Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.04.2020, Az.: 5 LB 129/18

Benachteiligung wegen des Geschlechts; Kopftuchverbot; religiöse Benachteiligung; Schuldienst

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.04.2020
Aktenzeichen
5 LB 129/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71999
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 18.01.2017 - AZ: 3 A 24/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz für muslimische Lehrerin, die aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ein Kopftuch trägt

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Entschädigung wegen der Benachteiligung der Klägerin durch das sogenannte Kopftuchverbot.

Die Klägerin, die die Lehrbefähigung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen in den Fächern Mathematik, Deutsch und Islamische Religion hat, bewarb sich bei der Beklagten am … 2013 um die Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst.

Am … 2013 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre Bereitschaft, den Dienst an der Grundschule D. (Stellen-Nr. 41858) mit einer Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen (gemäß § 62 NBG) in Höhe von 20 Wochenstunden aufzunehmen.

Mit Schreiben vom … 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei für die Stelle als Lehrerin im Beamtenverhältnis auf Probe an der Grundschule D. - voraussichtlicher Einstellungstermin … 2013 - ausgewählt worden. Ihre Beschäftigung sei mit 28 Wochenstunden vorgesehen. Ihre Dienstbezüge erhalte sie voraussichtlich nach der Besoldungsgruppe A 12. Vor ihrer Einstellung sei jedoch noch eine abschließende Prüfung der Voraussetzungen erforderlich. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass sie einen Rechtsanspruch auf ihre Einstellung aus diesem Bescheid nicht herleiten könne.

Die Direktorin der Grundschule D. informierte die Beklagte mit Schreiben vom … 2013 darüber, dass die Klägerin sich am … 2013 bei ihr vorgestellt und dabei gesagt habe, sie würde ihr Kopftuch unter keinen Umständen während des Unterrichts ablegen, weil sie dann nicht „authentisch“ wäre. Daraufhin habe sie - die Direktorin - der Klägerin mitgeteilt, dass sie die Klägerin „unter diesen Bedingungen“ nicht beschäftigen könne. Die Klägerin habe während des Gesprächs erwähnt, dass es „nicht so schlimm“ wäre, wenn sie die Stelle nicht bekäme, weil sie zurzeit an der Universität A-Stadt arbeite und ihr Ehemann auch berufstätig sei.

Während eines Telefonats mit der Fachbereichsleiterin des Dezernats … (Regionalabteilung C-Stadt) der Beklagten am 2. Juli 2013 bestätigte die Klägerin, dass sie ihr Kopftuch in allen zu unterrichtenden Fächer tragen würde. Die Fachbereichsleiterin wies sie deshalb auf § 51 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) hin und teilte ihr mit, dass sie dann für eine Einstellung nicht geeignet sei. Die Klägerin stellte in Aussicht, dass sie eine schriftliche Ablehnung akzeptieren werde.

Die Beklagte nahm mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. Juli 2013 das Einstellungsangebot vom … 2013 gegenüber der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Auswahl und Ernennung der Bewerber seien nach Eignung, Befähigung und fachlicher Eignung vorzunehmen. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Eignung erfordere eine Prognoseentscheidung, wobei der Dienstherr die Gesamtheit der Eigenschaften, die das jeweilige Amt von seinem Inhaber fordere, umfassend zu bewerten habe. Nach § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG dürfe das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften in der Schule, auch wenn es von einer Lehrkraft aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewählt werde, keine Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen, den Bildungsauftrag der Schule überzeugend erfüllen zu können. Auch die aus Art. 4 Abs. 1 GG herzuleitende Verpflichtung zu einer religiös und weltanschaulich neutralen Amtsführung gehöre zu den Dienstpflichten eines Beamten. Das Vorhaben der Klägerin, im Unterricht ein Kopftuch aus religiösen Gründen zu tragen, widerspreche dem Neutralitätsgebot, dem Mäßigungsgebot für Beamte und dem Recht auf negative Religionsfreiheit der Schüler. Die verfassungsrechtlich geforderte Neutralität der Schule und das Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 GG forderten eine Bekleidung, mit der Schüler nicht einem ihrer Überzeugung widersprechenden religiösen oder weltanschaulichen Einfluss ausgesetzt seien. Nach § 3 NSchG seien öffentliche Schulen grundsätzlich Schulen für Schüler aller Bekenntnisse und Weltanschauungen. Die Kinder sollten dort ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung gemeinsam erzogen und unterrichtet werden. Die gegenseitige Toleranz könne nur erreicht werden, wenn die Lehrkräfte selbst eine weitreichende Neutralität in religiösen und weltanschaulichen Fragen wahrten. Diese Grenzen würden dann überschritten, wenn die Klägerin als Lehrkraft beabsichtige, während des Unterrichts ein Kopftuch aus religiösen Gründen zu tragen. Denn dadurch würde die negative Glaubensfreiheit der Schüler verletzt, da von ihr eindeutig ein religiöser Gehalt beigemessen werde, wenn sie im Unterricht ein Kopftuch trage.

Die Klägerin war bis zum … 2013 an der Universität A-Stadt als wissenschaftliche Hilfskraft angestellt und erhielt dafür ca. 850,- EUR monatlich. Sie war im Schuljahr 2013/2014 als Vertretungslehrerin im Durchschnitt einmal im Monat an der Drei-Religionen-Grundschule in C-Stadt beschäftigt und erhielt 181,02 EUR pro Vertretungsstunde. Seit dem Schuljahr 2014/2015 ist sie als Lehrerin im Angestelltenverhältnis an der vorgenannten Grundschule tätig.

Mit Schreiben vom 10. Mai 2015, zugestellt am 12. Mai 2015, teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihr sei am 13. März 2015 durch die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts bekannt geworden, dass das Bundesverfassungsgericht das sogenannte Kopftuchverbot für verfassungswidrig erklärt habe. Aus diesem Grund mache sie Schadensersatzansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bzw. Entschädigungsansprüche aus einer Persönlichkeitsverletzung aufgrund einer Benachteiligung durch das Kopftuchverbot (Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit) geltend. Sie habe eine „Inaussichtnahme ins Beamtenverhältnis“ gehabt, die seitens der Beklagten nicht aufrechterhalten worden sei. Aufgrund der damaligen Gesetzeslage habe sie ihren Beruf aufgeben müssen.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die von ihr geltend gemachten Ansprüche bestünden bereits dem Grunde nach nicht. Ansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz seien verfristet. Die 2-Monatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG habe mit dem Zugang der ablehnenden Entscheidung am 10. Juli 2013 begonnen und sei bereits am 10. September 2013 abgelaufen. Selbst wenn sich der Fristbeginn verschoben hätte, weil im Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage der Lauf der Ausschlussfrist zu dem Zeitpunkt beginne, ab dem die Erhebung der Klage dem Betroffenen zumutbar, d. h. die Klage hinreichend aussichtsreich - wenn auch nicht risikolos - sei, wäre im Fall der Klägerin die Frist des § 15 Abs. 4 AGG nicht eingehalten. Für den Beginn der Frist in diesen Fällen sei die objektive Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidung maßgeblich. Das Bundesverfassungsgericht habe den infrage stehenden Beschluss bereits am 27. Januar 2015 gefasst, so dass die 2-Monatsfrist bereits am 27. März 2015 abgelaufen sei. Ein Entschädigungsanspruch aufgrund einer Persönlichkeitsrechtsverletzung aus § 823 Abs. 1, 2 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG bestehe ebenfalls nicht, weil eine Widerrechtlichkeit der Rechtsgutverletzung bereits nicht gegeben sei. Die Rücknahme des Einstellungsangebots sei aufgrund der Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt zu beurteilen, da die Widerrechtlichkeit zum Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung vorliegen müsse. Die damalige Entscheidung habe auf § 51 Abs. 3 NSchG beruht und sei zu jenem Zeitpunkt auch rechtmäßig gewesen. Zwar sei davon auszugehen, dass durch das sogenannte Kopftuchverbot eine Benachteiligung aus religiösen Gründen im Grundsatz vorgelegen habe, jedoch sei diese durch die Zielsetzung der Maßnahme und des zugrundeliegenden § 51 Abs. 3 NSchG, nämlich die Erfüllung des Bildungsauftrags und die Berücksichtigung des Rechts der negativen Religionsfreiheit der Schüler, gerechtfertigt gewesen. Sie habe zu jenem Zeitpunkt der geltenden Gesetzes- und Erlasslage entsprochen. Selbst bei Vorliegen einer rechtswidrigen Rechtsgutverletzung wäre diese weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt worden, da die Entscheidung der damaligen Rechtslage entsprochen habe.

Die Klägerin hat am 16. März 2016 Klage beim Verwaltungsgericht Osnabrück erhoben.

