Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.02.2022, Az.: 1 LA 108/20

Änderungsgenehmigung; Grenzgarage; Identität; Identität des Vorhabens; Nachtragsbaugenehmigung; Nachtragsgenehmigung; Rücksichtnahmegebot

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.02.2022
Aktenzeichen
1 LA 108/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59499
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 07.07.2020 - AZ: 4 A 5964/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Bauherr ist grundsätzlich befugt, im Wege der Nachtragsbaugenehmigung nur Änderungen eines bestehenden Vorhabens zur Überprüfung zu stellen, auch wenn diese in Konstruktion und Nutzung mit dem Bestandsvorhaben untrennbar vebunden sind. Erst dann, wenn diese Änderungen die Identität des Gesamtvorhabens verändern, muss dieses insgesamt auf eine neue genehmigungsrechtliche Grundlage gestellt werden (Anschluss OVG Lüneburg, Beschl. v. 2.3.2015 - 1 LA 151/14 -, juris Rn. 10).

Das ist dann der Fall, wenn der Bestand bei Betrachtung des geänderten Vorhabens nicht mehr als die Hauptsache erscheint.

Verändert ein Änderungsvorhaben in rechtlicher Hinsicht auch den Charakter des bestehenden Gebäudes, sind die vom Vorhaben beeinflussten Teile des Bestandes jedenfalls in die Prüfung derjenigen Rechtsvorschriften einzubeziehen, mit Blick auf die die Veränderung relevant ist.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer (Einzelrichterin) - vom 7. Juli 2020 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Dachterrasse. Er fürchtet eine erhöhte Einsehbarkeit seines Grundstücks und rügt zudem eine Verletzung von Grenzabständen und drittschützenden Baugrenzen durch das Bestandsgebäude.

Der Kläger und die Beigeladene sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke im Ortsteil E. der Beklagten. Das Grundstück des Klägers ist im Norden mit einem Wohnhaus mit großzügigem Vorgarten zur nördlich gelegenen Straße bebaut. Auf dem östlich davon gelegenen Grundstück der Beigeladenen steht ein in seiner Urform wohl über 100 Jahre alter Gebäudekomplex bestehend aus einem ca. 7 m von der westlichen Grundstücksgrenze entfernten Hauptgebäude und einem über Verbindungsräume angegliederten westlichen Anbau, der mit einem Grenzabstand von nur ca. 0,5 m auf einer Länge von gut 20 m entlang der Grenze errichtet ist. Im Süden befinden sich darin Nebenräume, der Norden wird als Ferienwohnung vermietet. Der nördlichste Teil verfügt über ein traufseitig zur Grenze stehendes Satteldach; im Übrigen ist der Anbau eingeschossig mit einem Flach- bzw. flachgeneigten Pultdach. Zur Grundstücksgrenze des Klägers weist der Anbau drei Fenster (vom Bad, WC und vom Schlafzimmer der Ferienwohnung her) auf. Das Hauptgebäude wird von der Beigeladenen bewohnt. Der Nordteil des Anbaus wurde in der Nachkriegszeit auf Verlangen der Beklagten als Flüchtlingswohnung hergerichtet, wohl seit den 1960er Jahren wird er als Ferienwohnung vermietet. 1986 erteilte die Beklagte eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Erneuerung des Dachstuhles und des Hauseinganges der Ferienwohnung“. Weitere Baugenehmigungen aus den Jahren 1971 und 2005 betreffen das Haupthaus. Das Kläger- und das Beigeladenengrundstück liegen im Geltungsbereich des 1978 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 62 der Beklagten, der auf beiden ein Allgemeines Wohngebiet und jeweils in 3 m Abstand zur gemeinsamen Grundstücksgrenze verlaufende Baugrenzen festsetzt.

