Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.02.2022, Az.: 5 LB 73/21

Altersgrenze; besondere Altersgrenze; Versetzung in den Ruhestand, vorzeitige

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.02.2022
Aktenzeichen
5 LB 73/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59830
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 08.04.2020 - AZ: 6 A 3207/18

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei der Übergansvorschrift des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG handelt es sich im streitgegenständlichen Zusammenhang um eine implizite Geburtsjahrgangsregelung

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 6. Kammer (Einzelrichterin) - vom 8. April 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Kläger aufgrund des Erreichens der für ihn geltenden besonderen Altersgrenze frühestmöglich in den Ruhestand versetzt werden kann.

Der am 8. Dezember1966 geborene Kläger steht - derzeit im Rang eines Kapitänleutnants (Besoldungsgruppe A 11) - im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten.

Nachdem das Bundesamt für das Personalmanagement der C. dem Kläger unter dem 7. Dezember 2017 mitgeteilt hatte, dass beabsichtigt sei, ihn mit Ablauf des 31. März 2023 in den Ruhestand zu versetzen (Teil C IV/Beiakte 001), stellte er mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 (Bl. 6/Beiakte 001 [Beschwerdevorgang]) einen „Antrag auf Neuberechnung des Zurruhesetzungstermins“. Nach § 45 Abs. 2 Nr. 4 des Soldatengesetzes (SG) erreiche er als Kapitänleutnant die besondere Altersgrenze an sich mit Vollendung des 56. Lebensjahres. In Verbindung mit der Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG ergebe sich jedoch für Soldaten, die - wie er - das 55. Lebensjahr im Jahr 2021 vollendeten, eine Anhebung um 9 Monate. Hieraus errechne sich - unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 44 Abs. 2 Satz 1 SG, wonach im Falle des Erreichens der besonderen Altersgrenze eine Versetzung in den Ruhestand (nur) zum Ende eines Kalendermonats erfolgen könne - eine „Verwendungsdauer bis 30. September 2022.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12. April 2018 (Bl. 3 f./Beiakte 001 [Beschwerdevorgang]) - dem Kläger zugegangen am 27. April 2018 (Bl. 5/Beiakte 001 [Beschwerdevorgang]) - erklärte das Bundesamt für das Personalmanagement der C., an seiner bisherigen Berechnung des Zurruhesetzungszeitpunktes festzuhalten. Der Kläger vollende das 55. Lebensjahr im Monat Dezember 2021, so dass seine Zurruhesetzung erst im Folgejahr 2022 möglich sei. Deshalb gelte nach der Übergangsbestimmung des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG die der dortigen Tabellenzeile „2022“ zugeordnete Verlängerung um 10 Monate mit der Folge, dass er die besondere Altersgrenze „erst zum 31. Oktober 2022“ erreiche. Damit werde der zweite „gebündelte“ Zurruhesetzungszeitpunkt im Sinne der Kennziffer 63-02.00 Nr. 1.1 des Handbuchs der Personalbearbeitung (GAIP BAPersBw Abt. III/IV) - hier also der Ablauf des 30. September 2022 - überschritten, so dass für den Kläger der nächstmögliche „gebündelte Termin“ des Folgejahres, nämlich der Ablauf des 31. März 2023, als frühestmöglicher Zurruhesetzungstermin maßgeblich sei.

Gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger mit seiner vom 16. Mai 2018 datierenden Beschwerde (Bl. 2/Beiakte 001 [Beschwerdevorgang]). Wenn die Beklagte zusätzlich zu den 9 Monaten der Tabellenzeile „2021“ der in Rede stehenden Übergangsvorschrift noch einen „Aufschlag“ von einem weiteren Monat vornehme, scheine für sie nicht das Kalenderjahr der Vollendung des 55. Lebensjahres für die Berechnung der Erhöhung zu zählen, sondern das Jahr der tatsächlichen Zurruhesetzung. Damit finde jedoch eine „Doppelanwendung“ des § 96 SG statt, welche aus der Vorschrift nicht hervorgehe. Warum er „statt um 9 Monate um 10 Monate verlängert“ werden solle, obwohl § 96 SG eine Anhebung um nur 9 Monate vorsehe, erschließe sich ihm nicht. Er bitte „um Korrektur [seines] Zurruhesetzungszeitpunktes auf den 30. September 2022“.

Die Beklagte wies die Beschwerde mit Beschwerdebescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der C. vom 9. Juli 2018 (Bl. 19 bis 23/Beiakte 001 [Beschwerdevorgang]) - dem Kläger zugegangen am 24. Juli 2018 (Bl. 25/Beiakte 001 [Beschwerdevorgang]) - zurück. Mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz sei die besondere Altersgrenze für Hauptleute auf die Vollendung des 56. Lebensjahres heraufgesetzt worden. Nach der Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG sei jedoch ab dem Jahr 2013 eine monatsweise Anhebung des (frühestmöglichen) Zurruhesetzungszeitpunktes geregelt worden. Der Kläger erreiche das 55. Lebensjahr im Jahr 2021. Hierzu würden - entsprechend der Tabellenzeile „2021“ - 9 Monate addiert, so dass eine Zurruhesetzung erst im Jahr 2022 möglich sei. Daher sei dann die Tabellenzeile „2022“ einschlägig mit der Folge, dass eine Anhebung um 10 Monate erfolge, der Kläger den Zurruhesetzungszeitpunkt also „im Alter von 55 Jahren und 10 Monaten (31. Oktober 2022)“ erreiche. Vor dem Hintergrund, dass eine Zurruhesetzung aufgrund des Gesetzes zur Steigerung der Attraktivität der C. (BwAttraktStG) nur noch an zwei Terminen im Jahr möglich sei, könne er jedoch „erst zum 31. März 2023 in den Ruhestand treten“.

