvenzgeld iHv 2.000.000,- EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid. Zudem habe man bereits Zweifel, ob der Kläger überhaupt versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei bzw. ob er nicht als Selbständiger angesehen werden müsse. Weiterhin sei nicht zu erkennen, dass ein Arbeitsentgeltanspruch iHv 2.000.000,- EUR im Insolvenzgeldzeitraum entstanden sei. Dem etwaigen Sonderzahlungsanspruch stünden keine Gegenleistungen des Klägers gegenüber. Auch aus diesem Grund habe der Insolvenzverwalter den Sonderzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung zurückgewiesen.
Das Gericht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung Auskünfte des Insolvenzverwalters I. vom 1. Oktober 2007 und vom 15. November 2007 eingeholt. Zudem hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2008 den Zeugen G. vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der noch im Streit befindliche angefochtene Bescheid vom 13. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung weiteren Insolvenzgeldes iHv 2.000.000,- EUR.
Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Nach Satz 3 dieser Regelung gehören zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis, d.h. Zahlungen des Arbeitgebers, die im weitesten Sinne eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung oder das zur Verfügungstellen der Arbeitsleistung darstellen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1976 - 7 RAr 136/75 - SozR 3 - 4100 § 141 b Nr. 2; Urteil vom 24. März 1983 - 10 RAr 15/81 - SozR 3 - 4100 § 141b Nr. 26). Abgesehen von der hier noch streitigen Rechtsfrage, ob die vereinbarte Sonderzahlung einen Anspruch auf Arbeitsentgelt für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses iSv § 183 SGB III darstellt, liegen die Voraussetzungen der Gewährung von Insolvenzgeld nach dieser Norm dem Grunde nach vor. Zutreffend hat die Beklagte dem Kläger daher Insolvenzgeld iHv 3.811,06 EUR gewährt bzw. in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der geltend gemachten Reisekosten weitere 750,- EUR Insolvenzgeld anerkannt. Insbesondere steht nach Überzeugung der Kammer einem Anspruch auf Insolvenzgeld nicht entgegen, dass der Kläger möglicherweise - wie von der Beklagten erwogen - nicht als versicherungspflichtig beschäftigt angesehen werden kann. Nach der Beweiserhebung und unter Berücksichtigung der sich in den Akten befindenden Unterlagen geht das Gericht davon aus, dass der Kläger bei der GmbH versicherungspflichtig beschäftigt und nicht etwa freiberuflich bzw. selbständig tätig war.
Den hier noch streitigen Anspruch auf Insolvenzgeld iHv 2.000.000,- EUR hat die Beklagte allerdings zu Recht abgelehnt. Bei dieser im Arbeitsvertrag vom 7. Mai 2003 zwischen dem Kläger und der GmbH vereinbarten sog "Sonderzahlung", die zum 30. August 2003 fällig sein sollte, handelt es sich um einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin, der nicht als Insolvenzgeld geltend gemacht werden kann. Es handelt sich nicht um einen Anspruch auf Arbeitsentgelt für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses iSv § 183 SGB III.
Dem Anspruch auf Insolvenzgeld steht im Hinblick auf die geltend gemachte Höhe nicht bereits § 185 Abs. 1 SGB III entgegen. Danach wird das Insolvenzgeld auf die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt. Denn diese Regelung trat mit diesem geänderten Inhalt erst zum 1. Januar 2004 in Kraft; § 185 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung ist anzuwenden, wenn das Insolvenzereignis - wie hier - vor dem 1. Januar 2004 eingetreten ist, § 434j Abs. 12 Nr. 5 SGB III.
Dem Anspruch auf Insolvenzgeld iHv 2.000.000,- EUR steht auch nicht eine etwaige Sittenwidrigkeit der Vereinbarung zwischen Kläger und GmbH vom 7. Mai 2003 über die zu erbringende Sonderzahlung entgegen. Das Gericht konnte sowohl in der Befragung des Klägers als auch in der Vernehmung des Zeugen keine Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung feststellen, insbesondere nicht dafür, dass die Arbeitsvertragsparteien in dem Wissen der bevorstehenden bzw. zu erwartenden Insolvenz der GmbH die Sonderzahlung iHv 2.000.000,- EUR fällig werdend zum 30. August 2003 vereinbart haben, ggf. in der Absicht, dem Kläger einen Anspruch gegenüber der Beklagten zu verschaffen. Ebenfalls konnte nicht festgestellt werden, dass die Arbeitsvertragsparteien den auf den 7. Mai 2003 datierten Anstellungsvertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt, als möglicherweise die bevorstehende Insolvenz der GmbH bereits feststand, geschlossen und eventuell rückdatiert haben. Nur unter solchen hier nicht feststellbaren Gegebenheiten wäre es denkbar gewesen, einen Anspruch auf Insolvenzgeld wegen Verstoßes gegen die guten Sitten abzulehnen (vgl BSG, Urteil vom 18. März 2004 - B 11 AL 57/03 R - BSGE 92, 254 ff).
