Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.04.2020, Az.: 1 KN 103/17

Ablauf; Ausnahme; Bestimmtheit; Bestimmtheit, hinreichende; Beteiligte; Gebietsentwicklungskonzept; Grundsatz der Raumordnung; integriertes Gebietsentwicklungskonzept; Konsensprinzip; Mehrheitsprinzip; Moor; Organisation; Regel-Ausnahme-Struktur; Torf; Torfabbau; Verfahren; Verfahrensregelung; Ziel der Raumordnung; Zielfestlegung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.04.2020
Aktenzeichen
1 KN 103/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71729
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Raumordnungsrechtliche Zielfestlegungen können eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen; die Voraussetzungen der Ausnahme muss der Plangeber durch die Vorgabe materieller Kriterien bestimmen. Zusätzlich kann er eine Ausnahme von der Durchführung eines bestimmten Verfahrens (hier: Entwicklung eines integrierten Gebietsentwicklungskonzepts) abhängig machen; die Voraussetzungen und Bindungen eines solchen Verfahrens müssen hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar sein (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 22.6.2011 - 4 CN 4.10 -, BVerwGE 140, 54 = BRS 78 Nr. 1 = juris Rn. 27).

2. Die Verfahrensregelungen müssen das Verfahren in seinen wesentlichen Gesichtspunkten prägen und strukturieren. Erforderlich sind Vorgaben zu den an dem Verfahren zu Beteiligenden sowie zu dessen Ablauf und Organisation. Zu regeln ist insbesondere, nach welchen Maßstäben - beispielsweise nach dem Mehrheits- oder Konsensprinzip - ein Ergebnis gefunden und wie die Einhaltung der raumordnungsrechlichen Vorgaben sichergestellt werden soll.

3. Eine Zielfestlegung mit Regel-Ausnahme-Struktur, deren Verfahrensregelungen nicht hinreichend bestimmt sind, kann nicht als Grundsatz der Raumordnung verstanden werden; eine solche Zielfestlegung ist vielmehr unwirksam.

Tenor:

Art. 1 Nr. 3 lit. a) und c) sowie Art. 1 Nr. 2 lit. f) zu Abschnitt 06, Sätze 10 bis 13, der von der Landesregierung am 24. Januar 2017 beschlossenen Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen sind unwirksam, soweit sie die Fläche des bisherigen Vorranggebietes Rohstoffgewinnung Nr. 23 (Gnarrenburger Moor) betreffen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrem Normenkontrollantrag wendet sich die Antragstellerin gegen die Streichung des Vorranggebietes zur Rohstoffgewinnung (VRR) Nr. 23 von Torf durch Art. 1 Nr. 3 lit. c) der Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen (LROP) vom 1. Februar 2017 und seine Ersetzung durch ein Vorranggebiet für Torferhaltung. Sie ist ein Unternehmen zur Torfgewinnung und teils Eigentümerin, teils Pächterin von Flächen im Bereich des Gnarrenburger Moors, auf denen sie Torfabbau betreiben möchte.

Nutzen und Schaden des Torfabbaus sind seit längerem umstritten. Jährlich werden in Deutschland mehrere Millionen Kubikmeter Torf abgebaut, der Großteil davon in Niedersachsen. Etwa ein Drittel des deutschen Torfbedarfs wird bislang importiert. Torf wird in erster Linie im - gewerblichen und privaten - Gartenbau verwendet. Das Land Niedersachsen bemüht sich, die Entwicklung von Ersatzstoffen für Torf zu fördern; die Ergebnisse dieser Forschung sind jedoch noch nicht in der Lage, Torf als Rohstoff vollständig zu ersetzen.

Neben der Konkurrenz von Torfindustrie, Landwirtschaft, Natur- und Landschaftsschutz sowie erholungssuchenden Umwohnern und Touristen um die zum Torfabbau geeigneten Hoch- und Niedermoorflächen beeinflusst seit einigen Jahren vor allem die Bedeutung dieser Gebiete für den Klimaschutz die Diskussion um den Torfabbau. Torf besteht aus abgestorbenen Pflanzenresten, die große Mengen an Kohlenstoff im Boden speichern. Beim Torfabbau, aber auch bei einer landwirtschaftlichen (Acker- oder Grünland-) Nutzung des Moorbodens gelangt dieser Kohlenstoff mit Luft in Kontakt und wird als Treibhausgas freigesetzt. Im Falle eines Torfabbaus vollzieht sich dieser Prozess in relativ kurzer Zeit. Die Torfzehrung erfasst allerdings in der Regel nur den abgebauten Torfkörper. In der industriellen Torfwirtschaft ist es üblich, eine Torfrestschicht im Boden zu belassen und diese anschließend wieder zu vernässen. Auch im Falle einer landwirtschaftlichen Nutzung der Moorböden findet eine Torfzehrung statt. Diese vollzieht sich gegenüber dem Torfabbau wesentlich langsamer, kann aber bei ungehindertem Ablauf langfristig je nach Torfstärke zu einer vollständigen Freisetzung des gebundenen CO2 führen. Ideal aus der Sichtweise des Klimaschutzes - aber aus Sicht der Landwirtschaft wie der Torfindustrie unproduktiv - ist die sofortige Moorsanierung.

Das im Landkreis Rothenburg (Wümme) gelegene Gnarrenburger Moor war seit dem Jahr 1994 in den LROP bis einschließlich dem LROP 2012 als Vorranggebiet Rohstoffgewinnung mit 2.328 ha Fläche ausgewiesen. Die Antragstellerin sicherte sich dort nach eigenen unbestrittenen Angaben seit dem Jahr 2010 neue Flächen im Umfang von 280 ha durch Kauf oder Pacht für die Torfgewinnung. Das verursachte nach ihren Angaben Kosten von 3,5 Mio. Euro. Diese Kosten entstanden vor Inkrafttreten des angegriffenen LROP 2017, mindestens zum Teil auch vor Bekanntmachung der Allgemeinen Planungsabsicht zum LROP 2017.