Mit seiner am 23. August 2018 bei dem Verwaltungsgericht Oldenburg erhobenen Klage hat der Kläger seine Auffassung wiederholt, für ihn, der das 55. Lebensjahr im Kalenderjahr 2021 vollende, gelte die Tabellenzeile „2021“ der Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG mit der Folge, dass eine Anhebung um 9 Monate stattfinde. Sein erstmöglicher Zurruhesetzungstermin sei damit der 30. September 2022.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der C. vom 12. April 2018 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 9. Juli 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie ihre Argumentation aus dem Beschwerdebescheid wiederholt.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 8. April 2020 den Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der C. vom 12. April 2018 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 9. Juli 2018 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Die Klage sei als Verpflichtungsklage zulässig und begründet.

Für den Kläger gelte im Hinblick auf die besondere Altersgrenze des § 45 Abs. 2 SG die Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG. Da er am 8. Dezember 1966 geboren sei, vollende er das 55. Lebensjahr im Jahr 2021, nämlich mit Ablauf des 7. Dezember 2021. Für Soldaten, die - wie er - das 55. Lebensjahr im Kalenderjahr 2021 vollendeten, werde die besondere Altersgrenze um 9 Monate angehoben. Dies bedeute für ihn, dass er diese Grenze am 8. September 2022 - dem Tag, an dem er 55 Jahre und 9 Monate alt sein werde - erreiche. Da ein Berufssoldat, der die für ihn geltende besondere Altersgrenze erreicht habe, gemäß § 44 Abs. 2 SG (erst) zum Ende eines Kalendermonats in den Ruhestand versetzt werden könne, könne der Kläger frühestens zum 30. September 2022 in den Ruhestand versetzt werden. Dies sei allerdings eine Ermessensentscheidung; die Beklagte müsse das ihr eingeräumte Ermessen noch ausüben.

Vergleichbare Regelungen zur Versetzung in den Ruhestand enthielten § 35 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) für niedersächsische Landesbeamte oder § 51 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) für Bundesbeamte; in beiden Vorschriften werde die Altersgrenze ausgehend vom Geburtsjahr der Beamten geregelt. Es sei nicht ersichtlich, dass insoweit für Soldaten, die im Dezember eines Jahres geboren worden seien, etwas anderes gelten solle. Auch das Bundesverwaltungsgericht betone in seinem Beschluss vom 2. Dezember 2019 (- BVerwG 2 B 21.19 -, juris) den Geburtsjahrgang und stelle damit klar, dass die Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 SG alle Berufssoldaten desselben Geburtsjahrganges gleichermaßen betreffe. Entscheidend für die Berechnung der Anhebung nach § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG sei der Geburtsjahrgang und nicht der tatsächliche Beginn des Ruhestandes. Dass es nach Ansicht der Beklagten nur zwei Zurruhesetzungstermine gebe, nämlich den 31. März und den 30. September eines jeden Kalenderjahres, stehe - unterstellt, diese auf § 44 Abs. 1 Satz 2 SG gestützte und die allgemeine Altersgrenze betreffende Regelung habe auch im Falle des Erreichens der besonderen Altersgrenze Gültigkeit - seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30. September 2022 nicht entgegen.

Auf den gegen diese Entscheidung gerichteten Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat der erkennende Senat (Beschluss vom 25.5.2021 - 5 LA 94/20 -) die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) mit der Begründung zugelassen, die Beklagte habe ihre Position auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 5. August 2020 (- 2 B 71/20 -) sowie eine Auffassung aus der soldatenrechtlichen Kommentarliteratur gestützt. Mit Blick hierauf erscheine die richtige Auslegung des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG zur Berechnung der für den Kläger geltenden besonderen Altersgrenze jedenfalls als offen, was für die Berufungszulassung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ausreiche.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte unter Verweis auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen in dessen Beschluss vom 5. August 2020 (- 2 B 71/20 -) vor, die in der ersten Tabellenspalte der hier maßgeblichen Übergangsbestimmung enthaltenen Jahreszahlen gäben nicht das Jahr wieder, in dem der Betreffende das 55. Lebensjahr erreiche, sondern die Jahreszahlen bestimmten Geltungszeiträume für die in den Spalten 3 und 4 laufend steigenden besonderen Altersgrenzen. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus einer teleologischen Auslegung des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG. Hätte der Gesetzgeber eine Berechnung nach Geburtsjahren gewollt, so hätte er dies - wie etwa bei den Bundesbeamten in § 51 BBG - ausdrücklich so formuliert. Im Übrigen werde die maßgebliche Verwaltungsvorschrift zur Umstellung der monatsweisen Zurruhesetzung bei der besonderen Altersgrenze auf zwei „gebündelte Zurruhesetzungstermine“ zu den Akten gereicht (Bl. 112 bis 114/GA), welche durch die Beklagte im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis entsprechend umgesetzt werde. Besonderheiten, die für ein Abweichen von der insoweit bindenden Praxis sprächen, lägen im Falle des Klägers nicht vor und seien von diesem auch nicht vorgetragen worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Lesart des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG durch die Beklagte sei nicht nachvollziehbar. Wortlaut, Gesetzesbegründung sowie Sinn und Zweck der Vorschrift sprächen für die verwaltungsgerichtliche Auslegung. Auch in § 51 BBG oder § 35 NBG werde die Altersgrenze ausgehend vom Geburtsjahr der Beamten geregelt. Aufgrund der von der Beklagten angewendeten Verwaltungsvorschrift könne seine Zurruhesetzung zu dem von ihm begehrten Zeitpunkt erfolgen; das Ermessen dürfte insoweit gegen Null tendieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen. Die Beteiligten haben für das Berufungsverfahren auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), bleibt ohne Erfolg.

