Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.02.2022, Az.: 1 KN 11/20

Abwägungsdefizit; Antragsbefugnis; Ermittlungspflicht; Immissionsschutzrecht; Lärmemissionskontingente; Motorsportanlage; Prognoseentscheidung; Sandabbau; Vorhabenbezogener Bebauungsplan

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.02.2022
Aktenzeichen
1 KN 11/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59527
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BauR 2022, 1021-1024
  • KomVerw/B 2023, 254-259
  • KomVerw/LSA 2023, 267-272
  • KomVerw/S 2023, 264-268
  • KomVerw/T 2023, 259-263
  • NordÖR 2022, 270

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei der Aufstellung eines Bebauungsplans, dessen Ausnutzbarkeit in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht von der Nichtverwirklichung bereits beantragter konkurrierender Vorhaben abhängt, ist das im Immissionsschutzrecht geltende Prioritätsprinzip sowohl bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials als auch bei der Abwägung selbst zu berücksichtigen. Handelt es sich um einen Vorhabenbezogenen Bebauungsplans, gilt dies auch hinsichtlich der nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB von der Gemeinde zu trefffenden Prognoseentscheidung.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 5. September 2019 als Satzung beschlossene Vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 32 „Industriegebiet Wulfheide“ ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Normenkontrollverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 32 „Industriegebiet Wulfheide“ der Antragsgegnerin, weil sie befürchtet, dass die Planung sie in ihrer betrieblichen Entwicklung einschränkt.

Die Antragstellerin betreibt seit 2006 auf einer in das Eigentum ihrer Geschäftsführerin übergegangenen ca. 11,5 ha großen Fläche im Außenbereich der Ortschaft Hoope der Antragsgegnerin nördlich der Wulsbütteler Straße (K 48) und westlich der B 6 (Gemarkung Hoope Flur 1 Flurstücke 222/5, 6/3, 8/5 und 7/4) ein Motodrom mit Off-Road-Geländestrecken für Motorrad und Geländewagen (im Folgenden: C.). Das Areal wird im Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin seit 1981 als Sondergebietsfläche mit der Zweckbestimmung „Motocross“ dargestellt. Die für den Betrieb der Antragstellerin grundlegende immissionsschutzrechtliche Genehmigung stammt aus dem Jahr 1982. Damals wurde einem Motorsportverein gestattet, auf dem Gelände eine der Übung und Ausübung des Motorsports dienende Anlage zu errichten und zu betreiben; durch eine Nebenbestimmung wurde der Trainingsbetrieb allerdings auf höchstens drei Tage in der Woche begrenzt. Ergänzend wurden 1987 die Errichtung einer BMX-Übungsbahn mit Kfz-Einstellplätzen sowie eines Nebengebäudes und zweier Container immissionsschutzrechtlich genehmigt. 1999, ein Jahr nach Aufgabe der vereinsmäßigen Nutzung der Motorsportanlage und deren Öffnung für jedermann gegen Entgelt, wurden zudem baurechtliche Genehmigungen für arrondierende Nutzungen erteilt. Der C. verfügt daher auch über ein Bistro und einen Grillplatz, eine Tankzone und einen Waschplatz sowie eine Halle für Motorradpflege und einen Verkaufsshop für Motorradbedarf.

Die Beigeladene, ein Unternehmen für Schüttgüter, Baustoffrecycling, Gleisbaustoffe, Abbrucharbeiten und Transportleistungen, nimmt seit Ende der 1990er Jahre auf einer in ihrem Eigentum stehenden etwa 11 ha großen Fläche im Außenbereich der Ortschaft Wulsbüttel der Antragsgegnerin direkt westlich an den C. angrenzend (Gemarkung Wulsbüttel Flur 2 Flurstücke 554/127 und 128/1) Sandabbau vor. Der Bereich wurde bislang im Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin als Wald dargestellt. Die zuletzt 2012 für den Bodenabbau erteilte Genehmigung beinhaltet Auflagen zur Wiederherstellung der Abbaustätte nach Beendigung der Maßnahmen und zur sonstigen Kompensation der Eingriffe in Natur und Landschaft. Die Beigeladene betreibt darüber hinaus auf dem Gelände eine sehr lärmintensive Brecheranlage zum Recyceln von Bauschutt. Hierfür war ihr eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt worden, deren Geltung allerdings bis zum Ablauf des Jahres 2015 befristet war.

