Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.04.2020, Az.: 1 KN 141/17
Auslegung; Betroffenheit; Landesraumordnungsprogramm; Öffentlichkeitsbeteiligung, erneute; Raumordnungspläne; Ziele der Raumordnung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 29.04.2020
- Aktenzeichen
- 1 KN 141/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 71730
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 6 S 1 ROG ND
- § 10 Abs 1 S 1 ROG
- § 10 Abs 1 S 4 ROG
- § 12 Abs 1 Nr 1 ROG
- § 10 Abs 1 S 1 ROG
- § 12 Abs 1 Nr 1 ROG
- § 9 Abs 3 S 1 ROG
- § 6 UmwRG
- § 48 UVPG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Pflicht zur erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung nach Änderung des Entwurfs eines Raumordnungsplans war jedenfalls bis zum Inkrafttreten von § 9 Abs. 3 Satz 1 ROG i.d.F. v. 29.5.2017 (BGBl. I S. 1245 ff.) nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Änderung Belange erstmals oder stärker als im Vorentwurf berührte; sie war auch geboten, wenn Belange auf andere Weise, über einen anderen tatsächlichen oder rechtlichen Wirkmechanismus berührt sein konnten.
Die Betroffenheit im Sinne der Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung ist stets die aus der ex-ante-Sicht zu beurteilende mögliche Betroffenheit.
Die Unbeachtlichkeitsregelung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 ROG 2008 greift nur, wenn die Beteiligung einzelner Betroffener, nicht aber, wenn die Öffentlichkeitsbeteiligung als solche unterlassen wurde.
Tenor:
Art. 1 Nr. 3 lit. c) sowie Art. 1 Nr. 2 lit. h) ee) der von der Landesregierung am 24. Januar 2017 beschlossenen Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen sind unwirksam, soweit sie die Fläche des bisherigen Vorranggebiets Rohstoffgewinnung Nr. 61.1 (Hankhauser Moor) betreffen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Mit ihrem Normenkontrollantrag wendet sich die Antragstellerin gegen die Streichung eines Vorranggebietes zur Rohstoffgewinnung (VRR) von Torf in Art. 1 Nr. 3 lit. c) der Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen vom 16.2.2017. Sie ist ein Unternehmen zur Torfgewinnung und teils Eigentümerin, teils Pächterin von Flächen im Bereich des Hankhauser Moors, auf denen sie Torfabbau betreiben möchte.
Nutzen und Schaden des Torfabbaus sind seit längerem umstritten. Jährlich werden in Deutschland mehrere Millionen Kubikmeter Torf abgebaut, der Großteil davon in Niedersachsen. Etwa ein Drittel des deutschen Torfbedarfs wird bislang importiert. Torf wird in erster Linie im – gewerblichen und privaten – Gartenbau verwendet. Das Land Niedersachsen bemüht sich, die Entwicklung von Ersatzstoffen für Torf zu fördern; die Ergebnisse dieser Forschung sind jedoch noch nicht in der Lage, Torf als Rohstoff vollständig zu ersetzen.
Neben der Konkurrenz von Torfindustrie, Landwirtschaft, Natur- und Landschaftsschutz sowie erholungssuchenden Umwohnern und Touristen um die zum Torfabbau geeigneten Hoch- und Niedermoorflächen beeinflusst seit einigen Jahren vor allem die Bedeutung dieser Gebiete für den Klimaschutz die Diskussion um den Torfabbau. Torf besteht aus abgestorbenen Pflanzenresten, die große Mengen an Kohlenstoff im Boden speichern. Beim Torfabbau, aber auch bei einer landwirtschaftlichen (Acker- oder Grünland-) Nutzung des Moorbodens gelangt dieser Kohlenstoff mit Luft in Kontakt und wird als Treibhausgas freigesetzt. Im Falle eines Torfabbaus vollzieht sich dieser Prozess in relativ kurzer Zeit. Die Torfzehrung erfasst allerdings in der Regel nur den abgebauten Torfkörper. In der industriellen Torfwirtschaft ist es üblich, eine Torfrestschicht im Boden zu belassen und diese anschließend wieder zu vernässen. Auch im Falle einer landwirtschaftlichen Nutzung der Moorböden findet eine Torfzehrung statt. Diese vollzieht sich gegenüber dem Torfabbau wesentlich langsamer, kann aber bei ungehindertem Ablauf langfristig je nach Torfstärke zu einer vollständigen Freisetzung des gebundenen CO2 führen. Ideal aus Sichtweise des Klimaschutzes – aber aus Sicht der Landwirtschaft wie der Torfindustrie unproduktiv – ist die sofortige Moorsanierung.
Bereits die bisherige Fassung des LROP hatte den Ansatz, diese widerstreitenden Belange in einen Ausgleich zu bringen. Für den Bereich, in dem die Flächen der Antragstellerin liegen, wies das Landesraumordnungsprogramm (LROP) i.d.F. der Änderungsverordnung vom 24. September 2012 (Nds. GVBl. S. 350) des Antragsgegners ein Vorranggebiet für die Rohstoffgewinnung Nr. 61.1 aus. Ergänzend hieß es in Abschnitt 3.2.2 Ziffer 05 Satz 8 ff. der textlichen Regelungen:
„- 8Für die Vorranggebiete Rohstoffgewinnung Nr. […] 61.1 […] sind integrierte Gebietsentwicklungskonzepte zu erarbeiten, die eine räumliche und zeitliche Abstimmung des Bodenbaus mit den Belangen der Landwirtschaft, des Naturschutzes, der Landschaftspflege und den Kompensationsmaßnahmen nach Naturschutzrecht ermöglichen. 9Den Konzepten ist ein langfristiges Leitbild für Entwicklungsziele und Flächennutzung im jeweiligen Vorranggebiet zugrunde zu legen. 10Der Betrachtungsraum für die Konzeptentwicklung kann über das festgelegte Vorranggebiet Rohstoffgewinnung hinausgehen. 11Die Konzepte bedürfen des Einvernehmens der obersten Landesplanungsbehörde und sind danach Grundlage für die nähere Festlegung der Vorranggebiete Rohstoffgewinnung in den Regionalen Raumordnungsprogrammen. 12Die Konzepte sollen Grundlage für die Genehmigung von Bodenabbauten und für alle anderen Flächen beanspruchenden Nutzungen und Maßnahmen sein.