I. Dem Schreiben des Klägers vom 21. Dezember 2017 ist bei verständiger Würdigung der Antrag zu entnehmen, ihn gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 2 SG wegen des Erreichens der für ihn geltenden besonderen Altersgrenze mit Ablauf des Kalendermonats September 2022 in den Ruhestand zu versetzen. Diesen Antrag hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 12. April 2018 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 9. Juli 2018 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger erreiche die für ihn geltende besondere Altersgrenze erst im Laufe des Monats Oktober 2022 und könne daher aufgrund der maßgeblichen Verwaltungspraxis der Zurruhesetzung an lediglich zwei „gebündelten“ Terminen innerhalb eines Kalenderjahres - nämlich „mit Ablauf eines 30. September oder mit Ablauf eines 31. März“ - frühestmöglich mit Ablauf des 31. März 2023 als demjenigen „gebündelten“ Zurruhesetzungstermin, der auf das Erreichen der besonderen Altersgrenze im Laufe des Monats Oktober 2022 folge, in den Ruhestand versetzt werden. Mit dieser Begründung ist die Ablehnung des klägerischen Antrags jedoch rechtswidrig. Die Vorinstanz hat den auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichteten Klageantrag zutreffend als Verpflichtungsbegehren in Gestalt eines (bloßen) Neubescheidungsbegehrens ausgelegt (§§ 88, 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) und der auf Neubescheidung gerichteten Verpflichtungsklage zu Recht stattgegeben.

1. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SG tritt ein Berufssoldat mit Ablauf des Monats in den Ruhestand, in dem er die nach § 45 Abs. 1 SG festgesetzte allgemeine Altersgrenze erreicht hat. Der Eintritt des Berufssoldaten in den Ruhestand erfolgt kraft Gesetzes, ohne dass es eines besonderen Verwaltungsaktes bedarf. Die dem Berufssoldaten bei Eintritt in den Ruhestand auszuhändigende Urkunde über die Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wirkt nicht konstitutiv, sondern hat nur deklaratorische Bedeutung (Metzger, in: Eichen/Metzger/Sohm, SG, 4. Auflage 2021, § 44 SG Rn. 10). Die allgemeine Altersgrenze ist für Berufssoldaten im Rang des Klägers durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) mit Wirkung vom 12. Februar 2009 ohne Übergangsregelung auf die Vollendung des 62. Lebensjahres festgesetzt worden (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 SG). Der am 8. Dezember 1966 geborene Kläger würde also - weil er am 8. Dezember 2028 62 Jahre alt wird - wegen Erreichens der allgemeinen Altersgrenze mit Ablauf des Monats Dezember 2028 in den Ruhestand treten.

2. Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SG hingegen kann ein Berufssoldat, der die für ihn geltende besondere Altersgrenze nach § 45 Abs. 2 SG erreicht hat, zum Ende eines Kalendermonats in den Ruhestand versetzt werden. Diese - einen früheren Ruhestandsbeginn als nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SG ermöglichende - Versetzung in den Ruhestand liegt im Ermessen des Dienstherrn und erfolgt durch konstitutiven einseitigen Verwaltungsakt (Metzger, a. a. O., § 44 SG Rn. 19); der Berufssoldat hat insoweit einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Einen solchen Anspruch macht der Kläger mit der streitgegenständlichen Verpflichtungsklage geltend.

Seit Inkrafttreten des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (a. a. O.) mit Wirkung vom 12. Februar 2009 gilt als besondere Altersgrenze für Berufssoldaten der Marine im Range des Klägers gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 4 SG in Verbindung mit Abs. 3 dieser Vorschrift die Vollendung des 56. Lebensjahres. Danach hätte der - am 8. Dezember 1966 geborene - Kläger die besondere Altersgrenze des § 45 Abs. 2 Nr. 4 SG in der aktuell geltenden Fassung mit Ablauf des 7. Dezember 2022 erreicht, so dass er ohne Anwendung der Verwaltungspraxis der Zurruhesetzung an lediglich zwei „gebündelten“ Terminen (s. o.) frühestmöglich zum Ende des Kalendermonats Dezember 2022 und mit Anwendung der bezeichneten Verwaltungspraxis mit Ablauf des 31. März 2023 in den Ruhestand treten könnte.

