Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.04.2020, Az.: 1 MN 125/19
Erforderlichkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.04.2020
- Aktenzeichen
- 1 MN 125/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71686
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 3 BauGB
- § 1 Abs 7 BauGB
- § 6 Abs 4 S 4 BauGB
- § 47 Abs 6 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die mit der Umsetzung eines Bebauungsplans befasste Genehmigungsbehörde kann diesen auch dann im Normenkontrollverfahren überprüfen lassen, wenn sie hinsichtlich einer zugrundeliegenden Flächennutzungsplanänderung die Genehmigungsfiktion des § 6 Abs. 4 Satz 4 BauGB hat eintreten lassen.
Im Rahmen einer Alternativenprüfung muss die Gemeinde keine Standortalternativen für ein kleines Gewerbegebiet betrachten, die die umfassende Neuordnung des (größeren) Alternativstandorts voraussetzen.
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der antragstellende Landkreis begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung des aus dem Aktivrubrum ersichtlichen Bebauungsplans der Antragsgegnerin, der durch Ausweisung eines Gewerbegebiets in einer aus Sicht des Antragstellers von Bebauung freizuhaltenden Außenbereichslage die Einrichtung eines LKW-Abstellplatzes durch die Beigeladene ermöglichen soll.
Das Plangebiet ist ein ca. 0,7 ha großes, annähernd rechteckiges Gelände nördlich der Bundesstraße 1 westlich der zur Antragstellerin gehörenden Siedlung G.. Der Süden des Gebiets wurde bis in die 1970er Jahre als Tankstelle genutzt; seitdem steht die Liegenschaft leer. Das östlich an das Plangebiet angrenzende, straßenseitig mit einem Wohnhaus und dahinterliegenden Nebengebäuden bestandene Grundstück einer ehemaligen Gärtnerei wird nach Angaben der Antragsgegnerin zu Wohnzwecken sowie teilgewerblich genutzt. Östlich daran schließt sich eine ca. 100 m breite Grünfläche an, auf die zusammenhängende Besiedelung folgt. Die Südseite der B 1 ist unbebaut. Ein Bebauungsplan bestand für den Bereich bis zur streitgegenständlichen Überplanung nicht. Etwa die nördliche Hälfte des Plangebiets liegt innerhalb eines vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiets, das nördliche Fünftel zudem innerhalb des Landschaftsschutzgebiets „Oberer H.“ (I.).
Die Beigeladene möchte auf dem in ihrem Eigentum stehenden Plangebietsgrundstück einen LKW-Abstellplatz für ihren im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin ansässigen Speditionsbetrieb einrichten. Auf ihre Initiative fasste der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin am 29. August 2016 den Aufstellungsbeschluss für den angegriffenen Bebauungsplan. Eine frühzeitige Bürger- und Behördenbeteiligung fand im Juni/Juli 2017, die öffentliche Auslegung im April/Mai 2018 statt. In seiner Sitzung am 19. Juni 2018 entschied der Rat der Antragsgegnerin über die eingegangenen Stellungnahmen und beschloss den Bebauungsplan als Satzung. Im Parallelverfahren zur Bebauungsplanaufstellung beschloss die Antragsgegnerin die Änderung ihres Flächennutzungsplans, der das Plangebiet zuvor als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt hatte und nun als gewerbliche Baufläche darstellt. Der Antragsteller hatte sich von vornherein gegen die Planung ausgesprochen. Im April 2019 teilte er der Antragsgegnerin die Absicht mit, die Genehmigung der Flächennutzungsplanänderung zu versagen, sprach die Versagung jedoch nicht rechtzeitig aus, um den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 6 Abs. 4 Satz 4 BauGB am 6. Mai 2019 zu verhindern. Unter dem 2. August 2019 nahm er die Genehmigung zurück. Die Antragsgegnerin erhob am 12. August 2019 Widerspruch und machte im Anschluss die Flächennutzungsplanänderung im Amtsblatt des Antragstellers bekannt. Ferner machte sie nach Ausfertigung durch den Bürgermeister am 11. September 2019 den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan im Amtsblatt des Antragstellers vom 18. September 2019 bekannt.