Im Niedersächsischen Ministerialblatt vom 7. August 2013 machte das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) die allgemeinen Planungsabsichten für die hier angegriffene Verordnung zur Änderung der Verordnung über das LROP bekannt. In dieser Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass bestehende Vorranggebiete Rohstoffgewinnung zu Torferhaltungsgebieten gemacht werden sollten, um ihren Charakter als CO²-Senken zu erhalten sowie die biologische Vielfalt zu schützen; die Bekanntmachung enthielt eine Liste der zu streichenden Vorranggebiete Rohstoffgewinnung Torf. Darunter befand sich auch das Vorranggebiet Nr. 23 Gnarrenburger Moor.

Ein 2014 gefertigter erster Entwurf (LROP-E 2014) zum späteren LROP 2017 wurde vom 27. Juli bis 31. Oktober 2014 öffentlich ausgelegt. Der Entwurf sah die Streichung sämtlicher Vorranggebiete Rohstoffgewinnung Torf vor. Zusätzlich sollten sämtliche 25 ha übersteigenden Flächen mit einer Torfmächtigkeit ab 1,3 m, die nicht bestimmten Ausschlusskriterien genügten, als Vorranggebiete Torferhaltung und Moorentwicklung (VR TEuME) festgelegt werden. Die Antragstellerin erhob innerhalb der Stellungnahmefrist Einwendungen gegen die für das Gnarrenburger Moor gegenüber dem LROP 2012 geänderten Zielfestlegungen.

2015 überarbeitete der Antragsgegner den Planentwurf und legte den geänderten Entwurf (LROP-E 2015) vom 25. November bis 23. Dezember 2015 erneut aus. Die Vorranggebiete TEuME, darunter das Gnarrenburger Moor, wurden durch Vorranggebiete Torferhaltung (VR TE) ersetzt. Die Moorentwicklung als Ziel der Raumordnung wurde aufgegeben, um eine land-/forstwirtschaftliche oder gartenbauliche Nutzung dieser Flächen nicht zu behindern. Im Gnarrenburger Moor sollte ein begrenzter Torfabbau wieder möglich sein. Voraussetzung dafür war ein Integriertes Gebietsentwicklungskonzepts (IGEK), das zur Koordinierung des Abbaus für andere Moorgebiete, nicht aber für das Gnarrenburger Moor, bereits in den vorangegangenen Fassungen des LROP gefordert war und das jeweils vor Ort von den Betroffenen erarbeitet werden sollte, um die widerstreitenden Interessen zu einem Ausgleich zu bringen. Für das Gnarrenburger Moor war damit der endgültige Regelungszustand im Wesentlichen erreicht.

Nach Abschluss des 2. Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens nahm der Antragsgegner weitere Änderungen am Planentwurf vor. Diese betrafen unter anderem die Streichung des VRR Nr. 61.1 (vgl. das Parallelverfahren 1 KN 141/17); darüber hinaus wurde mit Geltung für das neue Vorranggebiet Torferhaltung Gnarrenburger Moor der heutige Satz 12 in Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06, eingefügt. Weitere Änderungen waren redaktioneller Art.

Am 24. Januar 2017 beschloss die Landesregierung die hier angegriffene Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen (LROP) und verkündete sie nach Ausfertigung im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 16. Februar 2017 (S. 26). Die Bekanntmachung der Hinweise nach § 4 Abs. 3 NROG im Niedersächsischen Ministerialblatt folgte am 22. Februar 2017 (Nds. MBl. 2017 S. 201 f.).

In Art. 1 Nr. 2 lit. f) der Änderungsverordnung lauten die Sätze 1 bis 13 auszugsweise:

„1 In den in Anlage 2 festgelegten Vorranggebieten Torferhaltung sind die vorhandenen Torfkörper in ihrer Funktion als Kohlenstoffspeicher zu erhalten.

4 Die Vorranggebiete Torferhaltung sind in die Regionalen Raumordnungsprogramme zu übernehmen und dort räumlich näher festzulegen. 5 Die Träger der Regionalplanung können darüber hinaus in den Regionalen Raumordnungsprogrammen weitere Vorranggebiete Torferhaltung festlegen.

10 Innerhalb der Vorranggebiete Torferhaltung im Gnarrenburger Moor und im Marcardsmoor ist auf Basis eines von der obersten Landesplanungsbehörde zu genehmigenden Integrierten Gebietsentwicklungskonzepts abweichend von Satz 1 ein Torfabbau zulässig, sofern der Abbau einen untergeordneten Teil der Vorranggebiete einnimmt und wenn eine räumliche Festlegung der Flächen, auf denen Torfabbau möglich sein soll, im Regionalen Raumordnungsprogramm erfolgt ist.

11 Die Festlegung der für den Torfabbau vorgesehenen Flächen des Konzepts im Regionalen Raumordnungsprogramm soll zeitnah erfolgen.

12 Zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser LROP-VO wird auf der Grundlage des erreichten Sachstandes geprüft, ob gegebenenfalls erneuter Regelungsbedarf besteht.

