Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.04.2020, Az.: 5 LC 76/18

Arzneimittel; Augentropfen; Fürsorgepflicht; Härtefall; Medizinprodukt; Omni Sorb

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.04.2020
Aktenzeichen
5 LC 76/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 72027
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 05.04.2018 - AZ: 7 A 820/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Aufwendungen für das Präparat Omni Sorb (Augentropfen), bei dem es sich um ein Medizinprodukt im Sinne des § 3 Nr. 1 des Medizinproduktegesetzes handelt, sind nach dem niedersächsischen Beihilferecht nicht beihilfefähig.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 7. Kammer (Einzelrichterin) - vom 5. April 2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1962 geborene Kläger, der als Polizeioberrat im Dienst des Landes Niedersachsen steht und mit einem Bemessungssatz von 70 Prozent beihilfeberechtigt ist, begehrt die Gewährung von Beihilfe für das Präparat Omni Sorb (Augentropfen).

Am 9. Mai 2017 beantragte der Kläger bei dem Beklagten, ihm unter anderem zu den Kosten des von ihm aufgrund von Verordnungen der Augenärztin Dr. D. am 2. September 2016, 17. November 2016 und 24. März 2017 zu einem Preis von insgesamt 187,10 € (1 x 39,90 € + 4 x 36,80 €) gekauften Präparats Omni Sorb eine Beihilfe zu gewähren. Mit Bescheid vom 11. Mai 2017 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Beihilfe zu diesen Aufwendungen ab. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass es sich bei dem Präparat Omni Sorb um ein Medizinprodukt handele, das nicht in der Anlage 4 zu § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO aufgeführt sei, und dass auch der in der Anlage 4 genannte Anwendungsfall für das Medizinprodukt nicht vorliege. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2017 zurück.

Mit seiner am 13. Juli 2017 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Am 6. September 2017 und 4. Dezember 2017 hat der Kläger die Klage auf zwei weitere Bescheide des Beklagten vom 17. August 2017 und 14. November 2017, mit denen jeweils die Gewährung von Beihilfe für das Präparat Omni Sorb abgelehnt worden ist (6 x 36,80 € = 220,80 €), erstreckt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm die begehrte Beihilfe zu gewähren.

Er hat beantragt (sinngemäß),

1. den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 11. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2017 und der Bescheide vom 17. August 2017 und 14. November 2017 zu verurteilen, an ihn 285,53 € zu zahlen,

2. festzustellen, dass seine Aufwendungen für die Beschaffung des Präparats Omni Sorb beihilfefähig sind.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, dass er die Erweiterung der Klage um die Bescheide vom 17. August 2017 und 14. November 2017 mangels vorheriger Durchführung eines Vorverfahrens für unzulässig halte.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. April 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei mangels vorheriger Durchführung eines Widerspruchsverfahrens unzulässig, soweit der Kläger sich gegen die mit den Bescheiden vom 17. August 2017 und 14. November 2017 erfolgte Ablehnung der Gewährung einer Beihilfe für das Präparat Omni Sorb wende. Im Übrigen sei die Klage insgesamt unbegründet. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Beihilfeanspruch nicht zu. Das Präparat Omni Sorb sei ein Medizinprodukt im Sinne des § 3 Nr. 1 des Medizinproduktegesetzes (MPG). Aufwendungen für Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 und 2 MPG seien gemäß § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO beihilfefähig, soweit dies in der Anlage 4 zu § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO bestimmt sei. Da das Präparat in der Anlage 4 nicht genannt sei, seien die Aufwendungen nicht gemäß § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO beihilfefähig. Die Aufwendungen seien auch nicht gemäß § 17 Abs. 6 NBhVO beihilfefähig, weil sich diese Vorschrift auf Arzneimittel, nicht jedoch auf Medizinprodukte, beziehe. Ein Anspruch isoliert aus § 80 NBG komme angesichts der in der Niedersächsischen Beihilfeverordnung getroffenen Regelungen nicht in Betracht. Der Kläger könne den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn stützen, weil bei monatlichen Kosten für das Präparat in Höhe von ca. 20 € davon auszugehen sei, dass die Alimentation des Klägers als Polizeioberrat nicht unzumutbar belastet werde. Auf dieser Grundlage könne auch der von dem Kläger gestellte Feststellungsantrag keinen Erfolg haben.