Der Plan setzt eine quadratische, ca. 4500 m² große Fläche im Süden des Plangebiets als Gewerbegebiet fest. Lediglich ein kleiner Bereich davon um das noch vorhandene Tankstellengebäude herum ist als Baufenster ausgewiesen. Schmale Streifen entlang der Ost- und Westgrenze im Umfang von 500 m² sowie der im Überschwemmungsgebiet gelegene Nordteil des Gewerbegebiets im Umfang von knapp 1000 m² sind mit Pflanz- und Erhaltungsgeboten überlagert. Das daran anschließende nördliche Drittel des Plangebiets ist als private Grünfläche mit der Zweckbestimmung „Parkanlage“ festgesetzt. Nach der textlichen Festsetzung Nr. 7 ist auf den mit Pflanz- und Erhaltungsgeboten belegten Teilen des Gewerbegebietes sowie der privaten Grünfläche eine auch nur temporäre anderweitige Nutzung unzulässig. Mit Ausnahme von transparenten Einfriedungen ist die Errichtung baulicher Anlagen jeglicher Art unzulässig.
II.
Der am 2. Oktober 2019 gestellte Normenkontrolleilantrag des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Er ist zwar entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zulässig. Eine höhere Verwaltungsbehörde kann die Prüfung der Gültigkeit eines Bebauungsplans gemäß § 47 Abs. 2 BauGB beantragen, wenn sie diesen als Bauaufsichtsbehörde anzuwenden hat (BVerwG, Beschl. v. 11.8.1989 - 4 NB 23.89 -, NVwZ 1990, 57 = BRS 49 Nr. 40 = juris Rn. 7; Urt. v. 21.11.1986 - 4 C 60.84 -, BRS 46 Nr. 4 = juris Rn. 12 f.). Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin hinsichtlich der parallel zum Bebauungsplan beschlossenen Flächennutzungsplanänderung die Genehmigungsfiktion hat eintreten lassen, führt nicht zur Verwirkung dieses Antragsrechts. Zum einen besteht das Antragsrecht des Antragstellers im öffentlichen Interesse und unterliegt damit nicht der Verwirkung. Zum anderen konnte die Antragsgegnerin angesichts der Begleitumstände des Eintritts der Genehmigungsfiktion aus diesem kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend schöpfen, dass der Antragsteller die Wirksamkeit der Flächennutzungsplanänderung oder gar des Bebauungsplans hinnehmen werde. Gleiches gilt für die Bekanntmachung beider Pläne im Amtsblatt des Antragstellers. § 11 NKomVG räumt dem Herausgeber des Amtsblatts kein inhaltliches Prüfungsrecht oder gar eine Prüfungsobliegenheit hinsichtlich der zur Veröffentlichung eingereichten Bekanntmachungen ein.
Der Normenkontrolleilantrag ist aber unbegründet. Der Senat hat sich mit Beschluss vom 28.2.2020 - 1 MN 153/19 -, juris Rn. 15, dem vom 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung (Beschlüsse vom 25.2.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381 = BauR 2015, 968 = juris Rn. 12, vom 16.9.2015 - 4 VR 2.15 -, BRS 83 Nr. 58 = juris Rn. 4, und vom 30.4.2019 - 4 VR 3.19 -, BauR 2019, 1442 = juris Rn. 4) vertretenen Prüfungsmaßstab für Anträge nach § 47 Abs. 6 VwGO angeschlossen. Zu prüfen sind danach zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist.
Gemessen hieran ist der Erlass der einstweiligen Anordnung nicht dringend geboten. Der Vortrag des Antragstellers bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Erfolg eines noch zu erhebenden Normenkontrollantrages.