- 13-20[…]“
Die Forderung eines integrierten Gebietsentwicklungskonzepts (IGEK) als Grundlage eines Torfabbaus in VRR nach dem Landesraumordnungsprogramm besteht seit dem Jahr 2002. Vorgaben dazu, auf wessen Initiative und auf wessen Kosten die IGEK zu erstellen wären, enthielt das LROP in der bisherigen Fassung nicht.
Die Antragstellerin beabsichtigt seit längerem, auf ihren Flächen Torf abzubauen. Auf ihre Kosten und unter ihrer Mitwirkung wurde hierfür bis zum Juli 2007 ein IGEK erstellt, zu dem das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Antragsgegners als oberste Landesplanungsbehörde gegen den Widerstand des Landkreises Ammerland mit Schreiben vom 14. Februar 2013 sein Einvernehmen erklärte. Am 20. Juni 2011 stellte die Antragstellerin beim zuständigen Landkreis Ammerland eine Voranfrage gemäß § 11 NAGBNatSchG zur raumordnerischen Prüfung eines Torfabbaus auf einer Fläche von ca. 210 ha, die dieser mit Bescheid vom 15. November 2013 ablehnte. Zur Begründung berief sich der Landkreis auf eine entgegenstehende Zeitstufenregelung in seinem Regionalen Raumordnungsprogramm aus dem Jahr 1996 (RROP 96), die die Antragstellerin für unwirksam hält. Der Widerspruch der Antragstellerin blieb erfolglos. Die darauf erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Oldenburg mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 26. März 2019 (Az. 4 A 3336/14) mit der Begründung ab, das Vorhaben bedürfe nach gegenwärtigem Erkenntnisstand einer wasserrechtlichen Planfeststellung, was die Anwendung der naturschutzrechtlichen Genehmigungsvorschriften und damit die Erteilung eines naturschutzrechtlichen Vorbescheids ausschließe. Eine 2017 erhobene Klage auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Genehmigung hat die Antragstellerin im Anschluss an das Urteil zurückgenommen (Einstellungsbeschluss v. 6.11.2019 – 5 A 3705/17).
Im Nds. Ministerialblatt vom 7.8.2013 machte das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) die allgemeinen Planungsabsichten für die hier angegriffene Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen bekannt. Diese sahen u.a. die Streichung aller VRR Torfabbau vor.
Ein 2014 gefertigter erster Entwurf (LROP-E 2014) wurde vom 27. Juli bis 31. Oktober 2014 öffentlich ausgelegt. Der Entwurf sah die Streichung sämtlicher Vorranggebiete Rohstoffgewinnung Torf einschließlich des VRR Nr. 61.1 vor. Zusätzlich sollten sämtliche 25 ha übersteigenden Flächen mit einer Torfmächtigkeit ab 1,3 m, die nicht bestimmten Ausschlusskriterien genügten, als Vorranggebiete Torferhaltung und Moorentwicklung (VR TEuME) festgelegt werden. Hierzu sollte Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06 folgende Fassung erhalten:
„1In den in A n l a g e 2 festgelegten Vorranggebieten Torferhaltung und Moorentwicklung sind die vorhandenen Torfkörper in ihrer Funktion als Kohlenstoffspeicher zu erhalten.
2Torfkörper in Vorranggebieten Torferhaltung und Moorentwicklung, die bereits die Funktion einer natürlichen Senke für klimaschädliche Stoffe wahrnehmen, sind in dieser Funktion zu sichern.
3Torfkörper in Vorranggebieten Torferhaltung und Moorentwicklung, die diese Senkenfunktion noch nicht erfüllen, aber aus naturschutzfachlichen, klimaökologischen und bodenkundlichen Gründen dafür geeignet sind, sollen zu natürlichen Senken für klimaschädliche Stoffe entwickelt werden.
4Die Vorranggebiete Torferhaltung und Moorentwicklung sind in die Regionalen Raumordnungsprogramme zu übernehmen und dort räumlich näher festzulegen.
5Zur Unterstützung der Kohlenstoff-Bindungsfunktion sollen in den Vorranggebieten Torferhaltung und Moorentwicklung nachhaltige, klimaschonende Bewirtschaftungsweisen, insbesondere in der Landwirtschaft, gefördert werden.
Die Gebietskulisse der VR TEuME überlagerte teilweise diejenige der gestrichenen VRR Torf. Auch große Teile des bisherigen VRR 61.1, unter anderem die von der Antragstellerin als Abbauflächen beantragten Grundstücke, waren als VR TEuME vorgesehen. Die Antragstellerin erhob innerhalb der Stellungnahmefrist Einwendungen.
2015 überarbeitete der Antragsgegner den Planentwurf und legte den geänderten Entwurf (LROP-E 2015) vom 25. November bis 23. Dezember 2015 erneut aus. Im Januar und Februar 2016 fanden Erörterungstermine zu diesem Entwurf statt. Im geänderten Entwurf war das VRR 61.1 nun wieder vorgesehen, mit folgenden Maßgaben in Abschnitt 3.2.2 Ziffer 05 der textlichen Regelungen:
„1Die in Anlage 2 festgelegten Vorranggebiete Rohstoffgewinnung der Rohstoffart Torf (Nrn. … 61.1…) sind ausschließlich auf Abbaunutzungen beschränkt, die aufgrund besonderer klimaschutzbezogener Kompensationsleistungen mit den Festlegungen in Abschnitt 3.1.1 Ziffer 05 Sätze 1 und 2 vereinbart werden können.