Unter dem 6. Juli 2016 erteilte die Beklagte der Beigeladenen im vereinfachten Verfahren die streitgegenständliche Baugenehmigung zur Errichtung einer 3,76 x 5,6 m großen Dachterrasse über dem Verbindungs- bzw. Anbau, jedoch unter Einhaltung eines Grenzabstandes von 3,12 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze. Die Terrasse soll vom im Dachgeschoss des Hauptgebäudes gelegenen, nach Westen weisenden Schlafzimmer der Beigeladenen aus erreichbar sein; hierfür sollen zwei Giebelfenster zu Fenstertüren erweitert werden.

Die dagegen nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Baugenehmigung verletze keine Nachbarrechte des Klägers. Der drittschützende Gebietserhaltungsanspruch des Klägers sei nicht verletzt, da die der (Dauer-)Wohnnutzung zuzuordnende Terrasse der Nutzungsart nach im Allgemeinen Wohngebiet zulässig sei. Etwa drittschützende Maßfestsetzungen des Bebauungsplans seien nicht verletzt; die Terrasse werde innerhalb der Baugrenze errichtet. Der - teils - über die Baugrenze hinausragenden Ferienwohnung sei die Terrasse nicht zuzurechnen. Das Vorhaben werfe auch die Genehmigungsfrage nicht insgesamt neu auf. Es handele sich nicht um eine neue Vollgenehmigung des Gesamtvorhabens in geänderter Gestalt, sondern eine auf die Änderung beschränkte Nachtragsgenehmigung, die folglich auch nur insoweit vom Nachbarn angegriffen werden könne. Es treffe in diesem Zusammenhang auch nicht zu, dass der gesamte Gebäudebestand auf dem Grundstück der Beigeladenen illegal sei; jedenfalls genieße er Bestandsschutz. Auch bauordnungsrechtliche Grenzabstände würden nicht verletzt. Die Dachterrasse für sich halte den erforderlichen Grenzabstand von 3 m ein. Auch insoweit sei unerheblich, dass sie auf einem den Grenzabstand unterschreitenden Baubestand aufsetze. Auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Ferienwohnungsnutzung im Anbau komme es nicht an; diese sei bestandsgeschützt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor. Zwar sei nicht auszuschließen, dass mit der Errichtung des Vorhabens gewisse Einsichtnahmemöglichkeiten auf das Grundstück des Klägers verbunden sein könnten. Allerdings werde der erforderliche Grenzabstand eingehalten. Daran ändere auch nichts, dass die bisher vorhandenen Fenster durch Fenstertüren ersetzt würden. Unzumutbare, „überlegene“ Einsichtsmöglichkeiten würden alles in allem, auch unter Berücksichtigung des aus den Beiakten bekannten Grundrisses des klägerischen Wohnhauses nicht eröffnet; der hilfsweise beantragten Beweisaufnahme durch Ortsbesichtigung habe es für diesen Schluss nicht bedurft. Auch die für die Errichtung der Dachterrasse erforderliche Änderung der Dachkonstruktion führe nicht zu einer für den Kläger positiveren Bewertung, da die Traufe des Ursprungsgebäudes nicht verändert werde.

II.

Der dagegen gerichtete, auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel, besonderer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind dann dargelegt, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung in der angefochtenen Entscheidung mit plausiblen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich dadurch etwas am Entscheidungsergebnis ändern könnte. Überwiegende Erfolgsaussichten sind nicht erforderlich; es genügt, wenn sich diese als offen erweisen. Das darzulegen, ist dem Kläger nicht gelungen.

a)