Sie hat die Ansicht vertreten, es liege eine unmittelbare Benachteiligung durch den Rücknahmebescheid der Beklagten vom 10. Juli 2013 vor. Das Kopftuch stelle für sie einen Ausdruck der eigenen Religiosität gegenüber der Umwelt dar. Die Beklagte könne sich nicht auf die seinerzeit geltende Rechtslage und die religiöse Neutralität als wesentliche Voraussetzung des Beamtenrechts berufen. Bei dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG handele es sich um einen verschuldensunabhängigen Anspruch. Die 2-Monatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG sei eingehalten, weil sie nicht schon durch den vorgenannten Bescheid der Beklagten Kenntnis über die Benachteiligung erhalten habe. Erst durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 sei die Rechtslage dahingehend geklärt worden, dass ein pauschales Kopftuchverbot kein entscheidendes berufliches Merkmal darstelle, welches die Benachteiligung habe rechtfertigen können.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das jedoch den Betrag von 8.257,23 EUR nicht unterschreiten soll, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe einen Entschädigungsanspruch zu spät geltend gemacht. Auch die Klageerhebung sei bei entsprechender Anwendung des  § 61 b ArbGG zu spät erfolgt. Darüber hinaus sei die Benachteiligung aufgrund der Religionszugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rücknahme des Einstellungsangebots gerechtfertigt gewesen. Die Benachteiligung der Klägerin sei durch die Anwendung des § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG in der Weise erfolgt, wie es die Gesetzesbegründung der Norm vorgesehen habe. Ein Berufsverbot sei daraus nicht abzuleiten gewesen. Die Klägerin sei nunmehr bei der Schulstiftung … C-Stadt angestellt und an der Drei-Religionen-Grundschule in C-Stadt tätig. Zudem habe die Klägerin bisher von einer erneuten Bewerbung um eine Stelle im niedersächsischen Schuldienst abgesehen, obwohl das Tragen des Kopftuchs nach der neuen Rechtslage kein grundsätzliches Hindernis mehr für die Einstellung darstelle.

Mit Urteil vom 18. Januar 2017 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar sei der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eröffnet und die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG gewahrt, ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG in Verbindung mit § 24 Nr. 1 AGG sei jedoch dem Grunde nach aus zwei selbständig tragenden Gründen nicht gegeben. Maßgeblich sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides über die Einstellungszusage bzw. des Erlasses des Rücknahmebescheides vom 10. Juli 2013. Zu diesem Zeitpunkt habe zum einen keine Ungleichbehandlung der Klägerin wegen ihrer Religion vorgelegen. Zum anderen wäre bei Annahme einer Benachteiligung im Sinne von § 7 Abs. 1 AGG in Verbindung mit § 1 AGG diese zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt durch die Einschränkung des § 8 AGG gerechtfertigt gewesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Schmerzensgeld nach § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG bestehe mangels schweren Verschuldens der Beklagten nicht. Die Beklagte habe bei der Rücknahme der Einstellungszusage nach der damaligen Rechtslage unter Anwendung von § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG rechtmäßig gehandelt.

Auf den gegen diese Entscheidung gerichteten Antrag der Klägerin hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. August 2018 (- 5 LA 40/17 -) die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie ist weiterhin der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu. Abzustellen sei auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 27. Januar 2015 (- 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10 -, juris) festgestellt, ein pauschales Verbot religiöser Bekundungen in öffentlichen Schulen durch das äußere Erscheinungsbild von Pädagogen sei mit deren Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) nicht vereinbar. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erfasse auch eine Entschädigung für ein „legislatives Unrecht“.

Es liege ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG vor. Sie sei unmittelbar wegen ihrer Religion benachteiligt worden, weil sie gegenüber anderen Bewerbern, die nicht aus religiösen Gründen ein bestimmtes Kleidungsstück trügen, ungleich behandelt worden sei. Zudem sei auch eine mittelbare Benachteiligung wegen ihres Geschlechts gegeben, da von dem auf § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG gestützten Verbot religiöser Bekundungen faktisch ausschließlich muslimische Frauen betroffen seien.

Ihre unterschiedliche Behandlung sei nicht nach § 8 AGG zulässig gewesen. Der staatliche Erziehungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG), der unter Wahrung der Pflicht zur weltanschaulich-religiöser Neutralität zu erfüllen sei, stehe der Betätigung ihrer positiven Glaubensfreiheit durch das Tragen eines muslimischen Kopftuchs nicht generell entgegen.

Eine angemessene Entschädigung müsse eine abschreckende Wirkung auf den Arbeitgeber und Dritte haben und in jedem Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen. Vorliegend sei ein Betrag in Höhe von 8.257,23 EUR als untere Grenze für eine Entschädigung als angemessen anzusehen. Zwar sei der Grad der Verantwortlichkeit der Beklagten gering, weil sie nur der Vorschrift des § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG folgend agiert habe. Aufgrund dieser Regelung seien jedoch wiederholt muslimische Lehrerinnen über einen Zeitraum von ungefähr elf Jahren von einer Tätigkeit an öffentlichen Schulen in Niedersachsen ausgeschlossen worden. Der Vorwurf, sie habe sich nicht verfassungskonform verhalten, beinhalte eine nicht unerhebliche Stigmatisierung. Hinsichtlich der Art und Schwere der Benachteiligung sei relevant, dass eine unmittelbare Benachteiligung wegen ihrer ausgeübten Religion vorliege. Das Kopftuchverbot stelle eine schwerwiegende Verletzung ihrer Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 3 GG dar. Erschwerend komme hinzu, dass eine Mehrfachdiskriminierung - Benachteiligung aufgrund ihrer Religion und ihres Geschlechts - gegeben sei. Bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung sei die erlittene Persönlichkeitsverletzung des Benachteiligten und das Inklusionsinteresse einzubeziehen. Sie habe bereits ein Einstellungsangebot erhalten gehabt. Es sei nur aufgrund ihrer Absicht, ein Kopftuch im Unterricht tragen zu wollen, wieder zurückgenommen worden. Im Hinblick auf die Dauer der Beeinträchtigung sei zu bedenken, dass sie für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren von einer Tätigkeit als Beamtin im Schuldienst ausgeschlossen worden sei. Einen Ausgleich könne weder ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität A-Stadt noch ihre Stelle an der Drei-Religionen-Grundschule in C-Stadt darstellen, denn beide Tätigkeiten begründeten kein Beamtenverhältnis. Sie habe nur für den Zeitraum vom 5. August 2013 bis zum 30. Januar 2014 einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung gestellt und hätte anschließend in Vollzeit gearbeitet. Sie könne sich nicht daran erinnern, gegenüber der Direktorin der Grundschule D. am 25. Juni 2013 erklärt zu haben, dass es „nicht so schlimm“ wäre, wenn sie die Stelle nicht bekäme, weil sie zurzeit an der Universität A-Stadt arbeite und ihr Ehemann auch berufstätig sei. Sie habe die Direktorin als ihr gegenüber sehr ablehnend wahrgenommen. Bis zu diesem Gespräch habe sie die Übernahme in den öffentlichen Schuldienst schon als sichere Angelegenheit betrachtet, weil die Beklagte ihr gegenüber eine Einstellungszusage abgegeben hätte, obwohl sie - die Klägerin - sich mit einem Foto, das sie mit Kopftuch zeige, beworben gehabt hätte.

Ihr könne nicht entschädigungsmindernd entgegengehalten werden, sie sei durch die Nichteinstellung nicht in ihrer finanziellen Existenz bedroht worden. Der von ihr erlittene immaterielle Schaden sei im Ansatz unabhängig von ihren materiellen Lebensumständen zu bemessen. Ihre Akzeptanz der Rücknahmeentscheidung bedeute nur, dass sie keine Möglichkeiten gesehen habe, dagegen vorzugehen, nicht aber, dass sie ihre Nichteinstellung als „nicht so schlimm“ empfunden habe. Auch die psychischen Auswirkungen der Diskriminierung dürften nicht außer Betracht bleiben. Dass sie trotz der demotivierenden und belastenden Behandlung durch die Beklagte nicht resigniert, sondern eine andere Stelle gefunden habe, könne ihr nicht entschädigungsmindernd entgegengehalten werden. Unbeachtlich sei auch, dass sie sich ca. zwei Jahre nach der Benachteiligung erneut bei der Beklagten hätte bewerben können. Aus der Wertung des § 15 Abs. 6 AGG ergebe sich, dass der Entschädigungsanspruch nicht gemindert werde, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Vertragsabschluss anbiete. Erst Recht müsse das gelten, wenn kein konkreter Vertragsabschluss in Aussicht gestellt, sondern nur eine erneute Bewerbung möglich sei. Ihre Bewerbungen auf den öffentlichen Schuldienst in Nordrhein-Westfalen seien erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht habe in einem übertragbaren Fall eine Entschädigung in Höhe von monatlich 100,- EUR für angemessen gehalten (BVerwG, Urteil vom 6.4.2017 - BVerwG 2 C 12.16 -, juris). Es gebe weitere vergleichbare Fälle, in denen zur Zahlung einer höheren Entschädigung verurteilt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 18. Januar 2017 - 3 A 24/16 - aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das jedoch den Betrag von 8.257,23 EUR nicht unterschreiten soll, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Ansicht, die Klägerin habe dem Grunde nach keinen Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Ob die Rücknahme des Einstellungsangebots mit Bescheid vom 10. Juli 2013 eine ungerechtfertigte Benachteiligung darstelle, beurteile sich anhand der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung geltenden Sach- und Rechtslage. Bei Prüfungsentscheidungen oder ähnlichen Verwaltungsakten, die an die Qualifikation des Betroffenen im Entscheidungszeitpunkt anknüpften, müsse für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit auf eben diesen Zeitpunkt abgestellt werden. § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG stelle eine Konkretisierung des beamtenrechtlichen Eignungsbegriffs dar. Maßgeblich sei deshalb das Erkenntnismaterial, das der Behörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorgelegen habe. Demnach könne die geänderte Rechtsprechung zum Tragen eines Kopftuchs im Unterricht beim Anspruch auf Entschädigung keine Berücksichtigung finden. Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt der Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheides sei unabhängig von dem Zeitpunkt für den Beginn der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG zu beurteilen.

