Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.04.2011, Az.: 5 LB 23/10

Beamte haben einen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe für die Ausstellung einer ärztlichen Betreuungsbescheinigung bei Krankheit des Kindes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.04.2011
Aktenzeichen
5 LB 23/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 16359
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0405.5LB23.10.0A

Fundstellen

  • NdsVBl 2011, 290-292
  • NordÖR 2011, 516
  • ZBR 2011, 350-352

Redaktioneller Leitsatz

Gewährt der Dienstherr gemäß seiner Verwaltungspraxis Beihilfe für das Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, muss er auch die Beihilfefähigkeit für Aufwendungen der ärztlichen Bescheinigung zum Nachweis der Betreuungsbedürftigkeit eines beihilferechtlich berücksichtigungsfähigen Kindes - hier: nach § 9a Abs. 2 Nds. SUrlV - anerkennen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein Beamter des Landes Niedersachsen, begehrt die Gewährung von Beihilfe für Aufwendungen, die ihm für die Ausstellung einer ärztlichen Bescheinigung entstanden sind.

2

Der Facharzt für Kinderheilkunde Dr. D. stellte am 2. März 2007 aus Anlass einer Erkrankung des am 2002 geborenen, beihilferechtlich berücksichtigungsfähigen Sohnes des Klägers eine Bescheinigung über die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes durch beide Elternteile aus und stellte hierfür am 2. April 2007 ein Honorar in Höhe von 5,36 EUR in Rechnung. Dieser Betreuungsschein diente dem Kläger zur Vorlage bei seiner Dienststelle, um die Freistellung vom Dienst zur Ermöglichung der persönlichen Betreuung des Sohnes zu erreichen.

3

Die für diese Aufwendungen beantragte Beihilfe lehnte das frühere Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV), der Funktionsvorgänger der Beklagten, mit Beihilfebescheid vom 18. Juni 2007 und mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2007 mit der Begründung ab, dass ausweislich der Hinweise zu den Beihilfebestimmungen nur Aufwendungen für ärztliche Bescheinigungen zum Nachweis der Dienstunfähigkeit für die beihilfeberechtigte Person im aktiven Dienst beihilfefähig seien.

4

Der Kläger hat hiergegen am 28. September 2007 Klage erhoben mit der Begründung, die Ablehnung der Beihilfeleistung sei rechtswidrig und sozial unverträglich. Bei der Ausstellung der Bescheinigung handele es sich um eine ärztliche Leistung aus Anlass einer Krankheit seines Sohnes, einer im Sinn des Beihilferechts berücksichtigungsfähigen Person. Auch die als beihilfefähig anerkannte Bescheinigung der Dienstunfähigkeit des Beamten habe dessen Freistellung vom Dienst zur Folge, so dass hier die Gleichbehandlung geboten sei.

5

Der Kläger hat beantragt,

den Funktionsvorgänger der Beklagten zu verurteilen, ihm die Kosten für eine Bescheinigung gemäß Ziffer 70 GOÄ in Höhe von 5,36 EUR zu zahlen.

6

Der Funktionsvorgänger der Beklagten hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Er hat ausgeführt, dass in Anwendung des § 6 Absatz 1 Nr. 1 BhV Aufwendungen für ärztliche Bescheinigungen grundsätzlich nicht beihilfefähig seien. Hiervon werde ausschließlich für Bescheinigungen zum Nachweis der Dienstfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit des Beihilfeberechtigten zugunsten des Beamten abgewichen.