Im Frühjahr 2012 beantragte die Beigeladene die Aufstellung eines Vorhabenbezogenen Bebauungsplans zur industriellen Nachnutzung der Sandabbaufläche. Geplant sei der Weiterbetrieb der Brecheranlage sowie die Errichtung eines kleineren Betonwerks zur Herstellung von Betonblocksteinen aus Recyclingmaterial; hierdurch gebe es auch einen Bedarf an teilweise überdachten Lagerflächen. Durch die Entwicklung des Gebietes sei es möglich, die vorhandenen Arbeitsplätze zu erhalten und weitere zu schaffen. Ende 2015 stellte die Beigeladene außerdem einen Antrag auf Verlängerung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Brecheranlage.

Bereits seit Herbst 2011 strebt die Antragstellerin eine Änderung und Erweiterung ihres Betriebs an. Hierfür wurde ihr 2015 ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid erteilt, dessen Vollziehbarkeit aber in einem von der Antragsgegnerin, die das gemeindliche Einvernehmen versagt hatte, angestrengten gerichtlichen Eilverfahren wegen Fehlens einer als erforderlich erachteten Umweltverträglichkeitsprüfung ausgesetzt wurde. Unter dem 15. Oktober 2018 verzichtete die Antragstellerin auf die weitere Durchführung des Bauvorbescheidsverfahrens und beantragte stattdessen die Änderung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aus dem Jahr 1982. Nach der dazu vorgelegten Betriebsbeschreibung umfasst der Antrag u.a. die Ausweitung des Fahrbetriebs auf fünf statt bisher drei Tage in der Woche (frei wählbar einschließlich Sonn- und Feiertagen). Ebenfalls eingereicht wurde ein von der Antragstellerin eingeholtes schalltechnisches Gutachten aus August 2018, das zu dem Ergebnis gekommen war, dass der erweiterte Betrieb der Motorsportanlage auch unter Berücksichtigung einer Vorbelastung durch den Sandabbaubetrieb der Beigeladenen einschließlich einer Sieb- sowie der Brecheranlage mit der im Hinblick auf Lärmimmissionen nach Vorgaben des Landkreises Cuxhaven als schutzwürdig anzusehenden Bebauung in der näheren Umgebung vereinbar sei.

Zu diesem Zeitpunkt war das auf den Antrag der Beigeladenen mit Beschluss des Rates der Gemeinde Wulsbüttel vom 19. September 2012 - damals handelte es sich bei der Antragsgegnerin noch um eine Samtgemeinde - eingeleitete Planaufstellungsverfahren zum Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 32 „Industriegebiet Wulfheide“ noch nicht abgeschlossen. Im Zeitraum 3. Oktober bis 16. November 2018 wurde gerade die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange durchgeführt, die förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung fand erst in der Zeit vom 25. Oktober bis 26. November 2018 statt. Zu Verzögerungen war es zum einen wegen der für eine Ausweisung der Sandabbaufläche als Industriegebiet notwendigen Anpassung des Flächennutzungsplans gekommen. Der betreffende Änderungsbeschluss des Rates der Antragsgegnerin datiert vom 29. August 2017; die erforderliche Genehmigung des Landkreises Cuxhaven erging am 20. Juli 2018. Zum anderen hatte es im Scopingverfahren, das ebenso wie die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung im Jahr 2015 durchgeführt worden war, eine Vielzahl von Äußerungen hinsichtlich der Belange des Wald-, Wasser- und Lärmschutzes sowie zu raumordnungsrechtlichen Vorgaben gegeben, die zunächst abzuarbeiten waren. So wurde etwa die wegen der Lage der Sandabbaufläche in einem Wasserschutzgebiet erforderliche Genehmigung des Landkreises Cuxhaven als untere Wasserbehörde erst am 26. Juni 2018 erteilt.

