Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.04.2020, Az.: 10 ME 61/20

Beteiligung; Genossenschaft; Ingerenzpflicht; institutionelle Befangenheit; Letztentscheidungsrecht

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.04.2020
Aktenzeichen
10 ME 61/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71704
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 17.02.2020 - AZ: 1 B 5514/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine „Beteiligung“ im Sinne von § 171 Abs. 4 Satz 1 NKomVG setzt einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil der Kommunalaufsichtsbehörde voraus.

2. Die Angemessenheit der Einflussnahmemöglichkeit im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG setzt grundsätzlich voraus, dass die Kommune in der Lage ist, auf die grundlegenden Entscheidungen des Unternehmens entscheidenden Einfluss auszuüben.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 1. Kammer - vom 17. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Beanstandung des Beschlusses seines Rates, mit dem dieser die Vorstandstätigkeit des Bürgermeisters des Antragstellers in einer Genossenschaft seinem Hauptamt zuordnet, durch den Antragsgegner.

Im Jahr 2015 gründeten der Antragsteller, ein in seinem Gebiet ansässiges Chemieunternehmen, die Betreibergesellschaft einer Biogasanlage sowie Bürgerinnen und Bürger für ein Fernwärmeprojekt eine Genossenschaft. Im Rahmen dieses Projekts war auch beabsichtigt, jeden Fernwärmeendverbraucher an ein Glasfaserbreitbandnetz anzuschließen. Die Genossenschaft nahm wegen des beabsichtigten Vollausbaus des Breitbandnetzes Kontakt mit einem Telekommunikationsanbieter auf, der sich zu einem solchen Ausbau entschloss. Der Antragsgegner verfolgt demgegenüber ein eigenes kreisweites Konzept einer Breitbandversorgung und schloss zu diesem Zweck bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit seinen kreisangehörigen Gemeinden, so auch mit dem Antragsteller, Kooperationsvereinbarungen.

Der Bürgermeister des Antragstellers war zunächst Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft, was über einen Kreditvertrag zwischen dem Antragsteller und der Genossenschaft abgesichert werden sollte, und wechselte aufgrund eines Beschlusses der Mitgliederversammlung vom 19. Juni 2018 in den zweiköpfigen Vorstand, dessen Vorsitzender ein Ratsmitglied des Antragstellers war.

Am 7. Juni 2019 ordnete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller unter anderem an, dem Bürgermeister die Ausübung der Nebentätigkeit als Vorstandsmitglied zu untersagen und die gesetzlichen Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 NKomVG zu erfüllen.

In seiner Sitzung vom 3. Juli 2019 beschloss der Rat des Antragstellers dann, die Tätigkeit des Bürgermeisters dessen Hauptamt zuzuordnen. Am 20. August 2019 beschloss der Rat des Antragstellers der Genossenschaft einen Kredit in Höhe von 2,5 Millionen Euro einzuräumen. In dem zugrundeliegenden Kreditvertrag wird dem Antragsteller zugesichert, drei kooptierte und stimmberechtigte Mitglieder in den Aufsichtsrat der Genossenschaft entsenden zu können.

Unter Anordnung der sofortigen Vollziehung beanstandete der Antragsgegner den Ratsbeschluss vom 3. Juli 2019, mit der Begründung, dass die Zuordnung der Vorstandstätigkeit zum Hauptamt des Bürgermeisters gegen geltendes Recht verstoße.

Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat das Verwaltungsgericht am 17. Februar 2020 abgelehnt, weil sich die Beanstandung des Antragsgegners aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen werde und auch ein besonderes Vollziehungsinteresse vorliege. Das Verwaltungsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass der Antragsgegner nach § 171 Abs. 1 NKomVG zuständig gewesen sei und nicht das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 NKomVG, weil der für eine „Beteiligung“ des Antragsgegners im Sinne des § 171 Abs. 4 Satz 1 NKomVG erforderliche unmittelbare Vor- oder Nachteil nicht vorliege. Soweit der Antragsteller annehme, dass der Antragsgegner finanzielle Nachteile befürchte, wenn die Genossenschaft für die Bürger kostenfrei auch ein Glasfasernetz verlege, gehe es um allenfalls mittelbare Folgewirkungen für den gedachten Fall, dass das Einschreiten des Antraggegners das Vorhaben der Genossenschaft zur Breitbandversorgung insgesamt vereiteln würde. Weiter hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der zum Tagesordnungspunkt 5 gefasste Ratsbeschluss vom 3. Juli 2019 das Gesetz verletze im Sinne des § 173 Abs. 1 NKomVG, weil die Vorstandstätigkeit des Bürgermeisters nicht seinem Hauptamt habe zugeordnet werden dürfen. Die Rechtswidrigkeit der Zuordnung ergebe sich daraus, dass bereits die Aufgabenwahrnehmung rechtswidrig sei, weil die Kommune entgegen § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG keinen gesicherten angemessenen Einfluss habe. Hierfür reiche nicht aus, dass lediglich in einem Kreditvertrag zwischen dem Antragsteller und der Genossenschaft die Entsendung von drei stimmberechtigten Mitgliedern in den siebenköpfigen Aufsichtsrat zugestanden werde. Zwar könne nach dem Gesetz die Sicherung auch „in anderer Weise“ erfolgen, diese müsse jedoch den in § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG ausdrücklich genannten Formen gleichrangig sein, was regelmäßig eine Verankerung in den Gründungsstatuten erfordere.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Februar 2020 hat keinen Erfolg.

Die vom Antragsteller binnen der Monatsfrist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 17.05.2018 – 10 ME 198/18 –, juris Rn. 8 m.w.N.), lassen nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt hat. Sein Vorbringen zur Begründung seiner Beschwerde stellt die vom Verwaltungsgericht angenommene Rechtmäßigkeit der Beanstandung nicht in Frage.

1. Der Antragsteller bringt zur Begründung seiner Beschwerde zum einen vor, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht der Antragsgegner, sondern gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 NKomVG das Innenministerium für kommunalaufsichtliche Maßnahmen in dieser Angelegenheit zuständig sei. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, dem Antragsgegner ginge es lediglich um die Sicherstellung der Einhaltung der kommunalverfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Beteiligung an Unternehmen in Privatrechtsform und der rechtsfehlerfreien Aufgabenwahrnehmung durch den Bürgermeister, stünde die vom Antragsgegner formulierte objektive Zielsetzung entgegen. So habe ein Mitarbeiter des Antragsgegners in einer E-Mail an den Kreisrat auf die von ihm angegebenen zusätzlichen Kosten in Höhe von 165.000 Euro hingewiesen, weil das Vorhaben der Genossenschaft in das Ausbaugebiet des Landkreises fallen würde. Die Nachricht habe mit dem Satz geendet, dass das „ganz schön teuer für Herrn D.“ werde. Auch habe der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung geschrieben, dass diverse Anschlüsse nicht mehr über das gemeinsame Ausbauprojekt von Landkreis und kreisangehörigen Kommunen erfolgen sollten und die hieraus entstehenden Konsequenzen (gemeint seien finanzielle Schadensersatzforderungen) noch abschließend zu bewerten sein würden. Der Antragsteller zieht hieraus den Schluss, der Antragsgegner wolle einen unmittelbaren finanziellen Nachteil von sich abwenden, nachdem sich das von ihm beauftragte Unternehmen bei der Kalkulation der Kosten um mehrere Millionen Euro verrechnet habe und nunmehr ein Teil des Kreisgebiets nicht mehr von ihm mit einem Glasfasernetz versorgt werden solle. Dem Antragsteller ginge es um die Vorbereitung eines Regresses bei ihm (dem Antragsteller).

Dieses Vorbringen führt nicht dazu, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass eine Beteiligung des Antragsgegners im Sinne des § 171 Abs. 4 Satz 1 NKomVG nicht gegeben und er daher zuständig ist. Die Ausführungen des Antragstellers sind - soweit sie überhaupt nachvollziehbar sind - nicht schlüssig. Er führt bereits nicht hinreichend konkret aus, welchen unmittelbaren finanziellen Nachteil der Antragsgegner von sich abwenden wolle. Insbesondere erschließt sich weder ein Zusammenhang mit einer fehlerhaften Kalkulation eines von ihm beauftragten Unternehmens noch inwieweit der Antragsgegner den Antragsteller in Regress nehmen wolle. Auch ist nicht nachvollziehbar, wie die Beanstandung des Antragsgegners - worauf auch bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - das Projekt der Genossenschaft und damit den vom Antragsteller behaupteten finanziellen Nachteil letztlich verhindern können sollte.