Der Kläger hat am 3. Mai 2018 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Verpflichtungsbegehren weiter, nicht dagegen auch das erstinstanzliche Feststellungsbegehren.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

Er leide ausweislich des Attestes der Augenärztin Dr. D. vom 11. November 2016 an einer chronischen Erkrankung der Hornhaut. Dabei sei die Pumpfunktion der Endothelzellen, die die Hornhaut klar und durchsichtig hielten, herabgesetzt. Diese Funktion übernehme das Präparat Omni Sorb. Um klar sehen zu können, sei er auf das Präparat angewiesen. Als Alternative käme lediglich eine Fremdspender-Hornhauttransplantation in Betracht. Die fehlende Aufführung des Präparats Omni Sorb in der Anlage 4 zu § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO stehe dem Beihilfeanspruch nicht entgegen. Sofern man das Präparat isoliert als Medizinprodukt qualifizieren würde, ohne es gleichzeitig auch als Arzneimittel zu betrachten, würde dies der Zwecksetzung des § 80 Abs. 3 NBG widersprechen. Selbst wenn man das Präparat primär unter dem Aspekt eines Medizinproduktes betrachten würde, würde es doch gleichzeitig die Anforderungen an den Arzneimittelbegriff erfüllen. Letztlich dürfe angesichts der Zwecksetzung in § 80 Abs. 3 NBG die Differenzierung zwischen Medizinprodukten und Arzneimitteln nicht dazu führen, ein an sich wirksames Präparat von der Beihilfefähigkeit auszunehmen. Als weiteren Beleg für die Beihilfefähigkeit des Präparats lege er ein Attest der Augenärztin Dr. D. vom 1. März 2019 vor.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 11. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2017 und der Bescheide vom 17. August 2017 und 14. November 2017 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe in Höhe von weiteren 285,53 € zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils Bezug und verweist ergänzend auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 31. Januar 2014 (- 19 K 6349/12 -, juris). Er trägt ferner vor, der niedersächsische Normgeber habe die Beihilfefähigkeit von Medizinprodukten in der Anlage 4 zu § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO bewusst eingeschränkt. Die Vorschrift des § 17 Abs. 6 NBhVO eröffne in medizinisch begründeten Einzelfällen lediglich für von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossenen Arzneimittel eine Ausnahme. Das Attest der Augenärztin Dr. D. vom 1. März 2019 begründe nicht die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für das als Medizinprodukt zu qualifizierende Präparat Omni Sorb, weil es bei dem Kläger nur die Notwendigkeit der lebenslangen regelmäßigen Anwendung von Tränenersatzmitteln bezogen auf den Zustand nach einer Hornhauttransplantation bescheinige. Es besage jedoch nichts über die Notwendigkeit der Anwendung des Präparats Omni Sorb, das anderen Zwecken als Tränenersatzmittel diene.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über die Berufung kann, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt habe, durch den Vorsitzenden anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig bewertet, soweit sich der Kläger mit der Klage auch dagegen gewandt hat, dass der Beklagte es mit den Bescheiden vom 17. August 2017 und 14. November 2017 abgelehnt hat, dem Kläger auf Aufwendungen für das Präparat Omni Sorb (Augentropfen) in Höhe von 220,80 € (6 x 36,80 €) eine Beihilfe zu gewähren. Denn der Kläger hat es versäumt, insoweit vor der Einbeziehung dieser Bescheide in das Klageverfahren ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Den diesbezüglichen und zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (S. 4, 2. Abs. des Urteilsabdrucks - UA -) ist der Kläger im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten.

2. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, soweit sich der Kläger mit der Klage dagegen gewandt hat, dass der Beklagte es mit dem Bescheid vom 11. Mai 2017 und dem Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2017 abgelehnt hat, dem Kläger auf Aufwendungen für das Präparat Omni Sorb in Höhe von 187,10 € (1 x 39,90 € + 4 x 36,80 € [ärztliche Verordnungen vom 2.9.2016, 17.11.2016 und 24.3.2017]) eine Beihilfe zu gewähren. Der erkennende Senat teilt die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat Omni Sorb nicht zusteht.

a) Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die eine Beihilfe begehrt wird, maßgeblich. Bei Medizinprodukten und Arzneimitteln ist dies der Zeitpunkt der Inrechnungstellung des Präparats (BVerwG, Urteil vom 26.3.2015 - BVerwG 5 C 9.14 -, juris Rn 8; Urteil vom 14.12.2017 - BVerwG 5 C 17.16 -, juris Rn 12; Nds. OVG, Urteil vom 24.11.2015 - 5 LB 59/15 -, juris Rn 24). Anwendbar ist deshalb im vorliegenden Fall die Vorschrift des § 80 NBG in der mit Wirkung vom 1. Januar 2015 und vom 1. Januar 2017 geänderten Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2016 (Nds. GVBl. S. 308) in Verbindung mit § 17 der Niedersächsischen Beihilfeverordnung (NBhVO) vom 7. November 2011 (Nds. GVBl. S. 372) in der Fassung vom 2. Juli 2013 (Nds. GVBl. S. 196).

b) Nach § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO sind Aufwendungen für Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 und 2 des Medizinproduktegesetzes (MPG) beihilfefähig, soweit dies in der Anlage 4 bestimmt ist.

aa) Nach § 3 Nr. 1 MPG sind Medizinprodukte unter anderem alle Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.

Das Präparat Omni Sorb ist als Medizinprodukt im Sinne des § 3 Nr. 1 MPG anzusehen. Ausweislich der im Internet bei verschiedenen Anbietern abrufbaren Produktinformationen enthält das Präparat den Wirkstoff Natriumchlorid und ist eine Kochsalzlösung. Es wird zur physikalisch-osmotischen Behandlung von Hornhautschwellungen oder Flüssigkeitseinlagerungen jeglicher Genese, zur Entquellung der Hornhaut und zur Wiederherstellung des kornealen osmotischen Gleichgewichts angewandt. Ausgehend hiervon kann bei dem Präparat Omni Sorb nicht von einer pharmakologischen Wirkung seiner Substanzen ausgegangen werden, weil eine solche pharmakologische Wirkung einer Substanz nur dann vorliegt, wenn es zu einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen dieser Substanz und einem zellulären Bestandteil des Körpers des Anwenders kommt (vgl. EuGH, Urteil vom 6.9.2012 - C-308/11 -, juris Rn 36). Mittels des Präparats Omni Sorb wird vielmehr, wie der Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Mai 2019 zutreffend und von dem Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, beruhend auf dem Vorgang der Osmose durch den Salzgehalt der äußerlich aufgetragenen Augentropfen der Hornhaut Flüssigkeit entzogen. Das Präparat Omni Sorb wirkt ausweislich der Produktinformationen auch nicht auf die Immunabwehr des Körpers ein und wirkt zudem auch nicht metabolisch. Denn durch die flüssigkeitsentziehende Wirkung des Präparats werden, wie der Beklagte ebenfalls mit Schriftsatz vom 20. Mai 2019 zutreffend und von dem Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, im Körper keine Stoffe in andere Stoffe umgewandelt.

Die von dem Kläger vorgelegten Atteste der Augenärztin Dr. D. vom 11. November 2016 und 1. März 2019 lassen keine andere rechtliche Wertung zu.

In dem Attest vom 11. November 2016 ist ausgeführt,

- dass der Kläger an einer chronischen Erkrankung der Hornhaut leide, bei der die Pumpfunktion der Endothelzellen, die die Hornhaut klar und durchsichtig hielten, herabgesetzt sei,

- dass das Präparat Omni Sorb erfolgreich diese Funktion übernehme,

- dass mit diesem Präparat eine Sehschärfe erreicht werden könne, die dem Patienten „KFZ-Tauglichkeit“ ermögliche,

- dass die einzige Alternative eine Fremdspender-Hornhauttransplantation sei und

- dass daher die Übernahme der Kosten für das Präparat empfohlen werde.