Das Planaufstellungsverfahren leidet voraussichtlich nicht an durchgreifenden Mängeln. Entgegen der Auffassung des Antragstellers dürfte die Hauptsatzung der Antragsgegnerin wirksam sein. Es spricht Überwiegendes dafür, deren § 9 Abs. 2 so zu lesen, dass der Zusatz „grundsätzlich“ zur Bestimmung der Aushangzeit dem Rat der Antragsgegnerin keine Möglichkeit gibt, nach Belieben längere oder kürzere Aushangzeiten zu beschließen, sondern lediglich der nachfolgenden Ausnahme – andere Aushangzeit in speziellerer Rechtsvorschrift – Rechnung trägt. Ein Bestimmtheitsmangel läge darin nicht. Der Umstand, dass die Vermerke der Aushangzeit auf dem Aushangexemplar der Auslegungsbekanntmachung nicht abgezeichnet sind, begründet mangels entsprechenden Erfordernisses in der Hauptsatzung weder direkt einen Verfahrensfehler, noch ist es ein Indiz dafür, dass die angegebenen Aushangzeiten unzutreffend sind.
Der Bebauungsplan ist erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Erforderlich ist eine Planung nicht erst, wenn sie bei objektiver Würdigung die beste oder gar die einzig denkbare Planungsmöglichkeit ist. Maßgeblich ist vielmehr die planerische Konzeption der Gemeinde, die lediglich darauf zu überprüfen ist, ob die angegebene Planungsmotivation überhaupt eine städtebauliche ist, ob sie offenkundig vorgeschoben ist, ob die Planung ungeeignet ist, das Planungsziel zu erreichen oder völlig außer Verhältnis zu diesem steht. Die von der Gemeinde angeführten Motive, die Entwicklung eines ortsansässigen Gewerbebetriebes zu fördern und gleichzeitig eine auch optisch unbefriedigende Gewerbebrache zu beseitigen, sind städtebaulicher Natur. Dass die Antragsgegnerin das letztgenannte Ziel auch durch einen Flächenerwerb in Verbindung mit einer Entsiegelung, einem Abbruch der vorhandenen Gebäude und einer Renaturierung erreichen könnte, ändert daran nichts; die Gemeinde, die auch dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung verpflichtet ist, muss eine derart kostenträchtige und „ertraglose“ Planungsvariante allein zur Schaffung eines naturnahen Außenbereichs nicht wählen. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Gefälligkeitsplanung bestehen angesichts der angegebenen, nachvollziehbaren städtebaulichen Motivation nicht. Dass die Antragsgegnerin zur Planung nur gegen Zusage der Übernahme der Planungskosten bereit war, steht dem nicht entgegen. Diese ist kein Anreiz für eine bestimmte Planung - die Gemeinde verdient daran nichts -, sondern beseitigt lediglich ein eigentlich städtebaufremdes Planungshindernis. Umgekehrt besteht entgegen der Auffassung des Antragsgegners kein Hinweis darauf, dass die entsprechende Zusage der Beigeladenen (Bl. 125 f. der Gerichtsakte) unverbindlich wäre, so dass auch aus einem Fehlverständnis des Rates über die Budgetrelevanz der Planung kein Planungsfehler abgeleitet werden kann.
An der Behauptung, die Erforderlichkeit der Planung scheitere an der Sicherung der Erschließung des Plangebiets, hält der Antragsteller selbst nicht fest. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich daher.
Die Planung ist an Ziele der Raumordnung angepasst i.S.d. § 1 Abs. 4 BauGB. Dies gilt zunächst hinsichtlich des Ziels, Überschwemmungsgebiete in ihrer Funktion als natürliche Rückhalteräume zu erhalten (Abschnitt 3.2.4 Ziffer 11 Satz 1 LROP). Zutreffend weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass der Bebauungsplan dem Rechnung trägt, indem er innerhalb des vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiets nach den textlichen Festsetzungen Nr. 2-5 eine jede Bodenversiegelung ausschließende Flächenentwicklung vorschreibt und nach der textlichen Festsetzung Nr. 7 keinerlei Bebauung außer transparenten Einfriedungen zulässt. Der Einwand des Antragstellers, transparente Einfriedungen könnten auch aus wasserundurchlässigen Glaswänden bestehen, die das eingezäunte Gebiet seiner Funktion als Retentionsraum entzögen, beschreibt ein unrealistisches Szenario. Für die Wahl einer derart kostenintensiven und mit keinerlei erkennbarem Nutzen verbundenen Lösung zur Einzäunung einer für den Gewerbebetrieb ohnehin unproduktiven Fläche hätte ein Unternehmer keinerlei Anreiz.
