Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.02.2022, Az.: 11 ME 369/21

Auswahlermessen; Bestandsauflösung; Haltungs- und Betreuungsverbot; Rinder; Tierschutz

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.02.2022
Aktenzeichen
11 ME 369/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59505
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 04.11.2021 - AZ: 7 B 2932/21

Fundstellen

  • KomVerw/B 2023, 332-336
  • KomVerw/LSA 2023, 334-338
  • KomVerw/MV 2023, 332-336
  • KomVerw/S 2023, 332-336
  • NordÖR 2022, 272

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die auf § 16 a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG gestützte und mit Sofortvollzug sowie einer Fristsetzung verbundene Anordnung zur Auflösung eines Rinderbestands kann im Einzelfall auch dann rechtmäßig sein, wenn nicht zuvor oder zugleich ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot erlassen wurde.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 7. Kammer - vom 4. November 2021 geändert.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat Erfolg.

Der Antragsteller ist Halter von 120 Rindern.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2017 untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs die Lieferung der in seinem Betrieb erzeugten Rohmilch als Lebensmittel und führte zur Begründung aus, dass in einer Milchprobe ein zu hoher Wert an Keimen festgestellt worden sei. In der Folgezeit fanden im Betrieb des Antragstellers zahlreiche Kontrollen der Amtstierärzte des Antragsgegners statt, bei denen die Amtstierärzte jeweils diverse tierschutzrechtliche Mängel feststellten. Zudem untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller wiederholt, die in seinem Betrieb erzeugte Rohmilch als Lebensmittel zu liefern und führte zur Begründung aus, dass die in dem Betrieb erzeugte Rohmilch (weiterhin) nicht den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 hinsichtlich des Gehalts an somatischen Zellen entspreche. Mit Verfügung vom 12. November 2020 ordnete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller verschiedene, sofort vollziehbare tierschutzrechtliche Maßnahmen an (u.a. ausreichende Versorgung der Rinder mit Futter und Wasser, regelmäßige Säuberung der Liegeflächen, Vorlage eines schlüssigen Konzepts zur künftigen Führung des Betriebs, die Hinzuziehung eines Tierarztes bei kranken und verletzten Tieren) und drohte für den Fall der Nichtbefolgung jeweils Zwangsgelder an. Bei einer weiteren am 7. April 2021 durchgeführten Vor-Ort-Kontrolle des Betriebs des Antragstellers wurden durch die Amtstierärzte des Antragsgegners weitere Verstöße gegen tierschutz- und tierseuchenrechtliche Bestimmungen festgestellt. Mit Anhörungsschreiben vom 3. Juni 2021 führte der Antragsgegner aus, dass er beabsichtige, die Aufgabe der Rinderhaltung anzuordnen. Zugleich wies er darauf hin, dass er ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot für Nutztiere in Betracht ziehe. Unter dem 30. Juli 2021 erstattete der Antragsgegner zudem Strafanzeige gegen den Antragsteller bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Mit Schreiben vom 29. Juli 2021 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zum Erlass eines Tierhaltungs- und Betreuungsverbots sowie zum Erlass eines Nutzungsverbots des Stalls an.

Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 3. August 2021 verfügte der Antragsgegner, dass der Antragsteller seinen Rinderbestand bis zum 31. Oktober 2021 aufzulösen habe. Weiter führte der Antragsgegner aus, dass er in dem Fall, dass der Antragsteller dieser Anordnung nicht oder nicht vollständig nachkomme, die Fortnahme und Veräußerung der Tiere veranlassen werde (Ziffer 1). Darüber hinaus ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung an (Ziffer 2) und verfügte, dass der Antragsteller die Verfahrenskosten zu tragen habe (Ziffer 3).

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 1. September 2021 Klage (7 A 2931/21) erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist, und zugleich um Eilrechtschutz ersucht. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht dem Eilantrag stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 3. August 2021 wiederhergestellt.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet.

Die von dem Antragsgegner vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass sich der streitgegenständliche Bescheid des Antragsgegners vom 3. August 2021 im Rahmen der vorliegend nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist und daher dem öffentlichen Interesse am Vollzug der tierschutzrechtlichen Anordnungen ein höheres Gewicht beizumessen ist als dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner dagegen erhobenen Klage.