Ohne Erfolg bleibt dessen Rüge, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass im Rahmen der Genehmigung die (insbesondere auch bauordnungsrechtliche) Rechtmäßigkeit nicht nur der Dachterrasse, sondern des gesamten Gebäudes, auf dem sich diese befinde, zu prüfen gewesen sei. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass zuvörderst der Bauherr selbst mit seinem Bauantrag bestimmt, was Gegenstand der Baugenehmigung und damit auch der Prüfung der Bauaufsichtsbehörde ist. Das schließt die Befugnis ein, im Wege der Nachtragsbaugenehmigung nur Änderungen eines bestehenden Vorhabens zur Überprüfung zu stellen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dies auch bei Änderungen möglich, die in Konstruktion und Nutzung mit dem Bestandsvorhaben untrennbar verbunden sind. Erst dann, wenn die Änderungen so weit gehen, dass sie die Identität des Gesamtvorhabens verändern, muss dieses insgesamt auf eine neue genehmigungsrechtliche Grundlage gestellt werden (Senatsbeschl. v. 2.3.2015 - 1 LA 151/14 -, BRS 83 Nr. 111 = BauR 2015, 957 = juris Rn. 10). Das ist dann der Fall, wenn das Bestandsvorhaben insgesamt nicht mehr als die Hauptsache erscheint (BVerwG, Urt. v. 18.10.1974 - IV C 75.71 -, BVerwGE 47, 126 = BauR 1975, 114 = juris Rn. 12). Von einem solchen Fall kann hier keine Rede sein. Im Verhältnis zum Gesamtgebäude der Beigeladenen ist die durch die Errichtung der Dachterrasse bewirkte Veränderung eine untergeordnete. Daran ändern auch statische Fragen nichts. Selbst wenn vorhabenbedingt statische Neubewertungen mit Blick auf den überbauten Gebäudeteil erforderlich würden, liegt auf der Hand, dass die Statik des Gesamtgebäudes hiervon unberührt bliebe.

Eine auf die Änderung beschränkte Prüfung ist ferner dann unmöglich, wenn die Änderung in rechtlicher Hinsicht den Charakter auch des bestehenden Gebäudeteils verändert. In diesem Fall sind die vom Vorhaben beeinflussten Teile des Bestandes jedenfalls in die Prüfung derjenigen Rechtsvorschriften einzubeziehen, mit Blick auf die die Veränderung relevant ist. Das kann nach einigen Landesbauordnungen der Fall sein, wenn die - für sich den Grenzabstand wahrende - Überbauung einer auf der Grenze errichteten Garage dieser die Eigenschaft als „Grenzgarage“ nimmt (so für das nordrhein-westfälische Recht der vom Kläger zitierte Beschluss des OVG NRW v. 13.3.1990 - 10 A 1895/88 -, BRS 50 Nr. 149 = BauR 1990, 457 = juris Rn. 6 ff.). Auch ein solcher Fall liegt hier jedoch - abgesehen davon, dass das Garagenprivileg in Niedersachsen auch für mit anderen Baulichkeiten verbundene Garagen gilt (vgl. Senatsbeschl. v. 8.5.2018 - 1 ME 55/18 -, NVwZ-RR 2018, 635 = BRS 86 Nr. 84 = juris Rn. 20) - nicht vor; der als Ferienwohnung genutzte Anbau auf dem Grundstück der Beigeladenen profitiert auch ohne die Terrasse nicht vom Garagenprivileg. Ob er Grenzabstände materiell baurechtmäßig über- oder unterschreitet, ist unabhängig davon, ob er teilweise mit einer Terrasse überbaut ist oder nicht.

Dem kann der Kläger nicht die Erwägung des Verwaltungsgerichts München (Urt. v. 5.12.2013 - M 11 K 12.5134 -, juris Rn. 23) entgegenhalten, eine für sich die Abstandsvorschriften wahrende Änderung erfordere gleichwohl eine Gesamtbetrachtung des Vorhabens, wenn sie die durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange „Belichtung, Belüftung, Wohnfrieden“ im Vergleich zum bisherigen Zustand negativ beeinflusse, was bei der Schaffung neuer Einsichtsmöglichkeiten durch Errichtung einer Dachterrasse der Fall sei. Diese Auffassung verkennt bereits, dass die niedersächsischen Grenzabstandsvorschriften eine Freiheit von Einsichtsmöglichkeiten nicht gewähren (Senatsbeschl. v. 8.5.2018 - 1 ME 55/18 -, NVwZ-RR 2018, 635 = BRS 86 Nr. 84 = juris Rn. 24).