Entsprechendes gilt, soweit der Antragsteller mit Blick auf das in Abschnitt 3.1.2 Ziffer 01 LROP festgelegte Ziel des Erhalts und Entwicklung der für Naturhaushalt, die Tier- und Pflanzenwelt und das Landschaftsbild wertvollen Gebiete, Landschaftsbestandteile und Lebensräume die Festsetzung einer privaten Grünfläche in Teilbereichen des Landschaftsschutzgebiets „J. Nord“ rügt, die die Anlage von baulichen Anlagen zur Garten- und Freizeitgestaltung zulasse. Auch insoweit übersieht er das in der textlichen Festsetzung Nr. 7 enthaltene Bauverbot. Unabhängig davon setzt der Bebauungsplan die Restriktionen der Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht außer Kraft.
Ob die Planung mit Blick auf die Rücknahme der fingierten Genehmigung der Flächennutzungsplanänderung gegen das Entwicklungsgebot, § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB verstößt, kann dahinstehen, da ein entsprechender Verstoß nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB unbeachtlich wäre. Die Ausweisung eines lediglich mit rund 3000 m² Flächenanteil als solches nutzbaren Gewerbegebiets in Ortsnähe nahe einer stark befahrenen Bundesstraße stellte selbst bei einem Fortbestand des bisherigen Darstellung als Landwirtschaftsfläche nicht die Bedeutung des Flächennutzungsplans als kommunales Steuerungsinstrument der städtebaulichen Entwicklung „im Großen und Ganzen“ in Frage und beeinträchtigte daher nicht die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urt. v. 26.2.1999 - 4 CN 6.98 -, ZfBR 1999, 223).
Verstöße gegen das Abwägungsgebot rechtfertigen ebenfalls nicht die Aussetzung der Vollziehung des Plans.
Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Verletzt ist das Gebot gerechter Abwägung, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist auch verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.
Das gegen die Ausweisung eines Gewerbegebiets im bisherigen Außenbereich sprechende Interesse an der Vermeidung einer ungeordneten Zersiedelung der Landschaft hat die Antragsgegnerin nicht in seiner Bedeutung verkannt. Dem Antragsteller ist mit Blick auf die Weitläufigkeit der das Plangebiet sowie das benachbarte ehemalige Gärtnereigrundstück vom restlichen Siedlungsbereich G. abgrenzenden Grünfläche darin beizupflichten, dass das Plangebiet ohne die Planung dem Außenbereich angehörte. Eine gegenteilige Annahme liegt der Abwägung der Antragsgegnerin allerdings auch nicht tragend zugrunde; vielmehr spricht diese in nicht zu beanstandender Weise davon, das Plangebiet liege „am Westrand“ G.. Zutreffend ist die Antragsgegnerin hingegen ausgegangen, dass die vom Antragsteller angeführten Optimierungsgebote des § 1a Abs. 2 Satz 2-4 BauGB hier nicht einschlägig sind und das Gewicht des Freihalteinteresses nicht zusätzlich stärken. Diese Vorschriften beziehen sich auf landwirtschaftlich, als Wald oder für Wohnzwecke genutzte Flächen. Um solche handelt es sich bei den effektiv für eine gewerbliche Nutzung vorgesehenen Teilflächen des Plangebiets nicht. Vielmehr sind diese weitgehend versiegelt. Das ergibt sich nicht nur aus der Bestandsaufnahme im Umweltbericht (S. 12, 15 der Planbegründung), sondern auch aus den in den Planaufstellungsvorgängen zur Flächennutzungsplanänderung vorhandenen Lichtbildern. Dass die aktive Nutzung der Fläche schon lange aufgegeben und ein Bestandsschutz ggf. erloschen ist, ändert daran nichts. Berücksichtigen durfte die Antragsgegnerin ferner, dass das Plangebiet, wiewohl bislang Außenbereich nach § 35 BauGB, nicht fernab jedes Siedlungszusammenhangs liegt, sondern sich verhältnismäßig eng an die Ortslage G. anschließt.