Auch im Übrigen ist vom Antragsteller weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass vorliegend die Voraussetzungen des § 171 Abs. 4 Satz 1 NKomVG erfüllt wären. Die Vorschrift bestimmt: Ist ein Landkreis in einer von ihm als Kommunalaufsichtsbehörde zu entscheidenden Angelegenheit auch noch in anderer Weise beteiligt, tritt an seine Stelle die oberste Kommunalaufsichtsbehörde; diese entscheidet auch darüber, ob die Voraussetzung für ihre Zuständigkeit gegeben ist.

Diese Regelung betrifft den Fall, dass die Kommunalaufsichtsbehörde an einer Angelegenheit als kommunale Gebietskörperschaft im eigenen Wirkungskreis beteiligt ist und deshalb die Objektivität ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde in Zweifel gezogen werden könnte (Thiele, NKomVG, 2. Auflage 2017, § 171 Rn. 4). Durch die Regelung sollen Interessenkollisionen vermieden werden, die sich daraus ergeben können, dass die Aufsichtsbehörde neben der Beachtung der Gesetze durch die Gemeinden im Verfahren eigene Interessen verfolgt (Smollich in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 171 Rn. 5). Die „zu entscheidende Angelegenheit“ bestimmt sich nach dem (objektiven) Inhalt der Verfügung (Senatsbeschluss vom 19.08.2014 – 10 ME 90/13 –, juris Rn. 9). Eine „Beteiligung“ im Sinne der Vorschrift setzt in Anlehnung an die in § 41 Abs. 1 Satz 1 NKomVG geregelte personelle Befangenheit einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil der Kommunalaufsichtsbehörde voraus (vgl. Bahr in BeckOK KommunalR Nds., Stand: 01.01.2020, NKomVG § 171 Rn. 9 f.; Smollich in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 171 Rn. 5; Thiele, NKomVG, 2. Auflage 2017, § 171 Rn. 4; in diesem Sinne auch bereits der Senatsbeschluss vom 19.08.2014 – 10 ME 90/13 –, juris Rn. 8; das OVG Nordrhein-Westfalen lässt es hingegen unter Heranziehung des Beteiligungsbegriffs in § 13 VwVfG NRW genügen, dass die rechtlichen Interessen der Aufsichtsbehörde durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, Beschluss 13.02.2013 – 15 A 2052/12 –, BeckRS 2013, 47749). Auch das Bundesverfassungsgericht spricht insoweit von „unmittelbaren Kollisionsfällen“ (Beschluss vom 21.06.1988 – 2 BvR 602/83 –, juris Rn. 31 zu § 128 Abs. 2 NGO a.F.). Dies entspricht auch dem Verständnis der Norm als Ausnahmevorschrift (Bahr in BeckOK KommunalR Nds., Stand: 01.01.2020, NKomVG § 171 Rn. 10; Smollich in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 171 Rn. 5; vgl. auch Senatsbeschluss vom 19.08.2014 – 10 ME 90/13 –, juris Rn. 8). Eine sogenannte institutionelle Befangenheit einer Behörde kennt die Rechtsordnung allerdings grundsätzlich nicht (BVerwG, Urteil vom 23.02.2018 – 7 C 9.16 –, juris Rn. 18; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 17.04.2018 – 15 KF 9/17 –, juris Rn. 84; Senatsbeschluss vom 19.08.2014 – 10 ME 90/13 –, juris Rn. 8). Die Gesetzesbindung der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet die Behörde vielmehr zur Unparteilichkeit (BVerwG, Urteil vom 11.07.2017 – 7 C 36.15 –, juris Rn. 18; vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 19.08.2014 – 10 ME 90/13 –, juris Rn. 8). Dass eine Behörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit auch in eigenen Angelegenheiten entscheidet, ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, weil der Schutz der Betroffenen durch die von der Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe sichergestellt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.2016 – 9 A 4.15 –, juris Rn. 29, und Urteil vom 17.12.2015 – 7 C 5.14 –, juris Rn. 25; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 21.06.1988 – 2 BvR 602/83 –, juris Rn. 31). Aus diesen Gründen ist im Rahmen des § 171 Abs. 4 Satz 1 NKomVG ein unmittelbarer Vor- oder Nachteil für den Landkreis zu fordern.