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, eine auf die Änderung beschränkte Nachtragsbaugenehmigung könne schon deshalb nicht erteilt werden, weil das Grundvorhaben nicht baugenehmigt oder bestandsgeschützt sei. Ob ein Nachbar eine für sich nachbarrechtskonforme Nachtragsbaugenehmigung unter Berufung auf eine fehlende Genehmigung bzw. fehlenden Bestandsschutz des Grundvorhabens angreifen kann, muss hier nicht entschieden werden, da der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, ein solcher Bestandsschutz sei gegeben, nicht plausibel in Frage gestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat insoweit - selbständig tragend - ausgeführt, jedenfalls mit den Genehmigungen vom 17. Oktober 1986 für die Erneuerung des Hauseingangs für die Ferienwohnung, vom 17. Dezember 1991 für eine Dachgaube, zwei PKW-Einstellplätze sowie den Neubau von Carport und Gerätehaus und vom 12. August 2005 für einen Anbau an das Wohnhaus habe die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der den Gebäudebestand und die Nutzung - zum Wohnen bzw. für das grenzständige Gebäude als Ferienwohnung - legalisiert habe. Diese Begründung wird durch die Ausführungen des Klägers zur Genehmigungslage bis 1986 von vornherein nicht in Frage gestellt. Mit Blick auf die vorstehend genannten Genehmigungen trägt der Kläger im Wesentlichen vor, etwaiger Bestandsschutz sei mit einem illegalen Ausbau des Dachstuhls des nördlichen Teils des Anbaus zu einem weiteren Schlafraum der Ferienwohnung erloschen. Im Ansatz zutreffend sieht er, dass Bestandschutz erlöschen kann, wenn bauliche Veränderungen oder eine Nutzungsänderung die Identität zwischen geschütztem und tatsächlichem Bestand aufheben. Dass allerdings die Aufnahme einer dort nicht genehmigten Nutzung in einzelnen Räumen eines im Übrigen genehmigungskonform errichteten und genutzten Gebäudes eine solche Identitätsänderung (zum Begriff s.o.) bewirkt, trifft nicht zu und ergibt sich auch nicht aus der von ihm zitierten Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 17.1.1986 - 4 C 80.82 -, BVerwGE 72, 362 = BauR 1986, 302 = juris Rn. 12). Soweit der Kläger meint, der Bestandsschutz sei aufgrund der 1991 und 2005 erfolgten Baumaßnahmen entfallen, verkennt er, dass diesen Baumaßnahmen Genehmigungen zugrunde lagen, aus denen das Verwaltungsgericht den Bestandsschutz im Übrigen gerade abgeleitet hat.

b)

Auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens begegnen nicht den vom Kläger geltend gemachten Richtigkeitszweifeln. Zwar ist Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Betrachtung einer Gebäudeerweiterung - auch wenn der Bauherr nur diese zur Genehmigung stellt - regelmäßig das Gesamtgebäude in seiner geänderten Gestalt und Nutzung (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 -, NVwZ 1994, 294 = BRS 55 Nr. 72 = juris Rn. 16). Das bedeutet freilich nicht, dass sich eine die Änderung gestattende Genehmigung stets auf alle bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit des Gesamtvorhabens erstrecken müsste. Sie muss sich nur auf die Voraussetzungen erstrecken, die durch sie berührt werden (BVerwG, Beschl. v. 4.2.2000 - 4 B 106.99 -, NVwZ 2000, 1047 = BauR 2000, 1041 = juris Rn. 2).