8

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Juni 2008 abgewiesen mit der Begründung, die Aufwendungen für das Ausstellen des Betreuungsscheins seien nicht beihilfefähig. Aus dem Charakter der Beihilfegewährung als Leistung des Dienstherrn in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen und dem Erfordernis der Notwendigkeit der Aufwendungen folge eine Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf krankheits- und damit behandlungs- und patientenbezogene ärztliche Maßnahmen. Ein unmittelbarer (adäquater) Ursachenzusammenhang zwischen der ärztlichen Behandlung des Erkrankten und der mit den Aufwendungen befriedigten Bedarfslage sei hier nicht gegeben. Die ärztliche Bescheinigung diene dem Nachweis einer medizinisch begründeten Betreuungsbedürftigkeit des Sohnes des Klägers zur Vorlage beim Dienstherrn des Klägers zum Zweck der Begründung dessen dienstrechtlichen Antrags auf Freistellung vom Unterricht. Damit bestehe kein unmittelbarer Bezug zur Behandlung der Erkrankung des Sohnes des Klägers, sondern die Notwendigkeit dieser ärztlichen Bescheinigung wurzele in den dienstrechtlichen Anforderungen des Beamtenverhältnisses des Klägers und damit in dessen Sphäre. Der mittelbare Zusammenhang zur Erkrankung des Sohnes genüge nicht, um eine Beihilfeberechtigung anzunehmen. Dass der Dienstherr über den dargelegten Maßstab hinausgehend Aufwendungen für die Bescheinigung der Dienstunfähigkeit und Dienstfähigkeit des Beihilfeberechtigten als beihilfefähig anerkenne, sei nicht geeignet, die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auch für andere Bescheinigungen zu begründen. Insoweit bedürfe es zuvor einer konstitutiven Entscheidung des Dienstherrn. Gleichbehandlungserwägungen würden deren Einbeziehung nicht aus Rechtsgründen zu rechtfertigen vermögen. Eine soziale Unverträglichkeit sei angesichts der mit der Ausstellung ärztlicher Bescheinigungen verbundenen typischerweise geringfügigen Aufwendungen nicht ansatzweise zu erkennen.

9

Der Senat hat die Berufung gegen dieses Urteil auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 20. Januar 2010 (5 LA 326/08) wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, soweit die Klage hinsichtlich einer Beihilfe in Höhe von 4,29 EUR (= 80% von 5,36 EUR) abgewiesen worden ist.

10

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, der erforderliche Kausalzusammenhang sei gegeben, weil bei seinem Sohn eine Erkrankung vorgelegen habe und der Arzt die Bescheinigung ausgestellt habe, um die notwendige Betreuung seines Sohnes zu gewährleisten. Außerdem gebiete es der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die hier geltend gemachten Aufwendungen ebenso wie die Aufwendungen für ärztliche Bescheinigungen zum Nachweis der Dienstunfähigkeit und Dienstfähigkeit des Beihilfeberechtigten als beihilfefähig anzuerkennen.

11

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides vom 18. Juni 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2007 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe für das Ausstellen der ärztlichen Bescheinigung vom 2. März 2007 in Höhe von 4,29 EUR zu gewähren.

12

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie trägt vor, grundsätzlich seien nur Kosten solcher ärztlicher Gutachten, Bescheinigungen u.Ä. beihilfefähig, deren Vorlage nach den Beihilfevorschriften vorgeschrieben oder von der Festsetzungsstelle verlangt worden sei. Als Ausnahme hiervon seien Aufwendungen für ärztliche Bescheinigungen zum Nachweis der Dienstunfähigkeit des Beihilfeberechtigten beihilfefähig. Diese Ausnahme sei wegen des zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn bestehenden Dienst- und Treueverhältnisses gerechtfertigt. Ein solches Dienst- und Treueverhältnis liege aber bei beihilfeberechtigten Angehörigen nicht vor. Das Erfordernis einer ärztlichen Bescheinigung zur Erlangung eines Anspruchs auf Sonderurlaub berühre den sich aus der Fürsorgepflicht ergebenden Beihilfeanspruch nicht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.

16

Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe in Höhe von 4,29 EUR (80% von 5,36 EUR) für die Aufwendungen, die ihm für die Ausstellung der ärztlichen Bescheinigung vom 2. März 2007 über die notwendige Betreuung seines erkrankten Kindes entstanden sind. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist deshalb zu ändern. In Höhe von 1,07 EUR (20% von 5,36 EUR) hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Klage abgewiesen.