Rechtsgrundlage für die mit Bescheid des Antragsgegners vom 3. August 2021 unter Ziffer 1 getroffene Anordnung, dass der Antragsteller seinen Rinderbestand bis zum 31. Oktober 2021 aufzulösen hat, sind die Regelungen in § 16 a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG. Nach § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen und kann insbesondere nach § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss nach § 2 Nr. 1 TierSchG dieses seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Die Pflichten aus § 2 Nr. 1 TierSchG werden für landwirtschaftliche Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltene Tiere durch die auf der Grundlage von § 2 a TierSchG ergangene Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (i.d.F. v. 22.8.2006, BGBl. I S. 2043, zuletzt geänd. d. Verordnung v. 29.1.2021, BGBl. I S. 146 - TierSchNutztV -) konkretisiert. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TierSchNutztV hat derjenige, der Nutztiere hält, sicherzustellen, dass alle Tiere täglich entsprechend ihrem Bedarf mit Futter und Wasser in ausreichender Menge und Qualität versorgt sind. Des Weiteren hat der Tierhalter sicherzustellen, dass, soweit erforderlich, unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung, Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage oder die Tötung kranker oder verletzter Tiere ergriffen werden sowie ein Tierarzt hinzugezogen wird (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV). Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 TierSchNutztV ist zudem sicherzustellen, dass die Haltungseinrichtung sauber gehalten wird, insbesondere Ausscheidungen so oft wie nötig entfernt werden, und Gebäudeteile, Ausrüstungen und Geräte, mit denen die Tiere in Berührung kommen, in angemessenen Abständen gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden.

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Normen sind erfüllt. Dem Antragsgegner ist darin zu folgen, dass die Rinderhaltung des Antragstellers im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids den soeben wiedergegebenen normativen Anforderungen nicht genügt hat. Wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsvorgang ergibt, haben die Amtstierärzte des Antragsgegners im Rahmen von zahlreichen Kontrollen wiederholt diverse erhebliche Verstöße gegen die Verpflichtung zur art- und bedürfnisgerechten Unterbringung und Versorgung der Rinder festgestellt. So seien bei nahezu jeder Kontrolle überdurchschnittlich viele Verluste bei den Tieren, wiederkehrende Mängel in der Milchhygiene, ein schlechter Ernährungszustand der Tiere, eine mangelnde tierärztliche Versorgung oder eine ungenügende Fütterung festgestellt worden. Auch der Stall entspreche nicht dem Stand der Technik und sei für eine Haltung von Rindern zu dunkel und nicht geeignet. Zu gravierenden Mängeln sei es zuletzt im Zeitraum zwischen einer durchgeführten Kontrolle am 3. Dezember 2020 sowie am 7. April 2021 gekommen. Der Ernährungszustand der gesamten Herde sei im April 2021 erheblich schlechter im Vergleich zur Kontrolle im Dezember 2020 geworden, obwohl ausreichend Futtermasse vorhanden gewesen sei. Von November 2020 bis Juni 2021 seien zudem sechs Tiere beim Veterinärinstitut des LAVES seziert worden. Dabei habe sich ergeben, dass der Ernährungszustand der Tiere mäßig bis sehr schlecht gewesen sei und die Tiere an verschiedenen (unbehandelten) Krankheiten gelitten hätten. Zusammenfassend sei festzustellen, dass es in dem Betrieb des Antragstellers am notwendigen Management fehle. Erkrankungen bei Tieren würden zu spät erkannt, oder die Tiere willentlich sich selbst überlassen. Leiden und Schmerzen sowie die nachfolgenden Schäden würden wissentlich in Kauf genommen. Ein Bemühen um Besserung sei nicht festzustellen. Der Betrieb sei in der Vergangenheit in unregelmäßigen Abständen und zu unterschiedlichen Tageszeiten kontrolliert worden, Mängel seien jedoch in unterschiedlicher Ausprägung immer wieder festgestellt worden. Die Verlustraten seien unvermindert hoch, ohne dass eine einheitliche Grunderkrankung bei den Tieren habe festgestellt werden können. Dies resultiere aus schlechten Haltungs-, Fütterungs- und Gesundheitsvorsorgemängeln.