[Es folgt eine Beschreibung der Kompensationsmaßnahmen]
8Ausgenommen von den Regelungen nach Satz 1 sind die Vorranggebiete Rohstoffgewinnung Nr. … 61.1, sofern der Torfabbau das jeweils mit der obersten Landesplanungsbehörde abgestimmte Integrierte Gebietsentwicklungskonzept umsetzt.“
Insgesamt wurden die verbleibenden Vorranggebiete TEuME durch Vorranggebiete Torferhaltung (VR TE) ersetzt; die Moorentwicklung als Ziel der Raumordnung wurde aufgegeben, um eine land-/forstwirtschaftliche oder gartenbauliche Nutzung dieser Flächen nicht zu behindern. Konkret wurden die Sätze 2 und 3 des Abschnitts 3.1.1 Ziffer 06 durch folgende „Landwirtschaftsklausel“ ersetzt:
„3Eine der guten fachlichen Praxis entsprechende landwirtschaftliche und erwerbsgärtnerische Nutzung sowie eine der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft entsprechende Nutzung von entwässerten Moorböden, die die Torfzehrung nicht wesentlich beschleunigt, steht dem raumordnerischen Vorrang Torferhaltung nicht entgegen.“
Nach Abschluss des 2. Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens nahm der Antragsgegner weitere Änderungen am Planentwurf vor; unter anderem sah dieser nun die Streichung des VRR 61.1, allerdings ohne gleichzeitige Festsetzung eines VR TE vor.
Am 24. Januar 2017 beschloss die Landesregierung die hier angegriffene Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen (LROP) und verkündete sie nach Ausfertigung im Nds. GVBl. vom 16.2.2017 (S. 26). Die Bekanntmachung der Hinweise nach § 4 Abs. 3 NROG im Niedersächsischen Ministerialblatt folgte am 22.2.2017 (Nds. MBl. 2017 S. 201 f.).
Art. 1 Nr. 3 Buchst. c) der Änderungsverordnung lautet:
„Die Vorranggebiete Rohstoffgewinnung (Abschnitt 3.2.2 Ziffer 02) mit den Nrn. […] 61.1 […] werden gestrichen.“
Art. 1 Nr. 2 Buchst. h ee) lautet:
Die bisherige Ziffer 05 wird Ziffer 06 und wie folgt geändert:
aaa) Die Sätze 8 bis 12 werden gestrichen.
bbb) Die bisherigen Sätze 13 bis 20 werden Sätze 8 bis 15.
Eine Festlegung als VR TE, wie im LROP-E 2014 vorgesehen, wird für die Fläche des VRR 61.1 nicht getroffen.
Am 15. September 2017 hat die Antragstellerin den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung trägt sie eine Vielzahl formeller und materieller Rügen vor. Unter anderem macht sie geltend, die Änderungen am LROP-Entwurf nach Abschluss der zweiten öffentlichen Auslegung hätten ein drittes Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren erfordert. Diese sei nicht deshalb entbehrlich, weil sie schon im Rahmen der ersten Öffentlichkeitsbeteiligung Gelegenheit gehabt habe, zur Streichung des VRR 61.1 Stellung zu nehmen. Eine solche Sichtweise verkenne, dass der LROP-E 2014 nicht die isolierte Streichung der Vorranggebiete für Torfabbau, sondern deren Umwandlung in VR TEuME vorgesehen habe; ferner sei im LROP-E 2014 die Streichung aller Vorranggebiete für Torfabbau beabsichtigt gewesen, während diese nachteilige Folge im Verordnung gewordenen Entwurf nur noch einzelne ehemalige Vorranggebiete treffe; dies werfe Gleichbehandlungsfragen auf, zu denen sie hätte Stellung nehmen wollen. In der Sache sei die Änderungsverordnung namentlich deshalb abwägungsfehlerhaft, da ihr auf Eigentums- und Vertrauensschutz gegründetes Interesse an einer Beibehaltung der mit der Vorranggebietsfestsetzung verbundenen rechtlichen Erleichterungen eines Torfabbaus nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden sei.
Die Antragstellerin hat mit ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom 12. September 2017 wörtlich beantragt,
Art. 1 Nr. 3 lit. c) der Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen, bekannt gemacht im Nds. GVBl. vom 16.2.2017, für unwirksam zu erklären,
hilfsweise,
die Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen, bekannt gemacht im Nds. GVBl. vom 16.2.2017, insgesamt für unwirksam zu erklären.
Mit Zwischenurteil vom 29. Mai 2018 hat der Senat den Hauptantrag dahingehend ausgelegt, dass er sich allein gegen die darin enthaltene Streichung des bisherigen Vorranggebiets Rohstoffgewinnung Nr. 61.1 richtet, und in diesem Umfang für zulässig erklärt. Auf weiteren Hinweis des Senats, dass dies nur das Rechtsschutzziel einer Rückkehr zum status quo ante, d.h. einer Vorranggebietsfestlegung unter dem Vorbehalt der Durchführung eines IGEK, erfasse, beantragt die Antragstellerin nunmehr,
Artikel 1 Nr. 3 lit. c) der Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen sowie damit verbunden die Folgeänderung des Art. 1 Nr. 2 lit. h) ee) der Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen, beide bekannt gemacht im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 16. Februar 2017, für unwirksam zu erklären,
hilfsweise,
die Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen, bekannt gemacht im Nds. GVBl. vom 16. Februar 2017, insgesamt für unwirksam zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er meint, selbst im Falle der Antragsstattgabe bedürfe es nicht der Aufhebung des Art. 1 Nr. 2 Buchst. h) ee) der Änderungsverordnung; das darin gestrichene IGEK-Erfordernis habe sich für das VRR 61.1 selbst im Falle eines Wiederauflebens der Vorranggebietsausweisung erledigt, da ein von der obersten Landesplanungsbehörde genehmigtes IGEK ja vorliege. Eine Streichung des Art. 1 Nr. 2 Buchst. h) ee) beeinträchtige auch die Übersichtlichkeit des Verordnungstextes, da die darin gestrichenen Sätze inzwischen neu belegt seien.