17

Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfen abverlangt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, BVerwGE 125, 21; Nds. OVG, Urteil vom 23.4.2010 - 5 LB 388/08 -, [...];Beschluss vom 21.11.2008 - 5 LA 98/08 -, [...]). Da die im vorliegenden Fall streitigen Aufwendungen am 2. April 2007 entstanden sind, sind deshalb gemäß § 87 c Abs. 1 NBG in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2009 geltenden Fassung vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl. S. 664) - § 87 c NBG a.F. - die Beihilfevorschriften in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. November 2001 (GMBl S. 919) - BhV -, die zuletzt durch die 28. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 30. Januar 2004 (GMBl S. 379) geändert worden sind, anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die vorgenannten Beihilfevorschriften zwar verfassungswidrig (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.6.2004 - 2 C 50.02 -, BVerwGE 121, 103 = DVBl. 2004, 1420 = DÖD 2005, 133 = RiA 2005, 122); sie sind aber für Aufwendungen, die bis zum Ende der vergangenen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages im Jahr 2009 entstanden sind, weiter anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 -, DVBl. 2008, 1193 und [...]; Urteil vom 26.6.2008 - 2 C 2.07 -, BVerwGE 131, 234 und [...]; Nds. OVG, Urteil vom 23.4.2010 und Beschluss vom 21.11.2008, a.a.O.).

18

Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Beihilfe für die Ausstellung einer ärztlichen Betreuungsbescheinigung nach § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Nds. SUrlV ergibt sich aus § 87 c Abs. 1 NBG a.F. in Verbindung mit § 6 Abs. 1 BhV und der Verwaltungspraxis der Beklagten gemäß dem Hinweis Nr. 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV sowie in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und der Fürsorgepflicht des Dienstherrn.

19

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BhV sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für ärztliche Leistungen. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 BhV sind Aufwendungen für Begutachtungen, die weder im Rahmen einer Behandlung noch bei der Durchführung dieser Vorschriften erbracht werden, nicht beihilfefähig. Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für ärztliche Begutachtungen ist demnach, dass sie im Rahmen einer Behandlung oder bei Durchführung der Beihilfevorschriften erbracht werden. Die als beihilfefähig anzuerkennenden Kosten für ärztliche Begutachtungen umfassen im Regelfalle nur die Kosten solcher ärztlicher Gutachten, Bescheinigungen, Zeugnisse und Atteste usw., deren Vorlage nach den Beihilfevorschriften vorgeschrieben oder von der Festsetzungsstelle verlangt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.1969 - 2 C 138.67 -, ZBR 1970, 167).

20

Hierzu gehören die hier geltend gemachten Aufwendungen für die gemäß § 9a Abs. 2 Nds. SUrlV erforderliche ärztliche Betreuungsbescheinigung allerdings nicht. Nach dieser Vorschrift soll Urlaub unter Weitergewährung der Bezüge bis zu vier Arbeitstage im Urlaubsjahr gewährt werden bei schwerer Erkrankung eines Kindes, wenn (1.) dieses Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist und (2.) keine andere im Haushalt der Beamtin oder des Beamten lebende Person für die nach ärztlicher Bescheinigung notwendige Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege des Kindes zur Verfügung steht. Die ärztliche Betreuungsbescheinigung wird demnach zwar aus Anlass der Erkrankung des (hier des gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 BhV beihilferechtlich berücksichtigungsfähigen) Kindes ausgestellt. Diese Betreuungsbescheinigung ist aber weder nach den Beihilfevorschriften vorgeschrieben noch wird sie von der Festsetzungsstelle benötigt, sondern sie wird von dem Dienstherrn des Beamten gefordert, damit der Beamte gemäß § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Nds. SUrlV Urlaub zur Betreuung seines Kindes beantragen kann. Sie steht deshalb nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Anerkennung von beihilfefähigen Aufwendungen.

21

Beihilfefähig sind aber nach der Verwaltungspraxis der Beklagten entsprechend dem Hinweis Nr. 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV auch Aufwendungen für ärztliche Bescheinigungen zum Nachweis der Dienstunfähigkeit und Dienstfähigkeit des Beihilfeberechtigten. Diese Aufwendungen für ärztliche Bescheinigungen zum Nachweis der Dienstunfähigkeit und Dienstfähigkeit des Beihilfeberechtigten (vgl. § 81 Abs. 1 NBG a.F. und § 67 Abs. 2 NBG n.F.) werden als beihilfefähig anerkannt, weil für diese Bescheinigungen angenommen wird, dass ihre Ausfertigung in einem ursächlichen Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung steht und zugleich die Vorlage vom Dienstherrn gefordert wird (vgl. Topka/ Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, Stand: März 2009, § 6 Erläuterung zu Abs. 1 Nr. 1 Rn. 8.1).