Die Antragstellerin, die sich schon gegen die Änderung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin gewandt hatte, erhob mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13. November 2018 gegen den ausgelegten Entwurf des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 32 „Industriegebiet Wulfheide“ Einwendungen. Insbesondere machte sie unter Verweis auf ihren immissionsschutzrechtlichen Änderungsantrag vom 15. Oktober 2018 und unter Vorlage des Schalltechnischen Gutachtens aus August 2018 geltend, dass ihr einseitig zugemutet werde, auf die für sie wirtschaftlich maßgebliche Erweiterung der immissionsintensiven Nutzung zu verzichten. Angesprochen waren damit die in dem Planentwurf für das Industriegebiet vorgesehenen Lärmemissionskontingente, deren Höhe unter Inbezugnahme der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aus dem Jahr 1982, die den Trainingsbetrieb an höchstens drei Tagen in der Woche zuließ, nach Wochentagen differierte. Das durch die Beigeladene im Planaufstellungsverfahren eingeholte Schalltechnische Gutachten aus Juli 2017 (mit ergänzendem Vermerk aus September 2018) war nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass ein hinreichender Schallschutz für die als schutzwürdig anzusehenden Immissionsorte außerhalb des Plangebiets nur bei Ausschluss eines zeitgleichen „Volllastbetriebs“ von Motorsportanlage und Recyclinganlage - als relevante Geräuschquellen hatte die Beigeladene dem Gutachterbüro neben dem Brecher und der Siebanlage u.a. einen noch lärmintensiveren Rüttler genannt - sicher gewährleistet werde. Bei Trainingsbetrieb im C. könnten die Immissionsrichtwerte nur eingehalten werden, wenn auf der Fläche der Beigeladenen der Rüttler nicht betrieben werde und wenn die Betriebszeiten des Brechers und der Siebanlage sowie die Anzahl und Betriebszeiten der Radlader zeitlich begrenzt würden.

Der Landkreis Cuxhaven wies in seiner Stellungnahme vom 16. November 2018 ebenfalls auf die Änderung der Ausgangsbedingungen zum Immissionsschutz in Bezug auf den C. hin. Der immissionsschutzrechtliche Antrag vom 15. Oktober 2018 werde derzeit geprüft und sei als Vorbelastung in die Bauleitplanung einzustellen. Auch die Industrie- und Handelskammer Stade regte in ihrem Schreiben vom 12. November 2018 an, die Entscheidung über den Antrag auf Erweiterung der Betriebszeiten der Motorsportanlage abzuwarten, um die Umsetzbarkeit der Regelung des Planentwurfs zu den Lärmemissionskontingenten anhand der dann bestehenden Situation zu beurteilen.

In seiner Sitzung vom 5. September 2019 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Abwägungsvorschläge zu den eingegangenen Stellungnahmen gemäß Vorlage und den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 32 „Industriegebiet Wulfheide“, bestehend aus der Planzeichnung und den textlichen Festsetzungen, einschließlich der Begründung ohne Änderung als Satzung. Zuvor hatte der Rat den Beschluss gefasst, den von dem Geschäftsführer der Beigeladenen bereits am 8. August 2019 unterzeichneten städtebaulichen Vertrag gemäß § 11 BauGB und den Durchführungsvertrag gemäß § 12 BauGB zur Sicherstellung und Realisierung des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach Vorlage abzuschließen. Nach Ausfertigung durch den Bürgermeister der Antragsgegnerin wurde der Satzungsbeschluss am 16. Januar 2020 im Amtsblatt für den Landkreis Cuxhaven bekannt gemacht. Am 24. Februar 2020 vereinbarten der Bürgermeister der Antragsgegnerin und der Geschäftsführer der Beigeladenen eine 1. Änderung des städtebaulichen Vertrages und Durchführungsvertrages.

Das Gebiet des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 32 „Industriegebiet Wulfheide“ umfasst neben der Sandabbaufläche der Beigeladenen die von dort nach Süden zur Wulsbütteler Straße (K 48) führende private Erschließungsstraße. Zu ihr hatten die Antragsgegnerin, in deren Eigentum das als Straßenverkehrsfläche festgesetzte Wegegrundstück (Gemarkung Wulsbüttel Flur 2 Flurstück 360/1) steht, und die Beigeladene vor Satzungsbeschluss einen Gestattungsvertrag geschlossen. Die Sandabbaufläche selbst wird mittig in einem Umfang von knapp 64.500 m² als Industriegebiet - mit einschränkender Textlicher Festsetzung (TF) 1 und einer Festsetzung nach den Vorgaben des § 12 Abs. 3a BauGB in TF 2 - ausgewiesen. Zum Maß der baulichen Nutzung ist eine Größe der Grundfläche der baulichen Anlagen von 50.000 m² und - konkretisiert durch TF 4 - eine Höhe der Oberkante der baulichen Anlagen von 33,0 m über NHN bestimmt; nachrichtlich sind in die Planurkunde Geländehöhen zwischen 20,48 m und 24,38 m ü. NHN eingetragen. Festgelegt sind zudem Baugrenzen und eine - in TF 3 näher erläuterte - abweichende Bauweise. Die Randbereiche der Sandabbaufläche in einem Gesamtumfang von ca. 46.000 m² werden - mit dem Ziel der Ausbildung einer Waldabstandszone bzw. zur Eingrünung - in einer Tiefe zwischen 26 m und 50 m als Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft, gekennzeichnet mit Ziffer I oder II, festgesetzt. Einzelheiten dazu sind in TF 5 bestimmt; insbesondere sind auf der mit Ziffer II gekennzeichneten Fläche nach Beendigung der Abbautätigkeit die in der Bodenabbaugenehmigung aus dem Jahr 2012 vorgeschriebenen Herrichtungsmaßnahmen umzusetzen.