2. Das auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen bezogene Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Beurteilung.

a) Soweit er im Beschwerdeverfahren pauschal behauptet, sich „keinerlei Tierquälerei schuldig gemacht“ zu haben, immer unverzüglich den Tierarzt gerufen zu haben, wenn für ihn die Erkrankung eines Tieres erkennbar geworden sei, und ergänzend auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug nimmt, dringt er damit nicht durch. Aufgrund der dokumentierten amtstierärztlichen Feststellungen anlässlich der zahlreichen amtstierärztlichen Kontrollen steht vielmehr außer Frage, dass die Rinderhaltung des Antragstellers über einen Zeitraum von mehreren Jahren wiederholt gegen die Anforderungen des § 2 Nr. 1 TierSchG i.V.m. den einschlägigen Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verstoßen hat. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG und der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erfüllt sind, steht den amtlichen Tierärzten eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu. Die Einschätzung der zugezogenen amtlichen Tierärzte wird vom Gesetz im Regelfall als maßgeblich angesehen (vgl. auch § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG). Als gesetzlich vorgesehene Sachverständige sind die Amtstierärzte für Aufgaben wie diese eigens bestellt (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG). In einem exakten Nachweisen nur begrenzt zugänglichen Bereich einzelfallbezogener Wertungen kommt ihrer fachlichen Beurteilung daher besonderes Gewicht zu (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2014 - 3 B 62.13 - juris Rn. 10; NdsOVG, Urt. v. 20.4.2016 - 11 LB 29/15 - juris Rn. 39; OVG SH, Beschl. v. 12.10.2021 - 4 MB 39/21 - juris Rn. 11; OVG BB, Beschl. v. 17.6.2013 - OVG 5 S 27.12 - juris Rn. 4; BayVGH, Urt. v. 30.1.2008 - 9 B 05.3146 - juris Rn. 29; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 15 TierSchG Rn. 5 u. § 16 a TierSchG Rn. 46). Dies schließt es zwar nicht aus, dass die von diesen Amtstierärzten getroffenen Feststellungen substantiiert durch fachliche Stellungnahmen von Amtstierärzten anderer Körperschaften und bei anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften beschäftigten Fachtierärzten erfolgreich in Frage gestellt werden. Ein schlichtes Bestreiten der vorgenommenen amtstierärztlichen Wertungen und der ihnen zugrundeliegenden Feststellungen ist jedoch eben so wenig ausreichend wie ein bloßes in Zweifel Ziehen oder eine Behauptung des Gegenteils (NdsOVG, Urt. v. 20.4.2016 - 11 LB 29/15 - juris Rn. 39; OVG SH, Beschl. v. 12.10.2021 - 4 MB 39/21 - juris Rn. 11). Davon ausgehend sind die Ausführungen des Antragstellers - die sich der Sache nach als ein schlichtes und pauschales Bestreiten der vorgenommenen amtstierärztlichen Wertungen und der ihnen zugrundeliegenden Feststellungen darstellen - nicht geeignet, im Rahmen der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids in Frage zu stellen. Entsprechendes gilt, soweit der Antragsteller erstinstanzlich detailliert zu den sechs im angefochtenen Bescheid aufgeführten Fällen von verstorbenen, durch das LAVES sezierten Tieren vorgetragen hat. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Erlass der streitgegenständlichen Anordnungen nicht nur auf den Tod der sechs sezierten Tiere, sondern darüber hinaus - selbstständig tragend - auf eine Vielzahl von weiteren tierschutzrechtlichen Verstößen gestützt ist. Vor diesem Hintergrund vermag auch der Verweis des Antragstellers darauf, dass sich aus einem Artikel in der Welt am Sonntag am 12. Dezember 2021 ergebe, dass eine „Ammenhaltung“ dem Tierwohl diene, keine andere Beurteilung zu rechtfertigen.

b) Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren einwendet, dass der streitgegenständliche Bescheid auch deshalb rechtswidrig sei, weil es an Tatsachen fehle, die die Annahme rechtfertigten, dass er „weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird“, bezieht er sich dabei offensichtlich auf die in § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG normierten Voraussetzungen zum Erlass eines Haltungs- und Betreuungsverbots. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde jedoch kein auf § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG gestütztes Haltungs- und Betreuungsverbot, sondern - wie oben ausgeführt - eine auf § 16 a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG gestützte tierschutzrechtliche Anordnung erlassen. Die demnach vorliegend einschlägige Rechtsgrundlage fordert in Bezug auf die tatbestandlichen Voraussetzungen gerade - anders als ein auf § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG gestütztes Haltungs- und Betreuungsverbot - nicht die Prognose, dass weiterhin Zuwiderhandlungen begangen werden. Auch wenn es vorliegend somit nicht entscheidend darauf ankommt, weist der Senat vorsorglich - auch im Hinblick auf ein möglicherweise zukünftig verfügtes Haltungs- und Betreuungsverbot - darauf hin, dass eine negative Prognose im Rahmen des § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG in der Regel bereits dann gerechtfertigt ist, wenn es in der Vergangenheit - wie hier - zu einer Vielzahl von Verstößen gekommen ist (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16 a TierSchG Rn. 48; Senatsurt. v. 20.4.2016 - 11 LB 29/15 - juris Rn. 53 f.).

3. Ermessensfehler sind weder vom Antragsteller vorgetragen noch für den Senat ersichtlich. Nach § 16 a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG steht der zuständigen Behörde hinsichtlich der Wahl des Handlungsmittels (das „Wie“ der Entscheidung) ein Auswahlermessen zu, welches durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet und beschränkt wird (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16 a TierSchG Rn 6; Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 16 a TierSchG Rn. 9). Die Behörde muss in der von ihr getroffenen Entscheidung zum Ausdruck bringen, dass sie ihren Ermessensspielraum erkannt und genutzt hat und dazu darlegen, welches die Gründe für die Wahl der ergriffenen Maßnahme(n) waren (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16 a TierSchG Rn 6). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids lässt sich entnehmen, dass der Antragsgegner das ihm zustehende Auswahlermessen erkannt und rechtsfehlerfrei ausgeübt hat. Er hat dazu nachvollziehbar ausgeführt, dass die Anordnung der Auflösung des Rinderbestands geeignet sei, um die Tiere des Antragstellers vor möglichen weiteren Vernachlässigungen zu schützen. Ein milderes Mittel, um diesen Zweck zu erreichen, sei nicht erkennbar. Alle mündlichen und schriftlichen Appelle hätten den Antragsteller nicht dazu bewegen können, seine Tierhaltung nachhaltig zu verbessern. Gerade als Landwirt müsse er in der Lage sein, ernsthafte Erkrankungen der Tiere rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Dies habe der Antragsteller in der Vergangenheit wiederholt unterlassen. Da die Tiere des Antragstellers zudem keine Milch mehr lieferten, trage die Tierhaltung auch nicht mehr wesentlich zum Lebensunterhalt des Antragstellers bei. Die Fristsetzung bis zum 31. Oktober 2021 sei dem Antragsteller bereits in einem Gespräch am 7. Juli 2021 mitgeteilt worden. Er habe somit ausreichend Zeit, um selbst die Veräußerung seiner Tiere zu veranlassen. Eine Fortnahme und anschließende Veräußerung durch das Veterinäramt würde noch zusätzliche Kosten verursachen, die der Antragsteller durch sein Tätigwerden vermeiden könne.

