Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.04.2020, Az.: 8 OA 13/20

Erinnerung; Justizverwaltungsakt; Kostenanforderung; Kostenansatz; Kostenerinnerung; Kostenrechnung; maschinell erstellt; Postulationsfähigkeit; Rechtsmittelbelehrung; Vertretungszwang

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.04.2020
Aktenzeichen
8 OA 13/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72127
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 15.11.2019 - AZ: 1 B 60/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Kein Vertretungszwang vor dem Oberverwaltungsgericht bei Kostener-innerung

Tenor:

Die Erinnerung des Klägers gegen die Kostenrechnung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 13. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Erinnerung, über die das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind, durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet, da die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht aufweist und der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 Sätze 1 und 2 GKG), hat keinen Erfolg.

1. Der vom Kläger persönlich ohne Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingelegte Rechtsbehelf ist zwar zulässig, weil § 66 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 GKG (BGBl. I 2008, 2586) nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 1 Abs. 5 GKG vorrangig anzuwenden ist (ebenso Bayerischer VGH, Beschl. v. 13.2.2019 – 8 M 18.1674 –, juris Rn. 5 u. v. 28.10.2011 – 11 CE 11.2433 –, juris Rn. 30). Das ergibt sich eindeutig aus den Materialien des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften, mit dem § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG in der Fassung des Gesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I 2007, 2840) um den Zusatz „… ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder“ ergänzt wurde (BR-Drs. 700/08, S. 36). Hierbei handelte es sich um eine gesetzgeberische Klarstellung im Sinne einer authentischen Interpretation der bis dahin nicht eindeutigen Rechtslage (siehe einerseits BT-Drs. 16/3655, S. 97 mit der Aussage: „Eine Ausnahme vom Vertretungszwang vor diesen Gerichten besteht nach Satz 1 nur in Prozesskostenhilfeverfahren. In allen übrigen Angelegenheiten, … besteht künftig Vertretungszwang. Gleiches gilt für Streitwert- und Kostenbeschwerden.“; andererseits BT-Drs. 16/3655, S. 100: „Ein Anwaltszwang gilt in kostenrechtlichen Verfahren (wie bisher) nicht, wie durch den unveränderten § 66 Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz klargestellt wird“). In den Materialien zum Gesetz vom 17. Dezember 2008 heißt es zur Begründung für die die Rechtslage klärende Ergänzung von § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG (BR-Drs. 700/08, S. 97f.):

„In Streitwert- und Kostenbeschwerden bzw. entsprechenden Erinnerungen besteht auch dann kein Anwalts- oder Vertretungszwang, wenn dies im zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren der Fall ist. Die Änderungen in Artikel 6 stellen dies in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage für alle in Betracht kommenden Rechtsbehelfe klar. § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG, § 57 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG), § 14 Abs. 6 Satz 1 der Kostenordnung (KostO), § 4 Abs. 6 Satz 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) sowie § 11 Abs. 6 Satz 1 und § 33 Abs. 7 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) regeln übereinstimmend, dass Anträge und Erklärungen – also auch einschlägige Rechtsbehelfe – zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben oder schriftlich eingereicht werden können. Diese Bestimmungen sind Teil eines in den kostenrechtlichen Gesetzen eigenständig geregelten und einheitlich für alle Gerichtsbarkeiten geltenden Verfahrensrechts, das entsprechenden Vorschriften in den einzelnen Prozessordnungen vorgeht. Aufgrund der Eigenständigkeit des kostenrechtlichen Verfahrensrechts musste mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) bestimmt werden, welche Personen in Rechtsbehelfen betreffend Streitwert und Kosten bevollmächtigt werden können. Insoweit ist nunmehr festgelegt, dass „für die Bevollmächtigung“ die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend gelten. Schon der Wortlaut der zuletzt genannten Verweisung auf die einzelnen Prozessordnungen macht deutlich, dass diese nur „für die Bevollmächtigung“, nicht aber für die Vertretung im Verfahren insgesamt gilt. Sie kann daher nicht so interpretiert werden, dass Bestimmungen über den Vertretungszwang in den Prozessordnungen im kostenrechtlichen Verfahren entsprechend heranzuziehen sind. Dementsprechend heißt es in der Begründung zu den vorgenannten Verweisungen aus den Kostengesetzen in die Verfahrensordnungen: „Dabei kann sich jeder Beteiligte durch eine solche Person vertreten lassen, die auch nach der Verfahrensordnung des zugrunde liegenden Verfahrens Bevollmächtigter sein kann. Ein Anwaltszwang gilt in kostenrechtlichen Verfahren (wie bisher) nicht, [...]“ (BT-Drs. 16/3655, S. 99). Demgegenüber deuten Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu dem durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts ebenfalls geänderten § 67 VwGO auf einen Vertretungszwang für Streitwert- und Kostenbeschwerden hin (BT-Drs. 16/3655, S. 97). Um insoweit Auslegungszweifeln in der Praxis vorzubeugen, soll eine Klarstellung erfolgen. Zu diesem Zweck wird in § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG, … ausdrücklich geregelt, dass alle Anträge und Erklärungen – damit auch der Rechtsbehelf betreffend die Wertfestsetzung oder den Kostenansatz selbst – nach ihrer oder seiner Wahl sowohl durch die oder den Beteiligten selbst als auch durch einen von ihr oder ihm bestellten Bevollmächtigten (§ 66 Abs. 5 Satz 2 GKG, …) schriftlich eingereicht oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden können, selbst wenn in der Hauptsache nach den Regelungen der jeweiligen Prozessordnung ein Vertretungszwang besteht.“

