Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.07.2002, Az.: 13 Verg 6/02

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.07.2002
Aktenzeichen
13 Verg 6/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 35008
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2002:0702.13VERG6.02.0A

Fundstelle

  • EUK 2002, 124

Amtlicher Leitsatz

Verhandlungen im Rahmen des § 24 Abs. 1 VOL/A, die zu einer Änderung des Angebots führen, sind unzulässig. Die geänderte Leistung darf bei der Wertung der Angebote nicht berücksichtigt werden. Erklärt der Bieter in der Aufklärungsverhandlung, dass er nur die geänderte, nicht aber die ursprünglich angebotene Leistung erbringen kann, so liegt ein unvollständiges Angebot vor. Dieses kann nach § 25 Abs. 2 a VOL/A von der Wertung ausgeschlossen werden. Handelt es sich bei der Änderung um einen wesentlichen Teil der angebotenen Leistung mit der Folge, dass sich die Änderung auf die Stellung des Bieters im Wettbewerb mit den anderen Bietern im Vergabeverfahren auswirken kann, so ist das Ermessen des Auftraggebers dahin eingeschränkt, dass der Ausschluss des Angebots erfolgen muss.

In der Vergabesache

pp.

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ####### sowie der Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### beschlossen:

Tenor:

  1. Auf die Vergabebeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg vom 13. Mai 2002 aufgehoben.

    Dem Auftraggeber wird aufgegeben, das Angebot der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen und über die Vergabe neu zu entscheiden.

    Der Auftraggeber trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichten Kosten selbst.

    Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war.Gegenstandswert: 15.122,62 €

Gründe

1

I.

Der Auftraggeber schrieb mit Bekanntmachung vom 19. Dezember 2001 die Beschaffung von Mobiliar für 70 Revierförstereibüros in Niedersachsen europaweit im offenen Verfahren nach VOL/A aus. Eine vorangegangene Ausschreibung war auf Antrag der Antragstellerin auf Grund eines Beschlusses der Vergabekammer vom 13. Juli 2001 aufgehoben worden. In dem erneut durchgeführten Vergabeverfahren hat die Antragstellerin verschiedene Vergaberechtsverstöße gerügt.

2

Der Auftraggeber bezog insgesamt sechs Angebote in die Bewertung ein, darunter die der Antragstellerin und der Beigeladenen. Er stufte auf der Grundlage einer Bewertungsmatrix das Angebot der Beigeladenen auf dem ersten und das der Antragstellerin auf dem vierten Rang ein. Das Angebot der Beigeladenen endete mit einem Preis von 207. 482 € und das der Antragstellerin mit einem Preis von 302.452,37 €.

3

Mit Schreiben vom 15. März 2002 teilte der Auftraggeber der Antragstellerin gemäß § 13 VergVO mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden solle, weil es nicht das Wirtschaftlichste sei, er beabsichtige den Zuschlag bis zum 2. April 2002 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

4

Mit Fernschreiben vom 26. März 2002 hat die Antragstellerin die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt. In diesem Verfahren hat sie mehrere Verstöße gegen das Vergaberecht gerügt. Sie hat u. a. geltend gemacht, der Auftraggeber habe entgegen § 24 Abs. 1 VOL/A nach Öffnung der Angebote Verhandlungen mit der Beigeladenen geführt, in deren Verlauf die Beigeladene ihr Angebot inhaltlich geändert habe (Arbeitstisch-Gestell "#######" anstatt Arbeitstisch-Gestell "#######"). Mit dem Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin in erster Linie die Aufhebung des Vergabeverfahrens beantragt, hilfsweise hat sie beantragt, die Vergabestelle "zu einer ordnungsgemäßen Verfahrensdurchführung zu veranlassen".