Soweit das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen hat, dass „bezüglich des der Behörde eingeräumten Auswahlermessens bei der Entscheidung etwaiger Anordnungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung als milderes Mittel gegenüber der Gesamtbestandsauflösung die Verkleinerung des Viehbestandes in Hinblick auf verfügbare Räumlichkeiten in den Blick zu nehmen sein wird, sowie des weiteren sich als milderes Mittel zunächst die Festsetzung der im Bescheid vom 12. November 2020 angedrohten Zwangsgelder zur Einhaltung und Durchsetzung der in diesem Bescheid angeordneten tierschutzrechtlichen Maßnahmen anbieten könnte“ (s. S. 5 BA), rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Senat folgt auch insofern dem ergänzenden - offensichtlich vor dem Hintergrund der soeben zitierten Ausführungen des Verwaltungsgerichts erfolgten - Vorbringen des Antragsgegners. Dieser hat diesbezüglich nachvollziehbar vorgetragen, dass die Festsetzung eines Zwangsgelds aufgrund der Schwere und der Häufigkeit der Verstöße sowie aufgrund des Umstands, dass weder ein am 15. Juni 2018 erlassener bestandskräftiger Bußgeldbescheid, noch die am 30. Juli 2021 erfolgte Strafanzeige zu einer maßgeblichen Verbesserung der Tierhaltung in dem Betrieb des Antragstellers geführt haben, kein gleichermaßen geeignetes Mittel gewesen wäre, um weitere tierschutzrechtliche Verstöße und damit für die Tiere verbundenes Leid dauerhaft zu unterbinden. Auch aufgrund der offensichtlich angespannten finanziellen Lage des Antragstellers - der zuständige Energieversorger hat mehrmals die Einstellung der Versorgung angedroht, nach dem insofern unbestrittenen Vortrag des Antragsgegners zuletzt am 6. Oktober 2021 - erscheint die Festsetzung eines Zwangsgelds wenig erfolgversprechend, um weitere tierschutzrechtliche Verstöße zu verhindern. Entsprechendes gilt in Bezug auf die vom Verwaltungsgericht erwähnte Bestandsverkleinerung, da die festgestellten tierschutzrechtlichen Verstöße nicht primär auf die Größe des Tierbestands, sondern auf die mangelhafte Versorgung und Haltung der Tiere, insbesondere während des Aufenthalts im Stall, zurückzuführen sind.

4. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist der streitgegenständliche Bescheid auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner nicht zuvor oder zugleich ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot erlassen hat.

a) Zwar hat das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend und in Übereinstimmung mit der dazu vorliegenden Rechtsprechung ausgeführt, dass die Anordnung, den Tierbestand aufzulösen, in den Fällen, in denen bereits ein Tierhaltungsverbot angeordnet wurde, als notwendige Folge des Tierhaltungsverbots gerechtfertigt ist, weil ansonsten ein mit dem Wohl der Tiere unvereinbarer betreuungsloser Zustand entstünde (vgl. Senatsbeschl. v. 21.3.2013 - 11 LA 257/12 - S. 3, V.n.b.; BayVGH, Beschl. v. 7.11.2006 - 25 CS 06.2619 - juris Rn. 6; derselbe, Beschl. v. 29.1.2007 - 25 CS 06.2206 - juris Rn. 5; VG Stade, Urt. v. 12.11.2020 - 10 A 1468/18 - S. 11, V.n.b.; VG Oldenburg, Beschl. v. 3.8.2020 - 7 B 1910/20 - S. 5 f., V.n.b.; VG Gießen, Urt. v. 25.9.2006 - 10 E 643/06 - juris Rn. 47; VG SH, Beschl. v. 15.4.2011 - 1 B 9/11 - juris Rn. 15). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, weil der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller (noch) kein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot erlassen hat. Für die vorliegende Konstellation sind die soeben zitierten, überwiegend auch vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss angeführten Entscheidungen somit nicht ergiebig. Dies gilt auch für die vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss angeführte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg. Dieses hat zwar mit Beschluss vom 4. Juni 2013 ausgeführt, dass die zuständige Behörde nach § 16 a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG auch die Auflösung eines Tierbestands anordnen könne, „wenn gegenüber dem Halter ein Tierhaltungsverbot ausgesprochen wurde und ohne die Auflösung ein mit dem Wohl der Tiere unvereinbarer betreuungsloser Zustand entstünde (OVG BB, Beschl. v. 4.6.2013 - OVG 5 S 3.13 - juris Rn. 5 unter Verweis auf BayVGH, Beschl. v. 7.11.2006 - 25 CS 06.2619 - juris Rn. 6). Auch diese Entscheidung betraf jedoch einen Fall, in dem zeitgleich mit der Bestandsauflösung ein Haltungs- und Betreuungsverbot angeordnet worden war, so dass aus ihr keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die hier vorliegende Konstellation gezogen werden können. Entsprechendes gilt im Ergebnis auch im Hinblick auf die von dem Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg. Auch dort ging es um einen mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbaren Fall, nämlich eine gewerbliche Straußenhaltung, die anders als die hier betroffene Rinderhaltung einer Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 a) TierSchG bedarf, die Erteilung der Erlaubnis aber bestandskräftig abgelehnt worden war (VG Regensburg, Beschl. v. 10.7.2020 - RN 4 S 20.1049 - juris Rn. 2 ff.). Das Verwaltungsgericht Regensburg hat seine Ansicht, dass die Auflösung eines Tierbestands nur nach vorheriger Anordnung der Untersagung der erlaubnispflichtigen Tätigkeit angeordnet werden könne, primär mit der in § 11 Abs. 5 Satz 6 TierSchG enthaltenen Spezialvorschrift begründet, wonach die zuständige Behörde demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen soll, der die Erlaubnis nicht hat. Es hat weiter ausgeführt, dass § 11 Abs. 5 Satz 6 TierSchG eine gegenüber § 16 a Abs. 1 Satz 1 oder § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG vorrangige Spezialvorschrift sei, so dass die dort streitgegenständliche (isolierte) Bestandsauflösung auch nicht auf die „tierschutzrechtliche Generalklausel“ des § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG gestützt werden könne (VG Regensburg, Beschl. v. 10.7.2020 - RN 4 S 20.1049 - juris Rn. 30). Soweit das Verwaltungsgericht Regensburg ausgeführt hat, dass sich „parallele Gestaltungen“ auch an anderer Stelle im Tierschutzgesetz fänden und es „insbesondere bei Anordnungen zur Bestandsauflösung auf Grundlage des § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG eines zumindest gleichzeitig verhängten Tierhaltungs- und Betreuungsverbots“ bedürfe, da „sich die Bestandsauflösung gleichsam als Umsetzung der Haltungsuntersagung darstellt und ohne letztere keine Grundlage hätte“ (VG Regensburg, Beschl. v. 10.7.2020 - RN 4 S 20.1049 - juris Rn. 27), beziehen sich diese Ausführungen ausdrücklich auf Anordnungen, die auf der Grundlage des § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG erlassen worden sind. Die vorliegend streitgegenständliche Anordnung zur Bestandsauflösung findet ihre Rechtsgrundlage jedoch - wie oben unter 1. und 2. ausgeführt - nicht in § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG, sondern in § 16 a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG. Insgesamt lassen die von dem Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Entscheidungen anderer Gerichte somit keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Frage zu, ob die vorliegend streitgegenständliche Anordnung einer Bestandsauflösung nur dann rechtmäßig sein kann, wenn zuvor oder zumindest zugleich ein Haltungs- und Betreuungsverbot angeordnet wurde.

b) Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerdeerwiderung die Ansicht vertritt, dass sich aus dem „Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen“ ergebe, dass „als erster Schritt“ die Untersagung des Haltens und Betreuen von Tieren erfolgen müsse und die Bestandsauflösung nur eine notwendige Ergänzung des Haltungs- und Betreuungsverbots sein könne, überzeugt dies den Senat nicht. Dabei bleibt bereits offen, welche gesetzlichen Regelungen der Antragsteller bei dieser Aussage genau meint. Ebenso wenig ist dargelegt oder erkennbar, auf welchen konkreten „Sinn und Zweck“ der Antragsteller in diesem Zusammenhang abstellt. Da Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Bestandsauflösung - wie oben ausgeführt - § 16 a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG ist, kann es folglich nur um den Sinn und Zweck dieser Regelungen gehen. Sinn und Zweck der genannten Regelungen ist es, der Behörde die Anordnungsbefugnis zur Herbeiführung tierschutzrechtlich ordnungsgemäßer Zustände zur Verfügung zu stellen (Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 16 a TierSchG Rn. 2). Im Rahmen ihres pflichtgemäßen Auswahlermessens kann die Behörde daher jedes Mittel und jede Maßnahme bestimmen, die sie zur Gefahrenabwehr für geeignet und notwendig hält (Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 16 a TierSchG Rn. 9). Dabei sprechen sowohl der Wortlaut als auch der Sinn und Zweck der genannten Normen dafür, dass der zuständigen Behörde durch die Befugnis, die „notwendigen Anordnungen (§ 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG) bzw. „die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahmen“ (§ 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG) zu erlassen, ein möglichst breites, den jeweiligen Umständen eines jeden Einzelfall gerecht werdendes Auswahlermessen eingeräumt werden soll, welches ausschließlich durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet und beschränkt wird (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16 a TierSchG Rn. 6; siehe dazu auch obige Ausführungen unter 3.). Die konkrete Ausgestaltung des § 16 a Abs. 1 TierSchG - die Generalklausel in Satz 1 und die besonderen Befugnisse in Satz 2 - soll dabei zudem ein rasches und wirksames Eingreifen der Behörde in allen betroffenen Bereichen ermöglichen (Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 16 a TierSchG Rn. 2).