3. Durch die aus Anlass des Inkrafttretens des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes geschaffene Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 Nr. 5 in Verbindung mit Abs. 3 SG sind indes in Bezug auf die neugeregelte besondere Altersgrenze (= Vollendung des 56. Lebensjahres) günstigere Festsetzungen der besonderen Altersgrenze normiert worden, denn zuvor - d. h. seit dem 1. Januar 2007 bis zum Inkrafttreten des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes - galt für Berufssoldaten der Marine im Rang des Klägers gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 SG a. F. die Vollendung des 55. Lebensjahres als besondere Altersgrenze. In der Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 SG heißt es wörtlich:

„(2) Abweichend von § 45 Abs. 2 werden die besonderen Altersgrenzen wie folgt festgesetzt:
[…]

5. für nicht von Nummer 1 erfasste Hauptleute, Oberleutnante und Leutnante

a) in den Jahren 2008 bis 2012 die Vollendung des 55. Lebensjahres, hiervon abweichend in den Jahren 2008 bis 2010 […],

b) ab dem Jahr 2013 die Vollendung des 55. Lebensjahres mit folgenden Anhebungen:

im Jahr

Anhebung um Monate

 Erreichen mit Alter

Jahr

Monat

2013

  1

55

1

2014

  2

55

2

[…]

2021

  9

55

9

2022

  10

55

10

2023

  11

55

11

[…]

(3) Die Altersgrenzen nach Absatz 2 gelten auch für die Berufssoldaten der Marine mit entsprechenden Dienstgraden.“

Zum Personenkreis des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. a), Abs. 3 SG gehört der Kläger sowohl unter Zugrundelegung seiner eigenen als auch unter Zugrundelegung der Sichtweise der Beklagten nicht, weil er in den Jahren 2008 bis 2012 weder das 55. Lebensjahr vollendet hat noch in diesen Jahren in den Ruhestand versetzt werden soll; einschlägig ist vielmehr die Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b), Abs. 3 SG.

Das Verwaltungsgericht hat diese Bestimmungen dahingehend ausgelegt, dass - wenn die Vollendung des 55. Lebensjahres eines Berufssoldaten im Rang etwa eines Kapitänleutnants in die Jahre 2013, 2014 usw. bis 2023 fällt (= erste Tabellenspalte [„im Jahr“]), jeweils die in der zweiten Tabellenspalte („Anhebung um Monate“) enthaltenen zeitlichen Anhebungen gelten mit der Folge, dass dieser Berufssoldat die besondere Altersgrenze mit 55 Jahren und 1 Monat, 55 Jahren und 2 Monaten usw. bis 55 Jahren und 11 Monaten (= dritte Tabellenspalte [„Erreichen mit Alter“]) erreicht. Damit ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass

- die erste Tabellenzeile („2013“, „1“, „55“, „1“) denjenigen Geburtsjahrgang betrifft, der im Jahr 2013 das 55. Lebensjahr vollendet, also den Geburtsjahrgang 1958,

- die zweite Tabellenzeile („2014“, „2“, „55“, „2“) denjenigen Geburtsjahrgang betrifft, der im Jahr 2014 das 55. Lebensjahr vollendet, also den Geburtsjahrgang 1959, usw..

Es hat die Regelung des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG folglich als implizite Geburtsjahrgangsregelung angesehen, die sich der Sache nach nicht von den ausdrücklichen Geburtsjahrgangsregelungen, wie sie sich etwa in § 35 NBG und § 51 BBG - erste Spalte: „Geburtsjahr“, zweite Spalte: „Anhebung um Monate“ - finden, unterscheidet. Auf der Grundlage dieser Auslegung ist das Verwaltungsgericht zu der Einschätzung gelangt (Urteilsabdruck - UA -, S. 4 f.), für den im Jahr 1966 geborenen Kläger, der sein 55. Lebensjahr mit Ablauf des 7. Dezember 2021 vollende, gelte die Tabellenzeile „2021“ mit der Folge, dass er die besondere Altersgrenze mit 55 Jahren und 9 Monaten - und damit im September 2022 - erreiche und daher - weil § 44 Abs. 2 Satz 1 SG die Möglichkeit der Versetzung in den Ruhestand nach Erreichen der besonderen Altersgrenze nur „zum Ende eines Kalendermonats“ vorsehe - nach dieser Bestimmung zum Ende des Kalendermonats September 2022 in den Ruhestand versetzt werden könne. Dies sei allerdings eine Ermessensentscheidung, welche die Beklagte (bezogen auf diesen Zurruhesetzungstermin) noch nicht ausgeübt habe. Diesen Erwägungen schließt sich der erkennende Senat überzeugt an.

a) Bereits der Wortlaut der in Rede stehenden Übergangsbestimmung spricht dafür, dass die Formulierung „ab dem Jahr 2013 die Vollendung des 55. Lebensjahres mit folgenden Anhebungen“ - und hiermit korrespondierend die Tabellenspalten „im Jahr“, „Anhebung um Monate“ sowie „Erreichen mit Alter“ - diejenigen Geburtsjahrgänge bezeichnet, die ab dem Jahr 2013 - also im Jahr 2013, 2014 usw. - das 55. Lebensjahr vollenden, und für diese Geburtsjahrgänge sodann schrittweise aufsteigend zeitliche Anhebungen festlegt. Das Tatbestandsmerkmal „Vollendung des 55. Lebensjahres“ nicht als ein in das Jahr 2013, 2014 usw. fallendes Ereignis anzusehen, erscheint angesichts des Wortlauts „ab dem Jahr 2013“ nicht nachvollziehbar.

Zumindest aber ist die von der Beklagten vertretene Gegenposition - die erste Tabellenspalte sei nicht mit dem Geburtsjahrgang verknüpft, sondern beziehe sich auf das Kalenderjahr der Zurruhesetzung - in sich nicht schlüssig, weil ohne das Geburtsjahr das in § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG enthaltene Tatbestandsmerkmal „Vollendung des 55. Lebensjahres“ nicht ermittelbar ist.

b) Auch Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift streiten für die Auslegung im Sinne einer impliziten Geburtsjahrgangsregelung.

Die Vorschrift des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b), Abs. 3 SG zielt darauf ab, die durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz erfolgte Anhebung der besonderen Altersgrenze von der Vollendung des 55. auf die Vollendung des 56. Lebensjahres nicht sofort anzuwenden, sondern die zuvor geltende, für die Betreffenden günstigere besondere Altersgrenze „Vollendung des 55. Lebensjahres“ über einen Zeitraum von 11 Jahren hinweg lediglich in aufsteigenden Monatsschritten anzuheben. Damit trägt sie dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Rechnung, d. h. Berufssoldaten verlieren die für sie im Verhältnis zur Neuregelung günstigere Rechtsposition, bereits mit Vollendung des 55. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt worden zu können, nur schrittweise, denn sie können mit 55 Jahren und 1 weiteren Monat Dienst, mit 55 Jahren und 2 weiteren Monaten Dienst usf. in den Ruhestand versetzt werden, bis die Möglichkeit, zwischen der Vollendung des 55. und der Vollendung des 56. Lebensjahres in den Ruhestand zu treten, nach 11 Jahren vollständig „abgeschmolzen“ ist. Da Altersgrenzen (z. B. die Altersgrenze „mit Vollendung des 55. Lebensjahres“) stets alle denkbaren Geburtsdaten innerhalb eines bestimmten Geburtsjahrganges und damit alle Personen dieses Geburtsjahrgangs gleichermaßen betreffen sollen - der am 1. Januar 1966 geborene Soldat erreicht diese Grenze ebenso im Jahr 2021 wie der am 31. Dezember 1966 geborene Soldat -, müssen auch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten erfolgende schrittweise Anhebungen dieser Altersgrenze für den jeweiligen Geburtsjahrgang einheitlich gelten, d. h. jedem Angehörigen des Geburtsjahrgangs 1966 muss die aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes resultierende Vergünstigung zugutekommen, „nur“ 9 Monate länger als bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres Dienst leisten zu müssen, ehe ein Ruhestandseintritt aufgrund des Erreichens der besonderen Altersgrenze in Betracht kommt. Warum der Vertrauensschutz des Klägers, der im Dezember 1966 geboren ist, 10 weitere Dienstmonate nach Vollendung des 55. Lebensjahres betragen und damit geringer sein soll als etwa der eines Berufssoldaten, der im Januar 1966 geboren ist und demnach nach der Lesart der Beklagten nach Vollendung des 55. Lebensjahres nur noch 9 weitere Monate Dienst tun muss, ist von der Beklagten weder dargetan noch ansatzweise erkennbar. Vielmehr stellt eine solche Lesart eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung und damit einen Verstoß gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG dar. In diesem Sinne hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 2. Dezember 2019 (- BVerwG 2 B 21.19 -) ausgeführt, die Übergangsregelung des § 96 Abs. 2 SG betreffe alle Berufssoldaten desselben Geburtsjahrgangs gleichermaßen (a. a. O., Rn. 12).

c) Auch den Gesetzesmaterialien zum Dienstrechtsneuordnungsgesetz ist nichts Abweichendes zu entnehmen.

Das Dienstrechtsneuordnungsgesetz hat das Ziel, das Berufsbeamtentum an die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen (grundlegende Neuordnung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern infolge des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006 [BGBl. I S. 2034]) anzupassen und ein zukunftsfestes und modernes Beamten-, Besoldungs- und Versorgungsrecht zu schaffen (Entwurf eines „Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts - Dienstrechtsneuordnungsgesetz -“ der Bundesregierung vom 12.11.2007, BT-Drs. 16/7076, S. 1). In diesem Zusammenhang ist u. a. die stufenweise Anhebung des Pensionseintrittsalters - analog den entsprechenden Regelungen in der gesetzlichen Rentenversicherung - auf 67 Jahre normiert worden (BT-Drs. 16/7076, S. 2). Mit der Neufassung des § 45 SG durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz solle die von der Bundesregierung beschlossene Übertragung der Maßnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Anhebung der Altersgrenze unter Berücksichtigung der Unterschiedlichkeit der Systeme in das Soldatenrecht übertragen werden (BT-Drs. 16/7076, S. 174). Zur Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 SG heißt es in der Gesetzesbegründung, diese schreibe die bisherigen besonderen Altersgrenzen unter Berücksichtigung der für die am 1. Januar 1999 vorhandenen Berufssoldaten bestehenden Übergansregelungen (§ 96 SG a. F.) fort und hebe sie schrittweise an (BT-Drs. 16/7076, S. 175 f.). Erste Eingriffe in die bestehenden besonderen Altersgrenzen erfolgten im Jahr 2013 - also 5 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, was der Personalführung und -planung, aber auch den Betroffenen - obwohl deren Vertrauen, mit Überschreiten einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt zu werden, nicht geschützt sei - ermögliche, sich mit einem Vorlauf von 5 Jahren auf die neue Rechtslage einzustellen (BT-Drs. 16/7076, S. 176). Diese sowie die übrigen Ausführungen zu § 45 SG und § 96 SG des Gesetzentwurfs geben für die Auslegung der Beklagten nichts her. Vielmehr spricht der Hinweis, bei den Änderungen des Soldatengesetzes durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz handle es sich „um notwendige Folgeänderungen zu den vorangegangenen Artikeln dieses Gesetzes“ (BT-Drs. 16/7076, S. 172), bei denen die „Unterschiedlichkeit“ im Soldatenrecht Berücksichtigung finde (BT-Drs. 16/7076, S. 174), eher dafür, dass hier lediglich abweichende (niedrigere) Altersgrenzen zur Anwendung kommen sollen, im Übrigen aber eine dem Beamtenrecht entsprechende, an die jeweiligen Geburtsjahrgänge anknüpfende Vertrauensschutzregelung geschaffen werden sollte.

d) Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass sich ihre Rechtsauffassung der von ihr zitierten Kommentarliteratur entnehmen lässt und auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten wurde. Die diesbezüglichen Ausführungen vermögen den erkennenden Senat jedoch nicht zu überzeugen.

In der von der Beklagten zitierten Kommentarstelle (Hucul, in: Eichen/Metzger/Sohm, a. a. O., § 96 Rn. 11) wird zu § 96 SG ausgeführt, die Altersgrenzenregelungen (Hebungsschritte) des § 96 SG seien im Gegensatz zu beamtenrechtlichen Regelungen wie § 51 BBG nicht mit Geburtsjahrgängen verknüpft. Ob eine Zurruhesetzung tatsächlich erfolgen könne, hänge „wie in der vor dem Inkrafttreten des Dienstrechtsneuordnungsgesetz geltenden Übergangsvorschrift von der Altersgrenze im jeweiligen Kalenderjahr“ ab. Da die bisherigen Anpassungsregelungen immer Jahresschritte vorgesehen hätten, seien die Auswirkungen auf alle Soldaten eines Geburtsjahrganges bislang gleich gewesen; nunmehr machten die monatsweisen Hebungen mit Bezug auf das Kalenderjahr die Bestimmung der individuell geltenden besonderen Altersgrenze rechnerisch komplizierter. Auch das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen hat in seinem Beschluss vom 5. August 2020 (- 2 B 71/20 -, Beschlussabdruck - BA -, S. 3 [Bl. 92/GA]) ausgeführt, die Jahreszahlen, die in der linken Spalte der Tabelle unter § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG aufgeführt seien - also „2013“, „2014“ usw. - bezögen sich nicht auf das Kalenderjahr, in dem der jeweils betroffene Soldat sein 55. Lebensjahr vollende, sondern die Jahreszahlen bestimmten Geltungszeiträume für die entsprechend in den Spalten 3 und 4 (laufend steigenden) besonderen Altersgrenzen. Diese Sichtweise ist indes - wie ausgeführt - bereits in sich unschlüssig, weil nicht erkennbar ist, wie ohne das Geburtsjahr auf ein „Kalenderjahr der Zurruhesetzung“ geschlossen werden soll, und weil kein Grund dafür ersichtlich ist, Berufssoldaten innerhalb desselben Geburtsjahrgangs ein unterschiedliches Maß an Vertrauensschutz zuzuerkennen. Außerdem steht ihr die bezeichnete Passage aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2019 (a. a. O., Rn. 12) entgegen.

Im Übrigen enthält die vor Inkrafttreten des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes geltende Übergangsvorschrift - § 96 SG in der vom 1. Januar 2007 bis zum 11. Februar 2009 geltenden Fassung vom 22. April 2005 - entgegen der bezeichneten Kommentarstelle in der Sache keine abweichende, sondern vielmehr eine vergleichbare Regelung. Wenn es dort heißt, abweichend von § 45 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 SG würden für die am 1. Januar 1999 vorhandenen Berufssoldaten folgende besonderen Altersgrenzen festgesetzt:

„[…]

4. für Hauptleute, Oberleutnante und Leutnante bis zum Ablauf des 31. Dezember 2010 die Vollendung des 54. Lebensjahres“,

so bedeutet dies, dass für alle (am 1. Januar 1999 vorhandenen) Berufssoldaten mit dem entsprechenden Rang, die in den Jahren 2007 bis 2010 54 Jahre alt werden, noch die bis dato in Kraft befindliche und für die Betreffenden günstigere besondere Altersgrenze „Vollendung des 54. Lebensjahres“ gelten soll. Die Formulierung „bis zum Ablauf des 31. Dezember“ (2007 bis 2010) entspricht somit der Sache nach der in § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG n. F. enthaltenen Formulierung „im Jahr“ 2013, 2014 usw..

Soweit das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen in seinem Beschluss vom 5. August 2020 meint, seine Lesart des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG ergebe sich eindeutig aus der Systematik der Regelung, denn auch die Regelung in § 96 Abs. 1 SG setze die allgemeine Altersgrenze jeweils differenzierend nach dem jeweiligen Kalenderjahr fest (BA, S. 3 [Bl. 92/GA]), vermag der erkennende Senat der Bestimmung des § 96 Abs. 1 SG einen Regelungsgehalt wie von der bezeichneten Entscheidung behauptet nicht beizumessen. Vielmehr ist auch der dortigen Formulierung,

Abweichend von § 45 Abs. 1 Nr. 1 wird die allgemeine Altersgrenze in den Jahren 2008 bis 2012 auf das vollendete 62. Lebensjahr festgesetzt und ab dem Jahr 2013 wie folgt angehoben:

im Jahr

Anhebung um Monate

 Erreichen mit Alter

Jahr

Monat

2013

  3

62

3

2014

  6

62

6

[…]

2021

  27

64

3

2022

  30

64

6

2023

  33

64

9

zu entnehmen, dass die erste Tabellenzeile die Vollendung des 62. Lebensjahres im Jahr 2013 - und damit alle Berufssoldaten des Geburtsjahrgangs 1951 - betrifft usw..

Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 2. Dezember 2019 (a. a. O., Rn. 2, 8) herausgestellt hat, für die Frage der Erhöhung bzw. Verminderung der Erhöhung des Ruhegehalts gemäß § 26 Abs. 2, Abs. 3 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) wegen des Überschreitens der besonderen Altersgrenze komme es auf die im Zeitpunkt der tatsächlichen Zurruhesetzung (mittels Verwaltungsakt) geltende besondere Altersgrenze an, stützt dies die Position der Beklagten im Streitfall nicht. Denn die Tabelle in § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SVG dient - ebenso wie die übrigen Tabellen in § 96 Abs. 2 SVG - sowohl der Berechnung der Höhe des Ruhegehalts im Rahmen des Soldatenversorgungsrechts als auch der Berechnung, zu welchem Zeitpunkt die betreffenden Soldaten wegen des Erreichens der für sie geltenden besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt werden können und ist daher - je nach Anwendungsbereich - unterschiedlich auszulegen. Zwar gilt auch im Soldatenversorgungsrecht der allgemeine Grundsatz, dass die Höhe des Ruhegehalts von der ruhegehaltfähigen Dienstzeit abhängt, der Soldat also für ruhegehaltfähige Dienstzeiten bestimmte Prozentwerte „ansammelt“, die später zur Berechnung seines Ruhegehalts (als einem Prozentsatz der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge) herangezogen werden. Das Soldatenversorgungsgesetz enthält jedoch insoweit eine Privilegierung, als es für diejenigen Fälle, in denen ein Soldat aufgrund des Erreichens der für ihn unterhalb des 60. Lebensjahres festgesetzten besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt wird, „Erhöhungszuschläge“ in Form eines bestimmten Prozentsatzes der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge normiert (§ 26 Abs. 2 bis 4 SVG a. F./ § 40 Abs. 2 bis 4 SVG n. F.) und damit eine Kompensation dafür bietet, dass der betreffende Soldat aufgrund seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand keine weiteren ruhegehaltfähigen Dienstzeiten mehr „ansammeln“ und dementsprechend seinen Ruhegehaltssatz nicht mehr durch weitere Dienstzeiten erhöhen kann. Dieser Zuschlag wiederum ermäßigt sich für bestimmte Fallgestaltungen, in denen der Soldat über das 53. Lebensjahr hinaus bzw. über die für ihn geltende besondere Altersgrenze hinaus weiter Dienst tut, um bestimmte Prozentpunkte (vgl. § 26 Abs. 3 SVG a. F./§ 40 Abs. 3 SVG n. F.). Auf diese Zuschlagsregelungen sind die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - die in der Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 SG enthaltenen Tabellen seien nicht mit Geburtsjahrgängen verknüpft, sondern bezögen sich auf das Jahr der tatsächlichen Ruhestandsversetzung (Urteil vom 26.2.2019 - 14 B 17.188 -, juris Rn. 23) - bezogen, und diese Auslegung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 2. Dezember 2019 bestätigt (a. a. O., Rn. 10 ff.). Für den Streitfall, in dem es darum geht, welche besondere Altersgrenze für den Kläger maßgeblich ist und zu welchem Zeitpunkt er aufgrund des Erreichens dieser besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt werden kann, ist diese Auslegung jedoch nicht (entsprechend) heranzuziehen. Denn sie führt - wie dargestellt - zu dem nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbarenden Ergebnis, dass ein im Januar 1966 geborener Kapitänleutnant die für ihn geltende besondere Altersgrenze mit 55 Jahren und 9 Monaten erreicht, während ein im selben Kalenderjahr, aber im Monat Dezember geborener Kapitänleutnant die für ihn geltende besondere Altersgrenze mit 55 Jahren und 10 Monaten erreicht. Ebenso träfe die Tabelle des § 96 Abs. 2 Nr. 5 lit. b) SG für den überwiegenden Teil desselben Geburtsjahrgangs 1968 ohne erkennbaren Grund keine Übergangsregelung mehr. Denn für einen im Januar 1968 geborenen Kapitänleutnant, der sein 55. Lebensjahr im Januar 2023 erreicht, gälte nach der Lesart der Beklagten die letzte Tabellenzeile („2023“, „11“, „55“, „11“) mit der Folge, dass er mit 55 Jahren und 11 Monaten zum Ende eines Kalendermonats - hier also zum Ende des Monats Dezember 2023 - in den Ruhestand versetzt werden könnte. Demgegenüber griffe für alle in den Monaten Februar bis Dezember 1968 geborene Kapitänleutnante, obwohl auch diese ihr 55. Lebensjahr im Jahr 2023 (nämlich in den Monaten Februar bis Dezember) erreichten, nach der Lesart der Beklagten keine Übergangsregelung mehr ein.

e) Nach alledem hält die verwaltungsgerichtliche Feststellung, der am 8. Dezember 1966 geborene Kläger könne nach § 96 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 5 lit. b), 9. Tabellenzeile („2021“, „9“, „55“, „9“) in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 1 SG mit Ende desjenigen Kalendermonats in den Ruhestand versetzt werden, in dem er das Alter von 55 Jahren und 9 Monaten erreiche - hier also, weil er am 8. September 2022 55 Jahre und 9 Monate alt werde, mit Ende des Monats September 2022 -, der berufungsgerichtlichen Überprüfung stand. Da eine auf diesen Zurruhesetzungstermin bezogene Ermessensausübung der Beklagten bislang nicht stattgefunden hat, war sie zur erneuten Bescheidung unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.

Soweit es in § 44 Abs. 1 Satz 2 SG heißt, der Eintritt in den Ruhestand könne aus dienstlichen Gründen bis zum Ablauf des 31. März oder 30. September, der dem Erreichen der allgemeinen Altersgrenze folge, hinausgeschoben werden, betrifft diese Gesetzesregelung nicht die - hier maßgebliche - Versetzung in den Ruhestand wegen Erreichens der besonderen Altersgrenze und ist insofern nicht anwendbar.

Die Beklagte hat aber in Bezug auf § 44 Abs. 2 Satz 1 SG, wonach ein Berufssoldat, der die für ihn geltende besondere Altersgrenze nach § 45 Abs. 2 SG erreicht hat, „zum Ende eines Kalendermonats“ in den Ruhestand versetzt werden kann, die Ermessensausübung im Erlasswege dahingehend geregelt, dass Berufssoldaten, die ihre besondere Altersgrenze zeitlich nach dem 31. März 2017 überschreiten - dies trifft auf den Kläger zu (s. o.) - grundsätzlich mit Ablauf eines 30. September oder eines 31. März in den Ruhestand versetzt würden (so Ziffer 1.1. der GAIP 63-02-00 Beendigung des Dienstverhältnisses eines Berufssoldaten [Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand] unter Verweis auf „Bezug 9“ [BMVg P II 1 - Az 16-26-04/04 vom 1.12.2015 „Weisung zur Umsetzung der Maßnahme 5.4 'Feste Veränderungstermine für mehr Planungssicherheit' der Agenda 'BUNDESWEHR IN FÜHRUNG - Aktiv. Attraktiv. Anders']“). Demnach steht diese Verwaltungsvorschrift dem Begehren des Klägers, über seinen Antrag, ihn mit Ablauf des 30. September 2022 in den Ruhestand zu versetzen, im Ermessenswege erneut zu entscheiden, nicht entgegen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO), die Entscheidung über die Abwendungsbefugnis aus §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG), § 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) liegen nicht vor. Der erkennende Senat lässt die Revision insbesondere nicht wegen einer Abweichung zu der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 26.2.2019, a. a. O., Rn. 23) bzw. der - diese Entscheidung bestätigenden - Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2019 (a. a. O., Rn. 10 ff.) zu, weil die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - hier nicht streitgegenständliche - soldatenversorgungsrechtliche Fragestellungen (Auslegung des § 26 Abs. 2, Abs. 3 SVG a. F.) zum Gegenstand hat. Die Entscheidung des erkennenden Senats weicht zwar von der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen (Beschluss vom 5.8.2020 - 2 B 71/20 -, BA, S. 3 [Bl. 92/GA]) ab. Diese Divergenz ist aber nicht entscheidungserheblich, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 2. Dezember 2019 - losgelöst von seinen vorherigen Ausführungen zur Anwendung des § 26 Abs. 2, Abs. 3 SVG a. F. - allgemein festgestellt hat, die Übergangsregelung des § 96 Abs. 2 SG betreffe „alle Berufssoldaten desselben Geburtsjahrgangs […] gleichermaßen“ (a. a. O., Rn. 12).