13 Für die Zulassung von Torfabbau auf Basis des Konzepts gelten die Festlegungen in Abschnitt 3.2.2 Ziffer 05 dieser Verordnung.“

Art. 1 Nr. 3 lit. a) und c) der Änderungsverordnung lauten:

„3. Die Anlage 2 (zu § 1 Abs. 1) - Zeichnerische Darstellung - wird entsprechend den aus der als Anlage 2 dieser Verordnung beigefügten Karte ersichtlichen Änderungen wie folgt geändert:

a) Die räumliche Festsetzung der Vorranggebiete Torferhaltung (Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06) wird neu eingefügt.

c) Die Vorranggebiete Rohstoffgewinnung (Abschnitt 3.2.2 Ziffer 02) mit den Nrn. … 23 … werden gestrichen.“

Die Begründung zu Art. 1 Nr. 2 lit. f) Satz 10 bis 13 des LROP 2017 führt dazu aus:

Die Interessenskonflikte zwischen Torfabbau, Landwirtschaft und Torferhaltung sind im Gnarrenburger Moor und im Marcardsmoor besonders ausgeprägt. Hier soll die Erstellung eines Integrierten Gebietsentwicklungskonzeptes (IGEK) zum gesteuerten Auslaufen des Torfabbaus unter Beachtung des Klima- und Naturschutzes sowie der Interessen der Landwirtschaft und der Bevölkerung ermöglicht werden. Ein Beispiel ist der Ansatz im Gnarrenburger Moor (Zukunftskonzept). Die Gebiete sind für den Torfabbau wie für die Torferhaltung besonders geeignet. Aufgrund der dort besonders ausgeprägten Konflikte um den Torfabbau ist dieser jedoch nur verträglich, wenn er in ein Konzept eingebunden ist, das unter Beteiligung der relevanten Akteure entsteht und dieses einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Nutzungskonflikten sicherstellt, wie es z. B. in der Gnarrenburger Erklärung festgehalten ist. Die Gebiete sollen dabei aus überwiegenden Gründen des Klima- und Landschaftsschutzes in erster Linie der Torferhaltung dienen. …

Durch die Festlegung im jeweiligen Regionalen Raumordnungsprogramm wird eine ausreichende Berücksichtigung aller örtlichen und regionalen Belange und die Verhältnismäßigkeit der Vorränge Torferhaltung und Rohstoffgewinnung Torf sichergestellt. Durch eine zeitnahe Festlegung der Ergebnisse des Konzepts im Regionalen Raumordnungsprogramm wird vermieden, dass das Konzeptergebnis durch Veränderungen der Rahmenbedingungen nicht mehr umsetzbar ist.

Zielsetzung der Sätze 10 bis 13 ist es, die ausgeprägten regionalen Nutzungs- und Interessenskonflikte in den genannten Gebieten im Rahmen einer Konzepterstellung darzulegen und einen tragfähigen Kompromiss zu entwickeln und abzustimmen, der den Torfabbau entsprechend der Vorgaben des Satzes 10 berücksichtigt. Die Landesregierung behält sich ausdrücklich vor, auf Basis einer Überprüfung des erreichten Sachstands der IGEK-Regelungen zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung Änderungen an diesem Instrument vorzunehmen. Dabei werden zwei Jahre als ein angemessener Zeitraum erachtet, um im Rahmen der Überprüfung beurteilen zu können, wie weit die Kompromissfindung und ihre Umsetzung im jeweiligen Einzelfall vorangeschritten sind.

Das im Gnarrenburger Moor nach dem LROP 2017 für einen Torfabbau erforderliche IGEK kam nicht zustande. Zwar bildete sich vor Ort ein Runder Tisch einer „Steuerungsgruppe“ von 13 Personen in der Absicht, ein IGEK zu beschließen. Es kam auch zur Verabschiedung der sogenannten „Gnarrenburger Erklärung“. Diese enthielt allgemeine Grundsätze, auf die sich die Beteiligten hatten einigen können. Zu konkreten Einigungen in Bezug auf die Inhalte eines IGEK kam es allerdings nicht. Daraufhin beauftragte der für die Regionalplanung örtlich zuständige Landkreis Rothenburg (Wümme) ein Planungsbüro mit der Ausarbeitung eines IGEK. Dieser IGEK-Entwurf reduzierte die Abbaufläche im Gnarrenburger Moor (einschließlich Rummeldeis Moor) gegenüber dem LROP 2012 auf rund fünf Prozent (101 von 1,919 ha). Der Kreis legte den Entwurf dem Runden Tisch vor, wo er keine Mehrheit fand. Der Kreis unterbreitete den Entwurf dann seinen Gremien. Der IGEK-Entwurf fand jedoch im Umwelt- und im Kreisausschuss ebenfalls keine Mehrheit. Daraufhin wurde weder vom Kreis noch von einem anderen Teilnehmer des Runden Tisches oder von der Antragstellerin ein Entwurf eines IGEK beim ML zur Genehmigung gestellt.

Die Antragstellerin beantragte zur Vorbereitung der Torfgewinnung am 10. Februar 2015 einen Planfeststellungsbeschluss mit dem Ziel der Torfgewinnung auf einer Fläche von 94.28 ha im Gnarrenburger Moor innerhalb des damaligen Vorranggebietes Rohstoffgewinnung des LROP 2012. Nachdem der örtlich zuständige Landkreis dem Antrag stattgeben wollte, machte die oberste Landesplanungsbehörde deutlich, dass sie beabsichtigte, eine befristete Untersagung wegen Unvereinbarkeit mit zukünftigen Zielerfordernissen auszusprechen. Mit Bescheid vom 17. November 2017 lehnte der Landkreis den Antrag wegen Unvereinbarkeit mit den Zielen des inzwischen in Geltung stehenden neuen LROP 2017 ab. Die Antragstellerin erhob gegen diesen ablehnenden Bescheid Versagungsgegenklage vor dem Verwaltungsgericht Stade; dieses Verfahren ruht derzeit.