Angesichts dessen war die Prüfung von Standortalternativen (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 19.1.2012 - 1 MN 93/11 -, NordÖR 2012, 185 = juris Rn. 86 ff.), die die Antragsgegnerin im parallelen Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans vorgenommen hat, ohne weiteres ausreichend, die Zurückstellung von Freihalteinteressen bezüglich des Plangebiets zu rechtfertigen. Den Alternativstandort I durfte die Antragsgegnerin mit der – entgegen der Behauptung des Antragstellers substantiiert dargelegten – Begründung aus der weiteren Betrachtung ausscheiden, eine weitere Entwicklung dort erfordere die kostenträchtige Herstellung einer neuen Erschließung. Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, eine solche Erschließung sei vertretbar, wenn bei dieser Gelegenheit – was ohnehin naheliege – eine umfassende Neuordnung des Alternativstandorts erfolge, benennt er keine Standortalternative für das von der Antragsgegnerin verfolgte Planungsziel, sondern schlägt dieser neue Planungsziele vor. Darauf muss sich die Antragsgegnerin nicht einlassen. Sinngemäß Gleiches gilt für den Standort II. Bereits das Luftbild (Anhang zur Planbegründung zur Flächennutzungsplanänderung) zeigt, dass eine Erreichbarkeit der verbleibenden freien Gewerbeflächen dort nur über bestehende Betriebsgelände oder bei Herstellung einer neuen Erschließungsstraße gegeben ist. Den Standort III hat die Antragsgegnerin aufgrund substantiierter, plausibler Erwägungen zur fehlenden Eignung des dortigen Baugrundes, auch für einen LKW-Stellplatz, ausgeschieden. Dass die Antragsgegnerin den Standort für andere (wohl Einzelhandels-) Nutzungen reservieren möchte, steht dazu nicht im Widerspruch, da sich bei solchen hochwertigeren Nutzungen eine Baugrundverbesserung eher rechnen könnte als bei der im Plangebiet realistischerweise zu erwartenden Nutzung. Den Alternativstandort V hat die Antragsgegnerin unter Berufung auf dessen Besetzung durch einen anderen Betrieb abgelehnt; dessen Inhaber sei auch nicht verkaufsbereit. Anlass, an dieser Angabe zu zweifeln, bietet das Vorbringen des Antragstellers nicht. Dass die zweite Begründung der Antragsgegnerin zu diesem Standort, die verfügbare Fläche reiche für ihre Planungsabsicht nicht aus, nicht tragen dürfte – verfügbar sind dort 0,9 ha, das Vorhaben des Beigeladenen benötigt 0,3 ha –, ist angesichts dessen unerheblich.
Mit Blick auf die Lärmbelastung des östlich des Plangebiets vorhandenen Wohnhauses zeigt der Antragsteller ebenfalls nicht hinreichend substantiiert mögliche Abwägungsfehler auf. Die in der Abwägung berücksichtigte Schallimmissionsprognose der Dekra vom 6. Februar 2017 kommt zu dem Ergebnis, dass an diesem Wohnhaus bei dem vom Beigeladenen als geplante Nutzung angegebenen Verkehrsumfang Gewerbelärm mit einem Dauerschallpegel von 41 dB(A) tags und 42 dB(A) in der lautesten Nachtstunde zu erwarten ist, was die dort maßgeblichen Richtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts deutlich unterschreite.