22

Gewährt die Beklagte entsprechend dem Hinweis Nr. 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV Beihilfe für das Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, ist die Anerkennung der Beihilfefähigkeit für die Aufwendungen der ärztlichen Bescheinigung zum Nachweis der Betreuungsbedürftigkeit nach § 9a Nds. SUrlV unter Berücksichtigung dieser Verwaltungspraxis im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geboten.

23

Zwar enthalten die Beihilfevorschriften im Grundsatz eine abschließende Konkretisierung dessen, was der Dienstherr für diesen Rechtsbereich aufgrund seiner Fürsorgepflicht an Leistungen u.a. in Krankheitsfällen für geboten und angemessen ansieht. Sie sind eine den durchschnittlichen Verhältnissen angepasste Regelung, bei der in Kauf genommen werden muss, dass nicht in jedem Einzelfall eine volle Deckung der Aufwendungen erreicht wird. Auch verlangt die Fürsorgepflicht keine "lückenlose" Erstattung sämtlicher krankheitsbedingter Aufwendungen des Beamten und seiner berücksichtigungsfähigen Angehörigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.06.1999 - 2 C 29.98 - ZBR 2000, 46 und [...]).

24

Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet es jedoch, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Er stellt es dem Normgeber allerdings frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Dabei hat er grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum, wenn die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 28.4.2005 - 2 C 1.04 -, BVerwGE 123, 308 ff. und [...]). Betrifft die angegriffene Maßnahme ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein weites Ermessen verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.6.1994 - 1 BvL 14, 15/88 - BVerfGE 91, 118 ff. [BVerfG 28.06.1994 - 1 BvL 14/88][BVerfG 28.06.1994 - 1 BvL 14/88]<123>). Bewegt sich der Normgeber dagegen auf einem Gebiet, auf dem er engen rechtlichen Bindungen unterliegt, so kann ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Da die Beihilfe ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hat, ist diese bei der Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich zu beachten. Der allgemeine Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfensystem angelegte Sachgesetzlichkeit ohne zureichenden Grund verlässt. Durch Leistungseinschränkungen und Leistungsausschlüsse darf sich der Vorschriftengeber innerhalb des geltenden Beihilfesystems nicht zu seiner grundsätzlichen Entscheidung in Widerspruch setzen, Beihilfe zu gewähren, soweit sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BhV). Da es sich bei der Begrenzung der Beihilfefähigkeit durch Leistungsausschlüsse und Leistungsbeschränkungen um eine Einschränkung dieses Grundsatzes handelt, bedarf ein Ausschluss oder eine Begrenzung in materieller Hinsicht einer inneren, den Anforderungen des Art. 3 GG standhaltenden Rechtfertigung und in formeller Hinsicht einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 26.8.2009 - 2 C 62.08 -, ZBR 2010, 88 ff. und [...], Rnrn. 11 und 12 des [...]Langtextes).

25

Hieran gemessen ist es geboten, die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für das Ausstellen einer Bescheinigung über die Betreuungsnotwendigkeit eines beihilferechtlich berücksichtigungsfähigen Kindes anzuerkennen.