Ferner liege kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG vor. Die Regelung in § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG sei nicht verfassungswidrig und stelle kein „legislatives Unrecht“ dar. Nach § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG seien alle Bewerber unterschiedslos zu behandeln. Die Vorschrift untersage das Tragen jeder religiösen Bekleidung, die Zweifel an der Eignung der Lehrkraft zur Erfüllung des Bildungsauftrags begründen könne und treffe damit auch andere Bewerber, die aus religiösen Motiven ein bestimmtes Kleidungsstück trügen. § 1 AGG gebiete nicht eine Ungleichbehandlung zur Ermöglichung der religiösen Betätigung innerhalb des Arbeitsverhältnisses. Eine Ungleichbehandlung liege nicht vor, weil gerade eine Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer bei der Erbringung ihrer geschuldeten Leistung ungeachtet ihrer Religion verlangt werde. Auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts sei nicht gegeben.

Für Beamte gelte das Neutralitätsgebot. Dessen Einhaltung stelle eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne des § 8 AGG dar. Die Sicherung der staatlichen Neutralität sei ein sachlich gerechtfertigtes Ziel. Dieses Ziel werde durch die angemessene und erforderliche Regelung in § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG durchgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 24. September 2003 (- 2 BvR 1436/02 -, juris) festgestellt, vom Tragen des Kopftuchs durch eine Lehrerin gehe eine abstrakte Gefährdung der weltanschaulich-religiösen Neutralität der Schule und des Schulfriedens aus, die als Rechtfertigung eines Eingriffs in die Religionsfreiheit ausreiche. Der Gesetzgeber habe der abstrakten Gefahr durch eine auch in der Kleidung sichtbar bleibende Neutralität begegnen dürfen. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Rücknahmeentscheidung gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG aufgrund einer nur abstrakten Gefahr für den Schulfrieden und die staatliche Neutralität getroffen worden sei, weil das der damaligen Rechtslage entsprochen habe.

Zudem wäre allenfalls eine Entschädigung in Höhe von 400,- EUR angemessen. Ihr könne kein Verschuldensvorwurf gemacht werden, weil sie entsprechend der zum Erlasszeitpunkt geltenden Rechtslage agiert habe. Die Verwaltungspraxis habe der geltenden Rechtslage entsprochen, so dass sich Wiederholungsfälle nicht auswirken könnten. Von einer nicht unerheblichen Stigmatisierung der Klägerin könne keine Rede sein, zumal die Ablehnung ohne Beteiligung Dritter ausgesprochen worden sei. Mangels einer Wiederholungsgefahr sei die Erzielung einer abschreckenden Wirkung durch die Höhe der Entschädigung nicht erforderlich. § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG werde nunmehr verfassungskonform ausgelegt und nicht mehr als präventive Verbotsnorm aufgefasst. Pädagoginnen, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch trügen, würden nunmehr in den niedersächsischen Schuldienst eingestellt, wenn nicht eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden und die staatliche Neutralität bestehe. Es sei auch nicht entschädigungserhöhend zu berücksichtigen, dass das sogenannte Kopftuchverbot einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 3 GG darstelle, weil alle Benachteiligungen nach § 1 AGG mit Grundrechtsverstößen einhergingen. Zudem wäre eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts weniger schwerwiegend, so dass nicht eine erschwerend zu berücksichtigende Mehrfachdiskriminierung vorliege. Die Ablehnung der Klägerin aus religiösen Gründen sei nicht in besonders demütigender Art und Weise erfolgt. Die Klägerin sei - wie das Einstellungsangebot zeige - entsprechend ihrer Qualifikation und ihrer beruflichen Fähigkeiten behandelt worden. Die Direktorin der Grundschule D. habe sich nicht generell und in einer herabwürdigenden Weise gegen die Religion oder den Ausdruck des Glaubens durch das Tragen des Kopftuchs ausgesprochen, sondern habe nur die der damals geltenden Rechtslage entsprechende Aussage getroffen, das Tragen eines Kopftuchs im Unterricht stehe im Widerspruch zu den beamtenrechtlichen Pflichten und gefährde den Schulfrieden. Die Klägerin sei zwar für den Zeitraum von zwei Jahren von der Tätigkeit als Beamtin im öffentlichen Schuldienst ausgeschlossen gewesen, sie hätte jedoch bei einer Bewerbung im Jahr 2015 in den niedersächsischen Schuldienst eingestellt werden können. Der Wertung des § 15 Abs. 6 AGG könne nicht entnommen werden, dass der Entschädigungsanspruch nicht gemindert werden dürfe, wenn der Benachteiligte auf eine erneute Einstellung bzw. Bewerbung verzichtet habe. Unerheblich sei, dass die Klägerin sich mehrfach erfolglos in einem anderen Bundesland beworben habe. Die Klägerin habe zudem Erfahrungen als Lehrerin an der Drei-Religionen-Schule gesammelt und in ihre Altersvorsorge eingezahlt. Irrelevant sei der Verdienst, den die Klägerin als wissenschaftliche Hilfskraft sowie Vertretungskraft im Verhältnis zu den monatlichen Dienstbezügen einer Grundschullehrkraft gehabt habe, weil der erlittene immaterielle Schaden im Ansatz unabhängig von den materiellen Lebensumständen des Benachteiligten zu bemessen sei. Die Angaben der Klägerin, es sei „nicht so schlimm“, wenn sie die Stelle nicht bekäme, und sie akzeptiere die Ablehnung, sprächen dafür, dass sie sich nicht besonders herabgewürdigt gefühlt habe. Schadensmindernd sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin aufgrund der beantragten Teilzeitbeschäftigung im Zeitraum vom 5. August 2013 bis zum 30. Januar 2014 nicht die vollen monatlichen Bezüge erhalten hätte. Der von der Klägerin angeführte Fall einer Entschädigung wegen einer altersdiskriminierenden Besoldung bei einer monatlich wiederkehrenden Benachteiligung lasse sich mangels wiederkehrender Benachteiligung der Klägerin nicht übertragen.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 3. und 14. April 2020 ihr Einverständnis erklärt, dass über die Berufung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten ergeht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin (vgl. §§ 125 Abs. 1, 87 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung der Klägerin hat im tenorierten Umfang Erfolg.

A. Die Klage ist zulässig.

Die auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens gerichtete allgemeine Leistungsklage ist statthaft. Insbesondere ist der Klageantrag im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO hinreichend bestimmt. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin keinen - grundsätzlich, auch mit Blick auf § 103 Abs. 3 VwGO, erforderlichen - bezifferten Klageantrag formuliert, sondern die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Es ist anerkannt, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG diese Möglichkeit eröffnet und den Gerichten damit hinsichtlich der Bemessung der Entschädigung einen Spielraum einräumt. Die Klägerin hat die für die Bemessung der Höhe des Anspruchs erforderlichen Tatsachen benannt und mit der Aufnahme eines Mindestbetrags in Höhe von 8.257,23 EUR in ihren Klageantrag, der sich an den entgangenen Dienstbezügen und der Obergrenze in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG orientiert, auch eine Größenordnung angegeben (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.10.2019 - 6 A 2170/16 -, juris Rn. 25 ff. m. w. N.).

B. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 4.128,62 EUR (eineinhalb der potentiellen monatlichen Dienstbezüge) zu, weil sie wegen ihrer Religion und ihres Geschlechts bei ihrer Bewerbung um die Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst benachteiligt wurde.

I. Für die Frage, ob ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung besteht, ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung am 24. April 2020 maßgeblich.