Bei der zwischen den Arbeitsvertragsparteien mit Fälligkeit 30. August 2003 vereinbarten sog "Sonderzahlung" handelt es sich allerdings nicht um eine nach Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich insolvenzgeldfähige Jahressonderzahlung, die im Rahmen des Insolvenzgeldanspruches - ggf. anteilig - zu berücksichtigen wäre. Jahressonderzahlungen sind im Rahmen des Insolvenzgeldes zu berücksichtigen, wenn sie arbeitsrechtlich entstanden und dem Insolvenzgeldzeitraum zugeordnet werden können. Regelmäßig kommt insoweit in Betracht, die Jahressonderzahlung abstellend auf den jeweiligen Erarbeitungszeitraum anteilig als Insolvenzgeld zu gewähren, z.B. iHv 3/12 der rückständigen Jahressonderzahlung. Lässt sich eine Sondervergütung nicht einzelnen Monaten zurechnen, so kann sie in voller Höhe beim Insolvenzgeld zu berücksichtigen sein, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzgeldereignis hätte ausgezahlt werden müssen. Bei der erforderlichen zeitlichen Zuordnung für den Insolvenzgeldanspruch, d.h. der Zuordnung zum Insolvenzgeldzeitraum, ist unter Beachtung des arbeitsrechtlichen Entstehungsgrundes und der Zweckbestimmung der Leistung zu differenzieren. Bei Sonderzahlungen, die zu einem bestimmten Anlass oder Stichtag, ohne dass sie als Gegenleistung einen bestimmten Zeitraum zugeordnet werden können, ist die gesamte Zahlung in der Regel versichert, wenn das Ereignis in den Insolvenzgeldzeitraum fällt (Krogel, in: Niesel, SGB III, 4. Aufl, § 183 Rdn 92). Ergibt sich bei der Zweckbestimmung der Sonderzahlung, dass diese zu einem bestimmten Stichtag zahlbar ist, ohne dass sie als Gegenleistung für die Arbeitsleistung einen bestimmten Zeitraum zuzuordnen ist, kann die Sonderzahlung in voller Höhe insolvenzfähig sein, sofern das leistungsauslösende Ereignis in den maßgeblichen Insolvenzgeldzeitraum fällt (BSG, Urteil vom 7. September 1988 - 10 RAr 13/87 - SozR 4100 § 141b Nr. 42).
Diese in Rechtsprechung und Literatur entwickelten und entschiedenen Fallgruppen sind vorliegend jedoch nicht einschlägig. Bei der hier zugrunde liegenden und von den Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Sonderzahlung handelt es sich nicht um eine (Jahres)Sonderzahlung in diesem Sinne. Die von den Arbeitsvertragsparteien gewählte Bezeichnung "Sonderzahlung" ist insoweit unbeachtlich. Vielmehr stellt die Vereinbarung vom 7. Mai 2003 eine Vorschussleistung auf zukünftige Provisionsansprüche dar. Nach den Ausführungen von Kläger und Zeuge in der mündlichen Verhandlung sowie unter Berücksichtigung des Wortlauts des Anstellungsvertrags vom 7. Mai 2003 steht fest, dass die vereinbarte Sonderzahlung iHv 2.000.000,- EUR ausdrücklich weder Arbeit und Leistungen des Klägers in der Vergangenheit bis 1. Mai 2003 noch die Betriebstreue belohnen noch zur Abdeckung etwaiger bis dahin unerfüllter Provisionsansprüche aus der Vergangenheit dienen sollte. Vielmehr steht fest, dass die ab 1. Mai 2003 und damit zukünftig entstehenden Provisionsansprüche iHv 2.556,- EUR pro Windkraftanlage auf die vereinbarte Sonderzahlung iHv 2.000.000,- EUR, die zum 30. August 2003 fällig werden sollte, angerechnet werden sollten. Demzufolge handelt es sich bei der als Sonderzahlung bezeichneten Vorschussleistung iHv 2.000.000,- EUR gerade nicht um eine Sonderzahlung oder Jahressonderzahlung im Sinne der Kommentarliteratur oder Rechtsprechung, vielmehr ist die Bezeichnung Sonderzahlung in diesem Zusammenhang irreführend und ungeeignet.