26

Hat der Dienstherr mit der oben dargelegten Verwaltungspraxis eine Sachgesetzlichkeit angelegt, wonach Aufwendungen für Bescheinigungen beihilfefähig sind, deren Ausfertigung in einem ursächlichen Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung des Beihilfeberechtigten steht und zugleich vom Dienstherrn gefordert wird, gebietet es die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten und seiner Familie, diese Sachgesetzlichkeit auch bei der hier im Streit stehenden Betreuungsbescheinigung gemäß § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Nds. SUrlV zugrundezulegen. Denn beihilfefähig sind grundsätzlich die am Lebenszuschnitt des Beamten und seiner Familie orientierten notwendigen Aufwendungen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17.12.1981 - 2 C 15.81 - ZBR 1982, 247). Der Dienstherr erfüllt demnach mit der Beihilfegewährung nicht nur die den Beamten gegenüber bestehende beamtenrechtliche und soziale Verpflichtung, sich an den Krankheitskosten zu beteiligen, sondern diese Verpflichtung besteht insoweit auch gegenüber der Familie des Beamten. Die Einbeziehung der berücksichtigungsfähigen Angehörigen in die Beihilfeberechtigung beruht deshalb auf der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten und seiner Familie. Die Gewährung des Sonderurlaubs nach § 9a Abs. 2 Nds. SUrlV ist ebenfalls Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten und seiner Familie. Denn nach Vorlage der ärztlichen Betreuungsbescheinigung kann der Beamte Urlaub beantragen, um sein erkranktes Kind zu betreuen. Der Senat vermag deshalb der Auffassung der Beklagten, das Erfordernis einer ärztlichen Bescheinigung zum Nachweis eines Anspruchs auf Sonderurlaub berühre den sich aus der Fürsorgepflicht ergebenden Beihilfeanspruch nicht, nicht zu folgen.

27

Es ist auch sachlich gerechtfertigt, die Beihilfefähigkeit für das Ausstellen eines ärztlichen Betreuungsscheins gemäß § 9a Nds. SUrlV ebenso zu behandeln wie die Beihilfefähigkeit für das Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Denn die Ausfertigung der Bescheinigung über die Betreuungsnotwendigkeit eines beihilferechtlich berücksichtigungsfähigen Kindes steht ebenso wie die Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den beihilfeberechtigten Beamten in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung eines nach den Beihilfevorschriften Begünstigten. Beide Bescheinigungen dienen nicht privaten Zwecken und beruhen nicht auf einer privaten Entscheidung des Beihilfeberechtigten. Vielmehr wird die Vorlage beider Bescheinigungen - anders als beispielsweise eine ärztliche Bescheinigung zum Nachweis, dass ein Kind nicht am Sportunterricht in der Schule teilnehmen kann - von dem Dienstherrn des Beihilfeberechtigten verlangt. Sowohl die Betreuungsbescheinigung als auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegen eine medizinische Notwendigkeit des Fernbleibens des Beihilfeberechtigten vom Dienst. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wird mit der Betreuungsbescheinigung nicht nur ein medizinisch "zumindest ratsamer Einsatz zur persönlichen Betreuung" des erkrankten Kindes ermöglicht, sondern sie bescheinigt eine notwendige Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege des erkrankten Kindes.

28

Zu keiner anderen Einschätzung führt der Umstand, dass die Erstattung der Kosten für die Ausstellung des Betreuungsscheins angesichts der geringfügigen Aufwendungen für den Kläger nicht sozial unverträglich wäre. Denn dies gilt für die Aufwendungen für das Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die nach der Verwaltungspraxis der Beklagten beihilfefähig sind, gleichermaßen.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger hatte seinen Klageantrag und seinen Antrag auf Zulassung der Berufung uneingeschränkt in Höhe von 5,36 EUR ohne Beachtung des Beihilfebemessungssatzes von 80% gestellt. Seine Anträge blieben deshalb in Höhe von 1,07 EUR ohne Erfolg. Er hat deshalb die Kosten des erst- und des zweitinstanzlichen Verfahrens zu einem Fünftel und die Beklagte zu vier Fünfteln zu tragen.

30

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

31

Der Senat lässt die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG, § 127 Nr. 2 BRRG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Die Frage, ob die Aufwendungen für eine ärztliche Bescheinigung über die Betreuungsnotwendigkeit eines beihilferechtlich berücksichtigungsfähigen Kindes beihilfefähig sind, stellt sich sowohl für niedersächsische Beamte als auch für Bundesbeamte (vgl. § 12 Satz 3 BBhV und § 12 Abs. 3 Satz 2 SUrlV) mit beihilferechtlich berücksichtigungsfähigen Kindern.