Die Frage, ob das Gesamtvorhaben mit Blick auf die in ihm - auch - ausgeübte Ferienwohnnutzung den Gebietserhaltungsanspruch des Klägers verletzt, gehört hierzu nicht. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht insoweit darauf abgestellt, dass die Terrasse sowohl nach dem Bauantrag, als auch nach den grüngestempelten Bauvorlagen klar und unmissverständlich der im Haupthaus ausgeübten, im Plangebiet unstreitig zulässigen Wohnnutzung zugeordnet ist. Etwaige hiervon abweichende Nutzungsmöglichkeiten sind nicht Gegenstand der Baugenehmigung und damit nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Eine andere Beurteilung ist ausnahmsweise nur dann gerechtfertigt, wenn bereits den Bauvorlagen zu entnehmen ist, dass die zur Genehmigung gestellte Nutzung entweder objektiv gar nicht möglich ist oder vom Bauherrn tatsächlich nicht angestrebt wird (sog. Etikettenschwindel, vgl. Senatsbeschl. v. 12.12.2013 - 1 LA 123/13 -, DVBl. 2014, 254 = juris Rn. 18 m.w.N.). Derartige Umstände hat der Kläger mit dem Beschwerdevorbringen indes nicht vorgetragen. Die Nutzung der Dachterrasse für die Ferienwohnung drängt sich nach den Bauvorlagen nicht auf. Sie wäre vielmehr erst nach erheblichen ungenehmigten baulichen Veränderungen (Herstellung eines Türdurchbruchs vom Satteldach des nördlichen Anbaus her) möglich, während die genehmigten bodentiefen Tür-/Fensteröffnungen zum Schlafzimmer der Beigeladenen eine Nutzung für die Ferienwohnung selbst dann als unzweckmäßig erscheinen ließen. Allein die Tatsache, dass die Beigeladene - wie der Kläger behauptet - zu einem früheren Zeitpunkt eine der Ferienwohnung zugeordnete Terrasse an gleicher Stelle geplant haben mag, und dass sie das Dachgeschoss des Anbaus ungenehmigt als Kinderzimmer der Ferienwohnung nutzt, ist kein hinreichendes Indiz für eine Missbrauchsabsicht. Ob der Kläger, der selbst neben seiner Zweit- eine Ferienwohnnutzung ausübt, über den Gebietserhaltungsanspruch eine Ferienwohnnutzung im Plangebiet überhaupt abwehren kann, kann angesichts dessen dahinstehen.