Zum Immissionsschutz setzt TF 7 unter Verweis auf den östlich angrenzenden C. und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung aus dem Jahr 1982 fest, dass innerhalb des Plangeltungsbereichs an maximal vier Tagen pro Woche unter der Voraussetzung, dass die zulässige emittierende Nutzung (Trainingsbetrieb, Veranstaltungen) der Motorsportanlage nicht zeitgleich durchgeführt wird, Vorhaben, deren Geräusche die Emissionskontingente LEK nach DIN 45691 von LEK tags von 70,5 dB (A)/m² und von LEK nachts von 55,5 dB (A)/m² nicht überschreiten, und an allen übrigen Wochentagen Vorhaben, deren Geräusche die Emissionskontingente LEK von LEK tags von 64,5 dB (A)/m² und von LEK nachts von 49,5 dB (A)/m² nicht überschreiten, zulässig sind. Zudem ist u.a. bestimmt, dass sich für die im Plan dargestellten Richtungssektoren A, B und C die Emissionskontingente LEK um im Einzelnen festgelegte Zusatzkontingente erhöhen.

Bereits am 23. Januar 2020 hat die Antragstellerin Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung der Unwirksamkeit der Planung vertritt sie insbesondere die Auffassung, dass die Antragsgegnerin in Bezug auf die festgelegten Lärmemissionskontingente gegen ihre Ermittlungspflicht aus § 2 Abs. 3 BauGB verstoßen habe. Ihr werde auferlegt, auf die geplante betriebliche Erweiterung zu verzichten, auf die im Auslegungsverfahren sowohl von ihr als auch von anderer Seite ausdrücklich hingewiesen worden sei. Zudem seien der Antragsgegnerin Abwägungsfehler in Gestalt eines Abwägungsdefizites und einer Abwägungsfehleinschätzung unterlaufen. Die völlig einseitige Berücksichtigung der Beigeladenen bei der Festlegung der Lärmemissionskontingente sei ein Abwägungsmangel. Nicht beachtet worden sei auch, dass die Beigeladene seit Ende 2015 über keine Genehmigung mehr für die Brecheranlage verfüge, so dass sich ihre Schutzwürdigkeit reduziere. Außerdem werde im Hinblick auf ihr eigenes Schallgutachten aus August 2018 angezweifelt, dass die Festsetzung der Lärmemissionskontingente abwägungsfehlerfrei gelungen sei. Darüber hinaus habe das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven darauf hingewiesen, dass es nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nicht möglich sei, die Nutzung einer Anlage auf bestimmte Wochentage zu begrenzen bzw. davon abhängig zu machen, inwieweit eine andere Anlage zu einem bestimmten Zeitpunkt genutzt werde. Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 BauGB liege ebenfalls vor, weil die Grenzen des zulässigen „Konflikttransfers“ überschritten seien. Es sei nämlich absehbar, dass sich der Interessenkonflikt zwischen ihrer Motorsportanlage und dem seit mehreren Jahren ohne Genehmigung betriebenen Betrieb der Beigeladenen in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lasse.