Die Klägerin hat eine allgemeine Leistungsklage mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu verurteilen. Der maßgebliche Zeitpunkt bestimmt sich bei der allgemeinen Leistungsklage nach denselben Maßstäben wie bei der in § 42 Abs. 1 VwGO geregelten Verpflichtungsklage. Denn die Verpflichtungsklage ist nur eine besondere Form der Leistungsklage ist (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 42 Rn. 62). Maßgeblich ist grundsätzlich, ob im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Rechtsanspruch auf die begehrte Amtshandlung oder Unterlassung besteht. Denn bei Verpflichtungsklagen ist im Zweifel die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt maßgeblich (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 29.10.2019 - 5 LC 203/17 -, juris Rn. 34; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, Vorb § 40 Rn. 8 a; Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Auflage 2014, § 108 Rn. 27; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 102). Für diese Regel spricht, dass die Verpflichtungs- und die Leistungsklage vorrangig dem Schutz subjektiver Rechte dienen. Es kommt folglich darauf an, ob der Betroffene zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über die Rechtslage urteilt, einen Anspruch auf Erlass des abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes bzw. auf Vornahme des Realaktes hat. Hat sich die Sach- und Rechtslage bis dahin zu seinen Gunsten verändert, muss das Gericht dem Rechnung tragen (Sodan/Ziekow, a. a. O., § 113 Rn. 103 f.).

Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem anzuwendenden materiellen Recht. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist mit Wirkung zum 18. August 2006 in Kraft getreten. Die Regelung des Entschädigungsanspruchs in § 15 Abs. 2 AGG hat sich seitdem nicht verändert. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz enthält zu § 15 Abs. 2 AGG auch keine Bestimmungen, wonach bei dieser Norm (ausnahmsweise) nicht auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen wäre. Es ergibt sich nur eine zeitliche Begrenzung der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs aus der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG. Ob ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des § 15 Abs. 2 AGG in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 AGG vorliegt, ist anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu prüfen. Denn anderenfalls könnte sich der Arbeitgeber bzw. der Dienstherr von seiner Haftung mit dem Argument befreien, er habe der seinerzeit geltenden Rechtslage entsprechend gehandelt und sei deshalb entschuldigt. Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist jedoch verschuldensunabhängig ausgestaltet, um das unionsrechtliche Erfordernis zu erfüllen, dass die Haftung des Urhebers einer Diskriminierung nicht vom Nachweis seines Verschuldens oder vom Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes abhängig gemacht werden darf (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 6.13 -, juris Rn. 34 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 22.4.1997 - Rs. C-180/95, Draehmpaehl -, Slg. 1997, I-2195 Rn. 17 und 22). Angesichts des umfassenden Verbots der Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz darf eine Haftung für benachteiligendes behördliches Handeln, welches im konkreten Vollzug einer gesetzlichen Regelung (unter Zugrundelegung der damaligen Rechtsprechung) erfolgt ist, nicht ausgeschlossen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.4.2017, a. a. O., Rn. 35). Dies gilt auch, wenn - wie hier - fraglich ist, ob die Rücknahme eines Einstellungsangebots in den niedersächsischen Schuldienst einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG begründet. Denn bei der Frage, ob ein materieller Anspruch auf Entschädigung wegen einer unzulässigen Benachteiligung nach § 15 Abs. 2 AGG besteht, bedarf es gerade nicht einer (beschränkt überprüfbaren) Prognoseentscheidung. Zu berücksichtigen ist deshalb im vorliegenden Einzelfall auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 (a. a. O.), der gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG das erkennende Gericht und die Beklagte bindet.

II. Der Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG.

1. Der Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist eröffnet.

Die Beteiligten unterfallen dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Die Klägerin hat sich am 15. Mai 2013 um die Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst beworben. Als Bewerberin für die Einstellung als Lehrerin in ein Beamtenverhältnis auf Probe gilt sie gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG in Verbindung mit § 24 Nr. 1 AGG als Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes. Die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gelten hiernach unter anderem für Beamte der Länder, wenngleich nur „unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung“. Die Beklagte als möglicher (künftiger) Dienstherr der Klägerin ist zugleich Arbeitgeber im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG in Verbindung mit § 24 Nr. 1 AGG (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.3.2011 - BVerwG 5 C 16.10 -, juris Rn. 12).

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG wird auch der Zugang zur Beschäftigung, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, vom sachlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfasst.

2. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG sind erfüllt.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG ist der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (§ 15 Abs. 2 Satz 2 AGG).

a) Voraussetzung für den - im Unterschied zu § 15 Abs. 1 AGG - verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Zwar wird dieser Verstoß nur in § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG als Tatbestandsvoraussetzung für den Ersatz materieller Schäden ausdrücklich genannt. Dem Charakter des § 15 AGG als umfassender Regelung der finanziellen Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entspricht es aber, auch die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG an einen derartigen Verstoß zu binden (OVG NRW, Urteil vom 7.10.2019, a. a. O., Rn. 52 f. m. w. N.).

Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. In § 1 AGG ist als Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes u. a. die Verhinderung oder Beseitigung von Benachteiligungen aus Gründen der Religion und des Geschlechts benannt. Benachteiligung im Sinne des Benachteiligungsverbots des § 7 Abs. 1 AGG ist jede unterschiedliche Behandlung, die mit einem Nachteil verbunden ist. Nicht erforderlich ist, dass in Benachteiligungsabsicht gehandelt oder die Benachteiligung sonst schuldhaft bewirkt worden ist (BVerwG, Urteil vom 3.3.2011 - BVerwG 5 C 16.10 -, juris, Rn. 17). § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die unmittelbare Benachteiligung kann auch in einem Unterlassen liegen (vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 32). Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Im Hinblick auf eine - insbesondere bei einer Einstellung zu treffende - Auswahlentscheidung des Arbeitsgebers bzw. Dienstherrn befinden sich Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben (vgl. LArbG Berl.-Bbg., Urteil vom 9.2.2017 - 14 Sa 1038/16 -, juris Rn. 97).

Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss ein Kausalzusammenhang bestehen, denn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG erfordert, dass die Benachteiligung „wegen“ eines solchen Grundes erfolgt ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.10.2019 - 6 A 2170/16 -, a. a. O., Rn. 67 ff.). Soweit es um eine unmittelbare Benachteiligung geht, ist hierfür nicht erforderlich, dass der betreffende Grund im Sinne des § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die unmittelbare Benachteiligung an einen Grund im Sinne des § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt. Geht es hingegen um eine mittelbare Benachteiligung, ist der Kausalzusammenhang dann gegeben, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Halbsatz 1 AGG erfüllt sind, ohne dass es einer direkten Anknüpfung an einen Grund im Sinne von § 1 AGG oder eines darauf bezogenen Motivs bedarf (vgl. LArbG Berl.-Bbg., Urteil vom 27.11.2018 - 7 Sa 963/18 -, juris Rn. 38 m. w. N.).

Gemäß § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nur dann zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. § 8 Abs. 1 AGG dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht. § 8 Abs. 1 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EUGH eng auszulegen. Bei der Anwendung von § 8 Abs. 1 AGG ist zu beachten, dass nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern nur ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen kann und dass ein solches Merkmal - oder sein Fehlen - nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG ist, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt (vgl. LArbG Berl.-Bbg, Urteil vom 9.2.2017 - 14 Sa 1038/16 -, a. a. O., Rn. 112 f. m. w. N.).

Nach den vorgenannten Grundsätzen ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG gegeben. Die unterschiedliche Behandlung der Klägerin wegen eines in § 1 genannten Grundes ist auch nicht deshalb gemäß § 8 Abs. 1 AGG zulässig, weil dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt und der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

b) Die Beklagte hat die Klägerin unmittelbar wegen ihrer Religion benachteiligt, ohne dass diese Benachteiligung gemäß § 8 Abs. 1 AGG zulässig gewesen ist.

aa) Zu den Gründen, aus denen nach § 7 Abs. 1 AGG in Verbindung mit § 1 AGG eine Benachteiligung verboten ist, gehört das Merkmal der Religion. Die Beklagte hat die Klägerin unmittelbar wegen ihrer Religion benachteiligt, indem sie ihr Einstellungsangebot vom 12. Juni 2013 mit Bescheid vom 10. Juli 2013 zurückgenommen und der Klägerin damit die Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst versagt hat, weil sie - die Klägerin - als gläubige Muslima auch im Dienst ein islamisches Kopftuch tragen würde. Eine solche Benachteiligung ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des Rücknahmebescheides der Beklagten vom 10. Juli 2013 und ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Nachdem die Klägerin am 25. Juni 2013 gegenüber der Direktorin der Grundschule D. sowie am 2. Juli 2013 gegenüber der Fachbereichsleiterin des Dezernats … (Regionalabteilung C-Stadt) der Beklagten zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie das Tragen des Kopftuchs als ein nach dem Koran verpflichtendes religiöses Gebot empfinde, hat die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 2013 ihr Einstellungsangebot vom … 2013 gegenüber der Klägerin zurückgenommen. Zur Begründung hat sie im vorgenannten Bescheid ausgeführt, das Vorhaben der Klägerin, im Unterricht ein Kopftuch aus religiösen Gründen zu tragen, widerspreche dem Neutralitätsgebot, dem Mäßigungsgebot für Beamte und dem Recht auf negative Religionsfreiheit der Schüler. Die verfassungsrechtlich geforderte Neutralität der Schule und das Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 GG forderten eine Bekleidung, mit der Schüler nicht einem ihrer Überzeugung widersprechenden religiösen oder weltanschaulichen Einfluss ausgesetzt seien. Die Grenzen würden dann überschritten, wenn die Klägerin als Lehrkraft beabsichtige, während des Unterrichts ein Kopftuch aus religiösen Gründen zu tragen. Denn dadurch würde die negative Glaubensfreiheit der Schüler verletzt, da von ihr eindeutig ein religiöser Gehalt beigemessen werde, wenn sie im Unterricht ein Kopftuch trage.