Der damit der Abwägung zugrunde gelegte Schutzanspruch des Wohnhauses von 60/45 dB(A) ist nicht zu beanstanden. Das Haus liegt, wie bereits dargelegt, im Außenbereich, dessen Schutzanspruch regelmäßig, und auch hier, dem eines Mischgebiets entspricht. Auf die Frage, ob das benachbarte Grundstück tatsächlich nur für Wohnzwecke oder, wie die Antragstellerin vorträgt, teilgewerblich genutzt wird, kommt es angesichts dessen nicht an. Mit Blick auf den Außenbereichscharakter des Nachbargrundstücks stellt auch der Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG keine gesteigerten Anforderungen an die Abwägung der Antragsgegnerin.
Dass die Antragsgegnerin trotz Festsetzung eines unbeschränkten Gewerbegebietes nur das vom Beigeladenen angestrebte Nutzungsszenario untersucht hat, ist nicht zu beanstanden. Die Berechnung war erforderlich, um sicherzustellen, dass das mit der Planung mitverfolgte Ziel, dem Beigeladenen die Betriebserweiterung zu ermöglichen, auch erreicht werden kann. Gleichzeitig belegt die Untersuchung exemplarisch, dass eine gewerbegebietstypische Ausnutzung des Plangebiets möglich ist. Die angestrebte Nutzung ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners unter den im Gewerbegebiet zulässigen Nutzungen keine besonders lärmarme; es sind zahlreiche nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe i.S.d. § 8 BauNVO denkbar, die mit noch geringeren Immissionen verbunden sind. Ob in einem unbeschränkten Gewerbegebiet mit Blick auf § 15 BauNVO wirklich alle ihrer Art nach abstrakt zulässigen Vorhaben auch tatsächlich realisiert werden können, bedarf, sofern nicht der explizite Planungswille der Gemeinde auf die Ansiedelung eher immissionsträchtiger Betriebe gerichtet ist, keiner gutachterlichen Untersuchung.
Die Rüge des Antragstellers, die Vorbelastung des benachbarten Wohnhauses durch den Verkehrslärm der angrenzenden Bundesstraße überschreite die Gesundheitsgefährdungsschwelle, die Ausnutzung der Planfestsetzungen erfordere daher eine Lärmsummenbetrachtung, ist in tatsächlicher Hinsicht zu unsubstantiiert, als dass das Gericht die ernsthafte Möglichkeit einer Abwägungsfehlerhaftigkeit der Planung in Betracht ziehen könnte. Die im DEKRA-Gutachten allein enthaltene Angabe einer Tagesverkehrsmenge von 5.700 Kfz, davon 500 Fahrzeuge über 3,5 t, bietet ohne weitere, zumindest näherungsweise Angaben dazu, welche Lärmwerte daraus an schutzwürdigen Räumen des ehemaligen Gärtnereigebäudes – Wohnräumen am Tag, Schlafräumen in der Nacht – resultieren würden, keinen Anlass, eine Überschreitung der Gesundheitsgefährdungsschwelle durch Summierungseffekte in Betracht zu ziehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gesundheitsgefährdungsschwelle eher nicht mit dem Antragsteller bei 65 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts, sondern zumindest mit der neueren Rechtsprechung des für die Straßenplanung zuständigen 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts bei 69 dB(A) tags und 59 dB(A) nachts (BVerwG, Beschl. v. 25.4.2018 - 9 A 16/16 -, juris Rn. 86 f.), eventuell sogar mit der überkommenen Ansicht noch höher anzusetzen sein dürfte. Der Umstand allein, dass die Antragsgegnerin diese Ermittlungen nicht bereits im Planaufstellungsverfahren angestellt hat, begründet keinen Abwägungsmangel; denn wenn die Vorbelastung tatsächlich unterhalb der Gesundheitsgefährdungsschwelle liegt, ist auch die Gesamtbelastung nicht abwägungsrelevant und daher nicht ermittlungsbedürftig.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).