Die Antragstellerin beantragt,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 5. September 2019 als Satzung beschlossenen vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 32 „Industriegebiet Wulfheide“, Ortschaft Wulsbüttel, für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin tritt sämtlichen Rügen der Antragstellerin entgegen. Insbesondere sei der Sachverhalt vollständig ermittelt und seien die Belange der Antragstellerin in die Abwägung eingestellt worden. Die Antragstellerin werde durch die Planung in der bisherigen Ausübung ihres Betriebs nicht eingeschränkt. Einschränkungen müsse die Beigeladene hinnehmen, die nur noch an vier Tagen die Woche ihren Betrieb mit Vollauslastung betreiben könne und verpflichtet sei, anhand eines Monitoringkonzepts vor jeder Betriebsaufnahme zu prüfen, ob die entsprechenden Schallkontingente nicht bereits durch die Antragstellerin ausgelastet seien. Demnach könne keine Rede davon sein, dass die Interessen der Antragstellerin nicht berücksichtigt oder einseitig zu Gunsten der Beigeladenen abgewogen worden seien. Im Hinblick auf den von der Beigeladenen Ende 2015 gestellten Antrag auf Verlängerung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Brecheranlage habe sie auch zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen können, dass diese ihren Betrieb im Plangebiet habe einstellen wollen. Die der Planung zugrundeliegende Schalltechnische Begutachtung sei fachtechnisch richtig. Die Auffassung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Cuxhaven, dass die Festsetzung von zeitlichen Begrenzungen der betrieblichen Tätigkeit nicht möglich sei, treffe nicht zu. Die Ausübung der Planungshoheit sei frei und bedürfe keiner „Ermächtigungsgrundlage“, wenn nicht in die Rechte anderer eingegriffen werde. Sofern zudem der Vorhabenträger bereit sei, dieser Planung zu folgen und im Rahmen eines Durchführungsvertrags festzuhalten, bestünden keine rechtlichen Bedenken. Ein unzulässiger Konflikttransfer liege ebenfalls nicht vor. Das Konfliktfeld hinsichtlich des Schallschutzes sei im Bauleitplanverfahren behandelt und zulasten der Beigeladenen aufgelöst worden.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag, beteiligt sich aber inhaltlich am Verfahren. Nach ihrer Auffassung ist der Normenkontrollantrag wegen Fehlens der Antragsbefugnis schon unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Keiner der von der Antragstellerin geltend gemachten Fehler liege vor. Insbesondere sei es nicht abwägungsfehlerhaft, dass die Antragsgegnerin die Vorbelastung durch die Brecheranlage berücksichtigt habe. Eine Anlage verliere ihre städtebaulich prägende Wirkung dann nicht, wenn rechtzeitig vor Auslaufen der Genehmigung eine Verlängerung beantragt und parallel dazu ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet worden sei. Soweit die Antragstellerin sinngemäß rüge, es sei abwägungsfehlerhaft, dass die Antragsgegnerin ihrem immissionsschutzrechtlichen Änderungsantrag aus Oktober 2018 nicht den Vorrang einräume, übersehe sie, dass ihr Antrag noch keine Genehmigungsreife erreicht habe. Allenfalls könne es eine Konkurrenzsituation mit ihrem eigenen Genehmigungsantrag geben, nicht aber mit dem Bebauungsplanverfahren der Antragsgegnerin. Selbst wenn es eine echte Konkurrenzsituation zwischen dem Antrag der Antragstellerin und ihrem Antrag gebe, wäre ihr Antrag vorrangig, weil er Jahre vor dem 15. Oktober 2018 gestellt worden und dieses Genehmigungsverfahren sowohl immissionsschutzrechtlich als auch planungsrechtlich weiter fortgeschritten sei. Schließlich sei auch das Gebot der Konfliktbewältigung beachtet worden. Der Konflikt sei bereits vor der Planung vorhanden gewesen und in der Weise von der Antragsgegnerin abwägungsfehlerfrei gelöst worden, dass sie die Antragstellerin nicht beschränkt und sich im Übrigen mit städtebaulichen Argumenten für das Vorhaben der Beigeladenen entschieden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Planaufstellungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet.

I.

Die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags steht nicht in Frage. Insbesondere mangelt es entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht an der Antragsbefugnis der Antragstellerin.

Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des von ihm angegriffenen Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird. Macht der Antragsteller eine Verletzung des in § 1 Abs. 7 BauGB verankerten Rechts auf gerechte Abwägung geltend, dann muss er einen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Das sind nur solche privaten Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungserheblich sind dabei geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (stdRspr; vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 27.9.2021 - 4 BN 17.21 -, ZfBR 2022, 69 = juris Rn. 4 und 8 m.w.N.).

