Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 12.04.2007, Az.: VgK-11/07

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
12.04.2007
Aktenzeichen
VgK-11/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 61285
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren

...

wegen

VOB-Vergabeverfahren für den Neubau der Ortsumgehung "B 73 Gemeinde ..., Bau-km ... bis Bau-km ..."

hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Dierks auf die mündliche Verhandlung vom 12.04.2007 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin gesamtschuldnerisch zu tragen.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 6 531 € festgesetzt.

Begründung:

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 24.01.2007 die Untergrund-, Unterbau-, Entwässerungs- und Oberbauarbeiten für den Neubau B 73 Ortsumgehung ... europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben, nachdem sie mit Vorinformation vom 30.08.2006 bereits auf diese Ausschreibung hingewiesen hatte. Wesentliche Leistungen sind die Neuordnung des Entwässerungssystems, 500 000 m3 Vorbelastungsdamm, 95 000 m3 Frostschutzschicht, 52 000 m2 Asphalttragschicht, 43 000 m2 Binderschicht, 42 000 m2 Splittmastixasphalt und 10 000 m2 Tragdeckschicht. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung der zu erbringenden Leistungen in Lose nicht vorgesehen ist. Der Zuschlag soll nach Maßgabe der in den Ausschreibungsunterlagen genannten Kriterien auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erteilt werden. Als Angebotsfrist wurde der 20.02.2007 genannt.

2

Die Unterlagen konnten bis zum 13.02.2007 bei der Auftraggeberin abgefordert werden.

3

Die EG- Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 12.01.2007 regelt unter den Nrn. 5 und 6 die Vorlage von Nachweisen und Angaben. Nr. 6 enthält folgende Regelung:

"Vorlage von mit dem Angebot auf gesonderter Anlage vorzulegenden Unterlagen zu den in Nr. 12 genannten bzw. angekreuzten Wertungskriterien: Bauzeitenplan, Baustelleneinrichtungsplan, Beschreibung der gewählten Bauverfahren, Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins."

4

Nr. 12 der EG- Aufforderung zur Angebotsabgabe informiert die Bieter über die beabsichtigte Angebotswertung. Hiernach soll der Preis mit 90 % und der technische Wert mit 10 % in die Wertung eingehen. Der Preis wird aus der Wertungssumme des Angebotes ermittelt, im Kriterium Technischer Wert werden als Unterkriterien das Bauverfahren, der Bauablauf und der Geräteeinsatz berücksichtigt.

5

Mit Nr. 1 der EG-Bewerbungsbedingungen werden die Bieter verpflichtet, den Auftraggeber ggf. über Unklarheiten der Vergabeunterlagen unverzüglich vor Angebotsabgabe schriftlich, per E-Mail oder per Telefax in Kenntnis zu setzen. Nr. 3 enthält Regelungen für das Angebot.U.a. fordert der Auftraggeber die Vorlage vollständiger Angebote und kündigt an, dass unvollständige Angebote ausgeschlossen werden können.

6

Die Baubeschreibung beginnt mit einer allgemeinen Beschreibung, in welcher die vom Auftragnehmer auszuführenden Leistungen erläutert werden. Außerdem werden die Bieter über bereits ausgeführte Vorarbeiten und Leistungen sowie über gleichzeitig laufende Bauarbeiten informiert.

7

Nr. 2 enthält ausführliche Angaben zur Baustelle. Unter Nr. 2.5 werden folgende Hinweise zu Lager- und Arbeitsplätzen gegeben:

"Der AG stellt dem AN die Neubautrasse mit einem beidseitigen, 12 m breiten Arbeitsstreifen zur Verfügung. An der K 16 steht der Arbeitsstreifen teilweise nur einseitig zur Verfügung, da sich dort Bodendenkmäler befinden, die nicht zerstört werden dürfen. Darüber hinaus werden dem AN keine weiteren Lager- und/ oder Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt.

Dem AN ist freigestellt, ob die zu rekultivierende Parkplatzfläche an der K 16 zunächst als BE-Fläche genutzt wird.

Sofern weitere Plätze für Baustelleneinrichtungen, Lagerplätze usw. vom AN benötigt werden, sind diese vom AN selbst unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften zu beschaffen, zu betreiben und zu unterhalten. Der AG ist von Forderungen der Eigentümer, die aus der Flächennutzung resultieren, freizustellen. Spätestens bei Abgabe der Schlussrechnung sind entsprechende Erklärungen dem AG schriftlich vorzulegen."

8

Mit den Ausführungen unter Nr. 2.9 informiert die Auftraggeberin über Schutzbereiche und -objekte. Hiernach hat der Auftragnehmer den Schutz von Bäumen und Flurgehölzen sicherzustellen und den Denkmalschutz für zwei kulturhistorische Wurten nördlich der Ortsumgehung auf der Ostseite der K 16 zu beachten. Im Bereich der denkmalgeschützten Wurten stehe deshalb ein Arbeitsstreifen nicht zur Verfügung.