5

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Zur Frage der Unzulässigkeit der Verhandlungen mit der Beigeladenen hat die Vergabestelle ausgeführt: Der Auftraggeber habe sich bei seiner Entscheidung, das Angebot der Beigeladenen nicht auszuschließen, im Rahmen des ihm nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A eingeräumten Ermessens gehalten. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beigeladene im Zuge der Aufklärungsverhandlungen Angebotsbestandteile ausgetauscht habe. Der Auftraggeber habe die Erklärung der Beigeladenen akzeptiert, dass es sich bei der Bezugnahme im Angebot auf eine Abbildung des Tischgestells "#######" nur um einen Irrtum auf Grund eines veralteten Katalogs des Lieferanten gehandelt habe, und dass die Beigeladene daher bereits im Angebot das Tischgestell "#######" angeboten habe. Das Modell "#######" sei nach Angaben des Lieferanten seit Juni 2001 nicht mehr lieferbar gewesen.

6

Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin im Wesentlichen ihre erstinstanzlichen Rügen weiter. Sie macht u.a. geltend, die unzulässige Änderung des Angebots der Beigeladenen müsse zum Ausschluss des Angebots führen. Die Antragstellerin beantragt mit ihren Hauptanträgen,

7

1. die angegriffene Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben,

8

2. dem Auftraggeber zu untersagen, den beabsichtigten Zuschlag auf der Grundlage ihrer bisherigen Wertung an die Beigeladene zu erteilen,

9

3. stattdessen den Auftraggeber anzuweisen, unter Berücksichtung der Rechtsauffassung des Vergabesenats das Angebot der Antragstellerin im Vergleich mit hiernach im Kreis der engeren Wahl verbleibenden Angeboten von Wettbewerbern neu zu werten und ggf. der Antragstellerin als in der engeren Wahl verbleibenden Bieterin mit dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag zu erteilen.Der Auftraggeber beantragt,die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

10

II.

Die Beschwerde ist begründet.

11

1. Eine Zuschlagserteilung an die Beigeladene darf nicht erfolgen, weil die Beigeladene nach Öffnung der Angebote ihr Angebot in einem wesentlichen Punkt geändert hat und daher von der Wertung auszuschließen ist.

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a) Gemäß § 24 Abs. 1 VOL/A darf nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung mit den Bietern über ihre Angebote nur verhandelt werden, um Zweifel über die Angebote oder die Bieter zu beheben. Verhandlungen, die zu einer Änderung des Angebots führen, sind unzulässig. Es ist weder statthaft, im Rahmen von Aufklärungsverhandlungen ausgewiesene Leistungen zu ändern (vgl. Heiermann/Riedel/Rusam, VOB-Kommentar, 9. Aufl., A § 24, Rdnr. 23) noch auf diesem Wege Eintragungsfehler bei der Erstellung des Angebots zu korrigieren (Kulartz in: Daub/Eberstein, VOL/A-Kommentar, 5. Aufl., A § 24 Rdnr. 7). Die geänderte Leistung darf bei der Wertung der Angebote nicht berücksichtigt werden. Erklärt der Bieter in der Aufklärungsverhandlung, dass er nur die geänderte, nicht aber die ursprünglich angebotene Leistung erbringen kann, so liegt ein unvollständiges Angebot vor. Dieses kann nach § 25 Abs. 2 a VOL/A von der Wertung ausgeschlossen werden. Handelt es sich bei der Änderung um einen wesentlichen Teil der angebotenen Leistung mit der Folge, dass sich die Änderung auf die Stellung des Bieters im Wettbewerb mit den anderen Bietern im Vergabeverfahren auswirken kann, so ist das Ermessen des Auftraggebers dahin eingeschränkt, dass der Ausschluss des Angebots erfolgen muss.

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b) So ist es hier.