Im Übrigen sei die Änderungsverordnung wirksam. Die von der Antragstellerin geltend gemachten Verfahrensfehler lägen nicht vor. Einer dritten Öffentlichkeitsbeteiligung habe es nicht bedurft. Eine erneute Beteiligung sei nur erforderlich, wenn die Planänderung zu einer erstmaligen oder stärkeren Berührung von Belangen führe. Das sei nunmehr in § 9 Abs. 3 ROG klargestellt, aber auch dem früheren § 3 Abs. 6 NROG immanent gewesen. Die bloße Möglichkeit einer Rechtsbetroffenheit genüge insoweit nicht. Eine tatsächliche konkrete erstmalige oder stärkere Betroffenheit von Belangen der Antragstellerin liege nicht vor. Die Kombination der Aufhebung des Vorrangs für den Torfabbau und der Festlegung eines Vorrangs für die Torferhaltung im LROP-E 2014, zu der sie sich bereits habe äußern können, habe sie stärker betroffen als die Verordnung gewordene Entwurfsfassung. Diese habe gerade keine positive raumordnerische Festlegung für die Fläche getroffen. Dass der zusätzliche Nachteil eines Vorranges für Torferhaltung wieder entfallen sei, stelle weder eine erstmalige, noch eine stärkere Beeinträchtigung der Antragstellerin dar. Auch in Bezug auf Umweltbelange bestehe kein Beteiligungsdefizit, da die Streichung des VRR-Torf und die des VR TEuME/TE eigenständig zu betrachten seien; das zeige auch ihre getrennte Behandlung im Umweltbericht. Auch ergäben sich neue Betroffenheiten nicht daraus, dass auf einer Weißfläche eine landwirtschaftliche Nutzung möglich sei; denn das gelte auch für das Vorranggebiet Torferhaltung, wie sich aus der „Landwirtschaftsklausel in Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06 Satz 2 LROP ergebe.
Auch in materieller Hinsicht sei die Änderungsverordnung nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
I.
Der Hauptantrag der Antragstellerin ist entsprechend der im Zwischenurteil des Senats dargestellten Auslegung auf das Vorranggebiet VRR 61.1 betreffende Regelungen zu beschränken, auch wenn die Antragstellerin diese Beschränkung nicht ausdrücklich in ihren schriftsätzlichen Antrag vom 17. April 2020 aufgenommen hat; denn sie hat in ihrem schriftsätzlichen Vortrag deutlich gemacht, dass sie den Ausführungen des Senats zur Teilbarkeit des LROP und zum Umfang des Verfahrensgegenstandes beitritt.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kommt eine Unwirksamkeitserklärung nur des Artikel 1 Nr. 3 lit. c) der Änderungsverordnung ohne gleichzeitige Unwirksamkeitserklärung ihres Artikel 1 Nr. 2 lit. h) ee) – beides begrenzt auf das VRR 61.1 – nicht in Betracht, da in diesem Fall die Festlegung des Vorranggebiets VRR 61.1 ohne die mit der Pflicht zur Erstellung eines IGEK einhergehenden Begrenzungen gelten würde, die Wirkung der Vorranggebietsfestlegung also eine weiterreichende wäre, als selbst noch im LROP 2012 vorgesehen. Der Umstand, dass für das Gebiet ein entsprechendes IGEK bereits erarbeitet und genehmigt wurde, ändert daran entgegen der Auffassung des Antragsgegners nichts; denn dieses IGEK kann, anders als ein Verwaltungsakt oder eine Rechtsnorm, normative Bindungskraft allenfalls in dem Umfang beanspruchen, in dem sie ihm durch Abschnitt 3.2.2 Ziffer 05 Satz 11, 12 LROP 2012 eingeräumt ist. Ohne diesen Plansatz ist das IGEK eine rein informelle Planung der daran Beteiligten. Ob und inwieweit die vom Senat in seinem Urteil vom heutigen Tag im Verfahren 1 KN 103/17 geäußerten Bedenken gegen die Wirksamkeit der IGEK-Regelung in der Änderungsverordnung auch auf die ähnliche Regelung in Abschnitt 3.2.2 Ziffer 05 Sätze 8-12 LROP 2012 übertragbar sind, ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden, da das LROP 2012 nicht Prüfungsgegenstand ist. In einer Weise offenkundig unwirksam, dass für einen auf Rückkehr zu dieser Regelung abzielenden Antrag das Rechtsschutzinteresse fehlen könnte, ist sie jedenfalls nicht.
Der so verstandene Antrag ist bereits aufgrund des rechtskräftigen Zwischenurteils des Senats vom 29. Mai 2018 zulässig. Nachträgliche Umstände, die die Bindungswirkung dieses Urteils entfallen ließen, liegen nicht vor, insbesondere nicht mit Blick auf das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin. Die inzwischen eingetretene Bestandskraft der die Erteilung eines naturschutzrechtlichen Vorbescheides bzw. einer Bodenabbaugenehmigung ablehnenden Bescheide durch Abweisung bzw. Zurücknahme der dagegen erhobenen Klagen im Jahr 2019 hindert die Antragstellerin nicht, ihr Torfabbauvorhaben in dem vom Verwaltungsgericht Oldenburg für einschlägig erkannten Planfeststellungsverfahren weiterzuverfolgen.