Ein solcher unmittelbarer Vor- oder Nachteil des Antragsgegners ist hinsichtlich der von ihm beanstandeten Zuordnung der Vorstandstätigkeit des Bürgermeisters zu seinem Hauptamt nicht erkennbar. Damit kommt es auch nicht auf die vom Verwaltungsgericht ohnehin offengelassene Frage an, ob die Zuständigkeitsentscheidung der obersten Kommunalaufsichtsbehörde (durch den Erlass vom 6. Mai 2019) als Verwaltungsakt eine Bindungswirkung entfaltet, auf die der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung jedoch noch einmal eingeht.

2. Des Weiteren wendet sich der Antragsteller gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, er habe mangels Sicherung keinen angemessenen Einfluss in der Genossenschaft erhalten. Konkret rügt er, dass das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt habe, dass er über weniger als 10 % der Anteile an der Genossenschaft verfüge, er aber nach einem Beschluss der Generalversammlung im Jahr 2019 mit drei von sieben Aufsichtsratsmitgliedern nahezu deren Hälfte stelle. Damit sei ein angemessener Einfluss gesichert. Die von der Generalversammlung beschlossene Satzungsänderung entfalte zwar Außenwirkung erst mit der noch nicht erfolgten Eintragung ins Genossenschaftsregister, im Innenverhältnis gelte sie allerdings bereits mit der Beschlussfassung. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts müsse der Antragsteller nach dem eindeutigen Wortlaut des § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG auch nicht über einen entscheidenden, sondern lediglich über einen angemessenen Einfluss verfügen. Der Vorstand und Aufsichtsrat hätten dem Beschluss des Verwaltungsgerichts nachfolgend zudem eine weitere Satzungsänderung beschlossen, die der Generalversammlung zur Entscheidung vorgelegt werden solle. Danach stünden ihm einer von zwei Vorstandsposten und vier von sieben Aufsichtsratssitzen zu.

Das Verwaltungsgericht hat die Rechtswidrigkeit der Zuweisung tragend darauf gestützt, dass der Einfluss nicht - wie von § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG verlangt wird - durch „Gesellschaftsvertrag, durch Satzung oder in anderer Weise“ gesichert sei.

Der Antragsteller bringt hiergegen vor, dass im Jahr 2019 eine Änderung der Satzung beschlossen worden sei, wonach er drei von sieben Aufsichtsratsmitgliedern stelle, der Beschluss allerdings noch nicht in das Genossenschaftsregister eingetragen worden sei.

Der Vortrag eines die Satzung ändernden Beschlusses der Generalversammlung kann der Beschwerde des Antragstellers bereits deshalb (jedenfalls derzeit) nicht zum Erfolg verhelfen, weil ein solcher entgegen seiner in der Beschwerdebegründung mitgeteilten Auffassung gemäß § 16 Abs. 6 GenG vor der (hier noch nicht erfolgten) Eintragung in das Genossenschaftsregister keine rechtlichen Wirkungen entfaltet, auch nicht im Innenverhältnis (Geibel in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, GenG § 16 Rn. 23, § 10 Rn. 3; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl. 2012, § 16 Rn. 29; BGH, Urteil vom 01.03.1956 – II ZR 83/55 –, NJW 1956, 710 zu § 16 Abs. 4 GenG a.F.).

Darüber hinaus dürfte allein die Möglichkeit der Entsendung von drei Mitgliedern des siebenköpfigen Aufsichtsrats - nach dem gegebenenfalls Wirksamwerden der Satzungsänderung - auch nicht den an die Angemessenheit des Einflusses im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG zu stellenden Anforderungen genügen.

Nach § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG dürfen die Kommunen Unternehmen im Sinne von § 136 NKomVG in einer Rechtsform des privaten Rechts nur führen oder sich daran beteiligen, wenn die Kommune einen angemessenen Einfluss, insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan, erhält und dieser durch Gesellschaftsvertrag, durch Satzung oder in anderer Weise gesichert wird.