Die Klägerin ist weniger günstig behandelt worden als die letztlich ausgewählten Mitbewerber, da sie allein aufgrund des Tragens des Kopftuchs - mithin wegen ihrer islamischen Religion - nicht eingestellt und demzufolge auch nicht in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen worden ist (vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 7.10.2019 - 6 A 2170/16 -, a. a. O., Rn. 57). Die Beklagte hat auch im gerichtlichen Verfahren keine anderen Gründe für die Rücknahme ihres Einstellungsangebots mit Bescheid vom 10. Juli 2013 dargelegt, sondern sich vor allem auf die Regelung in § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG und damit auf eine Rechtfertigung nach § 8 Abs. 1 AGG berufen.

bb) Eine auf § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG gestützte unterschiedliche Behandlung der Klägerin allein deshalb, weil sie aus religiösen Gründen im Unterricht ein Kopftuch zu tragen beabsichtigte, war nicht nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt. Das Unterlassen des Tragens eines islamischen Kopftuchs im Unterricht stellt keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Tätigkeit als verbeamtete Lehrkraft im niedersächsischen Schuldienst dar (vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 7.10.2019 - 6 A 2170/16 -, a. a. O., Rn. 64).

Zwar bestimmt § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG, dass das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften in der Schule, auch wenn es von einer Lehrkraft aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewählt wird, keine Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen darf, den Bildungsauftrag der Schule (§ 2 NSchG) überzeugend erfüllen zu können. Es handelt sich um eine besondere dienstrechtliche Regelung, die unmittelbare Anforderungen an das Verhalten von Lehrkräften stellt, und an sich einem Einsatz der Klägerin, die im Schuldienst ein islamisches Kopftuch zu tragen beabsichtigt, entgegenstehen würde.

§ 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG entspricht auch den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 24. September 2003 (a. a. O.) aufgestellt hat. Gegenstand dieser Entscheidung war die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde einer Muslima, deren Einstellung als Lehrerin an Grund- und Hauptschulen im Schuldienst des Landes Baden-Württemberg mit der Begründung abgelehnt worden war, ihr fehle wegen der erklärten Absicht, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, die für das Amt einer Lehrerin erforderliche Eignung. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu festgestellt, es bedürfe insoweit einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage, weil eine der Beamtin auferlegte Pflicht, als Lehrkraft im Unterricht die eigene Zugehörigkeit zu einer Religion nicht durch das Befolgen religiös begründeter Bekleidungsregeln sichtbar werden zu lassen, in ihre grundgesetzlich geschützte und vorbehaltlos gewährleistete Glaubensfreiheit eingreife. Es stehe dem Landesgesetzgeber frei, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben das zulässige Maß religiöser Bezüge in der Schule neu zu bestimmen und dieses in dienstrechtlichen Regelungen über das Verhalten von Lehrkräften umzusetzen. Nachdem das Schulgesetz des Landes Baden-Württemberg um eine Regelung ergänzt worden war, die es verbietet, in der Schule politische, religiöse, weltanschauliche oder ähnliche äußere Bekundungen abzugeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören (vgl. § 38 Abs. 2 SchG Baden-Württemberg), hat das Bundesverwaltungsgericht die Revision der Klägerin mit Urteil vom 24. Juni 2004 (- BVerwG 2 C 45.03 -, juris) zurückgewiesen.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 27.1.2015, a. a. O.; Stattgebender Kammerbeschluss vom 18.10.2016 - 1 BvR 354/11 -, juris zum Kopftuchverbot für Erzieherinnen an öffentlichen Kindertagesstätten) ist nunmehr aber davon auszugehen, dass der Schutz des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) auch Lehrkräften in der öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule die Freiheit gewährleistet, einem aus religiösen Gründen als verpflichtend verstandenen Bedeckungsgebot zu genügen, wie dies etwa durch das Tragen eines islamischen Kopftuchs der Fall sein kann. Ein landesweites gesetzliches Verbot religiöser Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild schon wegen der bloß abstrakten Eignung zur Begründung einer Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität in einer öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule ist nach dem Bundesverfassungsgericht unverhältnismäßig, wenn dieses Verhalten - wie hier - nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen sei. Ein angemessener Ausgleich der verfassungsrechtlich verankerten Positionen - der Glaubensfreiheit der Lehrkräfte, der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Schüler sowie der Eltern, des Elterngrundrechts und des staatlichen Erziehungsauftrags - erfordere eine einschränkende Auslegung der Verbotsnorm, nach der zumindest eine hinreichend konkrete Gefahr für die Schutzgüter vorliegen müsse. Werde in bestimmten Schulen oder Schulbezirken aufgrund substantieller Konfliktlagen über das richtige religiöse Verhalten bereichsspezifisch die Schwelle zu einer hinreichend konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität in einer beachtlichen Zahl von Fällen erreicht, könne ein verfassungsrechtlich anzuerkennendes Bedürfnis bestehen, religiöse Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild nicht erst im konkreten Einzelfall, sondern etwa für bestimmte Schulen oder Schulbezirke über eine gewisse Zeit auch allgemeiner zu unterbinden (BVerfG, Beschluss vom 27.1.2015, a. a. O., Rn. 113 ff.).

Die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist - wie unter B.I. dargelegt - auch zu berücksichtigen. Der Senat ist an sie gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden. Nach § 31 Abs. 1 BVerfGG binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Die Bindungswirkung soll eine verbindliche einheitliche Auslegung des Grundgesetzes sicherstellen. Daher beansprucht sie über den entschiedenen Fall hinaus Geltung in allen künftigen Fällen. Sie umfasst den Tenor der Entscheidung, also auch die nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zu treffende Feststellung, welche Vorschrift des Grundgesetzes durch welche Handlung oder Unterlassung verletzt wurde. Darüber hinaus erstreckt sich die Bindungswirkung auf die den Feststellungsausspruch tragenden Gründe, soweit diese Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes betreffen. Rechtsätze dieses Inhalts geben Maßstäbe und Grenzen für die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts vor (BVerfG, Beschluss vom 16.3.2005 - 2 BvL 7/00 -, juris Rn. 60; BVerwG, Urteil vom 21.9.2016 - BVerwG 6 C 2.15 -, juris Rn. 8). Die oben dargelegten Gründe des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 27.1.2015, a. a. O., Rn. 113 ff.) sind als tragende Gründe bindend im Sinne des § 31 Abs. 1 BVerfGG, auch wenn sie zum generellen landesweiten gesetzlichen Verbot religiöser Bekundungen im Unterricht an allgemeinbildenden Schulen im Land Nordrhein-Westfalen ergangen sind. Auch bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des Niedersächsischen Schulgesetzes ist folglich zu berücksichtigen, dass eine nur abstrakte Gefahr für ein generelles Kopftuchverbot mittels landesrechtlicher Regelung nicht verfassungskonform ist.

Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird der Wortlaut des § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG nicht gerecht. Indem § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG regelt, dass das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften, auch wenn es von einer Lehrkraft aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewählt wird, keine Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen dürfen, den Bildungsauftrag der Schule (§ 2 NSchG) überzeugend erfüllen zu können, wird dort im Ergebnis ein generelles und pauschales Verbot des Tragens religiöser Zeichen - also auch eines muslimischen Kopftuchs - im Schulbetrieb angeordnet. Die Regelung des § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG ist deshalb dergestalt einschränkend auszulegen, dass das dort genannte Verbot des Tragens religiöser Zeichen im Schulbetrieb eine hinreichend konkrete Gefahr für die Schutzgüter - der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Schüler sowie der Eltern (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG), des Elterngrundrechts (Art. 6 Abs. 2 GG) und des staatlichen Erziehungsauftrags, der unter Wahrung der Pflicht zur weltanschaulich-religiösen Neutralität zu erfüllen ist (Art. 7 Abs. 1 GG) - voraussetzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.1.2015, a. a. O., Rn. 116). Mit einem solchen Inhalt wird der Norm lediglich ein weniger weitreichender Anwendungsbereich zugeschrieben, als es der Niedersächsische Gesetzgeber vorgesehen hatte.

Im Fall der Klägerin hat die Beklagte eine konkrete Gefährdung der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Schüler und ihrer Eltern, des Elterngrundrechts und des staatlichen Erziehungsauftrags, insbesondere der staatlichen Neutralität und des Schulfriedens, durch das Tragen des Kopftuchs weder in ihrem Rücknahmebescheid vom 10. Juli 2013 noch im gerichtlichen Verfahren dargelegt. Stattdessen hat sie sich nur allgemein auf das für Beamte geltende Neutralitätsgebot und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.9.2003 (a. a. O.) berufen. Ihrem Vortrag mangelt es damit an der erforderlichen Einzelfallbezogenheit im Hinblick auf eine konkrete Gefahr.

c) Die Beklagte hat die Klägerin durch den Rücknahmebescheid vom 10. Juli 2013 auch wegen ihres Geschlechts in unzulässiger Weise benachteiligt.