II.
Der Antrag ist begründet. Die Streichung des bisherigen Vorranggebietes 61.1 ist unwirksam. Sie leidet unter einem beachtlichen Verfahrensmangel, da sie einer dritten, hier nicht durchgeführten, Öffentlichkeitsbeteiligung bedurft hätte.
Nach 10 Abs. 1 Satz 1 ROG in der auf das vorliegende Verfahren anwendbaren Fassung vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986 ff. – nachfolgend ROG 2008) sind die Öffentlichkeit sowie die in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen von der Aufstellung des Raumordnungsplans zu unterrichten; ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf des Raumordnungsplans und seiner Begründung zu geben. Nach § 10 Abs. 1 Satz 4 ROG 2008 kann, wird der Planentwurf nach Durchführung des Verfahrens nach den Sätzen 1 bis 3 geändert, die Einholung der Stellungnahmen auf die von der Änderung betroffene Öffentlichkeit sowie die in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen beschränkt werden, wenn durch die Änderung des Planentwurfs die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Nach § 3 Abs. 6 Satz 1 NROG in der hier anwendbaren Fassung vom 18. Juli 2012 (Nds. GVBl. S. 252 ff. – nachfolgend NROG) kann, wird der Entwurf des Raumordnungsplans, der Gegenstand der Beteiligung nach den Absätzen 2 bis 6 gewesen ist, geändert, der Planungsträger bestimmen, dass bei der erneuten Beteiligung Stellungnahmen nur zu den geänderten Teilen abgegeben werden können; § 3 Abs. 6 Satz 2 NROG sieht ergänzend zeitliche Beschränkungsmöglichkeiten der erneuten Auslegung vor, Satz 3 wiederholt § 10 Abs. 1 Satz 4 des ROG. Sowohl die bundes-, als auch die landesrechtliche Regelung setzen mithin die Pflicht voraus, nicht nur zum ersten Entwurf, sondern grundsätzlich auch zu nachfolgenden Entwurfsänderungen eine – ggf. sachlich und persönlich beschränkte – Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Beschränkungen sind nur hinsichtlich des „Wie“, nicht hinsichtlich des „Ob“ der erneuten Beteiligung vorgesehen.
Zwar ist die Pflicht zur erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entwurfsänderungen kein Selbstzweck. Sie dient dazu, den Betroffenen Gelegenheit zu geben, ihre Planbetroffenheit und ggf. auch ihre Einschätzung zur Recht- und Zweckmäßigkeit der Planung in der vorgesehenen Form in den Verfahrensprozess einzubringen. Sie verwirklicht damit zum einen Verfahrensrechte der Betroffenen, zum anderen verbessert sie die Informationsbasis des Entscheidungsträgers. Dementsprechend ist sie in teleologischer Reduktion der o.a. Vorschriften dann entbehrlich, wenn diese Zwecke nicht berührt sind, weil
- die Änderungen lediglich Klarstellungen, Hinweise u.ä. betreffen, die den Regelungsgehalt der Norm unberührt lassen,
- mit der Änderung einer Anregung bzw. Forderung eines Beteiligten nachgekommen wird, ohne dass – gleichsam spiegelbildlich – eine neue mögliche Betroffenheit privater oder öffentlicher Belange geschaffen wird,
- zu einer Normfassung zurückgekehrt wird, zu der die Öffentlichkeit, namentlich in einem der letzten Beteiligung vorangegangenen Beteiligungsverfahren, bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (zu alledem BVerwG, Beschl. v. 18.12.1987 – 4 NB 2.87 -, NVwZ 1988, 822; v. 18.4.2016 – 4 BN 9.16 -, ZfBR 2016, 489 [OVG Nordrhein-Westfalen 03.12.2015 - 2 D 91/14.NE]; v. 31.7.2018 – 4 BN 41.17 -, juris Rn. 6; v. 3.1.2020 – 4 BN 25.19 –, n.v.).
Der Auffassung des Antragsgegners, eine weitere Beschränkung der Pflicht zur erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung ergebe sich aus einer sinngemäßen Anwendung der nunmehr in § 9 Abs. 3 Satz 1 ROG i.d.F. vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1245 ff.) enthaltenen Normfassung, wonach, wenn der Planentwurf nach Durchführung der Verfahrensschritte nach Absatz 2 dergestalt geändert wird, dass dies zu einer erstmaligen oder stärkeren Berührung von Belangen führt, der geänderte Teil erneut auszulegen ist, folgt der Senat nicht. Der Antragsgegner versteht dies dahingehend, dass nur die neue bzw. stärkere Betroffenheit „im Ergebnis“ eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich macht; entbehrlich soll diese demgegenüber dann sein, wenn Belange lediglich auf andere Weise, über einen anderen tatsächlichen oder rechtlichen Wirkmechanismus, berührt sein könnten als in bisherigen Planfassungen. Sinn und Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung gebieten es allerdings auch in diesen Fällen den potentiell Betroffenen Gelegenheit zur erneuten Beteiligung einzuräumen. Denn gerade in solchen Fällen kann ihre Stellungnahme dazu beitragen, ergebnisrelevante Fehlvorstellungen des Plangebers zu vermeiden. Das zeigt nicht zuletzt das vorliegende Verfahren, in dem der Antragsgegner noch im gerichtlichen Verfahren zunächst davon ausging, die Schaffung einer „Weißfläche“ könne für die Antragstellerin nach keiner denkbaren Betrachtungsweise eine Beeinträchtigung darstellen. Ob § 9 Abs. 3 Satz 1 ROG i.d.F. d. G. v. 23.5.2017 in derartigen Fällen wirklich eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung ausschließt, kann dahinstehen. Jedenfalls gilt dies nicht für die hier anwendbare Vorgängerregelung, die eine entsprechende Einschränkung nicht ausdrücklich vorsah. Dem kann der Antragsgegner auch nicht entgegenhalten, der Gesetzgeber habe sich bei der Regelung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsrecht von jeher auf das unionsrechtlich gebotene Minimum beschränkten wollen. Denn auch der insoweit einschlägige Artikel 6 Abs. 2 der Plan-UP-Richtlinie (RL 2001/42/EG v. 27.6.2001), der eine effektive Gelegenheit der Öffentlichkeit, zu einem Planentwurf Stellung zu nehmen, fordert, dürfte eine erneute Äußerungsmöglichkeit in jedem Fall erfordern, in dem eine nachträgliche Änderung des Planentwurfs erneuten Äußerungsbedarf des Betroffenen auslöst.