Am 24. Juli 2017 hat die Antragstellerin den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung trägt sie eine Vielzahl formeller und materieller Rügen vor. Verfahrensrechtlich macht sie unter anderem geltend, die Änderung des LROP-Entwurf nach Abschluss der zweiten öffentlichen Auslegung durch Einfügung des Satzes 12 hätte ein drittes Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren erfordert. In materieller Hinsicht trägt sie vor, die Zielfestlegungen des LROP 2017 stellten eine unzulässige Verhinderungsplanung dar. Das Konzept des LROP 2017 sei ungeeignet, weil auch die nach wie vor zulässige landwirtschaftliche Nutzung zur Freisetzung von Klimagasen führe. Außerdem würde der Torf zukünftig importiert werden; ein solcher Import habe eine noch schlechtere Klimabilanz als der Abbau in Niedersachsen selbst. Die nach § 35 BauGB gegebene Privilegierung des Rohstoffabbaus werde durch das LROP 2017 unterlaufen. Die Zielfestlegungen stünden faktisch einer Kontingentierungsplanung gleich, erfüllten aber nicht deren Voraussetzungen. Die Planung beruhe auf einer veralteten Datengrundlage. Das Verbot der Torfgewinnung sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte, insbesondere in die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG, die in der Abwägung untergewichtet worden sei. Der weitgehende Ausschluss der Torfgewinnung im LROP 2017 schädige nicht nur das konkrete Unternehmen der Antragstellerin, sondern vernichte eine große Zahl von Arbeitsplätzen im Torfabbau und in nachgeordneten, den Torf verwendenden Unternehmen. Die angegriffenen Zielerfordernisse des LROP 2017 würden dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz nicht gerecht. Der Verordnungsgeber habe die getätigten Investitionen nicht hinreichend gewürdigt, und er habe es versäumt, eine Übergangsregelung zu treffen. Die Verlagerung der Entscheidung über Abbaumöglichkeiten in das IGEK sei fehlerhaft. Es sei von Anfang an absehbar gewesen, dass dies aufgrund fehlender Kompromissbereitschaft der Beteiligten kein erfolgversprechender Weg gewesen sei. Es fehle an Regelungen zur Teilnahme, zum Verfahren und zur Pflicht des Kreises, ein IGEK zu erstellen. Schließlich würden Torfabbauindustrie und Landwirtschaft ohne hinreichenden sachlichen Grund zu Lasten der Torfindustrie unterschiedlich behandelt.

Die Antragstellerin beantragt,

1. Art. 1 Nr. 2 lit. f) sowie Nr. 3 lit. a) der Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen, bekannt gemacht im Nds. GVBl. vom 16. Februar 2017, für unwirksam zu erklären,

2. hilfsweise die Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen, bekannt gemacht im Nds. GVBl. vom 16. Februar 2017, insgesamt für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Er meint, die Änderungsverordnung sei verfahrensrechtlich fehlerfrei zustande gekommen. Einer dritten Offenlage habe es in Bezug auf das Gnarrenburger Moor nicht bedurft, weil Abschnitt 3.1.1, Ziffer 06 Satz 12 für die Zielfestlegungen des Plans unerheblich sei. Materiellrechtlich liege keine Verhinderungsplanung vor, sondern ein sachgerechtes Konzept zum Klimaschutz durch Begrenzung des Torfabbaus. Die landwirtschaftsbedingte Torfzehrung sei vorhanden, werde aber ggf. durch spätere und weitere Schritte reduziert werden. Die Importmöglichkeiten seien für die Regelungsbefugnis des Landes unerheblich. Die Regelungen des § 35 BauGB würden nicht unterlaufen, weil das LROP 2017 Torfabbau nicht gänzlich verbiete, sondern den Raum zwischen den Nutzungen Torfgewinnung und Torferhaltung verteile. Eine Kontingentierungsplanung liege schon deswegen nicht vor, weil es im Land noch etliche Weißflächen gebe, auf denen Torfabbau unter Umständen möglich sei. Die Datengrundlage der Planung sei, soweit möglich und erforderlich, aktualisiert worden. Die Änderungsverordnung habe auf den Flächen mit der Zielbestimmung Torferhaltung dem Klimaschutz vertretbar den Vorrang vor dem Belang des Eigentumsschutzes und dem Erhalt von Arbeitsplätzen gegeben. Es sei dem Plangeber bekannt gewesen, dass die Antragstellerin Investitionen im Hinblick auf einen zukünftigen Torfabbau vorgenommen hätte. Diese Investitionen habe die Änderungsverordnung aber nicht zwingend schützen müssen. Auch die Einräumung einer weiteren Übergangsfrist über die Zeit bis zum Inkrafttreten des LROP 2017 hinaus sei nicht rechtlich erforderlich gewesen. Die Zielfestlegung zum IGEK für das Gnarrenburger Moor sei nicht zu beanstanden. Das Raumordnungsrecht sei aufgeschlossen gegenüber konsensualen Lösungen, die in etlichen Gebieten - z.B. im Parallelverfahren 1 KN 141/17 - auch gefunden worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag, über den der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat mit dem Hauptantrag Erfolg.

Der Senat versteht den Normenkontrollantrag gemäß § 88 VwGO so, dass dieser lediglich auf die Feststellung der Unwirksamkeit der das ehemalige Vorranggebiet Rohstoffgewinnung Nr. 23 (Gnarrenburger Moor) betreffenden Regelungen gerichtet ist. Die Antragstellerin verfolgt ersichtlich dieses Rechtsschutzziel. Sie macht an keiner Stelle Fehler bei der Streichung anderer Vorranggebietsausweisungen oder gar sonstigen Regelungen der Änderungsverordnung geltend. Einer Teilverwerfung des Antrags hinsichtlich der übrigen Streichungen als (mangels Rechtsschutzbedürfnisses) unzulässig bedarf es daher nicht.

Gegen den so verstandenen Antrag bestehen keine Bedenken. Die Änderungsverordnung ist offensichtlich teilbar. Aus den Unterlagen zum Ablauf des Änderungsverfahrens geht eindeutig hervor, dass der Antragsgegner die Verhältnisse eines jeden für eine Streichung in Betracht kommenden Vorranggebietes Torfabbau einer gesonderten Betrachtung unterzogen hat und im Falle der Unwirksamkeit einer Streichung nicht auf die anderen Streichungen verzichtet hätte. Auch ein objektiver Zusammenhang der einzelnen Streichungen in dem Sinne, dass die eine zwangsläufig die übrigen „mitziehen“ müsste, um eine in sich schlüssige Gesamtregelung zu ergeben, besteht offenkundig nicht (vgl. bereits das Zwischenurteil des Senats im Parallelverfahren vom 29.5.2018 - 1 KN 141/17 -, n.v.).