Das Merkmal des Geschlechts gehört zu den Gründen, aus denen nach § 7 Abs. 1 AGG in Verbindung mit § 1 AGG eine Benachteiligung verboten ist. Die Klägerin ist nicht unmittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Denn weder der Rücknahmebescheid der Beklagten vom 10. Juli 2013 noch die Regelung in § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG benimmt sich zum Geschlecht der Klägerin. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt indes auch vor mittelbaren Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bereits tatbestandlich darf der mittelbaren Benachteiligung kein rechtmäßiges Ziel entgegenstehen und die gewählten Mittel müssen angemessen und erforderlich sein. Eine solche mittelbare Benachteiligung im Hinblick auf das Geschlecht der Klägerin liegt vor.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 27. Januar 2015 (a. a. O., Rn. 143) eine Benachteiligung von Frauen durch das vergleichbare Bekundungsverbot in § 57 Abs. 4 Sätze 1 und 3 des Schulgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen angenommen und dazu ausgeführt:

„Soweit § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW nach der angegriffenen Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht religiöse Bekundungen im Schuldienst allein durch das äußere Erscheinungsbild unabhängig von einer konkreten Gefahr unterbindet, benachteiligt die Regelung Frauen, weil sie die pädagogische Tätigkeit im Schuldienst von Voraussetzungen abhängig macht, die tatsächlich ganz überwiegend Frauen nicht erfüllen können. Zwar handelt es sich um eine geschlechtsneutral formulierte Regelung. Intendierte Bedeutung des § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW ist aber, das Tragen von Kleidungsstücken, die christlichen und abendländischen Bildungs- und Kulturwerten oder Traditionen entsprechen, vom Bekundungsverbot auszunehmen. Auf dieser Grundlage erfasst jedoch auch das unabhängig von einer konkreten Gefahr eingreifende Bekundungsverbot gegenwärtig Männer nur in verschwindend geringer Zahl, wie beispielsweise im Fall Turban tragender Sikhs. Die angegriffene Regelung trifft unter diesen Voraussetzungen derzeit in Deutschland faktisch ganz überwiegend muslimische Frauen, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen.“

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem vorgenannten Beschluss eine Unvereinbarkeit der nordrhein-westfälischen Regelung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz festgestellt, sofern nicht eine einschränkende Auslegung dergestalt erfolge, dass eine konkrete Gefahr der Schutzgüter, insbesondere des staatlichen Erziehungsauftrags, vom Tragen des Kopftuchs ausgehen müsse (a. a. O., Rn. 142). Es hat weiterhin festgestellt, ein hinreichender Rechtfertigungsgrund, d. h. ein rechtmäßiges Ziel und angemessene und erforderliche Mittel im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG, sei nicht ersichtlich (a.a.O., Rn. 144). Ein solches Ziel ist auch im Fall der niedersächsischen Regelung in § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG nicht gegeben. Der niedersächsische Gesetzgeber hat mit dem „Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes und des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes“ vom 29. April 2004 (Nds. GVBl. 2004 S. 140 - 143) § 51 NSchG die Absätze 3 und 4 angefügt. Diese Regelungen hat er ebenso wie der nordrhein-westfälische Gesetzgeber als Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 (a. a. O.) getroffen (vgl. auch Brockmann/Littmann/Schippmann, Niedersächsisches Schulgesetz, Stand: Februar 2019, § 51 NSchG Nr. 1.3). Bereits am 27. Oktober 2003 wurden in einer Aktuellen Stunde die Auswirkungen des sogenannten Kopftuch-Urteils erörtert (LT-Drs. 15/501 S. 1). Im Gesetzesentwurf vom 13. Januar 2004 (LT-Drs. 15/720 S. 1 ff.) wird als Anlass für die Regelung ausdrücklich dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts benannt. Schließlich heißt es auf Seite 8 des vorgenannten Gesetzesentwurfs:

„Auf dieser Grundlage ist z. B. das Tragen eines Kopftuches unzulässig, weil zumindest ein Teil seiner Befürworter mit ihm sowohl eine mindere Stellung der Frau in Gesellschaft, Staat und Familie, die mit den Artikeln 1 und 3 Abs. 2 und 3 GG unvereinbar ist, als auch eine fundamentalistische, kämpferische Stellungnahme für ein theokratisches Staatswesen entgegen den Grundwerten des Artikel 20 GG verbindet.“

Dem Niedersächsischen Gesetzgeber war mithin bewusst, dass die Regelung in § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG ganz überwiegend Frauen betreffen würde (vgl. auch Galas/Nolte/Ulrich/Eickmann, Niedersächsisches Schulgesetz, 9. Auflage 2016, § 51 NSchG Rn. 6). Die von ihm für ein Bekundungsverbot aufgeführten Gründe rechtfertigen ebenso wenig wie die nordrhein-westfälische Regelung ein unabhängig von einer konkreten Gefahr eingreifendes Bekundungsverbot gegenüber dem Schutz vor faktischer Benachteiligung der muslimischen Frauen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 27. Januar 2015 (a. a. O., Rn. 144 m. w. N.) klargestellt, die Argumentation, ein Kopftuchverbot schütze Frauen vor derjenigen Diskriminierung, die einem religiösen Bedeckungsgebot selbst innewohne, trage nicht, denn dieser Schutz wirke sich hier tatsächlich als Benachteiligung der muslimischen Frauen aus. Die Benachteiligung lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, das Kopftuch signalisiere eine ablehnende Haltung zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen, denn dies sei weder automatisch noch durchgängig der Fall. Gleiches gilt für die Annahme, das Tragen eines Kopftuchs sei mit einer „fundamentalistischen, kämpferischen Stellungnahme“ entgegen den Grundwerten des Art. 20 GG verbunden.

III. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, die Klägerin habe den Entschädigungsanspruch rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht.

Gemäß der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 8. Juli 2010 (- C-246/09, Bulicke -, juris) auf eine Vorlage zur Vereinbarkeit des § 15 Abs. 4 AGG mit dem Unionsrecht entschieden, dass das Primärrecht der Union und die Richtlinie 2000/78/EG einer solchen nationalen Vorschrift nicht entgegenstünden. Die 2-Monatsfrist beginnt gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Vorliegend ist der Fall einer Bewerbung gegeben mit der Folge, dass nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG maßgeblich der Zeitpunkt wäre, in dem der Klägerin die Ablehnung ihrer Einstellung, d. h. der Rücknahmebescheid vom 10. Juli 2013, zugegangen ist. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG ist jedoch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts teleologisch dahingehend auszulegen, dass die 2-Monatsfrist nicht zwangsläufig mit dem Zugang der Ablehnung, sondern mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Beschäftigte (zusätzlich) von der behaupteten Diskriminierung Kenntnis erlangt hat (EuGH, Urteil vom 8.7.2010, a. a. O., Rn. 41; BVerwG, Beschluss vom 16.4.2013 - BVerwG 2 B 145.11 -, juris Rn. 12 unter Bezugnahme auf das vom Verwaltungsgericht zitierte Urteil des BAG vom 15.3.2012 - 8 AZR 37/11 -). Der Zeitpunkt des Zugangs der Ablehnung stellt nur den frühestmöglichen Zeitpunkt des Fristbeginns dar.

Der Beschäftigte hat grundsätzlich Kenntnis von seiner Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d. h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. Danach ist in diesen Fällen die objektive Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidungen maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris, Rn. 52 m. w. N.).

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend der Ausnahmefall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage gegeben war und die entscheidungserhebliche Rechtsfrage erst durch die Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 (a. a. O.) am 13. März 2015 geklärt wurde mit der Folge, dass die Klägerin mit ihrem am 12. Mai 2015 eingegangenen Schreiben den Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG rechtzeitig geltend gemacht hat. Der Klägerin war zwar bereits aufgrund der Begründung des Rücknahmebescheides vom 10. Juli 2013 bekannt, dass die Beklagte sie nur deshalb nicht einstellte, weil sie - die Klägerin - im Schuldienst aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen würde. Die Kenntnis dieser Benachteiligung ist jedoch nicht gleichzusetzen mit der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen. Denn wie oben ausgeführt (vgl. B.II.2b)bb) hat die obergerichtliche Rechtsprechung eine solche Benachteiligung zunächst aufgrund der sich aus dem Tragen des Kopftuchs ergebenden abstrakten Gefahren für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität als gerechtfertigt angesehen mit der Folge, dass eine Klage auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zum Zeitpunkt des Zugangs des Rücknahmebescheides im Jahr 2013 keinen Erfolg gehabt hätte. Das Bundesverfassungsgericht hat erstmalig mit Beschluss vom 27. Januar 2015 (a. a. O.) die Rechtfertigung einer solchen Benachteiligung aufgrund abstrakter Gefahren verneint und für ein Kopftuchverbot eine konkrete Gefährdungslage für die Schutzgüter gefordert. Erst seit der Veröffentlichung des vorgenannten Beschlusses am 13. März 2015 wussten Betroffene - wie die Klägerin -, dass Klagen auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines mit abstrakten Gefahren begründeten Kopftuchverbots aussichtsreich sein könnten. Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG begann daher am 14. März 2015 um 0.00 Uhr zu laufen und endete am 13. Mai 2015 um 24.00 Uhr (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Mit ihrem am 12. Mai 2015 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 10. Mai 2015 hat die Klägerin den Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG daher rechtzeitig geltend gemacht.