9

Während der Ausschreibungsfrist gab es seitens der Antragstellerin ausweislich der Vergabeakte keine schriftlichen Nachfragen und Rügen der Verdingungsunterlagen. Nach Maßgabe der Niederschrift über die Angebotseröffnung gingen 9 Angebote bei der Auftraggeberin ein, darunter das Angebot der Antragstellerin. Die Angebotssummen wurden im Submissionsprotokoll festgehalten. Für das Angebot der Antragstellerin wurde eine Angebotssumme von 12 677 881.78 € eingetragen, es ist damit nach Maßgabe der Auflistung das preislich günstigste.

10

Die erste Durchsicht der Angebote am 20.02.07 ergab für das Angebot der Antragstellerin keine Mängel/Besonderheiten. Bei der formalen Prüfung im Rahmen der Angebotsprüfung und -wertung am 22.02.07 stellte die Auftraggeberin für das Angebot der Antragstellerin fest, dass zwei der unter Nr. 6 der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe geforderten Unterlagen, nämlich der Baustelleneinrichtungsplan und die Darlegung von Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins fehlen. Ähnliche Mängel wurden auch in den Angeboten von drei anderen Bietern festgestellt.

11

Mit Schreiben vom 22.02.07, abgesandt am 23.02.2007, informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin darüber, dass ihr Angebot wegen Unvollständigkeit von der weiteren Wertung ausgeschlossen werde, weil die in Nr. 6 der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe geforderten Unterlagen nicht vollständig vorgelegt worden seien. Entsprechende Informationen über den Ausschluss ihrer unvollständigen Angebote erhielten auch die drei anderen Bieter.

12

Die Antragstellerin erhielt diese Information per Post am 26.02.2007. Mit Schreiben vom 27.02.07 an die Auftraggeberin rügte sie den Ausschluss ihres Angebotes wegen Unvollständigkeit. Der Ausschluss sei nicht gerechtfertigt, da ihr Angebot nicht unvollständig sei.

13

Aus den dem Angebot beigefügten Unterlagen ergebe sich, in welcher Weise die Baustelleneinrichtung realisiert werden solle. Diese Angaben enthielten die Darstellung des Bauablaufes für die Teilabschnitte, zu der für jeden Baubereich auch eine Baustelleneinrichtung, bestehend aus maximal 4 Baustellencontainern, gehöre, die im 12 m breiten Arbeitsstreifen entlang der Neubautrasse Platz fände. Da es sich um eine Linienbaustelle handele, bei der die Baustelleneinrichtung mitwandert, bedürfe es keiner gesonderten schematischen Darstellung in Form eines Baustelleneinrichtungsplanes. In welcher Weise die Baustellencontainer in den einzelnen Bauabschnitten parallel der Trasse aufgestellt werden, sei weder kalkulationserheblich noch in anderer Weise wettbewerbsrelevant. In Nr. 12.2 der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe sei die Baustelleneinrichtung auch nicht als Unterkriterium genannt worden. Zu den dort aufgeführten Unterkriterien habe sie in gesonderten Unterlagen ihre logistischen Vorstellungen dargelegt, so dass die diesbezügliche Wertung ihres Angebotes möglich sei. Die Vorlage eines gesonderten Baustelleneinrichtungsplanes sei deshalb entbehrlich.

14

Dies gelte auch für die Forderung zur Darlegung von Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins. Auch hier ließen die mit dem Angebot vorgelegten Unterlagen zum Bauverfahren, zum Bauablauf und zum Geräteeinsatz sowie der Bauzeitenplan hinreichend erkennen, mit welchen Maßnahmen der Fertigstellungstermin in baulogistischer und bautechnischer Hinsicht abgesichert werde.

15

Außerdem stehe diese Forderung im Widerspruch zu § 9 VOB/A, denn sie sei mehrdeutig und unklar. Es bleibe offen, welche Maßnahmen im Einzelnen angegeben werden sollten.

16

Nach der Rechtsprechung könne ein Angebotsausschluss nicht mit dem Fehlen nicht eindeutig definierter Unterlagen begründet werden.

17

Die Antragstellerin forderte die Auftraggeberin schließlich auf, ihr Angebot in die weitere Wertung einzubeziehen.

