Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.04.2020, Az.: 1 PA 35/20
Bauaufsicht; Foto
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.04.2020
- Aktenzeichen
- 1 PA 35/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 72124
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 05.02.2020 - AZ: 2 A 118/19
Rechtsgrundlagen
- § 79 Abs 1 BauO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
§ 79 Abs. 1 NBauO ermächtigt die Bauaufsichtsbehörde, die Duldung der Anfertigung von Lichtbildern anlässlich einer bauaufsichtlichen Überprüfung anzuordnen.
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 2. Kammer (Einzelrichter) - vom 5. Februar 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
Gründe
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht für seine Anfechtungsklage gegen eine bauaufsichtliche Verfügung des Beklagten vom 13. Dezember 2018. Mit dieser hatte der Beklagte die bauaufsichtliche und abfall-/wasserrechtliche Überprüfung seines aus dem Aktivrubrum ersichtlichen Grundstücks unter Vollzugshilfe der Polizei angeordnet und dem Kläger aufgegeben, die Anfertigung von Fotos zur Dokumentation des dortigen Zustands zu dulden.
Bereits am 12. Dezember 2017 hatte auf dem Grundstück des Klägers eine Kontrolle durch den Beklagten stattgefunden, bei der Fotos angefertigt wurden. Nachdem die Beteiligten über die bau-, wasser- und abfallrechtliche Bewertung der dort vorgefundenen Zustände sowie darüber gestritten hatten, ob vom Kläger vorgenommene Maßnahmen ausreichend zur Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse waren, ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 26. Oktober 2018 eine erneute Überprüfung des Grundstücks am 12. Dezember 2018 an. Da der Kläger anlässlich des Überprüfungstermins die Anfertigung von Fotos untersagte, brach der Beklagte den Termin ab und erließ am Folgetag den streitgegenständlichen Bescheid. Die darin angeordnete Überprüfung wurde am 10. Januar 2019 durchgeführt. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und Prozesskostenhilfe beantragt.
Die gegen die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags erhobene Beschwerde ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nicht, wie für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erforderlich, hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, inwieweit sich der angegriffene Bescheid vom 13. Dezember 2018 durch die Durchführung der Überprüfung am 10. Januar 2019 bereits erledigt hat und daher kein tauglicher Gegenstand einer Anfechtungsklage mehr sein kann. Denn jedenfalls war der Bescheid rechtmäßig.
Nach § 79 Abs. 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind. Hierzu gehören nicht nur Maßnahmen, die, wie Nutzungsuntersagungen oder Beseitigungsanordnungen, unmittelbar zur Herstellung rechtmäßiger Zustände führen, sondern – sofern dies infolge fehlender Kooperation des baurechtlich Verantwortlichen erforderlich ist – Maßnahmen, die als Gefahrerforschungsmaßnahmen der Aufklärung und rechtssicheren Dokumentation möglicher Baurechtsverstöße dienen. Hierzu zählt auch die Anfertigung von Lichtbildern möglicherweise baurechtswidriger Zustände auf einem Baugrundstück. Da bauaufsichtliche Verfügungen regelmäßig nicht spontan vor Ort, sondern nach Anhörung des baurechtlich Verantwortlichen schriftlich zu einem späteren Zeitpunkt ergehen müssen, kann es erforderlich sein, den bei einer Vorortkontrolle vorgefundenen Zustand fotografisch festzuhalten. So lag der Fall auch hier. Auf dem Grundstück des Klägers befanden sich eine Vielzahl baulicher Anlagen und Gegenstände, die Anlass zu weiterer bauaufsichtlicher Prüfung boten. Gerade auch angesichts der vom Kläger in diversen Stellungnahmen vertretenen Auffassung, die Zustände auf seinem Grundstück seien baurechtmäßig, war es erforderlich, den vorgefundenen Zustand zu einem späteren Zeitpunkt im Detail reproduzieren zu können. Dass die Beteiligten dabei außer über die tatsächlichen Zustände auf dem Klägergrundstück auch über deren rechtliche Bewertung stritten, ändert daran nichts.
Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, die erforderliche baurechtliche Bewertung hätte auch anhand der am 12. Dezember 2017 gefertigten Lichtbilder vorgenommen werden können. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger in seinen nachfolgenden Stellungnahmen selbst verschiedene Annahmen des Beklagten zu den an diesem Tag vorgefundenen Zuständen – etwa zur Zahl der abgestellten Fahrzeuge – bestritten und teilweise „Mängelbeseitigungen“ vorgetragen, aber nicht belegt hat – etwa die Entfernung verschiedener Fahrzeuge sowie von Schweinefutter. Der Erlass einer hinreichend bestimmten Beseitigungsanordnung erforderte vor diesem Hintergrund eine erneute Bestandsaufnahme und Dokumentation der Zustände auf dem Grundstück. Dass der Beklagte die Feststellungen aus dem Jahr 2017 nicht zum Anlass genommen hat, sofort gegen den Kläger eine Beseitigungsanordnung und/oder Nutzungsuntersagung zu erlassen, ändert daran nichts. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnung ist, welche Schritte bei deren Erlass zur Herstellung baurechtmäßiger Zustände erforderlich erscheinen mussten. Ob das Zuwarten des Beklagten die Anordnung des Sofortvollzugs in Frage stellt, ist im Hauptsacheverfahren unerheblich.
Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot ist entgegen dem Vorbringen des Klägers fernliegend. Mildere Mittel zur rechtssicheren Dokumentation der baulichen Zustände auf seinem Grundstück als die Fertigung von Lichtbildern hat der Kläger nicht benannt und sind auch nicht ersichtlich; namentlich Satellitenbilder weisen bei weitem nicht die hierfür erforderliche Detailschärfe auf. Ein Gedächtnisprotokoll der Mitarbeiter des Beklagten wäre zur Dokumentation von Details der Situation nicht gleich geeignet wie entsprechende Fotos. Die Wohnräume des Klägers als erhöht schutzwürdiger Bereich seines Grundeigentums sind von der Duldungsanordnung jedenfalls sinngemäß ausgenommen; auch Bildaufnahmen des Klägers selbst sind nicht Gegenstand der Duldungsanordnung.
Ohne Erfolg rügt der Kläger, der Beklagte habe sein Ermessen nicht ausgeübt. Die anlässlich der Vorortkontrolle im Jahr 2017 gefertigten Lichtbilder gaben hinreichende Hinweise auf baurechtswidrige Zustände auf dem Klägergrundstück. Zum Einschreiten gegen baurechtswidrige Umstände ist die Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich verpflichtet. Einer Abwägung des Für und Wider und damit besonderer Ausführungen hierzu in der Begründung des bauaufsichtlichen Bescheides bedarf es daher nur dann, wenn ausnahmsweise besondere Umstände ein Abweichen von diesem Grundsatz erfordern könnten (Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 79 Rn. 54). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
Soweit der Kläger rügt, die Androhung unmittelbaren Zwangs sei unverhältnismäßig, verkennt er bereits, dass der Beklagte im angegriffenen Bescheid zwar die Auswahl dieses Zwangsmittels begründet, dieses tatsächlich aber überhaupt nicht angedroht hat. Die Erwähnung einer „Vollzugshilfe der Polizei“ im Anordnungstext kann für sich noch nicht als derartige Androhung angesehen werden, sondern schafft lediglich die Rechtsgrundlage dafür, auch den Polizeivollzugsbeamten ein Betreten des Grundstücks zu ermöglichen. Im Übrigen hat der Beklagte überzeugend dargelegt, dass er das grundsätzlich vorzugswürdige Vollstreckungsmittel des Zwangsgeldes mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers, die eine Beitreibung als fragwürdig erscheinen lassen mussten, nicht als gleich geeignet wie das Zwangsmittel unmittelbaren Zwanges ansah. Daraus, dass der Kläger anlässlich des Ortstermins vom 12. Dezember 2017 auch ohne Androhung unmittelbaren Zwangs die Maßnahmen des Beklagten geduldet hat, musste dieser schon deshalb nicht auf eine Eignung eines Zwangsgeldes als Zwangsmittel schließen, weil der Kläger 2017 – anders als 2018 – die Fertigung von Lichtbildern gestattet, sich also insgesamt kooperativer verhalten hatte.
Der Prozesskostenhilfeantrag für das Beschwerdeverfahren hat schon deshalb keinen Erfolg, weil Prozesskostenhilfe nur für ein Hauptsacheverfahren, nicht aber für ein Verfahren, in dem ausschließlich um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestritten wird, gewährt werden kann. Nur das erstere unterfällt dem Begriff der „beabsichtigten Rechtsverfolgung“ im Sinne des § 114 ZPO i.V.m. § 166 VwGO. Das gilt auch für das Beschwerdeverfahren (OVG Lüneburg, Beschl. v. 2.7.2003 - 2 PA 177/03 -, NVwZ-RR 2003, 790 [VGH Baden-Württemberg 14.01.2003 - 12 S 2637/02] = juris Rn. 3 ff.; VGH Kassel, Beschl. v. 28.1.2013 - 7 D 228/13 -, NJW 2013, 1690 [BGH 20.02.2013 - 1 StR 320/12] = juris Rn. 2 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 11.3.2013 - L 11 AS 1495/12 B -, juris Rn. 10).
Die mit Blick auf KV 5502 erforderliche Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Nach § 166 Abs.1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).