14

Die Beigeladene verwies in ihrem Angebot zu der Position Bildschirmarbeitstisch und der Frage "Welches Tischgestell bieten Sie an?" auf die Anlage 5 des Angebots. Die Anlage 5 enthält Abbildungen des Schreibtischgestells "#######". Zur Frage der Höhenverstellbarkeit gab die Beigeladene an, diese erfolge stufenlos über Schraubgewinde. Wegen der Beschreibung des Bildschirmarbeitstisches vermerkte sie: "wie bemustert in Stuhlfabrik #######". Gegenstand der (im Rahmen der vorangegangenen, aufgehobenen Ausschreibung erfolgten) Bemusterung war ein Tischgestell "#######". Der Auftraggeber bat die Beigeladene nach Öffnung der Angebote mit mehreren Schreiben Ende Februar/Anfang März 2002 unter Bezugnahme auf § 24 VOL/A, ein Prüfzeugnis für den Bildschirmarbeitstisch vorzulegen. Daraufhin reichte die Beigeladene eine GS-Prüfbescheinigung für einen Büroarbeitstisch des Typs "#######" ein. Auf weitere Nachfragen des Auftraggebers erklärte sie schließlich: Das Tischgestell "#######" sei eine im Katalog noch gezeigte "veraltete Variante". Bei dem Tischgestell "#######" handele es sich um ein modernisiertes und zertifiziertes Modell. Das alte Modell sei von ihrem Angebot nicht erfasst. Bei Abgabe des Angebots hätten ihr, der Beigeladenen, nur Abbildungen des Katalogs zur Verfügung gestanden, dessen Richtigkeit sie vorausgesetzt habe. In späteren Erklärungen gegenüber dem Auftraggeber teilte die Beigeladene mit, dass das Modell "#######" nicht mehr lieferbar sei. Dazu legte sie Schreiben des Lieferanten ####### vor.

15

Aus diesem Sachverhalt ergibt sich, dass die Beigeladene ihr ursprüngliches Angebot änderte. Das Angebot hatte das Tischgestell "#######" oder möglicherweise das Tischgestell "#######" zum Gegenstand. Das Tischgestell "#######" war, entgegen der vom Auftraggeber akzeptierten Auffassung der Beigeladenen, von dem eingereichten Angebot nicht erfasst. Entscheidend ist insoweit nicht, welches Angebot die Beigeladene abgegeben hätte, wenn ihr nicht infolge des veralteten Katalogs ein Irrtum unterlaufen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, wie der Auftraggeber das Angebot verstehen musste. Für den Auftraggeber ergaben sich aus dem Angebot keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Tischgestell "#######" geliefert werden sollte. Eine möglicherweise bestehende Unklarheit konnte sich nur darauf beziehen, ob das Modell "#######" oder das Modell "#######" angeboten war. Hinweise auf das Tischgestell "#######" enthielt das Angebot indes nicht.

16

Die Beigeladene erklärte dem Auftraggeber bei den Verhandlungen, dass das Modell "#######" nicht mehr lieferbar sei. Auch das Modell "#######" kann die Beigeladene, wie ihr Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mitgeteilt hat, nicht liefern.

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Die vorgenommene Änderung des Angebots ist so wesentlich, dass sie sich auf die Wettbewerbsstellung der Beigeladenen in dem Vergabeverfahren auswirken kann. Insoweit kann offen bleiben, ob es sich bei dem Gestell "#######" tatsächlich, wie die Beigeladene angegeben hat, um eine Weiterentwicklung des Modells "#######" handelt, oder ob das Gestell "#######" das Produkt eines anderen Herstellers ist, wie die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen ausgeführt hat. Jedenfalls weicht das Gestell "#######" von dem Gestell "#######" erheblich ab. Aus dem von der Beigeladenen vorgelegten Schreiben des Lieferanten ####### vom 14. März 2002 ergibt sich, dass das Gestell "#######" nicht über eine stufenlose Höheneinstellung, sondern über eine Rasterverstellung in fünf Höhen verfügt, außerdem ist es, anders als das Modell "#######", zertifiziert und den geforderten DIN-Normen entsprechend modernisiert.

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2. Da die Beschwerde somit begründet ist, ist die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben (§ 123 GWB). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht erforderlich sind. An die Anträge der Antragstellerin ist der Senat dabei nicht gebunden.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die rechtliche Schwierigkeit des Verfahrens rechtfertigte die Beauftragung eines Rechtsanwalts in dem Vergabeverfahren.Der Gegenstandswert für die Vergabebeschwerde wurde gemäß § 12 a Abs. 2 GKG festgesetzt.

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Celle, 11 Juli 2002

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Oberlandesgericht Vergabesenat

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