Nach diesen Maßgaben ist die Antragstellerin antragsbefugt, weil sie sich auf einen abwägungserheblichen Belang berufen kann und, anders als die Beigeladene meint, auch berufen hat. Die Ansicht der Beigeladenen, es fehle an einem substantiierten Tatsachenvortrag, aus dem auf eine Verletzung eines subjektiven Rechts geschlossen werden könne, trifft nicht zu. Im Kern des Vortrags der Antragstellerin zu einer Verletzung des Abwägungsgebots steht ihr durch den am 15. Oktober 2018 gestellten immissionsschutzrechtlichen Änderungsantrag konkret zum Ausdruck gebrachtes betriebliches Erweiterungsinteresse. An der beabsichtigten Ausdehnung des Fahrbetriebs ihrer Motorsportanlage von drei auf fünf Tagen in der Woche sieht sich die Antragstellerin durch die Planung auch nachvollziehbar als gehindert an. Denn der Vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 32 „Industriegebiet Wulfheide“ übernimmt in TF 7 die Annahme aus der von der Beigeladenen im Planaufstellungsverfahren eingeholten schalltechnischen Begutachtung, dass ein gleichzeitiger „Volllastbetrieb“ der Motorsportanlage und der lärmintensiven Anlagen des Betriebs der Beigeladenen aus Gründen des Lärmschutzes für die schutzwürdige Wohnnutzung in der Umgebung nicht zulässig ist. Die mögliche Einflussnahme des Plans auf das betriebliche Erweiterungsinteresse der Antragstellerin erkennt die Beigeladene auch selbst, wenn sie anführt, dass die Antragstellerin offenbar hoffe, mit dem Normenkontrollantrag bessere Aussichten auf die Genehmigung des am 15. Oktober 2018 gestellten immissionsschutzrechtlichen Antrags zu haben. Die anschließende Darlegung der Beigeladenen, dieses Ziel vermöge keine Antragsbefugnis zu begründen, trifft allerdings nicht den für die Bejahung eines abwägungserheblichen Belanges maßgeblichen Punkt. Der von der Beigeladenen zum Beleg zitierten Passage einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der das Interesse an der Verbesserung des bauplanungsrechtlichen status quo und damit an der Erweiterung des eigenen Rechtskreises eine bloße Erwartung ist, die nicht schutzwürdig und damit nicht abwägungserheblich ist (BVerwG, Beschl. v. 27.6.2007 - 4 BN 18.07 -, ZfBR 2007, 685 = juris Rn. 6), liegt der Fall eines Grundstückseigentümers zugrunde, der mit seinem bisher nicht bebaubaren Grundstück in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans einbezogen werden wollte. Demgegenüber handelt es sich bei der Antragstellerin um ein seit langem rechtmäßig im Außenbereich bestehendes Unternehmen, dessen Interesse, sich dort zur Sicherung seines Fortbestandes wirtschaftlich weiterzuentwickeln, bereits auf der Grundlage des § 35 BauGB realisierbar war und ohne weiteres als schutzwürdig anzuerkennen ist.

II.

Die Berufung ist auch begründet. Der Vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 32 „Industriegebiet Wulfheide“ weist im Hinblick auf das - in dem Änderungsantrag der Antragstellerin vom 15. Oktober 2018 dokumentierte - betriebliche Erweiterungsinteresse Fehler auf, die zu seiner Unwirksamkeit führen. Hiernach kann dahinstehen, ob auch die sonstigen Rügen der Antragstellerin - insbesondere im Hinblick auf raumordnungsrechtliche Vorgaben, die Belange des Waldschutzes, die Bestimmtheit der planerischen Festsetzungen oder die nach Satzungsbeschluss erfolgte Änderung des städtebaulichen Vertrages und Durchführungsvertrages - durchgegriffen hätten.

§ 1 Abs. 7 BauGB bestimmt, dass bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot um die Verfahrens-anforderung, dass die abwägungserheblichen Belange zu ermitteln und zu bewerten sind. Hiernach zu ermitteln, bewerten und gegeneinander sowie untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen (stdRspr; vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 31.8.2021 - 4 BN 4.21 -, juris Rn. 5 m.w.N.). Bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan tritt noch eine sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergebende Verpflichtung hinzu. Die Gemeinde muss sich im Wege einer Prognoseentscheidung vergewissern, dass der Vorhabenträger zur Durchführung des Vorhabens in der Lage ist (vgl. Senatsurt. v. 11.12.2018 - 1 KN 185/16 -, BauR 2019, 613 = juris Rn. 39 mit Verweis auf BVerwG, Beschl. v. 6.3.2018 - 4 BN 13.17 -, BauR 2018, 1086 = juris Rn. 22; ebenso BVerwG, Beschl. v. 5.3.2019 - 4 BN 18.18 -, BauR 2019, 1400 = juris Rn. 6). Diesen Anforderungen wird die zu beurteilende Planung nicht gerecht.