Der so verstandene Antrag ist zulässig und begründet.

Der fristgerecht gestellte Normenkontrollantrag ist gemäß § 47 VwGO zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt. Sie ist für einen Torfabbau im Gnarrenburger Moor auf eine Planfeststellung (§§ 67 ff. WHG) bzw. Bodenabbaugenehmigung (§§ 8 ff. NAGBNatSchG) angewiesen. Die maßgeblichen Regelungen (§ 68 Abs. 3 Nr. 2 WHG, § 10 Abs. 1 Satz 1 NAGBNatSchG) setzen voraus, dass das Abbauvorhaben mit raumordnungsrechtlichen Bestimmungen vereinbar ist (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ROG, § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Entscheidungen zugunsten der Antragstellerin stehen daher die hier angegriffenen Zielfestlegungen des LROP 2017 entgegen, solange - wie das gegenwärtig der Fall ist - kein IGEK zustande gekommen ist.

Der Normenkontrollantrag ist begründet. Die angegriffenen Zielfestlegungen zum Gnarrenburger Moor sind unwirksam, weil sie nicht die für eine Zielfestlegung erforderliche Bestimmtheit aufweisen.

Rechtsgrundlage für die Festlegung von Zielen der Raumordnung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG. Ziele sind nach der letztgenannten Bestimmung verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Sie sind anders als Grundsätze der Raumordnung nicht bloß Maßstab, sondern als räumliche und sachliche Konkretisierung der Entwicklung des Planungsraumes das Ergebnis landesplanerischer Abwägung. Einer weiteren Abwägung auf einer nachgeordneten Planungsstufe sind sie nicht zugänglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 - 4 C 8.10 -, BVerwGE 138, 301 = BRS 76 Nr. 1 = juris Rn. 7).

Von Zielen der Raumordnung können im Raumordnungsplan gemäß § 6 Abs. 1 ROG Ausnahmen festgelegt werden. Zielfestlegungen können demzufolge eine Regel-Ausnahme-Struktur vorsehen; dies setzt allerdings voraus, dass der Plangeber neben der Regel auch die Voraussetzungen der Ausnahme mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit oder doch wenigstens Bestimmbarkeit selbst festlegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.9.2003 - 4 CN 20.02 -, BVerwGE 119, 54 = BRS 66 Nr. 5 = juris Rn. 30; Urt. v. 16.12.2010 - 4 C 8.10 -, BVerwGE 138, 301 = BRS 76 Nr. 1 = juris Rn. 8 m.w.N.). Da der Plangeber die Abwägungsentscheidung selbst treffen muss, muss er den Anwendungsbereich der Ausnahme unter Vorgabe materieller Kriterien bestimmen. Er ist jedoch nicht auf die Vorgabe materieller Kriterien beschränkt. Ausnahmen dürfen zusätzlich von der Durchführung eines Verfahrens abhängig gemacht werden, wenn die Voraussetzungen und Bindungen eines solchen Verfahrens hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.6.2011 - 4 CN 4.10 -, BVerwGE 140, 54 = BRS 78 Nr. 1 = juris Rn. 27; ebenso Kümper, in: Kment, ROG, 2019, § 3 Rn. 27 ff. und Kment, in: ders., ROG, 2019, § 6 Rn. 25 ff.).

Die nach den vorstehenden Ausführungen notwendigen Verfahrensregelungen müssen das Verfahren in seinen wesentlichen Gesichtspunkten prägen und strukturieren. Erforderlich sind daher Vorgaben zu den an dem Verfahren zu Beteiligenden sowie zu dessen Ablauf und Organisation. Dabei sind grundsätzlich keine Regelungen zu Details wie etwa die konkrete Benennung jedes einzelnen Beteiligten oder die Vorgabe einer Geschäftsordnung geboten. Die Bestimmbarkeit des Teilnehmerkreises reicht aus. Ebenso genügt es, wenn die verfahrensbezogenen Regelungen einen grundlegenden Rahmen setzen, wer das Verfahren einleitet und organisiert und nach welchen Maßstäben - beispielsweise nach dem Mehrheits- oder Konsensprinzip - ein Ergebnis gefunden wird. Zudem müssen die Anforderungen an das Verfahren gewährleisten, dass der Adressat der Zielbindung die abschließenden landesplanerischen Abwägungen nicht in Frage stellen kann (vgl. zu alledem auch BVerwG, Urt. v. 22.6.2011 - 4 CN 4.10 -, BVerwGE 140, 54 = BRS 78 Nr. 1 = juris Rn. 27 ff.). Das setzt voraus, dass die Ergebnisse des IGEK-Prozesses in unmittelbarer oder mittelbarer Weise einer Rechtsaufsicht unterliegen, sobald sie - etwa vermittelt durch ein Regionales Raumordnungsprogramm - rechtliche Wirkungen entfalten sollen.

Nach diesen Maßgaben genügen die zum Gnarrenburger Moor getroffenen Regelungen, die in Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06 in Verbindung mit der Anlage 2 ein Vorranggebiet Torferhaltung mit einer Ausnahmemöglichkeit auf der Grundlage eines IGEK vorsehen, nicht den Anforderungen an die erforderliche Bestimmtheit eines Ziels der Raumordnung mit Regel-Ausnahme-Struktur.