Die Kommune soll dauerhaft die Möglichkeit erhalten, die Unternehmenspolitik mitzubestimmen und an der Kontrolle ihrer Umsetzung mitzuwirken (Thiele, NKomVG, 2. Auflage 2017, § 137 Rn. 9). In erster Linie verschafft sich die Kommune den nötigen Einfluss durch die Besetzung der Gesellschaftsorgane mit kommunalen Vertretern, die von ihr entsandt werden und über die die Kommune dann die Entscheidungen der Gesellschaft beeinflussen und deren Handeln kontrollieren kann, insbesondere durch Weisungen und Unterrichtungspflichten (Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 30; Klaß in BeckOK KommunalR, Stand: 01.01.2020, NKomVG § 137 Rn. 28a; zu einer GmbH vgl. auch Senatsurteil vom 04.12.2019 – 10 LC 154/18 –, juris Rn. 52). Das Erfordernis hinreichender Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten einer Kommune folgt auch aus dem in Art. 20 Abs. 2 GG verankerten Demokratieprinzip (BVerwG, Urteil vom 31.08.2011 – 8 C 16.10 –, juris Rn. 29 (GmbH); BVerfG, Urteil vom 07.11.2017 – 2 BvE 2/11 –, juris Rn. 221 f. (Deutsche Bahn AG); Klaß in BeckOK KommunalR, Stand: 01.01.2020, NKomVG § 137 Rn. 3; Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 10; Ipsen, NKomVG, 2011, § 137 Rn. 3).

Die Angemessenheit der Einflussnahmemöglichkeit im Sinne des 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG hängt unter anderem auch von der gewählten Rechtsform, der Beteiligungsverhältnisse und der Größe des Unternehmens ab (Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 31 f.; Klaß in BeckOK KommunalR, Stand: 01.01.2020, NKomVG § 137 Rn. 29; Ipsen, NKomVG, 2011, § 137 Rn. 13). Dabei ist jedoch zu beachten, dass staatliches Handeln auch in den Formen des Privatrechts staatliche Gewalt und demokratisch legitimationsbedürftig ist (Grzeszick in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: Oktober 2019, Art. 20 Rn. 96, 100; Dreier, Grundgesetz, 3. Auflage 2015, Art. 20 Rn. 132; BVerfG, Urteil vom 07.11.2017 – 2 BvE 2/11 –, juris Rn. 217 ff., 264, 268, und Beschluss vom 05.12.2002 – 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 –, juris Rn. 132 ff.). Die Entscheidungen des kommunalen Unternehmens müssen sich durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf die gewählte Volksvertretung zurückführen lassen (Senatsurteil vom 04.12.2019 – 10 LC 154/18 –, juris Rn. 52). Diese notwendige demokratische Legitimation des unternehmerischen Handelns der Kommune setzt bei verfassungskonformer Auslegung des Begriffs „angemessen“ (und von § 137 Abs. 1 Nr. 7 NKomVG, Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 57; Ipsen, NKomVG, 2011, § 137 Rn. 21) jedenfalls grundsätzlich voraus, dass sie in der Lage ist, auf die grundlegenden Entscheidungen des Unternehmens entscheidenden Einfluss auszuüben (Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 33; Ipsen, NKomVG, 2011, § 137 Rn. 3; vgl. auch Dreier, Grundgesetz, 3. Auflage 2015, Art. 20 Rn. 133 f.). Ist ihr dies bei Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der Regelungen des Privatrechts bzw. Gesellschaftsrechts (vgl. dazu auch Hessischer VGH, Urteil vom 09.02.2012 – 8 A 2043/10 –, juris Rn. 79, 82 f.) nicht möglich, so muss die Kommune auf eine andere Rechtsform zurückgreifen oder auf das Unternehmen bzw. die Beteiligung daran verzichten (Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 33, 11, 15; vgl. dazu auch BVerfG, Urteil vom 07.11.2017 – 2 BvE 2/11 –, juris Rn. 225; Dreier, Grundgesetz, 3. Auflage 2015, Art. 20 Rn. 133 f.; Dünchheim/Gräler, Verfassungsrechtliche Implikationen der paritätischen Mitbestimmung in kommunalen Unternehmen, NVwZ 2019, 1225, 1230). Ist die Kommune lediglich mit einer Minderheit von Anteilen an dem Unternehmen beteiligt, wird eine angemessene Einflussmöglichkeit in dem dargelegten Sinne ohne zusätzliche Absicherungen ihres kommunalen Einflusses in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag (oder in anderer Weise) regelmäßig nicht gegeben sein (vgl. Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 33; so im Ergebnis wohl auch Klaß in BeckOK KommunalR, Stand: 01.01.2020, NKomVG § 137 Rn. 38). Jedenfalls ist insoweit angesichts der erforderlichen demokratischen Legitimation des kommunalen unternehmerischen Handelns und hinsichtlich der Sicherung der Erfüllung des öffentlichen Zwecks des Unternehmens (die auch von § 137 Abs. 1 Nr. 5 NKomVG vorausgesetzt wird) nicht schon allein ausreichend, dass sich die “angemessenen“ Einwirkungsmöglichkeiten am Grad der (Minderheits-)Beteiligung der Kommune an dem Unternehmen orientieren bzw. ihm entsprechen, wenn diese der Kommune nicht erlauben, auf die grundlegenden Entscheidungen des Unternehmens entscheidenden Einfluss auszuüben (vgl. Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 10 f., 33, 57; vgl. auch Ipsen, NKomVG, 2011, § 137 Rn. 3, 21; vgl. auch Grzeszick in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: Oktober 2019, Art. 20 Rn. 226, 229, der die Anforderungen an das Legitimationsniveau von der betroffenen Tätigkeit abhängig macht). Haben die privaten Mitanteilseigner letztlich den maßgeblichen Einfluss auf diese Entscheidungen, ist die wirtschaftliche Tätigkeit der Kommune zur Erledigung ihrer Angelegenheiten (vgl. § 136 Abs. 1 Satz 1 NKomVG) regelmäßig entgegen dem aus dem Demokratieprinzip folgenden Erfordernis nicht hinreichend legitimiert und die Einflussnahmemöglichkeit nicht „angemessen“ im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG (vgl. auch Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 57).