18

In ihrer Rügeantwort vom 05.03.07 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass sie an ihrer Entscheidung festhalten werde. Die Entscheidung sei sowohl formal korrekt als auch inhaltlich gerechtfertigt. Zunächst einmal habe die Antragstellerin vor Angebotsabgabe die jetzt beanstandeten Forderungen weder hinterfragt noch gerügt. Die erst jetzt erhobene Rüge der Vergabeunterlagen sei präkludiert. Die Forderung zur Vorlage eines Baustelleneinrichtungsplanes sei zur Wertung nach Maßgabe der unter Nr. 12.2 genannten Unterkriterien "Bauablauf", "Bauverfahren" und "Geräteeinsatz" durchaus erforderlich. Die hierzu mit dem geforderten Baustelleneinrichtungsplan abgefragten Angaben seien in den mit dem Angebot der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen auch nicht enthalten. Gleiches gelte für die Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins. Die diesbezügliche Forderung sei weder mehrdeutig noch unklar.

19

Mit Anwaltsschriftsatz vom 14.03.2007, eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer gemäß § 107 GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Unter Verweis auf ihre Rüge wendet sie sich gegen den Ausschluss ihres Angebotes wegen Unvollständigkeit. Gemäß Nr. 3.3 der EG-Bewerbungsbedingungen habe die Antragstellerin davon ausgehen können, dass eine unterbliebene Vorlage der in Nr. 6 der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe benannten Unterlagen nicht zwingend zu einem Angebotsausschluss führt. Die Auftraggeberin habe einen zwingenden Ausschluss nur bei fehlenden Kalkulations- und Preisermittlungsgrundlagen sowie wegen fehlender Aufschlüsselung der Einheitspreise angedroht. Ein zwingender Ausschluss sei auch nicht gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1b) i.V.m. § 21 Nr. 1 VOB/A geboten. Da der geforderte Baustelleneinrichtungsplan lediglich eine schematische Darstellung ohne Bezug zur Örtlichkeit sei und damit keine inhaltliche Relevanz für die nähere Bewertung des Angebotes nach § 25 VOB/A habe, hätte er - wettbewerbsneutral - von der Antragstellerin im Rahmen einer Angebotsaufklärung nachgefordert werden können. Die Auftraggeberin habe ihr Angebot jedoch vergaberechtswidrig ohne Ausübung irgendeines Ermessens ausgeschlossen.

20

Die von der Auftraggeberin vermisste Darlegung von Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins sei nicht erkennbar als gesonderte Unterlage von den Bietern verlangt worden. Alle hierzu notwendigen Informationen über die geplanten Maßnahmen seien in den mit dem Angebot vorgelegten Anlagen enthalten. Den Vergabeunterlagen sei nicht zu entnehmen, dass bzw. welche weitergehenden Maßnahmen die Auftraggeberin erwartet.

21

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin durch die Auftraggeberin mit Schreiben vom 22.02.2007 vergaberechtswidrig ist und die Antragstellerin hierdurch in ihren Rechten verletzt ist;

  2. 2.

    die Auftraggeberin zu verpflichten, unter Einbeziehung des Angebotes der Antragstellerin erneut in die Angebotswertung einzutreten;

  3. 3.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;

  4. 4.

    der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsverfolgungskosten der Antragstellerin aufzuerlegen.

22

Die Auftraggeberin beantragt

  1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

23

Unter Verweis auf ihre Rügeantwort vom 05.03.2007 tritt sie der Rechtsauffassung der Antragstellerin entgegen. Der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin sei vergaberechtlich korrekt und verletze die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.

24

In der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe seien die Bieter korrekt darüber informiert worden, welche Unterlagen für die Wertung der technischen Unterkriterien verlangt werden. Zu diesen Unterlagen gehören der Baustelleneinrichtungsplan und die Darstellung von Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins. Unstreitig habe die Antragstellerin den geforderten, selbstverständlich maßnahmenbezogenen Baustelleneinrichtungsplan nicht vorgelegt. Ein Nachliefern im Rahmen der Angebotsaufklärung gemäß § 24 VOB/A sei unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes nicht zulässig.

25

Die Antragstellerin habe auch auf die geforderte gesonderte Darstellung von Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins verzichtet, weil sie ihre diesbezüglichen Angaben in den Unterlagen "Bauablauf", "Bauverfahren", "Geräteeinsatz" und "Bauzeitenplan" für ausreichend hält. Dies ist aus Sicht der Auftraggeberin nicht der Fall. Auch die Darstellung von Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins durfte aus Gründen des Gleichbehandlungsgebotes nicht nachgefordert werden.

26

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 12.04.2007 Bezug genommen.

Gründe

27

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Auftraggeberin hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht gem. §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5VOB/A (i.d. Fassung der Bekanntmachung vom 20. März 2006, BAnz. Nr. 94a S. 9) von der Wertung ausgeschlossen, weil die Antragstellerin ihrem Angebot die in der Aufforderung zur Angebotsabgabe geforderte Beschreibung der Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins und den Baustelleneinrichtungsplan nicht beigefügt hat.