Offen bleiben kann, ob der Kläger aus arbeitsrechtlicher Sicht den Anspruch auf die Sonderzahlung iHv 2.000.000,- EUR trotz seiner etwa zeitlich mit dem Datum der Fälligkeit erfolgten Kündigung ohne Weiteres hätte durchsetzen können, obwohl die von ihm zu erbringende Gegenleistung zumindest zum großen Teil offensichtlich - aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - nicht mehr erbracht werden konnte. Zumindest ist die demzufolge von den Arbeitsvertragsparteien im Vertrag geregelte Vorschussleistung iHv 2.000.000,- EUR auf zukünftige Provisionsansprüche nicht geeignet, einen Insolvenzgeldanspruch in dieser Höhe zu begründen. Abzustellen ist diesbezüglich auf Sinn und Zweck des Insolvenzgeldes. Dieses stellt eine Entgeltersatzleistung dar, der gewährleistete Schutz besteht in seinem Kernbereich darin, dass für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers Ersatz für den ausgefallenen Lohn zu leisten ist. Mit dem Insolvenzgeld sind damit grundsätzlich keine Ansprüche des Arbeitnehmers für die Zukunft, d.h. die über das Insolvenzereignis hinaus gehen, versichert. Das Insolvenzereignis ist eine unverzichtbare materiell-rechtliche Voraussetzung für den Insolvenzgeldanspruch. Es verkörpert abschließend die Gefährdungslage, der die Insolvenzgeldversicherung begegnen will. Das Insolvenzereignis ist rechtsdogmatisch betrachtet der Versicherungsfall der Insolvenzgeldversicherung. Die sich hieraus ergebenden schutzzweckorientierten Funktionen des Tatbestandsmerkmals Insolvenzereignis bestehen in der Begrenzung des Schutzbereichs der Insolvenzgeldversicherung und in der Aufteilung des Verdienstausfallrisikos auf Arbeitnehmer und Insolvenzgeldversicherung.
Die vom Kläger geltend gemachte Sonderzahlung iHv 2.000.000,- EUR stellt gerade keinen - ausgefallenen - Lohn für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses dar, sondern betrifft zukünftige Provisionsansprüche, die soweit ersichtlich in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses noch nicht entstanden sind. An Arbeitnehmer zu zahlende Provisionen sind grundsätzlich auch Arbeitsentgelt iSv § 183 SGB III. Der maßgebliche Zeitpunkt für das Entstehen des Provisionsanspruchs ist der Abschluss des Vertrags zwischen dem Arbeitgeber und dessen Vertragspartner des Provisionsgeschäfts. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld kann daher auch gegeben sein, wenn sowohl die Fälligkeit der Provisionsforderung als auch die Erfüllung des Provisionsgeschäfts nach Ablauf des Insolvenzgeld-Zeitraums liegen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. April 1980 - L 9 Ar 8/78). Dagegen begründet die Anwartschaft auf Provisionen, die ein Arbeitnehmer durch ein Geschäft erwirbt, das vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen, aber nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ausgeführt wird, keinen Anspruch auf Insolvenzgeld (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1980 - 8b RAr 5/80). Vorliegend kann ein Anspruch auf Insolvenzgeld im Hinblick auf die vereinbarte Sonderzahlung danach allenfalls dann in Betracht kommen, wenn nachgewiesen ist, dass der Kläger im Insolvenzgeldzeitraum, d.h. im Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2003, Provisionsansprüche erworben hat, die auch nach der arbeitsvertraglichen Regelung auf die "Sonderzahlung" iHv 2.000.000,- EUR anzurechnen gewesen wären. Die Kammer konnte jedoch keine Anhaltspunkte für das Entstehen derartiger Provisionsansprüche im Insolvenzgeldzeitraum erkennen. Insbesondere der Kläger selbst konnte keine Windkraftanlagen benennen, die im Insolvenzgeldzeitraum möglicherweise in Bau gegangen sind und damit einen Provisionsanspruch ausgelöst haben könnten. Auch der Zeuge war sich weitgehend sicher, dass im Insolvenzgeldzeitraum - zumindest im Ausland - keine Windkraftanlagen mehr in Bau gegangen sind. Unter diesen Umständen sah die Kammer keine Notwendigkeit von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Kostenquotelung war vorliegend nicht vorzunehmen, da im Verhältnis zum Gesamtstreitwert die Tatsache, dass der Kläger mit seinem Begehren iHv 750,- EUR (= 0,04%) durchgedrungen ist, zu vernachlässigen war.