Ohne Erfolg macht der Kläger schließlich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts geltend, das Vorhaben wahre das Gebot der Rücksichtnahme. Im Ansatz ist ihm darin zuzustimmen, dass in diese Bewertung auch etwaige Beeinträchtigungen durch das Bestandsvorhaben der Beigeladenen einzubeziehen sind, soweit sie durch das Hinzutreten der Dachterrasse vertieft werden; insoweit greift der o.a. Grundsatz, dass Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Prüfung eines Änderungsvorhabens das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt ist, soweit die Änderung dessen Zulässigkeitsvoraussetzungen berührt. Soweit das Rücksichtnahmegebot durch die Schaffung zusätzlicher Einsichtmöglichkeiten auf schutzwürdige Teile des Grundstücks des Klägers verletzt sein könnte, hätte das Verwaltungsgericht daher Einsichtsmöglichkeiten, die sich aus bestehenden Teilen des Beigeladenengebäudes auf das Klägergrundstück ergeben, umfassend in seine Würdigung einbeziehen müssen. Eine Zulassung der Berufung rechtfertigt ein diesbezügliches Versäumnis jedoch nicht, denn das Urteil erweist sich insoweit als offenkundig im Ergebnis richtig. Auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens liegt auf der Hand, dass die durch Herstellung der Terrasse geschaffenen Einsichtmöglichkeiten selbst im Verbund mit den bestehenden Blickbeziehungen das Maß des in einem Wohngebiet Hinzunehmenden nicht überschreiten. Hinsichtlich der Terrasse hat das Verwaltungsgericht insoweit das Nötige gesagt; mit Blick auf die Anordnung schutzwürdiger Räume und Außenwohnbereiche sowie Höhe und Grenzabstand der Terrasse liegen die Beeinträchtigungen durch Einblickmöglichkeiten von dieser - deutlich - unterhalb der Zumutbarkeitsgrenze. Vom Bestandsgebäude ist eine zusätzliche Einsichtnahmemöglichkeit allenfalls noch aus dem Schlafzimmerfenster der Ferienwohnung möglich; die kleinen Fenster von deren Bad und Toilette sind erkennbar als Aussichtspunkte ungeeignet, der bestehende Balkon im Südosten des Haupthauses ist über 10 m von der Grundstücksgrenze entfernt. Vom Schlafzimmerfenster der Ferienwohnung ist indes nur der Vorgarten des Klägers einsehbar, und auch dies lediglich auf Erdgeschosshöhe, d.h. nicht anders als beispielsweise aus dem Garten des Beigeladenengrundstücks heraus. Vor unerwünschten Blicken von dort kann sich der Kläger, soweit gewünscht und noch nicht geschehen, vollständig und auf einfachste Weise durch Errichtung eines kurzen Sichtschutzzauns oder Anpflanzung einzelner Büsche schützen. Die Beeinträchtigung des Klägergrundstücks durch die Baumasse des Nachbargebäudes, namentlich des grenznahen Anbaus, wird durch die Baumasse der Dachterrasse - für die entgegen der Behauptung des Klägers keine Überdachung genehmigt ist - nicht spürbar vertieft. Optische Beeinträchtigungen durch die Baumasse eines Vorhabens einerseits und durch vom Vorhaben ausgehende Einsichtnahmemöglichkeiten können, wenn sie - wie hier - je für sich genommen klar den Rahmen des dem Nachbarn Zumutbaren wahren, auch nicht im Wege einer Summierung einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot begründen (vgl. Senatsbeschl. v. 16.7.2019 - 1 LA 144/18 -, juris Rn. 17). Ernstliche Zweifel ergeben sich schließlich nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht sich nicht vertieft mit der Bedeutung auseinandergesetzt hat, die der Terrasse für die Nutzbarkeit des Beigeladenengrundstücks zukommt. Das Gebot der Rücksichtnahme stellt nicht jede bauliche Nutzung des eigenen Grundstücks unter den Vorbehalt einer „Bedarfsprüfung“. Erst wenn dem Nachbarn ein über das übliche Maß hinausgehendes Beeinträchtigungsniveau zugemutet werden soll, ist von Bedeutung, ob dies durch besondere, schutzwürdige Interessen des Bauherrn gerechtfertigt ist. Davon kann hier mit Blick auf die allein vom Änderungsvorhaben berührten Einsichtsmöglichkeiten nicht die Rede sein.

2.

Die Rechtssache weist hinsichtlich der mit der Bestimmung des Prüfungsumfangs verbundenen Rechtsfragen weder besondere rechtliche Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, noch kommt diesen eine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, sind diese Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. - für das niedersächsische Landesrecht - der Rechtsprechung des Senats geklärt; einen Bedarf, die bestehende Rechtsprechung auf den Prüfstand zu stellen, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf. Besondere tatsächliche Schwierigkeiten mit Blick auf die Frage des Bestandsschutzes der Baulichkeiten auf dem Beigeladenengrundstück werden mit dem Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht dargelegt; der bloße Hinweis, die Erörterung dieses Themas sei komplex und sei vom Verwaltungsgericht nicht ausreichend aufgearbeitet worden, genügt hierfür nicht. Die „allgemeinen Voraussetzungen des Rücksichtnahmegebotes“, namentlich die Frage, ob eine Baugenehmigung bei Anhaltspunkten für eine spätere illegale Nutzung des Vorhabens erteilt werden darf, sind entgegen der Auffassung des Klägers in der Rechtsprechung ebenfalls geklärt; auf die im Rahmen der Ausführungen zum Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel angegebene Rechtsprechung wird insoweit Bezug genommen. Welche grundsätzlich bedeutsame, im vorliegenden Fall klärungsfähige Frage der Kläger mit dem „Einfluss des Bestandsschutzes auf das Genehmigungsverfahren“ benennen möchte, ist nicht erkennbar.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).