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin, der Bundesrepublik Deutschland, handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit einen öffentlichen Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 1. Das Land Niedersachsen, vertreten durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr - Geschäftsbereich ... - führt das beanstandete Vergabeverfahren im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung gem. Artikel 85 GG für die Bundesrepublik Deutschland - Straßenbauverwaltung - durch. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag i.S.d. § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.02.2003, zuletzt geändert durch die 3. Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung vom 23. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2334) ein Schwellenwert von 5 278 000 €. Werden Bauaufträge losweise ausgeschrieben, gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. € oder bei Losen unterhalb 1 Mio. € deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Übersicht über die Angebotsendsummen beträgt der Wert des ausgeschriebenen Auftrags unter Berücksichtigung des preislich niedrigsten Angebotes 11 403 383,50 € brutto = 9 582 675,21 € netto (§ 1 VgV). Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags übersteigt damit deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

    Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie vorträgt, die Auftraggeberin habe ihr Angebot zu Unrecht ausgeschlossen. Die von der Auftraggeberin vermisste Beschreibung der Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins habe die Antragstellerin zwar nicht auf einem gesonderten Blatt aufgeführt. Sie ergäben sich aber aus den dem Angebot beigefügten Beschreibungen des Bauablaufs, des Bauverfahrens und des Geräteeinsatzes im Kontext mit dem beigefügten Bauzeitenplan. Sie habe es zwar versäumt, einen Baustelleneinrichtungsplan beizufügen. Dieser sei jedoch auch nicht wertungsrelevant und könne daher keinen Angebotsausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A rechtfertigen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Übersicht über die Angebotsendsummen hat die Antragstellerin zumindest ohne Berücksichtigung der eingereichten Nebenangebote und der angebotenen Nachlässe mit einer Angebotssumme von 10 653 682,17 € netto das preislich niedrigste Hauptangebot abgegeben. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

    Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels i.S.d. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß rechtzeitig gerügt. Die Auftraggeberin hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.02.2007, eingegangen bei der Antragstellerin am 26.02.2007, davon in Kenntnis gesetzt, dass ihr Angebot ausgeschlossen worden sei, da es nicht vollständig sei. Bereits mit Schreiben vom 27.02.2007 rügte die Antragstellerin ausführlich diesen Angebotsausschluss als vergaberechtswidrig und legte detailliert dar, warum ihrer Auffassung nach ihr Angebot zu werten sei. Die nur einen Tag nach Erhalt der Information der Auftraggeberin abgesetzte Rüge der Antragstellerin erfolgte ohne weiteres unverzüglich i.S.d. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

  2. 2.

    Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Auftraggeberin ist zu Recht davon ausgegangen, dass sie gehalten ist, das Angebot der Antragstellerin wegen Unvollständigkeit gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A von der Wertung auszuschließen. Eine Nachforderung der fehlenden Beschreibung der Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins und des Baustelleneinrichtungsplans wäre nicht durch § 24 VOB/A gedeckt gewesen.

    Die Auftraggeberin ist zu Recht davon ausgegangen, dass sie das Angebot der Antragstellerin gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A ausschließen musste. Nach dieser Vorschrift werden unter anderem Angebote ausgeschlossen, die nicht die geforderten Erklärungen i.S.d. § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A enthalten. Die Auftraggeberin hatte unter Nr. 12.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 12.01.2007 (Formblatt HVA B-StB-G-Aufforderung 1 (03/06)) als maßgebende Kriterien für die Angebotswertung der Haupt- und Nebenangebote das Kriterium Preis (mit einer Wichtung von 90 %) und das Kriterium Technischer Wert (mit einer Wichtung von 10 %) benannt. Unter Ziffer 6 der Aufforderung zur Angebotsabgabe heißt es:

    "Vorlage von mit dem Angebot auf gesonderter Anlage vorzulegenden Unterlagen zu den in Nr. 12 genannten bzw. angekreuzten Wertungskriterien: Bauzeitenplan, Baustelleneinrichtungsplan, Beschreibung der gewählten Bauverfahren, Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins" (Hervorhebung durch die Vergabekammer).

    Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, vergessen zu haben, ihrem Angebot einen Baustelleneinrichtungsplan beizufügen. Sie hält diesen jedoch weder für kalkulationserheblich noch in sonstiger Hinsicht für wettbewerbsrelevant, zumal es sich im vorliegenden Fall nicht um eine feste Baustelleneinrichtung im Rahmen einer statischen Baumaßnahme, sondern um eine Linienbaustelle handele, die über mehrere Kilometer verläuft. Das Fehlen des Baustelleneinrichtungsplans kann deshalb nach Auffassung der Antragstellerin keinen Angebotsausschluss rechtfertigen. Während die Antragstellerin das Fehlen des Baustelleneinrichtungsplans an sich aber einräumt, vertritt sie hinsichtlich der von der Auftraggeberin vermissten Beschreibung von Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins die Auffassung, dass sich aus dem Wortlaut der Ziffer 6 der Aufforderung zur Angebotsabgabe nicht ergebe, dass für alle dort aufgeführten Darstellungen eine gesonderte Anlage zu fertigen war. Inhaltlich seien die notwendigen Informationen aber durchaus in ihrem Angebot enthalten. Nach Auffassung der Antragstellerin ergeben sich diese Informationen aus den ihrem Angebot beigefügten Erklärungen zum Bauverfahren, zum Bauablauf und zum Geräteeinsatz im Kontext mit dem beigefügten Bauzeitenplan. Die Überprüfung des der Vergabekammer vorliegenden Originalangebots der Antragstellerin vom 19.02.2007 hat jedoch ergeben, dass weder der Bauzeitenplan noch die von der Antragstellerin auf jeweils einer Seite abgefassten Erklärungen zum Bauablauf, zum Bauverfahren und zum Geräteeinsatz irgendwelche Angaben über Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermin, wie von der Auftraggeberin gefordert, enthalten. Der Baustelleneinrichtungsplan beschränkt sich vielmehr - wie üblich - auf die Angabe der kalendarischen Darstellung des Zeitrahmens für die einzelnen Bauabschnitte. Der Bauablaufplan, der gem. Ziffer 3.2.1 (Seite 23 der Baubeschreibung) dem Angebot beizufügen war, enthält lediglich eine stichwortartige Auflistung der Teilleistungen für die von der Auftraggeberin vorgegebenen sechs Baubereiche. Diese Angaben genügen zwar den Anforderungen an den Bauablaufplan gem. Ziffer 3.2.1 der Baubeschreibung. Sie enthalten jedoch keine Angaben über beabsichtigte Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins. Auch in der von der Antragstellerin beigefügten, gem. Ziffer 6 der Aufforderung zur Angebotsabgabe ebenfalls geforderten Beschreibung der gewählten Bauverfahren und in der von der Antragstellerin auf gesondertem Blatt beigefügten Erklärung zum Geräteeinsatz sind keine Angaben über Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins enthalten. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist das Angebot daher nicht nur hinsichtlich des Baustelleneinrichtungsplans, sondern auch hinsichtlich der Benennung von Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins unvollständig.

    Das Fehlen dieser wirksam und eindeutig geforderten Beschreibung und Erläuterungen hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - jedenfalls in der Regel - zwingend den Ausschluss des unvollständigen Angebotes zur Folge (vgl. BGH, Beschluss v. 18.02.2003 - X ZB 43/02; BGH, Urteil v. 07.06.2005 - X ZR 19/02; BGH, Urteil v. 01.08.2006, X ZR 115/04; OLG Koblenz, Beschluss v. 13.02.2006, Az.: 1 Verg 1/09 - zitiert nach VERIS). Dabei hat der BGH in seinen Entscheidungen gerade nicht auf die Wettbewerbserheblichkeit der fehlenden Unterlagen und Erklärungen abgestellt, sondern die Transparenz des Vergabeverfahrens und den Grundsatz der Gleichbehandlung in den Vordergrund gestellt. Diese Grundsätze fordern nach der Rechtsprechung des BGH die vollständige Erklärung zu allen Punkten, die nach der Ausschreibung vergaberelevant sein sollen. Der BGH betont, dass der öffentliche Auftraggeber im Rahmen des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bei Vorliegen der dort aufgestellten Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe hat, sondern gezwungen ist, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Verfahren sei nur zu erreichen, wenn lediglich vergleichbare Angebote - in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht - gewertet werden. Die Auffassung der Antragstellerin, dass nur das Fehlen wettbewerbserheblicher Erklärungen zum zwingenden Ausschluss eines Angebotes führt, ist darüber hinaus nicht mit dem Wortlaut des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A vereinbar. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A, wo es heißt "ausgeschlossen werden", ist der Ausschluss zwingend. Ein Ermessen ist der Vergabestelle bezüglich der Rechtsfolge also nicht eingeräumt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 09.03.2007, Az.: 17 Verg 3/07, zitiert nach ibr-online).