Zwar hat der Rat der Antragsgegnerin, wie sich sowohl der Abwägungstabelle (S. 30) als auch der Planbegründung (S. 25) entnehmen lässt, den immissionsschutzrechtlichen Änderungsantrag der Antragstellerin vom 15. Oktober 2018 zur Kenntnis genommen. Weder aus dem Planaufstellungsvorgang noch sonst ergibt sich aber, dass zu dem nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB maßgebenden, fast elf Monate später liegenden Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 5. September 2019 der konkrete Stand des Genehmigungsverfahrens festgestellt worden wäre, obgleich der Landkreis Cuxhaven in seiner Stellungnahme vom 16. November 2018 ausdrücklich mitgeteilt hatte, der immissionsschutzrechtliche Antrag vom 15. Oktober 2018 werde „derzeit“ geprüft. Eine solche Ermittlung wäre nach § 2 Abs. 3 BauGB geboten gewesen, weil die Frage der Entscheidungsreife des Änderungsantrags zum Abwägungsmaterial gehörte. Dies hat der Rat der Antragsgegnerin offensichtlich deswegen verkannt, weil er, wie seine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Änderungsantrag zeigt, mindestens von der Gleichwertigkeit des Antrags der Antragstellerin vom 15. Oktober 2018 und des Antrags der Beigeladenen auf Verlängerung der Genehmigung für die Brecheranlage aus Ende 2015 ausgegangen ist. So ist in der Planbegründung (S. 25) ausgeführt:

„Die Gemeinde nimmt zur Kenntnis, dass damit zwei parallel geführte Verfahren bestehen. Aus den vorliegenden Gutachten wird ersichtlich, dass ein Parallelbetrieb der Nutzungen unter Aspekten des Schallschutzes nicht mit dem Umgebungsschutz vereinbar bzw. nur mit Schallminderungsmaßnahmen möglich wäre. Die Nutzung des C. ist bis zum heutigen Tage rechtswirksam auf drei Tage die Woche beschränkt. Die ausgelaufene Genehmigung der Recyclinganlage enthält demgegenüber keine Einschränkungen der Betriebszeiten. Ziel des Vorhabenträgers ist die Weiterführung der bis Ende 2015 ausgeführten Nutzung. Die Realisierung beider Ziele zugleich ist nicht bzw. nur unter emissionstechnischen Einschränkungen möglich. Die Gemeinde hat daher beschlossen, den Betrieb der Recyclinganlage (bzw. der emissionsintensiven Bestandteile) zu reduzieren und damit den Vorhabenträger in seiner Nutzung deutlich einzuschränken auf eine Ausschöpfung der Emissionskontingente an vier Werktagen pro Woche. An den übrigen Tagen wird das Emissionskontingent um 6 dB abgesenkt. Damit ist der Betrieb hinsichtlich der Schallimmissionen irrelevant im Sinne der TA Lärm. Der Vorhabenträger hat sein Einverständnis erklärt. Im Gegenzug wird der Nutzung des C. zugleich zugemutet, die bisherige Nutzung unverändert beizubehalten bzw. auf eine maßgebliche Erweiterung der emissionsintensiven Nutzungen zu verzichten. Auf diese Weise kann beiden Unternehmen, welche jeweils auf die hochspezialisierten Eigenschaften ihres Betriebsstandortes angewiesen sind, eine effektive betriebliche Nutzung ermöglicht und zugleich der Umgebungsschutz gewährleistet werden.“

Diese Sichtweise berücksichtigt allerdings nicht, dass im Immissionsschutzrecht das sog. Prioritätsprinzip gilt, nach dem regelmäßig dem Vorhaben Vorrang gebührt, für das der Antrag früher gestellt bzw. früher zur Entscheidungsreife gelangt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.6.2020 - 4 C 3.19 -, BVerwGE 169, 39 = juris Leitsatz 1 und Rn. 19 f. m.w.N.). Demgemäß hätte der Rat der Antragsgegnerin in den Blick nehmen müssen, dass der für die Fortsetzung des Betriebs der Brecheranlage gestellte immissionsschutzrechtliche Antrag der Beigeladenen frühestens mit der von dem Inkrafttreten des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans abhängigen Ausweisung des Standortes als Industriegebiet genehmigungsfähig werden konnte, während einer positiven Bescheidung des Änderungsantrags der Antragstellerin auf Ausweitung der Fahrzeiten auf fünf Tage Bauplanungsrecht nicht entgegenstand. Mit dem Eintritt der Entscheidungsreife noch vor dem Satzungsbeschluss und der Erteilung der beantragten Änderungsgenehmigung musste daher gerechnet werden. Daraus folgt zugleich, dass die von der Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren vertretene Auffassung, in einer Konkurrenzsituation zwischen dem Antrag der Antragstellerin und ihrem Antrag wäre letzterer vorrangig, weil er Jahre vor dem 15. Oktober 2018 gestellt worden sei und das Genehmigungsverfahren sowohl immissionsschutzrechtlich als auch planungsrechtlich weiter fortgeschritten sei, gerade nicht zutrifft. Dass ihr Vorhaben, das im Übrigen neben dem Brecher weitere Anlagen, insbesondere den noch lärmintensiveren Rüttler, umfasst, auch im Außenbereich genehmigungsfähig gewesen wäre, hat die Beigeladene selbst nicht geltend gemacht; dafür ist mit Blick auf § 9 BauNVO auch nichts ersichtlich. Anderenfalls hätte sie angesichts der Illegalität des Betriebs der Brecheranlage über das Jahr 2015 hinaus wohl auch auf die Erteilung der Genehmigung schon vor Inkrafttreten des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 32 „Industriegebiet Wulfheide“ am 5. September 2019 gedrungen.