Das Instrument des IGEK ist seit dem LROP 2002 Bestandteil des niedersächsischen Raumordnungsrechts. In Abschnitt C 3.4 Ziffer 05 des LROP in der Fassung der Änderungsverordnung vom 28. November 2002 (Nds. GVBl. S. 739) war vorgesehen, dass für bestimmte Vorranggebiete für Rohstoffgewinnung (Torf) integrierte Gebietsentwicklungskonzepte zu erarbeiten waren, die eine räumliche und zeitliche Abstimmung des Bodenabbaus mit den Belangen der Landwirtschaft, des Naturschutzes, der Landschaftspflege und den Kompensationsmaßnahmen nach Naturschutzrecht ermöglichten. Den Konzepten war ein langfristiges Leitbild für Entwicklungsziele und Flächennutzung im jeweiligen Vorranggebiet zugrunde zu legen. Die Konzepte sollten Grundlage für die Genehmigung von Bodenabbauten und für alle anderen, Flächen beanspruchenden Nutzungen und Maßnahmen sein (z. B. Naturschutz, Kompensationsmaßnahmen). Der Betrachtungsraum für die Konzeptentwicklung konnte über das festgelegte Vorranggebiet für Rohstoffgewinnung hinausgehen. Die Konzepte bedurften des Einvernehmens der Landesplanungsbehörde.

Rechtliche Grundlage des Instruments waren § 13 ROG 1998 (BGBl. I 1997, S. 2107) und im Wesentlichen gleichlautend § 19 NROG 2001 (Nds. GVBl. S. 301), die heute in § 14 ROG aufgegangen sind. Die Vorschriften sahen vor, dass die Träger der Landes- und Regionalplanung die Zusammenarbeit der für die Verwirklichung maßgeblichen öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts fördern sollten. Dies konnte insbesondere im Rahmen von Entwicklungskonzepten für Teilräume erfolgen, durch die raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen vorgeschlagen und aufeinander abgestimmt werden (regionale Entwicklungskonzepte). Entwicklungskonzepte waren danach „weiche“ Instrumente zur Verwirklichung der raumordnungsrechtlichen Vorgaben, die den Vollzug des Raumordnungsprogramms fördern und erleichtern sollten (vgl. näher Goppel, in: Spannowsky/Runkel/ders., ROG, 2. Aufl. 2018, § 14 Rn. 11 f.).

Dementsprechend stand beim Konzept der IGEK bis einschließlich zum LROP 2012 die Zielfestlegung des Vorrangs der Rohstoffgewinnung in Form des Torfabbaus im Vordergrund; der Torfabbau sollte aber unter möglichst weitgehender Schonung von Natur und Landschaft sowie der Landwirtschaft erfolgen und zu diesem Zweck in räumlicher und zeitlicher Abstimmung mit den entsprechenden Belangen erfolgen. Es ging mit anderen Worten nicht darum, die Zielfestlegung mit einer Ausnahme zu versehen, sondern vielmehr darum, die Zielverwirklichung in allgemeinverträglicher Weise auszugestalten und demzufolge nicht das „Ob“ des Torfabbaus in Frage zu stellen, sondern das „Wie“ zu regeln (vgl. anschaulich die Begründung zu Abschnitt C 3.4 Ziffer 05 LROP 2002).

Mit dem LROP 2017 wird dieses Konzept durchbrochen. Das Instrument des IGEK dient nunmehr nicht mehr der Regelung von Modalitäten der Zielverwirklichung, sondern beschreibt im Gegenteil eine Ausnahme von dem Ziel. Während die Zielfestlegung in Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06 Satz 1 die Torferhaltung fordert und damit den Torfabbau ausschließt, beschreiben die weiteren Regelungen in den Sätzen 10 bis 13, unter welchen Voraussetzungen abweichend davon ein Torfabbau dennoch zulässig ist. Die Erläuterungen dazu zeigen, dass der Plangeber eine Situation erkannte, die durch stark widerstreitende Interessen gekennzeichnet war. Dieser auf der Ebene der Landesplanung nicht bewältigte Konflikt sollte vor Ort inhaltlich entschärft, die dort gefundene Lösung dann aber durch Genehmigung durch die oberste Landesplanungsbehörde für die Regionalplanung verbindlich werden. Mit dieser veränderten Zielsetzung geht ein Wechsel der Rechtsgrundlage einher; Maßstab ist nunmehr § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 6 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG und nicht mehr § 14 ROG; dies hat - wie eingangs ausgeführt - deutlich erhöhte Anforderungen an die Bestimmtheit der Regelung zur Folge. Diesen Anforderungen ist nicht in vollem Umfang genügt.

Keine Bedenken bestehen allerdings hinsichtlich der materiell-rechtlichen Vorgaben für einen ausnahmsweise möglichen Torfabbau in einem Vorranggebiet Torferhaltung. Aus Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06 Satz 10 folgt erstens, dass der Abbau nur auf einem untergeordneten Teil des Vorranggebiets erfolgen darf; das setzt voraus, dass der weit überwiegende Teil des Vorranggebiets unangetastet bleibt und die raumordnungsrechtliche Grundentscheidung nicht in Frage gestellt wird. Die genaue räumliche Festlegung muss im Regionalen Raumordnungsprogramm erfolgt sein, bevor ein Torfabbau genehmigt werden kann. Aus Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06 Satz 13 ergibt sich zweitens, dass die Zulassung des Torfabbaus nur nach Maßgabe von Abschnitt 3.2.2 Ziffer 05 erfolgen darf; es bedarf demzufolge besonderer klimaschutzbezogener Kompensationsleistungen in Gestalt der Herrichtung von Flächen zur Hochmoorregeneration. In Verbindung mit den weiterhin geltenden Vorgaben des Naturschutz- und des Wasserrechts ist damit der materiell-rechtliche Rahmen einer möglichen Ausnahme hinreichend deutlich abgesteckt.

Noch durch Auslegung bestimmbar dürfte auch der Kreis der regionalen Akteure sein, die in einen IGEK-Prozess einzubeziehen sind; dies sind alle Akteure, die bei einer den möglichen Ergebnissen eines IGEK vergleichbaren Regelung im Regionalen Raumordnungsprogramm als Betroffene zu beteiligen wären (vgl. § 9 ROG i.V. mit § 3 NROG). Die berührten Belange der Rohstoffgewinnung, der Landwirtschaft und des Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzes, aus denen sich die Betroffenheiten ableiten, sind den maßgeblichen Vorschriften hinreichend deutlich zu entnehmen.