Es widerspräche daher sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck der genannten Regelungen, wenn man ihren Anwendungsbereich dadurch einschränkte, dass man mit dem Antragsteller eine „Stufenreihenfolge“ dergestalt forderte, dass vor bzw. zeitgleich mit der Anordnung einer Bestandsauflösung stets auch ein Haltungs- und Betreuungsverbot erlassen werden müsste. Eine derartige Sichtweise führte zwangsläufig zu einer Beschränkung des behördlichen Auswahlermessens, für die es aus Sicht des Senats weder im Wortlaut noch im Telos der zitierten Vorschriften einen Anknüpfungspunkt gibt. Dass bzw. welche konkrete(n) normative(n) und/oder teleologische(n) Gesichtspunkte im vorliegenden Fall die Einführung der vom Antragsteller angeführten „Stufenreihenfolge“ fordern könnten, lässt sich auch der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht entnehmen.

c) Aus Sicht des Senats illustriert der vorliegende Fall vielmehr, dass es Konstellationen geben kann, in denen es sich als eine ordnungsgemäße Ausübung des Auswahl-ermessens darstellen kann, wenn (zunächst) die (isolierte) Auflösung des vorhandenen Tierbestands angeordnet wird. Eine solche Vorgehensweise kommt insbesondere dann in Betracht, wenn dadurch dem Tierhalter die Möglichkeit gegeben wird, die Tiere eigenständig zu veräußern bzw. an andere geeignete Tierhalter abzugeben. Dadurch werden zugleich weitere sich ggf. anschließende Auseinandersetzungen über die vom Tierhalter zu erstattenden Unterbringungskosten sowie über die Höhe des bei der behördlichen Veräußerung erzielten Erlöses vermieden. Darüber hinaus muss bei einer (isolierten) Anordnung der Bestandsauflösung sichergestellt sein, dass den Tieren in dem befristeten Zeitraum bis zur Bestandsauflösung keine erheblichen oder länger anhaltenden Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugeführt werden, die (kurzfristige) Fortsetzung der Tierhaltung also tierschutzrechtlich vertretbar ist.

Vorliegend waren beide der genannten Aspekte erfüllt. Zum einen hat der Antragsgegner durch seine Vorgehensweise verhindert, dass in Folge einer unmittelbaren Fortnahme der Rinder mit anschließender Veräußerung durch den Antragsgegner weitere, ggf. erhebliche und vom Antragsteller zu erstattende Kosten verursacht werden. Die vom Antragsgegner getroffene Ermessensentscheidung berücksichtigt somit auch im besonderen Maße die wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers. Zum anderen war es vorliegend auch tierschutzrechtlich vertretbar, die Rinder innerhalb der für die Bestandsauflösung gesetzten Frist weiterhin in der Obhut des Antragstellers zu belassen. Denn die von den Amtstierärzten festgestellten Mängel bezogen sich ganz überwiegend auf die Stallhaltung, die Tiere konnten aber während der für die Veräußerung gesetzten Frist auf der Weide gehalten werden. Durch die dem Antragsteller zur Auflösung des Rinderbestands bis zum 31. Oktober 2021 und damit bis zum Beginn der Stallhaltungsperiode gesetzte Frist ist zugleich gewährleistet, dass die Rinder vor weiterem, mit der tierschutzwidrigen Stallhaltung verbundenen Leid verschont bleiben. Die vom Antragsgegner in dem streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Anordnungen stellen somit eine im vorliegenden Einzelfall interessengerechte und ordnungsgemäße Ausübung des dem Antragsgegner zustehenden Auswahlermessens dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.