    Aber auch aus der vom BGH verwendeten einschränkenden Formulierung "jedenfalls in der Regel" lässt sich für den vorliegenden Fall nicht ableiten, dass die Auftraggeberin ein Ermessen hinsichtlich der Frage hat, ob sie das unvollständige Angebot der Antragstellerin ausschließt oder nicht. Aus der einschränkenden Formulierung des BGH lässt sich allenfalls ableiten, dass Ausnahmen in den Fällen denkbar sind, in denen die Vorlage von Erklärungen oder Belegen letztlich eine reine Förmelei wäre oder sich die versäumten Erklärungen zumindest aus dem Kontext der übrigen Angaben im Angebot ergeben, was aber vorliegend, wie oben ausgeführt, gerade nicht der Fall ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 09.03.2007, Az.: 17 Verg 3/07 ). Im Sinne einer derartig restriktiven Ausnahmeregelung ist auch die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung OLG Saarbrücken (Beschluss v. 23.11.2005, Az.: 1 Verg 3/05 ), des BayObLG (Beschluss vom 15.09.2004, Az.: Verg 26/03) und des OLG Schleswig (Beschluss v. 10.03.2006, Az.: 1 (6) Verg 13/05 ) zu verstehen, wonach geringfügige "Unschärfen" hinsichtlich geforderter Erklärungen hinzunehmen seien, soweit sie nicht wesentliche Teilleistungen betreffen und sich nicht auf die Ausführung der Hauptleistung auswirken. Die den von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte sind mit dem vorliegenden jedoch nicht vergleichbar. Das OLG Saarbrücken hatte über eine funktionale Leistungsbeschreibung über 400 Seiten (betr. Planung und Neubau einer Kläranlage) und darauf basierende Angebote zu entscheiden, die alle in ähnlichem Umfang sachliche Lücken aufwiesen, die nach der Feststellung des OLG wegen der dortigen Komplexität aber kaum vermeidbar waren. Das BayObLG hatte über die Wertbarkeit eines Angebotes für Dachdeckungsarbeiten zu entscheiden, das ein vom Leitfabrikat abweichendes Dachabdichtungssystem beinhaltete, ohne dass ein Gleichwertigkeitsnachweis in Form eines Prüfungszeugnisses beigefügt wurde. Das BayObLG hat in dem zugrunde liegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Forderung des Leitfabrikats gem. § 9 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A verneint und deshalb auch den fehlenden Gleichwertigkeitsnachweis für nicht wertungsrelevant erklärt. Weiter geht die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des OLG Schleswig, das unter anderem über eine unvollständige Nachunternehmererklärung zu entscheiden hatte. Das OLG betont, dass auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH und des Wortlauts des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A die "scharfe" Sanktion eines zwingenden Angebotsausschlusses nur beim Fehlen solcher Erklärungen oder Erklärungsteile greifen könne, die kalkulationserheblich sind und sich im Wettbewerb auswirken. Geringfügige Unschärfen in der Nachunternehmererklärung seien hinzunehmen, soweit sie nicht wesentliche Teilleistungen betreffen. Ansonsten geriete nach Auffassung des OLG Schleswig die Angebotsprüfung zu einem "überspitzten Formalismus", der dem Wettbewerb nicht dienlich ist.

    Nach Auffassung der Vergabekammer ist aber stets zu beachten, dass dem Auftraggeber bei Vergaben im Baubereich wegen der zwingenden Regelung des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A ein Ermessen nur hinsichtlich der Frage eingeräumt wird, ob das Angebot - gemessen an den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses und der Aufforderung zur Angebotsabgabe - unvollständig ist oder ob es den Anforderungen des § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A - noch - genügt. Ist das Angebot unvollständig in diesem Sinne, so ist es auszuschließen. Darin unterscheidet sich § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A von der den identischen Sachverhalt regelnden, aber fakultativen Regelung des § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A (vgl. VK Lüneburg, Beschluss v. 26.07.2005, Az.: VgK-31/2005 ).