IV. Die Klägerin hat jedoch nicht in der von ihr geltenden gemachten Höhe von mindestens 8.257,23 EUR einen Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten. Das Gericht sieht nach den von der Klägerin vorgetragenen Umständen und unter Berücksichtigung der festgestellten Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls eine Entschädigung in Höhe von 4.128,62 EUR (eineinhalb der potentiellen monatlichen Dienstbezüge) als angemessen an.

Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG schreibt den Mitgliedstaaten die Festlegung von Sanktionen vor, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung der Richtlinie zu verhängen sind. Dabei müssen die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Sanktionenregelung muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus der Richtlinie hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Vorgaben des Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG werden durch § 15 AGG in innerstaatliches Recht umgesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.4.2017, a. a. O., Rn. 33 f. m. w. N.). Bei der Entscheidung der Frage, welche Entschädigung angemessen im Sinne von § 15 Abs. 2 AGG ist, besteht für Gerichte ein Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falls zu berücksichtigen haben (BT-Drs. 16/1780 S. 38). Zu diesen zählen etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, so dass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu haben, und sie in jedem Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss (Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2014 - 5 LA 203/13 -, juris Rn. 17 m. w. N.). Gemessen hieran liegen entschädigungsmindernde Umstände vor, die es rechtfertigen, im vorliegenden Fall eine Entschädigungssumme von 4.128,62 EUR (eineinhalb der potentiellen monatlichen Dienstbezüge) für angemessen zu halten.

Wie auch die Klägerin zugesteht, ist bei der Festsetzung der Höhe der Entschädigungssumme nicht erschwerend eine besondere Verantwortlichkeit der Beklagten zu berücksichtigen. Die Beklagte hat nur der Vorschrift des § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG folgend agiert. Ein besonders verwerflicher Beweggrund ihres Handelns hat nicht vorgelegen. Ihr ist es bei der Rücknahme des Einstellungsangebots nicht um den konkreten Einzelfall der Klägerin, sondern um die Umsetzung eines generellen Kopftuchverbots für Lehrerinnen gegangen. Sie hat sich dabei (zutreffend) an Recht und Gesetz gebunden gesehen und versucht, der gesetzlichen Regelung in § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG unter Berücksichtigung der damals aktuellen Rechtslage gerecht zu werden.

Es ist auch nicht erschwerend zu berücksichtigen, dass die Beklagte für einen Zeitraum von ca. elf Jahren nicht Lehrerinnen, die ein Kopftuch in der Schule und im Unterricht tragen wollten, in den niedersächsischen Schuldienst eingestellt hat. Denn ihre Verwaltungspraxis hat nur der damals geltenden Rechtslage entsprochen. Ein Wiederholungsfall, der sich entschädigungserhöhend auswirkt, liegt insoweit nicht vor. Der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Aktenzeichen 8 AZR 906/07 (Urteil vom 21.7.2009, gemeint wohl Urteil vom 22.1.2009, juris) lag eine nicht vergleichbare Situation zugrunde. Denn die dortige Klägerin war - wie weitere ihrer Kolleginnen - wegen ihres Alters auf der Grundlage eines Vermerks zur „Benennung von Erzieherinnen und Mitarbeiterinnen in der Tätigkeit als Erzieherinnen für den Personalüberhang im Eigenbetrieb Kindergärten … zum 01.01.2007“ der Geschäftsleitung benachteiligt worden, nicht aber aufgrund einer gesetzlichen Regelung hinsichtlich ihrer Religion.

Generalpräventive und spezialpräventive Erwägungen spielen keine Rolle, denn die Erzielung einer abschreckenden Wirkung durch die Höhe der Entschädigung ist hier nicht erforderlich. Die Beklagte hat zum Zeitpunkt des Erlasses des Rücknahmebescheides am 10. Juli 2013 nur die Gesetzeslage unter Berücksichtigung der damaligen Rechtsprechung zugrunde gelegt, wonach mit dem Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen eine abstrakte Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität einherging und deshalb eine Einstellung mangels Eignung der Pädagogin, die aus religiösen Gründen im Unterricht ein Kopftuch tragen wollte, nicht erfolgen durfte. Würde sich die Klägerin oder eine andere aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragende Pädagogin nunmehr um die Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst bewerben, würde die Beklagte sie - sofern alle weiteren Einstellungsvoraussetzungen vorlägen - einstellen, wenn nicht eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität bestünde. Das geht aus dem Runderlass des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 26. August 2015 (-14-03019 (27) -, VORIS 20480) hervor. Das Niedersächsische Kultusministerium hat darin angeordnet, § 51 Abs. 3 Satz 1 NSchG sei im Lichte des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 (a. a. O.) verfassungskonform auszulegen und nicht mehr als präventive Verbotsnorm aufzufassen. Es sei grundsätzlich zulässig, dass Lehrkräfte in Niedersachsen ein islamisches Kopftuch trügen. Auch bei Vorliegen einer konkreten Gefährdung solle die Anordnung des Dienstherrn, vom Tragen des islamischen Kopftuchs Abstand zu nehmen, das letzte Mittel sein. Darüber hinaus hat die Beklagte im Berufungsverfahren zum Ausdruck gebracht, dass sie sich gemäß § 31 BVerfGG an die neue höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden fühle, so dass keinerlei Anlass für eine wiederholte Benachteiligung von muslimischen Pädagoginnen bestehe. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, durch die Ersatzpflicht sollten auch Dritte zur Beachtung des Benachteiligungsverbots angehalten werden, ist zwar zutreffend, dass auch generalpräventive Erwägungen eine Rolle spielen können. Im vorliegenden Einzelfall ist aber zu beachten, dass der sog. Kopftuchbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 (a. a. O.), der zu Regelungen des Schulgesetzes Nordrhein-Westfalen ergangen ist, zu einem Verzicht auf ein pauschales Kopftuchverbot in allen Bundesländern geführt hat und über ihn so umfänglich berichtet worden ist, dass die neue Rechtslage in gleichgelagerten Fällen von Dritten auch ohne vorliegend festgesetzte abschreckende Entschädigungssumme beachtet werden dürfte.

Die Entschädigungssumme soll nicht nur eine abschreckende Wirkung entfalten, sondern muss vor allem in jedem Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen. Insoweit sind die Art und Schwere der Benachteiligung sowie die Dauer und Folgen für den persönlichen und beruflichen Werdegang der Klägerin zu berücksichtigen. Diese sind erheblich und rechtfertigen eine Entschädigung in Höhe von 4.128,62 EUR (eineinhalb der potentiellen monatlichen Dienstbezüge).

Die Klägerin hat eine unmittelbare Benachteiligung wegen ihrer islamischen Religion und eine mittelbare Benachteiligung wegen ihres Geschlechts erlitten, indem ihr die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 2013 die Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst für das Lehramt an der Grundschule in D. (und an allen anderen öffentlichen Schulen) mit dem Argument verwehrt hat, ihr Vorhaben, im Unterricht ein Kopftuch aus religiösen Gründen zu tragen, widerspreche dem Neutralitätsgebot, dem Mäßigungsgebot für Beamte und dem Recht auf negative Religionsfreiheit der Schüler. Auch wenn Wortwahl und Inhalt des vorgenannten Bescheides nicht auf den Einzelfall der Klägerin bezogen besonders demütigend sind, so liegt doch eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer islamischen Religion und damit eine schwerwiegende Verletzung ihrer in Art. 4 Abs. 1 und 3 GG geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit vor (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 27.1.2015, a. a. O., Rn. 90 ff.). Die Beklagte hat - wenn auch entsprechend der damaligen Rechtslage - das Tragen eines muslimischen Kopftuchs als Merkmal negativ bewertet und damit die Gruppe der muslimischen Lehrerinnen, die ein Kopftuch aus religiöser Überzeugung tragen, als sich nicht verfassungskonform neutral verhaltend stigmatisiert.