Die danach erforderliche Einflussmöglichkeit des Antragstellers auf grundlegende Entscheidungen der Genossenschaft wäre durch die Möglichkeit der Entsendung von drei stimmberechtigten Aufsichtsratsmitgliedern bereits deshalb nicht gewährleistet, weil sie bei Entscheidungen des Aufsichtsrats, die grundsätzlich der einfachen Mehrheit bedürfen (Geibel in Henssler/Strohn, GesR, 4. Auflage 2019, GenG § 36 Rn. 7; so auch § 19 der in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen Satzung (Bl. 321)), überstimmt werden können, zumal dem Aufsichtsrat auch hauptsächlich (nur) die Aufgabe zukommt, den Vorstand zu überwachen (§ 38 Abs. 1 Satz 1 GenG; vgl. auch § 17 der Satzung (Bl. 320 VV)), und über die wesentlichen Entscheidungen die Generalversammlung beschließt (vgl. Geibel in Henssler/Strohn, GesR, 4. Auflage 2019, GenG § 43 Rn. 1; so auch hier § 24 der Satzung (Bl. 322 VV); vgl. auch Wefelmeier in Nds. KVG, Stand: Juni 2019, § 137 Rn. 46, 35 ff., der davon ausgeht, dass die Minderheitsbeteiligung einer Kommune an einer Aktiengesellschaft unzulässig ist; vgl. dazu auch das Sondervotum in BVerfG, Urteil vom 22.02.2011 – 1 BvR 699/06 –, juris Rn. 117). Auf deren Willensbildung hat der Antragsteller, der nach seinem Vortrag über weniger als 10 % der Gesamtanzahl der Genossenschaftsanteile verfügt, allein durch die Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern keinen maßgeblichen Einfluss.

Ob durch die vom Antragsteller beabsichtigte Satzungsänderung, nach der neben vier Aufsichtsratsmitgliedern auch einer von zwei Vorständen der Genossenschaft durch den Antragsteller entsendet werden soll, die zur Sicherung des öffentlichen Zwecks und für die demokratische Legitimation erforderliche angemessene Einflussnahmemöglichkeit erreicht wird, erscheint dementsprechend ebenfalls zweifelhaft. Denn hierdurch wird zwar der Einfluss auf die Führung bzw. Vertretung und Kontrolle der Genossenschaft erheblich ausgeweitet, es bleibt jedoch die nur sehr geringe Beteiligung an den Genossenschaftsanteilen, die ohne zusätzliche Absicherung des kommunalen Einflusses (in der Satzung) eine “angemessene“ Einflussnahme kaum zulässt (vgl. Wefelmeier in Nds. KVG, Stand: Juni 2019, § 137 Rn. 33). Hinzu kommt, dass nach der in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen Satzung (Bl. 317) auch der öffentliche Zweck des Unternehmens im Sinne der §§ 136 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 137 Abs. 1 Nr. 5 NKomVG fraglich erscheint, der in § 2 der Satzung als „Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb“ formuliert wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nrn. 1.5, 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).