    Im vorliegenden Fall ist die ausdrückliche Forderung und das Bestehen der Auftraggeberin auf der Vorlage eines Baustelleneinrichtungsplans und eine Erläuterung von den vom Bieter vorgesehenen Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung eines Fertigstellungstermins entgegen der Auffassung der Antragstellerin jedoch eindeutig wettbewerbserheblich und keine bloße Förmelei. Denn die Auftraggeberin hat durch die Formulierung der Anforderung unter Ziffer 6 der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie die Unterlagen zu den in Nr. 12 genannten bzw. angekreuzten Wertungskriterien benötigt. Die nach Ziffer 6 geforderten Unterlagen und Kriterien dienten unmissverständlich der Durchführbarkeit der Wertung anhand des Zuschlagskriteriums "Technischer Wert" mit seinen Unterkriterien Bauverfahren, Bauablauf und Geräteeinsatz, das insgesamt mit einer Gewichtung von 10 % neben dem Hauptkriterium Preis (90 %) bei der Wertung berücksichtigt werden sollte. Ausweislich des von der Auftraggeberin übersandten Bewertungsmusters für die Unterkriterien soll das Unterkriterium "Bauablauf" unter Zugrundelegung des von den Bietern vorzulegenden Bauzeitenplans (Wichtung 50 %), des Baustelleneinrichtungsplans (20 %) und der vom Bieter beschriebenen Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins (30 %) bewertet werden. Ausweislich des Bewertungsmusters soll dabei die Bewertung der von den Bietern zu den jeweiligen Unterkriterien mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen gem. Nr. 6 - wie von der Auftraggeberin auf Seite 6 der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gegeben - über eine Punkteskala von 1 bis 3 Punkten erfolgen. Laut Aufforderung zur Angebotsabgabe sollte ein Bieter 3 Punkte erhalten, wenn die Angaben im Angebot des Bieters eine optimale Erfüllung erwarten lassen, 2 Punkte, wenn die Angaben im Angebot des Bieters eine durchschnittliche Erfüllung erwarten lassen, und 1 Punkt, wenn die Angaben des Bieters eine unterdurchschnittliche Erfüllung erwarten lassen. Die Auftraggeberin hat damit in nicht zu beanstandender und transparenter Weise den Baustelleneinrichtungsplan und die Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins sowie auch die übrigen gem. Nr. 6 der Angebotsaufforderung vom Bieter vorzulegenden Unterlagen zur Wertungsgrundlage für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemacht. An diese Wertungsgrundlagen ist sie aufgrund des vergaberechtlichen Transparenzgrundsatzes und des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 1 und 2 GWB gebunden. Ohne Berücksichtigung dieser von den Bietern vorzulegenden Unterlagen darf und kann die Auftraggeberin das Unterkriterium Bauablauf nicht bewerten. Schon aus diesem Grunde ist es der Auftraggeberin verwehrt, zugunsten der Antragstellerin oder eines anderen Bieters auf die Vorlage der Unterlagen zu verzichten.

    Die Auftraggeberin hat die Vorlage der Unterlagen von den Bietern nicht nur in transparenter, sondern auch in zulässiger Weise gefordert. Ihr ist zuzugestehen, dass sie sich bezüglich dieses Unterkriteriums "Bauablauf" vergewissern wollte, ob sich ein Bieter ausreichend mit der Aufgabe der Baustelleneinrichtung unter den bestehenden Bedingungen und den Terminvorgaben auseinandergesetzt hat. Dies gilt, entgegen der Auffassung der Antragstellerin, auch für den geforderten Baustelleneinrichtungsplan. Auch wenn es sich, worauf die Antragstellerin zu Recht hinweist, vorliegend nicht um eine statische Baustelle, sondern um eine Linienbaustelle handelt, bei der sich die Baustelleneinrichtung mit dem Baufortschritt lokal verändert, hat die Auftraggeberin ein legitimes Interesse an der Vorlage des Baustelleneinrichtungsplans. Sie hat in nachvollziehbarer und nicht zu beanstandender Weise erläutert, welche Schlüsse sie für die Beurteilung des technischen Wertes aus dem Baustelleneinrichtungsplan ziehen will:

    • Sind die notwendigen Einrichtungen vorgesehen und in dem Plan dargestellt, z.B. Sozialräume für Arbeitskräfte, Toiletten, sicherheitsrelevante Einrichtungen, Büros für die Bauleitung, Räumlichkeiten für Besprechungen, Besuchergruppen und dergleichen?

    • Wie ist die Funktionalität der einzelnen Einrichtungselemente untereinander?

    • Sind Tankstellen im Bereich der Baustelle vorgesehen und sind die erforderlichen Sicherheitseinrichtungen dargestellt?

    • Sollen Baustoffe und ggf. belastete Baustoffe zwischengelagert werden, wo soll dies erfolgen, wie sind die Transportwege und sind alle Sicherungsmaßnahmen vorgesehen, z.B. Abdichtung des Untergrundes, Wannen oder dergleichen?

    • Wo ist innerhalb der Baustelle die Baustelleneinrichtung vorgesehen?

    • Ist es vorgesehen, die Baustelleneinrichtung in der Bauphase im Baustellenbereich umzusetzen? In welchen Abständen und wohin sollen welche Einrichtungsgegenstände umgesetzt werden?

    • Sind die Wegebeziehungen zwischen Baustelleneinrichtung und Arbeitsstelle günstig? Welchen Einfluss haben diese Wegebeziehungen auf die Anlieger und den Baufortschritt auf der Baustelle?

    Die Vorlage des Baustelleneinrichtungsplans ist daher entgegen der Auffassung der Antragstellerin weder überflüssig noch eine bloße Förmelei.