Die Rechtsfrage, ob die Erinnerung gegen den Kostenansatz gemäß § 66 Absatz 1 GKG dem Vertretungszwang nach § 67 Abs. VwGO unterliegt, ist daher vom Gesetzgeber entschieden worden und kann nicht mehr als offen qualifiziert werden (anders BVerwG, Beschl. v. 2.2.2017 - 6 KSt 1.17 -, Beck online Leitsatz 2, Rn. 2 u. v. 27.4.2016 - 5 KSt 1.16 -, Beck online Rn. 3; die im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts v. 2.2.2017 noch angeführte Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts v. 15.4.2009 (Az. 12 Bf 363/07, Beck online) ist durch die am 1.9.2009 in Kraft getretene Neuregelung überholt).

2. Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Die vom Kläger gegen die Kostenrechnung erhobenen Einwände treffen nicht zu.

Die Kostenrechnung vom 13. Dezember 2019 ist, anders als der Kläger meint, ohne Unterschrift gültig und nicht formell unwirksam. Bei der Kostenrechnung handelt es sich um einen (Justiz-) Verwaltungsakt, der der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt und für den daher nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG das Verwaltungsverfahrensgesetz gilt (BVerwG, Beschl. v. 27.4.2016 – 5 KSt 1/16 u.a. –, juris Rn. 9; OLG Celle, Beschl. v. 21.3.2014 – 1 WS 100/14 –, Beck online m.w.N.). Nach dem insoweit anwendbaren § 37 Abs. 5 Satz 1 VwVfG bedarf es bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der – wie hier – mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, jedoch abweichend von § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG nicht der Unterschrift und Namenswiedergabe des Behördenleiters. Dies steht in Einklang mit der bundesweit koordinierten Verwaltungsvorschrift des § 25 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 Kostenverfügung - KostVfg - des Justizministeriums vom 19. Februar 2014 (Nds. Rpfl. 2014, S. 77, zul. geändert durch VV v. 11.6.2015, Nds. Rpfl. 2015, S. 195), die den Inhalt der gerichtlichen Kostenanforderung regelt. Danach bedürfen Kostenanforderungen, die automationsgestützt erstellt werden, weder einer Unterschrift noch eines Abdrucks des Dienstsiegels (Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 23.11.2018 - 13 OA 494/18 -, Beck online Rn. 8). Auf der Kostenanforderung ist (lediglich) zu vermerken, dass das Schreiben mit einer Datenverarbeitungsanlage erstellt wurde und daher nicht unterzeichnet wird (§ 25 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 KostVfg). Der Unterschrift des Kostenbeamten unter Angabe von Ort, Tag und Amtsbezeichnung bedarf allein die Urschrift der Kostenrechnung (§ 24 Abs. 9 KostVfg; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 30.6.2017 – 9 LA 60/17 -, V.n.b.), die bei der Sachakte verbleibt (§ 24 Abs. 1 KostVfg). Diese Vorschriften sind hier beachtet. Die in den Gerichtsakten befindliche Kostenverfügung weist die Unterschrift der Urkundsbeamtin auf; die dem Kläger übersandte Kostenrechnung trägt den Vermerk „Die Kostenrechnung wurde maschinell erstellt und ist daher ohne Unterschrift gültig“.

Entgegen der Behauptung des Klägers enthält die ihm übersandte Kostenrechnung vom 13. Dezember 2019 auch die nach § 5b GKG, der als lex specialis insoweit § 37 Abs. 6 VwVfG verdrängt (§ 1 Abs. 5 GKG), erforderliche Rechtsmittelbelehrung.

Einwände gegen die inhaltliche Richtigkeit der Kostenrechnung werden mit der Erinnerung nicht erhoben.

Das Verfahren über die Kostenerinnerung ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 GKG, § 152 Abs. 1 VwGO).