Gemessen hieran war eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung hier nicht ausnahmsweise entbehrlich. Dass die Streichung des VRR 61.1 nicht nur klarstellende Bedeutung hat, ist unstreitig. Aber auch die beiden weiteren in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen liegen nicht vor. Die Änderung des LROP-E 2015 mag auf Forderungen im Rahmen der zweiten Öffentlichkeitsbeteiligung zurückgehen, schafft aber gegenüber dem LROP-E 2015 neue (mögliche) Betroffenheiten (1.a und 2.b). Diese entsprechen auch nicht in einer Weise den vom bereits zuvor öffentlich ausgelegten LROP-E 2014 ausgehenden Betroffenheiten, dass erneuter Stellungnahmebedarf aus diesem Grund nicht bestünde (1.b und 2.a).
1.
Das gilt insbesondere hinsichtlich der Belange der Antragstellerin.
a)
Gegenüber dem LROP-E 2015 führt die Streichung des VRR 61.1 bei ihr zu neuen Betroffenheiten. Dem kann entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht entgegengehalten werden, dass die bloße Abwesenheit einer raumordnerischen Vorgabe für die Flächen der Antragstellerin diese nicht belaste. Entscheidend für die Beurteilung von Betroffenheiten ist nicht der Vergleich des Plans mit einem fiktiven Zustand ohne jegliche Planung, sondern sein Vergleich mit dem bislang geltenden raumordnungsrechtlichen Zustand. Der Senat hat hierzu in seinem Zwischenurteil ausgeführt:
„Dem Abwägungsgebot unterliegt die Aufhebung von Regelungen eines raumordnungsrechtlichen Plans ebenso wie deren Aufstellung (vgl. § 7 Abs. 7 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG). Private Belange können dabei dann beachtlich sein, wenn sich die Rechtsstellung des Betroffenen durch den Wegfall unmittelbar verschlechtert; das gilt jedenfalls dann, wenn, wie hier, diese Belange im Rahmen der Abwägung der aufgehobenen Regelung berücksichtigt worden sind, die Begünstigung sich also nicht als bloßer Rechtsreflex einer ausschließlich andere Ziele verfolgenden Regelung darstellt. Das ist hier nicht von vornherein und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen.
Es besteht die konkrete Möglichkeit, dass die gestrichene Vorranggebietsfestsetzung entscheidende Bedingung für die Zulässigkeit des von der Antragstellerin beabsichtigten Torfabbaus auf ihren Flächen war. Es spricht nämlich zur Begründung der Antragsbefugnis Hinreichendes dafür, dass diesem – nach § 35 Abs. 1 Nr. 3, letzte Var. BauGB privilegierten – Vorhaben öffentliche Belange in Gestalt von Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes oder der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswerts (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) oder von Belangen der Wasserwirtschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB) entgegenstehen könnten. Sinngemäß sieht das jedenfalls der Landkreis Ammerland so (Schreiben vom 11.4.2017 an das MU, BA 002 Bl. 149; Anhörungsschreiben vom 24.7.2013 zur Ablehnung des Zielabweichungsantrags und der Voranfrage, BA 001 Bl. 73 [77]). Er meint namentlich, im Fall des Torfabbaus seien negative Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel sowie die Bildung großer, landschaftsuntypischer Wasserflächen zu erwarten; ebenso sieht das der BUND (Pressemitteilung vom 10.2.2016, BA 002 Bl. 1). Die Antragstellerin hat dem zwar im Vorbescheids-/Zielabweichungsverfahren widersprochen. Ob diese Belange dem Vorhaben tatsächlich entgegenstehen, kann und muss im Rahmen der Antragsbefugnis jedoch nicht abschließend erörtert werden; nach jeder denkbaren Betrachtungsweise scheidet dies jedenfalls nicht aus.
Hinreichendes spricht ferner dafür, dass jedenfalls einige, möglicherweise für die Zulässigkeit des Vorhabens entscheidende, dieser Belange – wie § 35 Abs. 3 Satz 2, 2. Hs. BauGB weiter voraussetzt – bereits bei der (bisherigen) Zielfestsetzung zum Vorteil der Antragstellerin abgewogen worden waren. In der Zusammenfassung „Planungsrelevante Einzelinformationen zu den Vorranggebieten Rohstoffgewinnung des Fortschreibungsverfahrens zum Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen vom 29.04.2009 bis 31.07.2012“, S. 24 (BA 001 Bl. 2R) heißt es unter der Überschrift: „Abwägungsrelevante Belange und Abwägungsergebnis bei der LROP-Fortschreibung 2002“, dass bei der Festlegung des damaligen VRR 61.1 (jetzt VRR 61.1 und 61.3) insbesondere die naturschutzfachliche Bedeutung des Moors von Bedeutung waren, ebenso wie Fragen der Wasserführung und Erschließung. Damit besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass § 35 Abs. 3 Satz 2, 2. Hs. BauGB hier die vom Landkreis Ammerland angesprochenen Belange überwinden kann. Eine abschließende Klärung, die ggf. die Einsicht in die Aufstellungsvorgänge zum LROP 2002 erfordern würde, ist auch hier im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht erforderlich.