    Der Sachverhalt bietet auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bieter durch die Forderung dieser Unterlagen unzumutbar belastet würden oder dass es sich um eine völlig unübliche Forderung handelt. Die Auftraggeberin hat der Vergabekammer auf Anforderung zu Vergleichs- und Prüfungszwecken die Erläuterung dreier anderer Bieter im streitbefangenen Vergabeverfahren vorgelegt. Alle drei Angebote enthalten Ausführungen zu Maßnahmen zur Sicherung des Fertigstellungstermins und einen Baustelleneinrichtungsplan. Dabei ist vergaberechtlich unschädlich, dass diese Unterlagen von unterschiedlicher Qualität und Aussagekraft sind. Denn die Auftraggeberin kann diesen Unterschieden durch die von ihr vorab festgelegten Bewertungsmaßstäbe (1 bis 3 Punkte) bei der Bewertung Rechnung tragen. Ausweislich des vorgelegten Bewertungsmusters soll die Punktevergabe für den Baustelleneinrichtungsplan wie folgt erfolgen:

    1 Punkt Kennzeichnung von Flächen ohne detaillierte Angabe von Art und Umfang der Einrichtung

    2 Punkte Detailplan mit Angabe von Container/Gebäude bzw. Lagerflächen

    3 Punkte Detailplan mit Angabe von Container/Gebäude bzw. Lagerflächen in Lageplan übertragen

    Die geforderte Erläuterung von Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins soll wie folgt bewertet werden:

    1 Punkt Verstärkung von Personal und Gerät im Bedarfsfall

    2 Punkte Überwachung durch Fortschreibung des Bauzeitenplans

    3 Punkte Besondere Verfahren zur Verkürzung der Bauzeit

    Aufgrund der Wertungsrelevanz der geforderten Unterlagen ist es der Auftraggeberin entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch verwehrt, diese im Rahmen von Aufklärungsverhandlungen gem. § 24 VOB/A nachzufordern (vgl. VK Düsseldorf, Beschluss v. 07.10.2005, Az.: VK-22/2005-B, zitiert nach ibr-online). Grundsätzlich hat ein Bieter, der ein unklares Angebot vorgelegt hat, keinen Anspruch auf Nachverhandlung (vgl. Weyand, Vergaberecht, § 24 VOB/A, Rdnr. 4253, m.w.N.). Die restriktive Regelung des § 24 Nr. 1 VOB/A gestattet es dem Auftraggeber - ebenso wie die entsprechende Regelung des § 24 Nr. 1 VOL/A - lediglich, nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung mit den Bietern über Angebote zu verhandeln, um Zweifel über die Angebote oder die Bieter zu beheben. § 24 VOB/A enthält eine abschließende Aufzählung der zulässigen Verhandlungsgründe. Hiernach sind Verhandlungen erlaubt, soweit sie sich auf das rein Informatorische beschränken. Aufklärungsverhandlungen nach § 24 VOB/A dürfen nicht dazu dienen, ein wegen Unvollständigkeit nicht wertbares Angebot wertbar zu machen. Der Auftraggeber ist an die von ihm gesetzten Wertungsmaßstäbe gebunden (vgl. VK Düsseldorf, Beschluss v. 07.10.2005, Az.: VK-22/2005-B, zitiert nach ibr-online). Würde er zugunsten eines Bieters davon abweichen, indem er die Nachreichung wertungsrelevanter Unterlagen gestattete, so läge ein Verstoß gegen das Transparenzgebot und den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Ein Nachfordern von - zumindest wertungsrelevanten - Unterlagen kommt aufgrund der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum zwingenden Ausschluss von unvollständigen Angeboten nicht mehr in Betracht.

    Aufgrund des zwingenden Ausschlusses scheidet auch die Möglichkeit aus, das Angebot der Antragstellerin in der Wertung zu belassen und den fehlenden Unterlagen lediglich dadurch Rechnung zu tragen, bei der Bewertung des Unterkriteriums Bauablauf den fehlenden Baustelleneinrichtungsplan und die fehlende Erläuterung von Maßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung des Fertigstellungstermins mit jeweils 0 Punkten zu bewerten (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 09.03.2007, Az.: 17 Verg 3/07, zitiert nach ibr-online).

    Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.

28

III. Kosten

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1: 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2 500 €, die Höchstgebühr 25 000 € bzw. in Ausnahmefällen 50 000 € beträgt.

30

Es wird eine Gebühr in Höhe von 6 531 € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

31

Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt ausweislich des mit der Vergabeakte vorgelegten Originalangebotes der Antragstellerin und des in der Vergabeakte enthaltenen Vergabevermerks 12 677 881,78 € (brutto). Dieser Wert entspricht dem Hauptangebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

32

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2 500 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80 000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25 000 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 12 677 881,78 € ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 6 531 €.

33

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

34

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

Gause
Dipl.-Ing. Rohn
Dipl.-Ing. Dierks