Entschädigungsmildernd ist dabei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht in der Öffentlichkeit diskreditiert worden ist. Der Rücknahmebescheid vom 10. Juli 2013 ist nur ihr zugestellt worden. Auch die vorangegangenen persönlichen Gespräche am .. 2013 mit der Direktorin der Grundschule D. und am… 2013 mit der Fachbereichsleiterin des Dezernats … (Regionalabteilung C-Stadt) der Beklagten haben ohne Beteiligung Dritter stattgefunden. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge ist die Art und Weise der von der Direktorin bzw. der Fachbereichsleiterin geäußerten mündlichen Ablehnung des Tragens eines Kopftuchs aus religiösen Gründen nach Wortwahl und Inhalt gegenüber der Klägerin nicht besonders demütigend erfolgt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die beruflichen Fähigkeiten der Klägerin und ihre Würde als Person gezielt herabgewürdigt worden sind. Vielmehr haben sich die vorgenannten Personen auf die für alle muslimischen Lehrerinnen geltende damalige Rechtslage bezogen und nicht speziell die Klägerin gedemütigt. Eine spezifische Herabwürdigung ihrer Person in den Gesprächen hat die Klägerin auch nicht behauptet. Sie hat vielmehr ausgeführt, das Gespräch mit der Direktorin der Grundschule D. sei für sie enttäuschend verlaufen. Sie habe die Direktorin als ihr gegenüber sehr ablehnend empfunden. Falls sie die Worte „die Nichteinstellung sei nicht so schlimm“ gebraucht haben sollte, dann nur deshalb, weil sie sich gegenüber der Direktorin keine Blöße haben geben wollen. Für sie sei die Ablehnung aufgrund des Kopftuchs ein Schock gewesen, weil sie bei ihrer Bewerbung ein Foto mit Kopftuch eingereicht und dennoch ein Einstellungsangebot der Beklagten erhalten habe. Sie habe die Übernahme in den öffentlichen Schuldienst als sichere Angelegenheit betrachtet und sei nach dem Gespräch mit der Direktorin niedergeschlagen und mit Tränen in den Augen bei ihrer Schwiegermutter angekommen. Damit hat die Klägerin nur die (üblicherweise) belastende und demotivierende Situation eines negativ verlaufenden Bewerbungsgesprächs geschildert. Eine spezifische Herabwürdigung ihrer Person durch die Direktorin der Grundschule D., die zu psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin geführt hat, folgt aus diesem Vorbringen indes nicht.

Entschädigungserhöhend sind vor allem die Dauer und Folgen für den persönlichen und beruflichen Werdegang der Klägerin zu berücksichtigen. Die Klägerin hat zwar kein „Berufsverbot“ erlitten, sie konnte jedoch nicht - wie zunächst von der Beklagten angeboten - zum … 2013 im niedersächsischen Schuldienst als Beamtin auf Probe tätig werden. Weitere zwei Jahre (bis zum Runderlass des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 26.8.2015, a. a. O.) war ihr eine solche Einstellung versagt, obwohl ihr die Tätigkeit als Lehrkraft entsprechend ihrer Qualifikation sehr wichtig war, wofür ihr stringenter Ausbildungsweg und ihre Bemühungen um eine anderweitige Beschäftigung als Lehrkraft sprechen. Für die Höhe des immateriellen Schadensersatzes ist dieser zweijährige Zeitraum, in dem der Klägerin eine Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst aufgrund des pauschalen Kopftuchverbots versagt war, maßgeblich. Es ist daher weder entschädigungserhöhend noch -mindernd zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich nach dem Runderlass des Niedersächsischen Kultusministeriums nicht erneut um die Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst beworben hat, ihre Bewerbungen auf den Schuldienst im Land Nordrhein-Westfalen erfolglos waren und sie sich - unter Verzicht auf den Beamtenstatus - für ihren Verbleib an der privaten Drei-Religionen-Grundschule in C-Stadt (mit entsprechender Vergütung) entschieden hat. Entschädigungserhöhend zu berücksichtigen ist stattdessen, dass die Klägerin im hypothetischen Fall der diskriminierungsfreien Auswahl im Jahr 2013 beste Chancen auf eine Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst gehabt hätte. Denn sie hatte unmittelbar nach dem Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife das Bachelorstudium mit Germanistik als Kernfach und Erziehungswissenschaften als Nebenfach aufgenommen und am … 2007 mit der bestmöglichen Gesamtnote „Sehr gut“ (1,5) abgeschlossen. Das im Anschluss daran absolvierte Masterstudium in der Studienrichtung „Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen und den entsprechenden Jahrgangsstufen der Gesamtschulen, Studienschwerpunkt Grundschulen“ im Fach Mathematik hatte die Klägerin ebenfalls mit der Gesamtnote „Sehr gut“ (1,4) abgeschlossen. Die ihr zugefügte Benachteiligung hatte damit erhebliche Folgen für ihren persönlichen und beruflichen Werdegang.

Dass die Klägerin am 10. Juni 2013 gegenüber der Beklagten nur ihre Bereitschaft erklärt hat, den Dienst an der Grundschule D. mit einer Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen (gemäß § 62 NBG) in Höhe von 20 Wochenstunden aufzunehmen, hat keinen Einfluss auf die Höhe der Entschädigung. Sie hat im Berufungsverfahren klargestellt, dass sich ihr Teilzeitantrag nur auf den Zeitraum vom 5. August 2013 bis zum 30. Januar 2014 bezogen habe und sie danach in Vollzeit (28 Wochenstunden) gearbeitet hätte. Zudem hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Teilzeitbeschäftigung keinen Einfluss auf die Höhe der (monatlichen) Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, weil der pro rata temporis-Grundsatz insoweit nicht anwendbar sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 6. April 2017 (a. a. O., Rn. 44 ff.) dazu ausgeführt:

„Der pro rata temporis-Grundsatz, der in § 4 Nr. 2 des Anhangs zur Richtlinie Nr. 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeit (ABl. EG Nr. L 14 vom 20. Januar 1998 S. 9, ber. ABl. EG Nr. L 128 vom 30. April 1998 S. 71) verankert ist, gibt vor, dass Teilzeitbeschäftigten Leistungen, insbesondere das Entgelt, entsprechend dem zeitlichen Verhältnis der Teilzeit zur Vollzeit, d.h. strikt zeitanteilig zu gewähren sind (BVerwG, Urteile vom 29. September 2005 - 2 C 44.04 - BVerwGE 124, 227 <238>, vom 26. März 2009 - 2 C 12.08 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 11 Rn. 16, vom 25. März 2010 - 2 C 72.08 - BVerwGE 136, 165 Rn. 19, vom 24. September 2013 - 2 C 52.11 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 46 Rn. 25 und vom 28. Oktober 2015 - 2 C 15.15 - Buchholz 240 § 45 BBesG Nr. 2 Rn. 19).

Wie sich aus ihrer Präambel (Absatz 3) und auch aus § 4 des Anhangs ergibt, erstreckt sich die Rahmenvereinbarung lediglich auf die Beschäftigungsbedingungen von Teilzeitbeschäftigten. Zu den Beschäftigungsbedingungen gehören die Dienstbezüge i.S.v. § 1 Abs. 2 BBesG und auch Regelungen über die Ruhegehaltfähigkeit der Ausbildungszeiten und der Zurechnungszeit aufgrund von Freistellungen (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 72.08 - BVerwGE 136,165 Rn. 17 ff.). Zwar liegt die Ursache der Ansprüche der Klägerin in den unionsrechtswidrigen besoldungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 27 und 28 BBesG a.F. Bei dem der Klägerin zustehenden Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG handelt es sich jedoch nicht um einen besoldungsrechtlichen Anspruch, sondern um die Entschädigung für immaterielle Schäden, die ihr durch den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entstanden sind. Auch scheidet die Besoldung der Klägerin nach einer höheren oder gar der höchsten Stufe des früheren Systems zur Bestimmung des Grundgehalts ihrer Besoldungsgruppe aus. Schließlich wird die Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen der altersdiskriminierenden Besoldung unabhängig von der Besoldungsgruppe des Beamten bestimmt.“

Schließlich ist die Höhe der Entschädigung im Ansatz unabhängig von den konkreten materiellen Lebensumständen des Benachteiligten und den möglicherweise entgangenen Dienstbezügen zu bemessen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG besteht - im Gegensatz zum materiellen Schadensersatzanspruch des § 15 Abs. 1 AGG - ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden. Die Höhe des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG ist deshalb unabhängig davon zu bemessen, dass der Ehemann der Klägerin ausweislich ihrer Mitteilung gegenüber der Direktorin der Grundschule D. am 25. Juli 2013 berufstätig gewesen sei. Unbeachtlich ist insoweit auch, dass die Klägerin bis zum 31. Dezember 2013 an der Universität A-Stadt als wissenschaftliche Hilfskraft für monatlich ca. 850,- EUR angestellt und im Schuljahr 2013/2014 als Vertretungslehrerin an der Drei-Religionen-Grundschule in C-Stadt (für 181,02 EUR pro Vertretungsstunde) beschäftigt war sowie seit dem Schuljahr 2014/2015 als Lehrerin im Angestelltenverhältnis an der vorgenannten Grundschule tätig ist.

In Anbetracht der oben dargelegten Umstände erscheint dem Gericht eine Entschädigung in Höhe von 4.128,62 EUR (eineinhalb potentielle monatliche Dienstbezüge) als angemessen und ausreichend.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und entspricht verhältnismäßig dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 BeamtStG, § 127 BRGG liegen nicht vor.