Dass es sich bei dem Präparat Omni Sorb nicht um ein Medizinprodukt, sondern stattdessen um ein Arzneimittel handele, hat die Augenärztin Dr. D. in ihrem Attest vom 11. November 2016 indes nicht dargelegt. Dem Inhalt des Attestes lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass und warum das Präparat nicht als Medizinprodukt, sondern als Arzneimittel anzusehen sein könnte.

In dem Attest vom 1. März 2019 hat die Augenärztin Dr. D. ausgeführt,

- dass bei dem Kläger eine chronische Hornhauterkrankung vorliege,

- dass das linke Auge bereits mit einer Hornhauttransplantation versorgt worden sei,

- dass für das rechte Auge eine solche Transplantation geplant sei und

- dass postoperativ lebenslang eine regelmäßige Applikation von Tränenersatzmitteln (zum Beispiel Hylo-Gel, Hylo-Comod) medizinisch erforderlich sei, um den aktuellen Gesundheitszustand zu erhalten.

Zu dem Präparat Omni Sorb verhält sich das Attest vom 1. März 2019 allerdings nicht. Tränenersatzmittel, zum Beispiel das Präparat Hylo-Gel, werden ausweislich der im Internet bei verschiedenen Anbietern abrufbaren Produktinformationen bei stärkerem und chronischem Trockenheitsgefühl der Augen eingesetzt; sie bezwecken, die Augen intensiv und nachhaltig mit einem stabilen Feuchtigkeitsfilm zu versorgen. Das Präparat Omni Sorb ist jedoch kein Tränenersatzmittel und wird - wie sich aus den obigen Ausführungen des Senats ergibt - für andere Zwecke als Tränenersatzmittel verwendet.

Das als Medizinprodukt im Sinne des § 3 Nr. 1 MPG einzustufende Präparat Omni Sorb ist nicht in der Anlage 4 zu § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO aufgeführt. Die streitgegenständlichen Aufwendungen des Klägers für dieses Präparat sind deshalb nach der eindeutigen Vorschrift des § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO nicht beihilfefähig.

bb) Der niedersächsische Verordnungsgeber hat die Beihilfefähigkeit von Medizinprodukten, die in der Anlage 4 zu § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO nicht aufgeführt sind, mit der Vorschrift des § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO wirksam ausgeschlossen. Die vorgenannte Verordnungsregelung beruht auf einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage, nämlich der Vorschrift des § 80 Abs. 6 NBG. Die Norm des § 80 Abs. 6 NBG ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (Nds. OVG, Urteil vom 24.11.2015, a. a. O., Rn 30; Plog/Wiedow, BBG, Stand: März 2020, Band 6, § 80 NBG Rn 105; Topka/Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens, Stand: September 2019, § 17 NBhVO Anm. 6; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 14.12.2017, a. a. O., Rn 19 ff.). Die in § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO in Verbindung mit der Anlage 4 zu dieser Vorschrift vorgenommene Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Medizinprodukten ist ihrerseits verfassungskonform (vgl. Topka/Möhle, a. a. O.; vgl. zu § 22 Abs. 1 Nr. 4 der Bundesbeihilfeverordnung - BBhV - und der Anlage 4 zu dieser Vorschrift Plog/Wiedow, a. a. O., Band 4, Anhang VI/2, § 22 BBhV Rn 71, unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 26.3.2015, a. a. O.).

c) Der Kläger kann den geltend gemachten Beihilfeanspruch auch nicht mit Erfolg auf § 80 Abs. 3 NBG stützen. Denn die Regelung des § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO geht als spezielle Norm über die Beihilfefähigkeit von Medizinprodukten in ihrem Anwendungsbereich der allgemeinen Regelung des § 80 Abs. 3 NBG vor (vgl. in diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 26.3.2015, a. a. O., Rn 11). Der erste Satzteil des § 80 Abs. 3 Satz 1 NBG („Soweit …“) bringt auch zum Ausdruck, dass für bestimmte Aufwendungen Leistungen im Rahmen der Bemessung der Beihilfe eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können, obwohl sie angemessen und medizinisch notwendig sind (Plog/Wiedow, a. a. O., Band 6, § 80 NBG Rn 79, unter Verweis auf den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Inneres, Sport und Integration des Niedersächsischen Landtags vom 23.3.2009 [LT-Drucks. 16/1088 S. 31] zu seiner Beschlussempfehlung vom 18.3.2009 [LT-Drucks. 16/1059 S. 60] zu dem Gesetzentwurf der Niedersächsischen Landesregierung [Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des niedersächsischen Beamtenrechts] vom 6.11.2008 [LT-Drucks. 16/655 S. 37 und S. 139]).