Dass das bisherige LROP mit Blick auf § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB die Antragstellerin unmittelbar begünstigt, ist auch nicht mit Blick darauf von vornherein ausgeschlossen, dass das RROP 96 des Landkreises Ammerland den Torfabbau unabhängig vom Fortbestand des VRR 61.1 ohnehin verhinderte. Dies ist nicht der Fall, da Erhebliches für die Unwirksamkeit der darin enthaltenen Zeitstufenregelung spricht. Der Senat hatte ein vergleichbares Ziel der Raumordnung im RROP für den Landkreis Leer bereits in seinem Urteil vom 27.7.2011 - 1 KN 224/07 -, juris Rn. 90-96, für unwirksam erklärt, u.a. mit der Begründung, dass das ROG für eine zeitliche Staffelung der Vorranggebietsausweisung keine Rechtsgrundlage enthalte. Dass der Bundesgesetzgeber mittlerweile diese Rechtsgrundlage in § 7 Abs. 1 Satz 2 ROG mit Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften vom 23.5.2017 (BGBl. I S. 1245 ff.) geschaffen hat, würde aus diesem Grund bereits unwirksame Raumordnungspläne nicht wirksam machen. Der Landkreis Ammerland bestreitet zwar die Übertragbarkeit des Senatsurteils auf sein RROP 96. Auch insoweit ist eine abschließende Klärung im Rahmen der Prüfung der Antragsbefugnis jedoch nicht möglich und nicht erforderlich.
Ob zusätzlich die bloße, durch den Wegfall eines Ziels der Raumordnung begründete Möglichkeit nachgeordneter Planungsträger, Raumordnungs- und Bauleitpläne aufzustellen, die Vorhaben der Antragstellerin entgegenstehen könnten, einen abwägungserheblichen Belang begründet, kann angesichts dessen dahinstehen.“
Diese Erwägungen, an denen der Senat festhält, greifen auch hier. Der Einwand des Antragsgegners, anders als im Rahmen der Antragsbefugnis komme es vorliegend nicht auf die bloße Möglichkeit einer Betroffenheit, sondern auf eine tatsächliche Betroffenheit an, ist unzutreffend. Die Betroffenheit im Sinne der Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung ist stets die aus der ex-ante-Sicht zu beurteilende mögliche Betroffenheit. Das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung hat nicht zuletzt den Zweck, aus dem Kreis der möglichen Betroffenheiten nach Maßgabe des Vortrags der Betroffenen die tatsächlich abwägungserheblichen Belange herauszufiltern; das setzt voraus, dass der Kreis derjenigen, deren Betroffenheiten Anlass zu einer Öffentlichkeitsbeteiligung geben müssen, weiter zu ziehen ist, als der Kreis derjenigen, deren Belange später in der Abwägung tatsächlich zu berücksichtigen ist. Dieses Ergebnis folgt im Übrigen auch aus dem Umkehrschluss aus § 12 Abs. 1 Nr. 1 ROG 2008 und § 7 Abs. 1 Satz 1 NROG, nach denen die Beteiligung (nur) einzelner Personen unbeachtlich ist, wenn deren Belange (i.E.) unerheblich waren. Wären Personen, deren Belange unerheblich sind, von vornherein nicht Teil der zu beteiligenden Öffentlichkeit, so wäre diese Unbeachtlichkeitsvorschrift überflüssig.
b)
Der Zweck des Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens wurde auch nicht deshalb bereits erreicht, weil die Antragstellerin bereits im ersten Beteiligungsdurchgang im Jahr 2014 Gelegenheit hatte, sich zu einer Streichung des VRR 61.1 zu äußern. Zwar sah bereits der LROP-E 2014, zu dem die erste Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wurde, diese Streichung vor. Die effektive Bedeutung dieser Streichung für die Antragstellerin war jedoch eine andere als im Rahmen der Verordnung gewordenen Planfassung. Denn die Streichung wurde dort ergänzt durch die weitgehende Überlagerung des ehemaligen Vorranggebietes durch ein VR TEuME, das die Abbauabsichten der Antragstellerin wesentlich eindeutiger und nachhaltiger vereitelt hätte als die Verordnung gewordene Lösung. Die Antragstellerin hatte daher im ersten Beteiligungsdurchgang schlicht keinen Anlass, Erklärungen dazu abzugeben, weshalb und inwieweit schon die isolierte Streichung des VRR 61.1 ihre Abbauabsichten vereiteln könnte. Im Kontext der Verordnung gewordenen Planfassung war dies anders. Ihre negative Betroffenheit lag nicht mehr auf der Hand. Sie war vielmehr abhängig von rechtlichen Einschätzungen, die der Antragsgegner möglicherweise anders vornahm als die Antragstellerin und von tatsächlichen Umständen, die dem Antragsgegner nicht ohne weiteres bekannt sein mussten. Selbst wenn man die Frage, ob eine drohende „Verhinderungsplanung“ etwa des Landkreises Ammerland oder der Gemeinde Rastede abwägungserheblich war, außer Betracht lässt, ergibt sich dies jedenfalls daraus, dass die Einschätzung, ob dem Abbau ohne den „Schutz“ der VRR-Ausweisung die Regelung des § 35 Abs. 3 Satz 2, 2. Hs. BauGB entgegenstünde, stark von den konkreten Nutzungsvorstellungen der Antragstellerin beeinflusst werden konnte.