Unzureichend sind demgegenüber die Vorgaben für die Durchführung des Verfahrens zur Aufstellung und Inkraftsetzung eines IGEK sowie für die Genehmigung durch die oberste Landesplanungsbehörde.

Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06 Sätze 10 bis 13 ist erstens nicht zu entnehmen, wer den IGEK-Prozess einleiten und organisieren soll. Aus den Erläuterungen und der Abwägung sowie der bisherigen Praxis ergibt sich zwar, dass Initiator der für regionale Raumplanung zuständige Landkreis ebenso sein kann wie ein interessierter Privater. Dies wirft jedoch weitere Fragen auf.

Es ist bereits zweifelhaft, ob von einem an einem bestimmten Ergebnis interessierten Privaten angesichts des Fehlens jeglicher Verfahrensregelungen erwartet werden kann, dass dieser ein Verfahren in einer transparenten und an den verbindlichen Zielen der Raumordnung orientierten Weise durchführt. Anders als in dem Fall, in dem einer zu Rechtstaatlichkeit und Objektivität verpflichteten Behörde wie etwa dem Landkreis als Träger der regionalen Raumplanung die Verantwortung für das Verfahren zugewiesen ist, bedarf es bei einer ausweislich der Abwägung zugunsten von Spielräumen für die lokale Ebene ausdrücklich gewünschten Öffnung des Verfahrens für verschiedene Organisatoren, Moderatoren und Teilnehmer erheblich detaillierterer verfahrensrechtlicher Vorgaben. Diese Vorgaben müssen ein faires Verfahren im umfassenden Sinne sicherstellen und zugleich garantieren, dass das Verfahren auch dann, wenn ein Privater die Verfahrensverantwortung übernimmt, den spezifisch raumordnerischen Anforderungen gerecht wird und nicht als Instrument zur Durchsetzung partikularer Interessen genutzt werden kann. Daran fehlt es hier.

Zudem bleibt offen, ob die Initiierung eines IGEK-Verfahrens nach Maßgabe des Windhundprinzips für alle anderen potenziellen Initiatoren Sperrwirkung entfaltet. Diese Frage gewinnt insbesondere dann an Bedeutung, wenn - wie hier - das Verfahren eines Trägers nicht bis zu dem Punkt der Vorlage zur Genehmigung gedeiht. Die Antragstellerin konnte aus den verfügbaren Unterlagen nicht entnehmen, ob sie in dieser Situation berechtigt war, ihrerseits ein eigenes IGEK zu initiieren und gegebenenfalls zur Genehmigung einzureichen.

Zweitens fehlt eine Klärung, wann ein IGEK-Entwurf zur Genehmigung eingereicht werden darf. Mindestens zu regeln wäre insofern das Verfahren der Entscheidungsfindung im IGEK-Prozess in der Weise, dass festgelegt wird, ob es des Konsenses aller Beteiligten bedarf, ob eine (qualifizierte) Mehrheit genügt, ob einzelne Akteure (z.B. der Träger der Regionalen Raumplanung) ein höheres Stimmgewicht oder gar ein Vetorecht haben oder ob es unabhängig von Abstimmungen und Mehrheitsverhältnissen ausreicht, dass ein auf ein IGEK ausgerichtetes Verfahren stattgefunden und der Initiator einen Entwurf vorgelegt hat. Von der letzten Möglichkeit, die die geltende Regelung nicht zuverlässig ausschließt, ist in diesem Fall offenbar der Landkreis Rothenburg (Wümme) ausgegangen, denn er hat den Entwurf trotz mehrheitlicher Ablehnung im IGEK-Prozess seinen Gremien vorgelegt. Es liegt jedoch nahe, dass das nicht gemeint sein kann, wenn das IGEK Konflikte örtlich befrieden soll. Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06 Sätze 10 bis 13 kann auch nicht so gelesen werden, dass die Beteiligten des IGEK-Prozesses sich selbst eine beliebige Verfahrensordnung geben dürfen; denn ersichtlich soll der IGEK-Entwurf nicht nur ein völlig unverbindlicher Vorschlag eines Privaten sein. Eine solche Auslegung könnte jedoch dazu führen, dass der Träger der Regionalplanung einer nach Genehmigung bindenden Vorgabe ausgesetzt wäre, zu der er unter Umständen nicht einmal angehört worden wäre.

Drittens und spiegelbildlich dazu sind die Regelungen zur Genehmigung des IGEK durch die oberste Landesplanungsbehörde defizitär. Es liegt nach den obigen Ausführungen nahe, dass der Genehmigungsvorbehalt wenigstens - einer Rechtsaufsicht gleich - eine Kontrolle des ordnungsgemäßen Ablaufs des Prozesses beinhaltet, der zur Aufstellung des IGEK geführt hat. Ohne hinreichend bestimmte Maßstäbe ist der obersten Landesplanungsbehörde eine solche Kontrolle aber nicht möglich. Anderes wäre allenfalls dann denkbar, wenn man dem Genehmigungsvorbehalt ein nachträglich auszuübendes Ermessen dieser Behörde entnähme, selbst Maßstäbe für ein dem Zweck des IGEK-Prozesses entsprechendes Verfahren aufzustellen. Eine solche Befugnis zur nachträglichen Verfahrensgestaltung wäre indes nicht nur unzweckmäßig, sie ist im LROP auch nicht hinreichend deutlich vorgesehen.