Mit der positiven Bescheidung des Änderungsantrags der Antragstellerin wäre die für die Festsetzung der Lärmemissionskontingente in TF 7 des Plans maßgebliche Annahme, dass der Betrieb der Antragstellerin auf drei Tage die Woche beschränkt sei, hinfällig geworden. In der Folge wäre der Plan, worauf die Industrie- und Handelskammer Stade in ihrer Stellungnahme vom 12. November 2018 hingewiesen hatte, vollzugsunfähig und damit wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB unwirksam geworden (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 25.6.2014 - 4 CN 4.13 -, BVerwGE 150, 101 = juris Rn. 14). Auch wäre die Beigeladene nicht mehr, wie von § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB gefordert, zur Durchführung ihres Vorhabens in der Lage gewesen; insofern fällt der Antragsgegnerin ein Verstoß gegen ihre Pflicht zur Last, eine begründete Prognoseentscheidung zu treffen und sich so eine gewisse Sicherheit zu verschaffen, dass der Vorhabenträger die im Durchführungsvertrag übernommenen Verpflichtungen erfüllen und das geplante Vorhaben zu Ende führen kann (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 5.3.2019 - 4 BN 18.18 -, BauR 2019, 1400 = juris Rn. 6 m.w.N.).

Das sich hiernach aus der Stellung des immissionsschutzrechtlichen Änderungsantrags vom 15. Oktober 2018 ergebende Risiko des Scheiterns der Planung und die sich aus dem Prioritätsprinzip ergebende Rechtsposition der Antragstellerin hat der Rat der Antragsgegnerin zu Unrecht nicht gewürdigt. Hiervon war er entgegen der im Rahmen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht deswegen entbunden, weil zu dem Änderungsantrag aufgrund der Lage der Motorsportanlage im Außenbereich das gemeindliche Einvernehmen einzuholen war. Denn die Antragsgegnerin wäre wegen § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht berechtigt, das Einvernehmen aufgrund gegenläufiger Planungsabsichten zu verweigern; insoweit ist sie auf die Sicherungsinstrumente der §§ 14, 15 BauGB verwiesen (vgl. Senatsbeschl. v. 12.9.2003 - 1 ME 212/03 -, NVwZ-RR 2004, 91 = juris Rn. 15). Neben dem oben festgestellten Verstoß gegen die Ermittlungspflicht nach § 2 Abs. 3 BauGB liegt daher auch ein Fehler in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB in der Form eines Abwägungsdefizites vor.

Beide jedenfalls in der Sache in der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. 3 BauGB von der Antragstellerin geltend gemachten Mängel sind nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB auch beachtlich und führen zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Die Offensichtlichkeit beider Mängel liegt nach den oben zitierten Ausführungen aus der Planbegründung auf der Hand. Die Mängel sind auch auf das Ergebnis des Verfahrens bzw. das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen (vgl. zu den Anforderungen BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 - 4 CN 1.11 -, BVerwGE 145, 231 = juris Rn. 16). Denn es besteht die konkrete Möglichkeit, dass bei Feststellung des genauen Standes des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens und ordnungsgemäßer Würdigung der sich aus dem Prioritätsprinzip ergebenden Rechtsposition der Antragstellerin die Planung in der Weise anders ausgefallen wäre, dass dem betrieblichen Erweiterungsinteresse der Antragstellerin ein höheres Gewicht beigemessen worden wäre. Hinzu kommt der Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB, der bereits für sich genommen zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führt.

III.

Der Kostenentscheidung liegen die Vorschriften der §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO zugrunde. Da die Beigeladene auf der Seite der unterlegenen Antragsgegnerin steht, entspricht es nicht der Billigkeit i.S. von § 162 Abs. 3 VwGO, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 analog, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.