d) Die Regelung des § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO geht als spezielle Norm über die Beihilfefähigkeit von Medizinprodukten in ihrem Anwendungsbereich auch den in § 17 NBhVO enthaltenen Vorschriften über die Beihilfefähigkeit von Arzneimitteln vor (vgl. in diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 26.3.2015, a. a. O., Rn 11). Es ist deshalb insbesondere auch nicht möglich, auf § 17 Abs. 6 NBhVO zurückzugreifen, wonach Aufwendungen für die nach § 17 Abs. 2 bis 4 NBhVO von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossenen Arzneimittel in medizinisch begründeten Einzelfällen beihilfefähig sind. Denn der niedersächsische Verordnungsgeber hat die Aufwendungen für die in der Anlage 4 zu § 17 Abs. 10 Satz 1 NBhVO nicht aufgeführten Medizinprodukte bewusst und in rechtlich zulässiger Weise von der Beihilfefähigkeit ausgenommen. Aus diesem Grund und angesichts des Umstands, dass - wie ausgeführt - § 80 Abs. 3 Satz 1 NBG es zulässt, dass für bestimmte Aufwendungen die Beihilfefähigkeit eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann, obwohl sie angemessen und medizinisch notwendig sind, kommt eine entsprechende Anwendung der Vorschriften für Arzneimittel, insbesondere des § 17 Abs. 6 NBhVO, auf nicht beihilfefähige Aufwendungen für Medizinprodukte nicht in Betracht.

e) Der Kläger hat auch nicht aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (Art. 33 Abs. 5 GG, § 45 BeamtStG) einen Anspruch auf Gewährung der begehrten Beihilfe. Der Beklagte ist zudem auch nicht aufgrund der Härtefallregelung des § 4 Abs. 2 NBhVO, wonach - sofern die Gewährung von Beihilfe für Aufwendungen nach der Niedersächsischen Beihilfeverordnung ausgeschlossen ist - Beihilfe dennoch zu gewähren ist, wenn die Ablehnung der Beihilfegewährung im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 45 BeamtStG zu einer unzumutbaren Härte führt, zur Gewährung der von dem Kläger begehrten Beihilfe verpflichtet. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht ist wegen des Zusammenhangs mit der sich ebenfalls aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Alimentationspflicht des Dienstherrn unter anderem verletzt, wenn der Beihilfeberechtigte infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (BVerwG, Urteil vom 26.3.2015, a. a. O., Rn 36; Urteil vom 26.4.2018 - BVerwG 5 C 4.17 -, juris Rn 12; Nds. OVG, Beschluss vom 18.6.2019 - 5 LA 25/18 -). Der Wesenskern der Fürsorgepflicht ist verletzt, wenn die Nichterstattung der Aufwendungen zu Belastungen für den Beamten führt, die sich im Hinblick auf die Höhe seiner Alimentation für ihn als unzumutbar darstellen und insbesondere geeignet sind, den amtsangemessenen Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie zu gefährden (BVerwG, Urteil vom 26.3.2015, a. a. O., Rn 39). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Bei Kosten für das Präparat Omni Sorb in Höhe von monatlich etwa 20 € - der Kläger ist der diesbezüglichen Feststellung des Verwaltungsgerichts (S. 7, 2. Abs. UA) nicht entgegengetreten - ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Klägers im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren noch ansonsten Anhaltspunkte dafür, dass der nach der Besoldungsgruppe A 14 alimentierte Kläger die Aufwendungen für das streitige Präparat mit seiner Regelalimentation und einer zumutbaren Eigenvorsorge nicht tragen kann und dass ihn die Kosten finanziell übermäßig belasten könnten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §§ 132 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 BeamtStG, 127 BRRG liegen nicht vor.