Darüber hinaus lässt sich dem LROP nicht mit der nötigen Bestimmtheit entnehmen, ob der Genehmigungsvorbehalt sich in einer solchen Rechtsförmlichkeitskontrolle des IGEK-Prozesses erschöpfen soll oder ob der obersten Landesplanungsbehörde auch eine Befugnis zustehen soll, ein Konzept zu verwerfen, das sie aus materiellen Gründen nicht als sachgerechten Ausgleich der konfligierenden raumordnungsrelevanten Belange ansieht. Offen bleibt insbesondere, ob und wenn ja welche Wertungen sie vornehmen und in welchem Umfang sie gegebenenfalls abweichende Wertungen der Teilnehmer des IGEK-Prozesses in Frage stellen kann. Die dazu bei Aufstellung des LROP 2012, das den Genehmigungsvorbehalt in dieser Form erstmals enthielt, gegebene Begründung, die Einvernehmensregelung solle sicherstellen, „dass die Inhalte von IGEK angemessen und mit den Zielen des LROP vereinbar“ seien, führt insofern nicht weiter (vgl. die Begründung zu Abschnitt 3.2.2 Ziffer 05 Satz 11 LROP 2012). Die Frage nach dem Maßstab der Genehmigungserteilung gewinnt namentlich dann an Relevanz, wenn der IGEK-Prozess so verstanden würde, dass er keinen völligen Konsens der relevanten Akteure voraussetzt, sondern auch Mehrheitsentscheidungen oder gar - bei Verweigerung einer Mehrzahl von Akteuren - den Alleingang einzelner Akteure, etwa des Trägers der Regionalplanung oder des Abbauunternehmens, zuließe. Der Senat lässt an dieser Stelle ausdrücklich offen, ob es für einen derartigen mit inhaltlichen Entscheidungsspielräumen verbundenen Genehmigungsvorbehalt, der die Bestimmung von Ausnahmen letztlich der obersten Landesplanungsbehörde anstelle des Verordnungsgebers (der Landesregierung) überlassen würde, eine ausreichende Rechtsgrundlage gäbe; dass diese unmittelbar aus § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 6 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG folgt, ist zumindest nicht offensichtlich.

§ 6 UmwRG steht der Berücksichtigung des Einwandes der Antragstellerin, die Regelungen zum IGEK seien unzureichend, nicht entgegen. Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des Antragsgegners, nach denen gemäß § 48 UVPG das Umweltrechtsbehelfsgesetz nicht auf Rechtsmittel gegen Festlegungen zum Rohstoffabbau in Raumordnungsplänen anwendbar ist, unabhängig davon, ob diese die Form separater Teilpläne erhalten haben oder in allgemeine Raumordnungspläne integriert sind.

Die demzufolge zu berücksichtigende Unbestimmtheit der vorstehenden Regelungen zu einer verfahrensbezogenen Ausnahme in Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06 Sätze 10-13 hat deren Unwirksamkeit zur Folge. Sie kann nicht als wirksamer Grundsatz der Raumordnung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG verstanden werden, dem zwar die einem Ziel innewohnende verbindliche Festlegung fehlt, der aber gleichwohl im Rahmen der Abwägung auf den nachfolgenden Planungsstufen zu berücksichtigen ist (vgl. dazu beispielsweise OVG NRW, Urt. v. 6.6.2005 - 10 D 145/04.NE -, BauR 2005, 1577 = BRS 69 Nr. 2 = juris Rn. 98, 188 ff.; bestätigt von BVerwG, Beschl. v. 28.12.2005 - 4 BN 40.05 -, NVwZ 2006, 458 = BRS 69 Nr. 1 = juris). Grundsätze unterscheiden sich von Zielen dadurch, dass sie nicht das verbindliche Ergebnis einer abschließenden landesplanerischen Abwägung sind, sondern lediglich Abwägungsdirektiven darstellen. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung als Ziel oder Grundsatz, sondern auf den materiellen Gehalt der Planaussage an (vgl. zur Unterscheidung BVerwG, Urt. v. 18.9.2003 - 4 CN 20.02 -, BVerwGE 119, 54 = BRS 66 Nr. 5 = juris Rn. 26 ff.).

Das zugrunde gelegt stellen die Regelungen zur ausnahmsweisen Zulässigkeit eines Torfabbaus auf der Grundlage eines IGEK weder ein wirksames Ziel noch einen wirksamen Grundsatz der Raumordnung dar. Dem vom Plangeber beabsichtigten Zielcharakter steht - wie ausgeführt - das Fehlen verfahrensrechtlicher Vorgaben entgegen, auf welchem Weg die Ausnahme im Einzelfall zu konkretisieren ist. Grundsatzcharakter nehmen die Regelungen damit gleichwohl nicht an, da das beabsichtigte Ziel in materieller Hinsicht sowohl mit Blick auf die Regel (Torferhalt) als auch die Ausnahme (Torfabbau) abschließend abgewogen und hinreichend bestimmt ist. Für die nachgeordnete Planungsebene verbleiben daher keine Abwägungsspielraume, die einem Grundsatz der Raumordnung immanent sind. Mangelnde verfahrensrechtliche Vorgaben bei einem Ziel mit verfahrensbezogenem Regel-Ausnahme-Charakter untergraben vielmehr die Möglichkeit des nachgeordneten Planungsträgers, in rechtssicherer Weise beurteilen zu können, ob nun das Regelziel oder die Ausnahme Verbindlichkeit beansprucht. Sie führen daher zu einem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsmangel, der die Unwirksamkeit der Regelung nach sich zieht.

Die Unwirksamkeit der Regelung in Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06 Sätze 10-13 erfasst die weiteren aus dem Tenor ersichtlichen Festlegungen zum Gnarrenburger Moor, weil ausweislich der Planbegründung das bedingte Gebot der Torferhaltung mit der Möglichkeit einer Ausnahme im Fall eines IGEK in untrennbarem Zusammenhang steht. Der Plangeber selbst ging davon aus, dass seine Festlegungen ohne die Möglichkeit eines IGEK unverhältnismäßig seien.

Einer Entscheidung über die übrigen formellen und materiellen Rügen der Antragstellerin, die voraussichtlich nicht durchgegriffen hätten, bedarf es angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht.