Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.02.2022, Az.: 1 LA 153/20

Beseitigungsanordnung; Beseitigungsverfügung; Bestandsschutz; Ermessen; Ermessensausfall; Ermessensreduzierung auf Null; Störerauswahl

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.02.2022
Aktenzeichen
1 LA 153/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59503
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.09.2020 - AZ: 2 A 99/18

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Im Falle einer Mehrheit von Störern aufgrund Miteigentums kann sich das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde bei Erlass einer Beseitigungsanordnung dahingehend verdichten, dass nur die Inanspruchnahme eines bauaufsichtlich Verantwortlichen in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Miteigentümer die alleinige Verfügungsgewalt über die Anlage hat und zugleich Verhaltens- und Zustandsverantwortlicher ist. In einem derartigen Fall würde sich die Inanspruchnahme des anderen Störers, die sich allein unter dem Gesichtspunkt seines Miteigentumsanteils begründen ließe, ohne ein Hinzutreten weiterer Umstände als offensichtlich ermessenswidrig darstellen.

Ist das Ermessen auf Null reduziert, besteht für Ermessenserwägungen zur Störerauswahl kein Anlass.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 2. Kammer (Einzelrichterin) - vom 22. September 2020 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 6.150 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine Beseitigungsverfügung der Beklagten.

Der Kläger ist Miteigentümer des mit einem Reihenhaus bebauten Grundstücks mit der postalischen Anschrift A-Straße in A-Stadt. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 121 „{D.}“ mit örtlicher Bauvorschriften, der am 22. Mai 2018 in Kraft getreten ist und die Errichtung von Nebenanlagen einschränkt. Das Grundstück des Klägers befindet sich ferner im Geltungsbereich der erstmalig am 4. März 2014 in Kraft getretenen Satzung der Beklagten über die Festlegung eines Stadtumbaugebietes gemäß § 171b Abs. 1 BauGB in Verbindung mit § 171d Abs. 1 BauGB zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus für das Stadtumbaugebiet „{E.}“ in A-Stadt vom 27. Februar 2014, aktualisiert durch die gleichnamige Satzung vom 7. Dezember 2016, die am 5. Januar 2017 in Kraft getreten ist (im Folgenden: Stadtumbausatzung). Gemäß § 3 Stadtumbausatzung bedürfen zur Sicherung und sozialverträglichen Durchführung der Stadtumbaumaßnahme die in § 14 Abs. 1 BauGB bezeichneten Vorhaben und sonstige Maßnahmen der Genehmigung (§ 171d Abs. 1 BauGB).

Die Beklagte stellte im Rahmen einer Ortsbesichtigung am 23. Januar 2017 fest, dass auf dem Grundstück des Klägers ein Carport über der vorderen Einfahrt sowie eine Überdachung der rechten Gebäudefront ausgehend von der Haustürüberdachung - beides ohne Genehmigung - errichtet worden waren. Nach Anhörung des Klägers ordnete sie unter dem 10. Januar 2018 die Beseitigung der soeben genannten baulichen Anlagen innerhalb von zwei Monaten nach Bestandsraft der Verfügung an. Nach Zurückweisung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2018 hat der Kläger Klage erhoben.

Die Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. September 2020 abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die Verfügung sei rechtmäßig, da die baulichen Anlagen formell und materiell illegal seien. Unabhängig von der Frage, ob der Carport die Grenze der Verfahrensfreiheit von 30 m² (Nr. 1.2 des Anhangs zu § 60 NBauO) einhalte, seien beide Anlagen aufgrund § 3 Stadtumbausatzung insgesamt genehmigungsbedürftig; mangels Genehmigung seien beide Anlagen formell illegal. Das Vorhaben sei zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier also am 11. Juni 2018 - auch materiell illegal. Beide Vorhaben widersprächen den Festsetzungen des zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 121 „{D.}“ sowie der örtlichen Bauvorschrift. Ausnahmen sehe der Bebauungsplan nicht vor. Auch eine - hier nicht beantragte - Befreiung bzw. Zulassung einer Abweichung komme nicht in Betracht. Auf Bestandsschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Soweit er eingewendet habe, schon seit seinem Einzug vor 26 Jahren habe eine Überdachung vor dem Anbau existiert, führe dies nicht zum Erfolg, da sich etwaiger Bestandsschutz auf die vorhandene Bausubstanz beschränke. Auch sein Einwand, zum Zeitpunkt der Errichtung der Anlagen seien diese nach § 34 BauGB materiell genehmigungsfähig gewesen, führe nicht weiter. § 79 NBauO mache ein Einschreiten nicht davon abhängig, dass bauliche Anlagen im Widerspruch zum öffentlichen Baurecht errichtet worden seien, sondern stelle auf den Widerspruch im Zeitpunkt des bauaufsichtlichen Einschreitens ab. Der Kläger könne sich mangels Genehmigung und damit mangels formeller Rechtmäßigkeit nicht auf Bestandsschutz berufen. Selbst wenn man jedoch - insofern selbständig tragend - davon ausginge, dass ein Bestandsschutz auch dann vorliege, wenn der Bestand zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigungsfähig gewesen sei, sei ein solcher zu verneinen, da das Vorhaben im Zeitpunkt der Errichtung im Juli/August 2016 nicht genehmigungsfähig gewesen sei. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB lägen nicht vor, da der Carport entlang der {F.} die einzige über die vordere Reihenhausfront hervortretende und die Baugrenze überschreitende Nebenanlage sei und somit kein Vorbild in der näheren Umgebung habe. Dasselbe gelte für die verlängerte Eingangsüberdachung. Die Beseitigungsverfügung sei schließlich frei von Ermessensfehlern. Insbesondere erweise sich die Verfügung unter Gleichheitsgesichtspunkten (Art. 3 GG) als ermessensgerecht. Eine willkürliche, systemwidrige oder planlose Ermessensbetätigung liege nicht vor. Im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung habe der Kläger bereits keine vermeintlich gleichheitswidrig von der Beklagten unberücksichtigt gelassenen Berufungsfälle benannt; daher fehle es schon an einem rechtzeitig vorgetragenen Berufungsfall. Der im Rahmen der Klagebegründung angeführte Berufungsfall {F.}/{G.} sei bereits nicht vergleichbar, weil der dortige Carport zum einen nicht im vorderen Grundstücksbereich stehe und zum anderen die Beklagte diesen Carport durch Erlass eines Abweichungsbescheides offenbar legalisiert habe. Der Carport auf dem Grundstück {F.}, der sich im Übrigen nicht mehr im unmittelbar „benachbarten Bereich“ befinde, sei nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten bereits weit vor Erlass der Stadtumbausatzung errichtet worden. Darüber hinaus hätten die Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie im Falle der Feststellung weiterer Verstöße diese prüfen und gegebenenfalls einschreiten würden. Alle weiter benannten Fälle habe der Kläger entweder nicht hinreichend konkretisiert oder dies erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgenommen, weshalb der Beklagten insoweit eine bisherige Untätigkeit nicht anzulasten sei. Auf die von dem Kläger in seinem Hilfsantrag angeregte „Beweiserhebung“ bzw. die Beiziehung weiterer Verwaltungsvorgänge komme es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht an.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, den er unter anderem damit begründet, die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt erkannt, dass ihr hinsichtlich der Störerauswahl ein Ermessen zustehe; von vornherein seien sämtliche Maßnahme ausschließlich gegen ihn gerichtet worden. Die Beklagte erwidert, sie gehe davon aus, dass der Kläger, der allein in dem Haus wohne und mit seiner geschiedenen Ehefrau Eigentümer des Gebäudes sei, zugleich Zustands- und Verhaltensstörer sei. Jedenfalls sei der Kläger nach der Verfügungsbefugnis über den Carport, nach der räumlichen Nähe und nach der finanziellen und körperlichen Leistungsfähigkeit am ehesten in der Lage, der Beseitigungsverfügung nachzukommen. Aufgrund der jetzigen Einwendung habe sie gleichwohl unter dem 15. Januar 2021 eine Duldungsverfügung gegen die Miteigentümerin erlassen.

II.

Der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Maßgebend für die Prüfung des Senats sind allein die innerhalb der Begründungsfrist dargelegten Gründe (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Diese rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen die Zulassung der Berufung dann, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit plausiblen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich am Entscheidungsergebnis etwas ändern könnte. Das darzulegen ist dem Kläger nicht gelungen.

a.

Die grundsätzlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur formellen und materiellen Baurechtswidrigkeit (Urteilsabdruck S. 7 - 9) werden mit dem Zulassungsvorbringen nicht angegriffen. Sein Einwand, das Gericht hätte bezüglich der Erneuerung des Dachs eine Ausnahme in „Anwendung des § 15 BauNVO“ bzw. nach § 23 Abs. 3 BauNVO prüfen müssen, betrifft nicht die materielle Baurechtswidrigkeit der Anlage, sondern ist eine Frage des Ermessens (dazu sogleich unter b.), denn die Anlage wird allein durch die Möglichkeit der Erteilung einer Befreiung oder Abweichung nicht schon baurechtmäßig, sofern eine solche noch nicht erteilt wurde.

Mit seinem Einwand und Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2000 (- 1 BvR 151/99 -, NVwZ 2000, 424 = juris Rn. 8) unter Ziffer II. 1. a) aa) der Zulassungsbegründung, tatbestandlich seien die Voraussetzungen des § 79 Abs. 1 Satz 1 NBauO bereits deshalb nicht gegeben, weil die beiden Bauten im Zeitpunkt ihrer Errichtung materiell legal und nach § 34 BauGB genehmigungsfähig gewesen seien, übersieht der Kläger bereits, dass das Verwaltungsgericht - zu Recht - darauf abgestellt hat, dass § 79 NBauO ein Einschreiten nicht davon abhängig macht, dass die baulichen Anlagen im Widerspruch zum öffentlichen Baurecht errichtet worden sind, sondern vielmehr auf die Baurechtswidrigkeit zum Zeitpunkt des bauaufsichtlichen Einschreitens abstellt. Weder diese Feststellung noch die weitere - selbständig tragende - Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Kläger könne sich schon mangels Genehmigung nicht auf Bestandsschutz berufen (S. 10 des Urteilsabdrucks; vgl. hierzu zuletzt auch Senatsbeschl. v. 17.12.2021 - 1 LA 91/20 -, juris Rn. 27), werden von dem Kläger mit seinem Zulassungsantrag angegriffen. Daher besteht für den Senat kein Anlass, sich mit dem Zulassungsvorbringen in Bezug auf eine vor Inkrafttreten des Bebauungsplans vermeintlich eröffnete Genehmigungsfähigkeit gemäß § 34 BauGB auseinanderzusetzen. Denn ist - wie hier - ein Urteil auf mehrere voneinander unabhängige Begründungen gestützt, die den Entscheidungsausspruch jeweils selbstständig tragen, so ist die Berufung nur dann zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder einzelnen verwaltungsgerichtlichen Begründung ein Zulassungsgrund dargelegt ist und vorliegt (stRspr., vgl. nur Senatsbeschl. v. 25.11.2021 - 1 LA 121/20 -, n.v.; v. 6.9.2021 - 1 LA 26/19 -, juris Rn. 6).

Die weiteren Rügen des Klägers auf Seite 6 bis 8 der Zulassungsbegründung, das „erneuerte Vordach“ genösse Bestandsschutz, da die Überdachung des Hauseingangs stets bestanden habe, das Vordach sei bereits bei seinem Einzug vor 26 Jahren vorhanden gewesen, er habe die Überdachung vor der Errichtung der nunmehr streitgegenständlichen, die bis zum Eingangsbereich reiche, abgenommen, der aus Art. 14 GG folgende Bestandsschutz umfasse auch die Wiedererrichtung/Erneuerung, begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Dem Kläger geht es nicht um die bloße Erhaltung der bisherigen Substanz, sondern er strebt die Erweiterung der baulichen Situation an. Ausweislich der in den Akten vorhandenen Lichtbilder aus dem Jahre 2014 - also vor Errichtung der hier streitigen Anlagen - war zwischen der Hauseingangsüberdachung und der PKW-Stellfläche keine Überdachung vorhanden; nur an den Anbau war ein Vordach angebaut. Nunmehr hat der Kläger die Überdachung ausgehend von der Hauseingangsüberdachung bis zur Stellplatzfläche vor dem Anbau erweitert. Einen derartigen - vereinzelt als „aktiv“ oder „überwirkend“ bezeichneten - Bestandsschutz gibt es indes nur nach Maßgabe einfach-gesetzlicher Regelungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.3.1998 - 4 C 10.97 -, BVerwGE 106, 228 = BauR 1998, 600 = juris Rn. 25 ff.). Eine entsprechende Rechtsgrundlage kann der Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen. Darüber hinaus geht der Kläger in der Annahme fehl, der Bestandsschutz erlaube ihm eine Beseitigung der vorherigen Anlage und die Errichtung einer neuen, hier obendrein komplett andersartigen Anlage. Der Bestandsschutz erfasst (von einzelnen Ausnahmen abgesehen, wie bspw. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB) nur den vorhandenen Bestand; er endet mithin mit der Beseitigung der Anlage (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.10.1990 - 4 C 45.88 -, BRS 50 Nr. 86 = BauR 1991, 55 = juris Rn. 22; Senatsbeschl. v. 14.4.2021 - 1 ME 140/20 -, NVwZ-RR 2021, 1049 = BauR 2021, 1088 = juris Rn. 55 m.w.N.) und umfasst nicht den Bau einer neuen Anlage am gleichen Standort. Der Verweis des Klägers auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG führt nicht weiter, denn dieser fungiert in diesem Zusammenhang ausschließlich als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab für das einfache Recht, nicht aber als eigenständige Anspruchsgrundlage (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 12.3.1998 - 4 C 10.97 -, BVerwGE 106, 228 = BauR 1998, 600 = juris Rn. 25 ff.; v. 27.8.1998 - 4 C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83= BauR 1999, 152 = juris Rn. 20 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 23.9.2013 - 1 LA 96/12 -, n.v.; vgl. hierzu auch Stiel/Lenz, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 85 Rn. 5). Die von dem Kläger herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 1974 (- IV C 75.71 -, BVerwGE 47, 126 = BauR 1975, 114 = juris) ist überholt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Annahme, es gebe einen unmittelbaren Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz ausdrücklich aufgegeben (vgl. Urt. v. 12.3.1998 - 4 C 10.97 -, BVerwGE 106, 228 = BRS 60 Nr. 98 = juris Rn. 25. ff.).

Soweit der Kläger ernstliche Zweifel damit begründet, Art. 14 GG fordere „das Belassen des Vordaches an der ursprünglich errichteten Stelle in demselben Maße, wie es bestand, so dass die Abrissverfügung bezüglich der Vordachverlängerung rechtswidrig ist“, kann der Senat diese Einschätzung bereits deshalb nicht teilen, weil es nicht um die Erhaltung der vorherigen Substanz, sondern um deren Erweiterung geht.

Dass beide Bauten, Carport und Überdachungserweiterung, - wie auf Seite 3 der Zulassungsbegründung ausgeführt - mit Zustimmung der Nachbarn errichtet wurden, ist nicht entscheidend. Es kommt im Rahmen des § 79 NBauO - unabhängig von etwaigen Zustimmungen der Nachbarn - allein auf die formelle und materielle Baurechtswidrigkeit an. Diese Rechtswidrigkeit ergibt sich nach den unangefochtenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts aus den entgegenstehenden Regelungen und Festsetzungen der Stadtumbausatzung und des Bebauungsplans.

b.

Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Beseitigungsverfügung erweise sich als ermessensgerecht, unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass das Ermessen bei der Entscheidung über das Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände „intendiert“ ist und ein „Für und Wider“ deswegen nur dann abgewogen werden muss, wenn der Fall so geartet ist, dass ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme vorliegen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 17.12.2021 - 1 LA 91/20 -, juris Rn. 28 m.w.N.). Solche Umstände sind nicht gegeben.

Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, eine Ausnahme nach § 23 Abs. 3 BauNVO zu prüfen, verfängt nicht. Zwar kann sich eine Beseitigungsverfügung im Einzelfall als ermessensfehlerhaft erweisen, wenn die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahme - nach vorheriger Antragstellung - „auf der Hand liegt“. Entsprechendes gilt für die Möglichkeit einer Abweichung nach § 23 Abs. 3 BauNVO. Unter Berücksichtigung der Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den Festsetzungen zu Vordächern im Bebauungsplan, die bereits eine Regelung zum maximal zulässigen Überschreitungsmaß träfen, hätte der Kläger allerdings im Rahmen des Zulassungsantrags näher darlegen müssen, warum hier die Erteilung einer Abweichung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO geradezu „auf der Hand liegen“ könnte. Das fehlt.

Mit seiner Rüge, die Beseitigungsverfügung sei ermessensfehlerhaft, da sie gegen Art. 3 GG verstoße, nach Erlass des Bescheides sei der Carport in der {F.} durch Abweichungsentscheidung „offenbar legalisiert“ worden, zeigt er ernstliche Zweifel ebenfalls nicht auf. Das Verwaltungsgericht hat eine Vergleichbarkeit mit dem Carport in der {F.} bereits deshalb verneint, weil dieser nicht im vorderen, sondern im seitlichen Grundstücksbereich steht. Zudem habe der Beklagte den Carport durch Erlass einer Abweichungsentscheidung legalisiert. Diese Feststellungen unterliegen keine ernstlichen Zweifel. Schwarzbauten und genehmigte Bauten fallen nicht in dieselbe „Vergleichsgruppe" (Senatsbeschl. v. 17.12.2021 - 1 LA 91/20 -, juris Rn. 21 unter Verweis auf Beschl. v. 6.3.2012 - 1 LA 140/09 -, juris Rn. 128). Etwas anderes kann zwar gelten, wenn die rechtswidrige Baugenehmigung einem Dritten erst während des bauaufsichtlichen Einschreitens gegen den Betroffenen erteilt wird (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 9.3.2012 - 1 LA 231/09 -, juris Rn. 42; v. 23.3.2018 - 1 LA 106/17 -, n.v.; Senatsurt. v. 31.3.1995 - 1 L 4223/93 -, BRS 57 Nr. 250 = BauR 1995, 831 = juris Rn. 10). Aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers ergibt sich aber nicht, dass die Abweichung für den Carport {F.} rechtswidrig erteilt wurde. Die Beklagte hat insoweit ausgeführt, die Abweichung habe erteilt werden können, da der Carport - anders als der des Klägers - keine städtebaulichen Spannungen auslöse, denn er befinde sich auf einem Eckgrundstück seitlich des Hauses an der Giebelwand und liege zur {G.} hin hinter einer Einfriedung. Ungeachtet dessen überzeugt dies auch in der Sache, denn der Carport des Klägers ist zudem aufgrund seiner Lage auf dem Grundstück und aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung deutlich präsenter als der von ihm benannte Berufungsfall in der {F.}. Hinsichtlich der übrigen Berufungsfälle, für die eine Vergleichbarkeit angesichts der Ausführungen der Beklagten, diese seien bereits vor Inkrafttreten der Stadtumbausatzung errichtet worden, ebenfalls zweifelhaft ist und zu denen das Zulassungsvorbringen keine substantiierten Ausführungen enthält, nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Auch der Einwand, die Beklagte habe bisher kein tragfähiges Konzept vorgelegt, wie sie in vergleichbaren Fällen vorgehen wolle, greift nicht durch. Der Beklagten sind vermeintliche Verstöße erst im laufenden Gerichtsverfahren und insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung präsentiert worden. Dass sie nach eigenen Angaben zuvor keine Kenntnis von vermeintlich weiteren Verstößen hatte, ist unschädlich, denn sie ist nicht zu einer systematischen und flächendeckenden Überwachung verpflichtet, schon gar nicht mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG. In einem derart gelagerten Fall ist es ausreichend, wenn sie die im laufenden Verfahren mitgeteilten Verstöße - ihrer Praxis entsprechend - zum Anlass nimmt, den Hinweisen nachzugehen. Solange der Kläger Vergleichsfälle in dem beschriebenen Umkreis nicht konkret benennt, ist die Beklagte mithin nicht in der Pflicht, Grundsätze eines systematischen Einschreitens darzulegen.

Schließlich dringt der Kläger mit seinen Einwendungen, „hilfsweise hätte mit Blick auf die offene Fragestellung, die den Gleichheitssatz in den Fokus nimmt, und die fehlende Konzeption der Beklagten ein Beweisbeschluss unter der Auflage, die Dokumente zur Prüfung dem Gericht vorzulegen, entsprechend dem klägerischen Antrag ergehen müssen“ sowie „weiterhin wäre die Aufklärung, soweit sie vorab durch das Gericht für erheblich erachtet worden wäre, durch Anforderung der Konkretisierung der Fotos und Straßen, im Wege der Auflage gegenüber dem Kläger zu verfügen gewesen“, nicht durch. Soweit er hiermit einen Sachverhaltsermittlungsfehler geltend machen will, liegt ein solcher bereits mangels Entscheidungserheblichkeit nicht vor (näher dazu unten). Zudem ergibt sich hieraus nicht, dass das Verwaltungsgericht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist.

Ein Ermessensfehler ergibt sich auch nicht aus dem - im Zulassungsverfahren zu berücksichtigenden (vgl. hierzu u.a. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 124 Rn. 7b) - Vortrag, die Behörde habe hinsichtlich der Störerauswahl ihr Ermessen nicht betätigt, von vornherein seien sämtliche Maßnahmen gegen ihn gerichtet gewesen. Zwar hat die Beklagte offenbar weder in den angefochtenen Bescheiden noch im Verwaltungsverfahren Erwägungen dazu angestellt, ob aufgrund des Miteigentums der Ehefrau gegebenenfalls auch ein Einschreiten gegen sie als nach § 56 Satz 1 NBauO baurechtlich Verantwortliche in Betracht gekommen wäre. Einen Ermessensfehler begründet dies dennoch nicht. Für behördliche Ermessenserwägungen besteht im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null kein Anlass (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 3.10.1988 - 1 B 114.88 -, Buchholz 316 § 40 VwVfG Nr. 8 = juris Orientierungssatz; BVerwG, Urt. v. 26.10.1978 - III C 18.77 -, BVerwGE 57, 1 = RLA 1979, 57 = juris Rn. 20 a.E.; Rennert, in: Eyermann/Rennert, 15. Aufl. 2019, VwGO § 114 Rn. 19 und 32 m.w.N.; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., 2018, § 114 Rn. 136).

Für eine Ermessensreduzierung auf Null ist kennzeichnend, dass sich bei einer grundsätzlich gegebenen Ermessensentscheidung im Einzelfall nur eine einzige Entscheidung als ermessensfehlerfrei erweist. Dies ist hier hinsichtlich der bauaufsichtlichen Inanspruchnahme des Klägers der Fall. Er ist nicht nur Zustands- sondern auch Verhaltensverantwortlicher. Der Kläger bewohnt das Haus als Miteigentümer allein, hat beide baulichen Anlagen (Carport und Überdachung) selbst errichtet, nutzt die Anlagen allein und ist nach unbestrittenen Angaben der Beklagten finanziell zur Beseitigung in der Lage. Vor diesem Hintergrund erwies sich von vornherein allein ein Einschreiten gegen ihn als ermessensgerecht; eine an die Ehefrau gerichtete Beseitigungsverfügung, die sich nur durch ihre Miteigentümerstellung begründen ließe, wäre unter diesen Umständen dagegen offensichtlich ermessensfehlerhaft gewesen.

2.

Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann, zuzulassen.

Ein Verfahrensfehler folgt nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht dem Hilfsbeweisantrag gerichtet auf Beweiserhebung darüber, dass die Beklagte nach Erlass der Stadtumbausatzung nicht systematisch baurechtswidrige Carports gesichtet habe und dagegen vorgegangen sei, nicht nachgegangen ist. Denn die im Hilfsbeweisantrag behauptete Tatsache war von dem bei der Beurteilung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts aus gesehen nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, es komme nicht darauf an, ob nach Erlass der Stadtumbausatzung tatsächlich systematisch neu errichtete Carports gesichtet und gegen sie eingeschritten worden sei. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Beklagte nach Kenntniserlangung von etwaigen Baurechtsverstößen gleichheitswidrig nicht eingeschritten sei. Hierauf ziele der Hilfsbeweisantrag jedoch nicht ab.

Soweit der Kläger rügt, angesichts des Umfangs und der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache habe eine Übertragung des Rechtsstreits auf die Einzelrichterin nicht erfolgen können, zeigt er auch hiermit einen Verfahrensmangel nicht auf. Nach §§ 512, 557 Abs. 2 ZPO, die gemäß § 173 VwGO in verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden unanfechtbaren Entscheidungen, wozu gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 VwGO der Beschluss über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter/die Einzelrichterin gehört, keiner inhaltlichen Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht. Das hat grundsätzlich auch zur Folge, dass das Rechtsmittelgericht an diese Entscheidung gebunden ist und entsprechende Verfahrensrügen einer inhaltlichen Überprüfung entzogen sind (vgl. zum Revisionsrecht: BVerwG, Beschl. v. 15.10.2001 - 8 B 104.01 -, HFR 2002, 658 = NVwZ-RR 2002, 150 = juris Rn. 8 m.w.N.; zum Berufungsrecht: NdsOVG, Beschl. v. 17.5.2016 - 8 LA 40/16 -, EzAR-NF 27 Nr. 14 = juris Rn. 40 m.w.N.). Eine entsprechende Verfahrensrüge im Zusammenhang mit derartigen, an sich unanfechtbaren Vorentscheidungen ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn sie sich nicht unmittelbar gegen die - nicht nachprüfbare - Vorentscheidung als solche wendet, sondern einen Mangel betrifft, der als Folge der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend der angefochtenen Sachentscheidung anhaftet (vgl. zum Revisionsrecht BVerwG, Beschl. v. 4.12.1998 - 8 B 187.98 -, Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1 = NVwZ-RR 2000, 257 = juris Rn. 12 m.w.N.). Ein derartiger, dem Übertragungsbeschluss anhaftender Rechtsfehler, der zugleich eine Verletzung der prozessualen Gewährleistungen der Verfassung darstellt, kann etwa vorliegen, wenn für die Übertragung willkürliche oder manipulative Erwägungen maßgeblich waren und der Beteiligte damit unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seinem gesetzlichen Richter entzogen worden ist (vgl. zum Revisionsrecht u.a. BVerwG, Beschl. v. 4.12.1998 - 8 B 187.98 -, Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1 = NVwZ-RR 2000, 257 = juris Rn. 12 a.E.; zum Berufungsrecht NdsOVG, Beschl. v. 17.5.2016 - 8 LA 40/16 -, EzAR-NF 27 Nr. 14 = juris Rn. 41 m.w.N.; vgl. auch Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 6 Rn. 21 m.w.N.; Kronisch, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 6 Rn. 87). Anhaltspunkte dafür, dass derart willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Einzelrichterübertragung maßgebend gewesen sein könnten, bestehen hier nicht ansatzweise.

Sollte schließlich der Einwand unter Ziffer II. 1. lit. b) ee) der Zulassungsbegründung als Aufklärungsrüge zu verstehen sein, so folgt hieraus ebenfalls kein Verfahrensfehler, denn der Kläger legt nicht dar, dass das Verwaltungsgericht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist und welche nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserhebliche Erkenntnis eine Aufklärung gebracht hätte.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).