2.
Hinzu kommt, dass auch Umweltbelange durch die Verordnung gewordene Regelung anders und sogar stärker betroffen sein konnten als durch jede der beiden Planfassungen, die Gegenstand öffentlicher Auslegungen gewesen waren.
a)
Hinsichtlich des LROP-E 2014 liegt das auf der Hand. In diesem war die Streichung des VRR 61.1, wie dargelegt, mit der Festsetzung eines VR TEuME auf weitgehend derselben Fläche kombiniert worden. In der Gesamtschau bedeutete dies, dass die Fläche für einen Torfabbau nicht zur Verfügung stand, andererseits aber auch – im Rahmen des raumordnungsrechtlich Möglichen – Regelungen getroffen werden sollten, die einer Torfzehr durch landwirtschaftliche Nutzung entgegenwirken und eine naturschutzkonforme Nutzung fördern sollten. Der Verweis des Antragsgegners auf die sog. Landwirtschaftsklausel in Abschnitt 3.1.1 Ziffer 06 Satz 3 der Änderungsverordnung geht in diesem Zusammenhang fehl, da diese Klausel im LROP-E 2014 gerade noch nicht enthalten war. Zutreffend ist, dass auch die Festlegung eines VR TEuME einer landwirtschaftlichen Nutzung nicht schlechthin entgegenstand. Gleichwohl war einer landwirtschaftsbedingten Torfzehr durch das Regelungsgefüge des Abschnitts 3.1.1 Ziffer 06 Sätze 1-5 LROP-E 2014 in stärkerem Maße entgegengewirkt als im Falle der isolierten Streichung des VRR 61.1 im Verordnung gewordenen Planentwurf.
b)
Das Regelungsgefüge des LROP-E 2015 sah zwar, ebenso wie die Verordnung gewordene Planfassung, keine vergleichbaren Vorkehrungen gegen eine landwirtschaftsbedingte Torfzehr auf der Fläche des VRR 61.1 vor. Durch die Beibehaltung des VRR-Torf bestand aber eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass eine landwirtschaftliche Nutzung der Fläche allein deshalb entfallen würde, weil dort Torfabbau nach Maßgabe des vom Antragsgegner genehmigten IGEK und damit insbesondere eine naturschutzkonforme Nachnutzung der Flächen erleichtert wurde. Zwar ist Torfabbau unter Natur-, Landschafts- und Klimaschutzgesichtspunkten selbst nicht die optimale Nutzungsvariante. Eine Sichtweise, nach der selbst unter Natur- und Klimaschutzgesichtspunkten ein Torfabbau nach Maßgabe des IGEK der Fortsetzung einer landwirtschaftlichen Nutzung auf den Flächen vorzuziehen wäre, war jedoch nicht von vornherein auszuschließen. Denn dieser hätte Zugeständnisse zugunsten des Natur-, Landschafts- und Klimaschutzes bedingt (IGEK v. Juli 2007, S. 95 ff., BA 002 Bl. 105 ff.); bereits im Tatbestand ist darauf hingewiesen worden, dass ein Torfabbau mit anschließender Moorrenaturierung auf sehr lange Sicht selbst dem Klimaschutz zuträglicher sein kann als eine landwirtschaftliche Nutzung. Vor diesem Hintergrund bestand durchaus die Möglichkeit, dass Träger öffentlicher Belange des Umwelt- und Klimaschutzes gegen die Verordnung gewordene Planfassung Einwendungen vorgetragen hätten, die im bisherigen Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren vorzutragen sie keinen Anlass gehabt hatten. Dass jedenfalls einzelne Vertreter von Umweltbelangen, etwa der BUND, einen Torfabbau nach Maßgabe des genehmigten IGEK ablehnten, schließt nicht aus, dass andere diesen als die beste Lösung für das Gebiet hätten ansehen können.
Der Einwand des Antragsgegners, die Auswirkungen der Streichung des VRR Torf einerseits und einer Festlegung von VR TEuME bzw. TE andererseits seien im Umweltbericht separat behandelt worden und hätten auch von Umweltverbänden separat kommentiert werden können, ändert nichts daran, dass diese Regelungen, soweit sie sich auf dieselben Flächen bezogen, kumulativ die voraussichtliche Nutzung dieser Flächen beeinflussen und damit etwaige Betroffenheiten erzeugen mussten.
Der Fehler einer unterbliebenen dritten Öffentlichkeitsbeteiligung ist nicht nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 ROG 2008 unbeachtlich, da der Antragsgegner nicht die Beteiligung einzelner Betroffener im Rahmen einer durchgeführten Öffentlichkeitsbeteiligung, sondern die Öffentlichkeitsbeteiligung als solche unterlassen hat. Der Fehler ist auch nicht nach § 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ROG 2008 unbeachtlich geworden, da die Antragstellerin ihn mit Schreiben vom 15. Februar 2018, S. 27 ff. (GA Bl. 110 [136 ff.]) gegenüber dem Antragsgegner unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts gerügt hat.
§ 6 UmwRG steht der Berücksichtigung der Rüge der Antragstellerin nicht entgegen. Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des Antragsgegners, nach denen gemäß § 48 UVPG das Umweltrechtsbehelfsgesetz nicht auf Rechtsmittel gegen Festlegungen zum Rohstoffabbau in Raumordnungsplänen anwendbar ist, unabhängig davon, ob diese die Form separater Teilpläne erhalten haben oder in allgemeine Raumordnungspläne integriert sind.
III.
Einer Entscheidung über die übrigen Verfahrens- und materiellen Rügen der Antragstellerin, die voraussichtlich nicht durchgegriffen hätten, bedarf es angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht.