Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.02.2022, Az.: 7 MS 200/21

Planfeststellung; Planfeststellungsbeschluss; Querschnitt; Südschnellweg

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.02.2022
Aktenzeichen
7 MS 200/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59874
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 22. November 2021 anzuordnen, wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für die B 3 Südschnellweg Hannover der Antragsgegnerin vom 22. September 2021.

Der im Süden des Gebietes der Landeshauptstadt Hannover gelegene Südschnellweg ist Teil des überregionalen Verkehrsnetzes und bildet einen Abschnitt der Tangente zwischen A 7 und A 2 sowie des um Hannover verlaufenden Rings aus Autobahnen und Bundesstraßen. Er beginnt im Westen in Hannover-Ricklingen am Landwehrkreisel, an dem sich aus Richtung Norden kommend die Bundesstraßen B 6 und B 65 sowie aus südlicher Richtung die Bundesstraße B 3 treffen und auf dem Südschnellweg gebündelt werden. Von dort verläuft er in östliche Richtung und trifft am Seelhorster Kreuz auf den Messeschnellweg (A 37/B 6). Zwischen dem Landwehrkreisel und dem Seelhorster Kreuz überquert der Südschnellweg in west-östlicher Richtung den Mühlenholzweg, die Ihme, den Weg An der Bauerwiese, den Hemminger Maschgraben, die Leineflutmulde, die Leine, die Döhrener Masch, die Schützenallee sowie die Hildesheimer Straße. Über das Seelhorster Kreuz hinaus führt der Südschnellweg weiter bis zur Anschlussstelle Hannover-Anderten zur A7. In dem Bereich zwischen Landwehrkreisel und Seelhorster Kreuz weisen drei von insgesamt neun Brücken erhebliche Tragfähigkeitsdefizite auf, die nach Einschätzung der Beigeladenen trotz bereits durchgeführter Verstärkungsmaßnahmen dazu führen, dass die Bauwerke teils im Jahr 2023, teils 2024 nicht mehr nutzbar sein werden. Weiter besteht die Brücke über die Schützenallee aus spannungsrisskorrosionsgefährdetem Spannstahl und weist daher kein ausreichendes Ankündigungsverhalten („Riss vor Bruch“) auf. Auch die übrigen fünf Brücken zwischen Landwehrkreisel und Seelhorster Kreuz, die in den Jahren 1954 bis 1955 errichtet wurden, nähern sich dem Ende ihrer Nutzungsdauer und entsprechen in Bezug auf ihre Belastbarkeit, Fahrbahnbreite und konstruktive Ausbildung nicht mehr aktuellen Standards. Die Gesamtfahrbahnbreite des über vier Fahrstreifen und keinen Seitenstreifen verfügenden Südschnellwegs liegt zwischen 12,5 m (Brücke über die Hildesheimer Straße) und 14,5 m (westlicher Damm). Der 3,8 km lange Abschnitt des Südschnellwegs zwischen Landwehrkreisel und Seelhorster Kreuz wird im östlichen Bereich von etwa 43.000 Kraftfahrzeugen und im westlichen Bereich von etwa 55.000 Kraftfahrzeugen innerhalb von 24 Stunden genutzt. Zudem verläuft er zu etwa knapp einem Drittel durch ein Landschaftsschutzgebiet (LSG H-S 04 „Obere Leine“) sowie ein Überschwemmungsgebiet.

Mit dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss genehmigte die Antragsgegnerin den Ausbau des Südschnellweges in dem Abschnitt zwischen Landwehrkreisel und Seelhorster Kreuz. Neben einer Erneuerung der Brückenbauwerke ist Gegenstand des Ausbaus insbesondere das Führen der Strecke von westlich der Schützenallee bis östlich der Hildesheimer Straße in einem zu errichtenden Tunnel sowie die Herstellung des Abschnitts mit dem Querschnitt RQ 25, der eine Fahrbahnbreite von (mindestens) 25 m aufweist und mithin eine Verbreiterung der Fahrbahn um gut 10 m und teils deutlich mehr mit sich bringt und mit einem entsprechenden Mehrbedarf an Flächen einhergeht.

Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem von ihm zu Dauerwohnzwecken genutzten Gebäude bebauten Grundstückes Flurstück … der Flur … der Gemarkung F. mit der Adresse G. in Hannover. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes 991 der Landeshauptstadt Hannover, der am 12. Dezember 1984 in Kraft getreten ist und der für den Bereich, in dem auch das Grundstück des Antragstellers liegt, die Festsetzung „Dauerkleingarten“ trifft. Das Grundstück hat eine Größe von 1.867 m².

Der am 22. September 2021 erlassene Planfeststellungsbeschluss sieht – bedingt in erster Linie durch eine vorgesehene Verbreiterung des Südschnellweges – eine dauerhafte Inanspruchnahme des Grundstücks in dessen nördlichen Bereich im Umfang von 236 m² sowie eine vorübergehende Inanspruchnahme während der Bauphase im Umfang von 238 m² vor.

Gegen den ihm am 22. Oktober 2021 zugstellten Planfeststellungsbeschluss hat der Antragsteller am 22. November 2021 Klage erhoben (7 KS 199/21), über die noch nicht entscheiden ist, und zugleich um den hier streitgegenständlichen einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Seinem mit weiterem Schriftsatz vom 23. Dezember 2021 ergänzend begründetem Begehren sind die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils entgegengetreten, wobei auch die Beigeladene einen Antrag auf Ablehnung des Gesuches um vorläufigen Rechtsschutz gestellt hat.

II.

Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt., 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.

A. Zweifel an der Zulässigkeit bestehen nicht. Der Antrag ist insbesondere statthaft. Denn der Klage kommt – sollte der Antragsteller dies noch bezweifeln – nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu. Richtig ist zwar, dass für den Südschnellweg kein vordringlicher Bedarf festgestellt ist und eine sofortige Vollziehbarkeit daher nicht aus § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO folgt. Sie ergibt sich allerdings aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a VwGO, nach dem die aufschiebende Wirkung für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte entfällt, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO fallen, die mithin nicht spezialgesetzlich für sofort vollziehbar erklärt wurden. Soweit sich der Vortrag des Antragstellers dahingehend verstehen ließe, dass der Antragsteller meint, in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a VwGO sei die positive Feststellung einer Eilbedürftigkeit des Vorhabens erforderlich, ist dies unzutreffend; eine sofortige Vollziehbarkeit besteht bereits und ohne Weiteres auf Grundlage der Entscheidung des Gesetzgebers.

B. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses vom 22. September 2021 überwiegt nicht das öffentliche Vollziehungsinteresse.

Maßgeblich für die Entscheidung des Senats ist eine umfassende Interessenabwägung, deren Gegenstand das Aussetzungsinteresse des Antragstellers einerseits sowie das Interesse der Öffentlichkeit und der beigeladenen Vorhabenträgerin an der Beibehaltung der von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a VwGO grundsätzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses andererseits sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben insbesondere Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses Relevanz, dies allerdings nicht als unmittelbar ausschlaggebend für die Entscheidung, sondern als in die Gewichtung der wechselseitigen Interessen einzustellende Aspekte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.12.2019 - OVG 1 S 59.19 -, juris; Beschluss vom 23.07.2019 - OVG 11 S 80.18 -, juris).

Mit seinem Vortrag zeigt der Antragsteller keine Aspekte auf, die darauf schließen ließen, der Planfeststellungsbeschluss sei rechtswidrig. Er zeigt weder Verfahrensfehler auf (dazu unter I.), noch legt er durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Planrechtfertigung (dazu unter II.), hinsichtlich der Wahrung zwingenden Rechts (dazu unter III.) oder in Bezug auf die Beachtung des Abwägungsgebots (dazu unter IV.) dar.

I. Mängel hinsichtlich der Annahme des Bestehens der Planrechtfertigung zeigt der Antragsteller mit seinem Vortrag nicht auf. Seine Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Bundesverkehrswegeplanes mit dem Pariser Klimaschutzabkommen vom 12. Dezember 2015 gehen ins Leere: Der Planfeststellungsbeschluss stützt sich nicht auf den Bundesverkehrswegeplan, sondern auf eine projektspezifische Verkehrsprognose für das Jahr 2030 (vgl. etwa Erläuterungsbericht, S. 12).

II. Verfahrensfehler macht der Antragsteller nicht mit Erfolg geltend.

1. Seinem Vortrag, es habe mit Blick auf den Ausbruch der Corona-Pandemie eine fehlerhafte Anhörung stattgefunden, fehlt es an nötiger Substanz. Konkrete Behinderungen bei der (versuchten) Einsichtnahme in die Planunterlagen schildert er nicht. Eine durch die Corona-Pandemie bedingte „Ausgangssperre“ bestand entgegen seiner Schilderung nicht. Unzutreffend ist ferner die Darstellung, die Anhörung sei um zwei Wochen verlängert worden. Die ursprünglich und im Einklang mit § 17a FStrG i.V.m. § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG für die Zeit vom 6. März 2020 bis zum 6. April 2020 vorgesehene Auslegung der Planunterlagen begann zwar plangemäß; die Unterlagen waren allerdings bis zum Ende der Einwendungsfrist am 18. Mai 2020 und damit mehr als einen Monat länger als vorgeschrieben einsehbar.

Ebenfalls ohne hinreichende Substanz ist der Einwand, der Erörterungstermin sei „nur sehr schwach besucht“ gewesen. Ob dies bei einer Teilnehmerzahl von 36 (ausschließlich der Vertreter der Beklagten und Beigeladenen) zutrifft, mag dahinstehen; entscheidend ist, dass rechtliche und/oder tatsächliche Hindernisse an der Teilnahme nicht bestanden haben. Haben Bürger, die Einwendungen erhoben hatten, aus Sorge vor einer Infektion mit SARS-CoV2 davon abgesehen, am Erörterungstermin teilzunehmen, war dies ihre freiwillige und die Rechtmäßigkeit des Anhörungsverfahrens nicht berührende Entscheidung.

Nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen des Antragstellers hinsichtlich einer vermeintlich ungenügenden Weitergabe von Informationen an die Presse. Dass gesetzlichen Bekanntmachungspflichten nicht genügt worden wäre, ist weder vom Antragsteller konkret ausgeführt noch sonst ersichtlich.

2. Der vom Antragsteller gerügte Zustellungsmangel liegt nicht vor. Dass ihm der Planfeststellungsbeschluss zugestellt und nicht durch öffentliche Bekanntmachung bekanntgegeben wurde, ist nicht zu beanstanden.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 5 FStrG i.V.m. § 74 Abs. 5 Satz 1 VwVfG können Zustellungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden, wenn mehr als fünfzig Zustellungen nach § 74 Abs. 4 VwVfG vorzunehmen sind. § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG sieht vor, dass der Planfeststellungsbeschluss dem Träger des Vorhabens, denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, und den Vereinigungen, über deren Stellungnahmen entschieden worden ist, zuzustellen ist. Maßgeblich ist demnach nicht die Gesamtzahl der erhobenen Einwendungen, sondern die Anzahl der Einwendungen, über die entschieden wurde. Dies waren 37 Einwendungen (S. 54-64 PFB), so dass auch unter Berücksichtigung des Vorhabenträgers als weiterem Zustellungsadressaten die Möglichkeit einer (ausschließlichen) öffentlichen Bekanntmachung nicht bestand.

III. Einen Verstoß gegen zwingendes Recht zeigt der Antragsteller nicht mit Erfolg auf.

Sollte er in dem von ihm angenommenen Verstoß gegen das vermeintliche „Gebot maximaler Schonung“ nach Nr. 2.1 der Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA) einen Verstoß gegen zwingendes Recht sehen, geht diese Annahme fehl. Den RAA kommt keine Rechtsnormqualität zu, sie stellen lediglich Verwaltungsvorschriften dar. Im Übrigen formuliert Nr. 2.1 nicht das vom Antragsteller als verletzt angesehene Gebot größtmöglicher Schonung, sondern stellt das Schonungspostulat unter den Vorbehalt der „Wahrung des dafür erforderlichen Entwurfsstandards“.

IV. Auch Abwägungsmängel macht der Antragsteller nicht mit Erfolg geltend.

1. Mängel an der Entscheidung für die Wahl des Fahrbahn-Querschnitts RQ25 zeigt der Vortrag des Antragstellers nicht auf.

a. Entgegen der Einschätzung des Antragstellers hat die Antragsgegnerin zu Recht die Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA) für die Ermittlung und Bestimmung des Querschnitts herangezogen. Mit seinem Einwand, die „RStA“ – gemeint sein dürften die RASt (Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen) – seien anstelle der RAA anzuwenden gewesen, übergeht der Antragsteller die ausführlichen Ausführungen hierzu im Planfeststellungsbeschluss (S. 129), die sowohl eine Anwendung der Richtlinien für die Anlage von Landstraßen (RAL) als auch der RASt in Betracht ziehen und jeweils mit Begründung ablehnen. Im Übrigen setzt der Antragsteller sich in Widerspruch zu dem von ihm selbst vorgelegten Gutachten des Dipl.-Ing. H., das die RAA ausdrücklich für einschlägig befindet (S. 7).

b. Auch mit Blick auf die Planungsentscheidung für die Herstellung von zwei jeweils 2 m breiten befestigten Seitenstreifen am jeweils rechten Fahrbahnrand bringt der Antragsteller keine durchdringenden Rügen an.

Das von dem Antragsteller auch in diesem Zusammenhang formulierte „Minimaleingriffsgebot der RAA“ existiert in der von ihm verstandenen Weise eines Gebotes der größtmöglichen Schonung von Umweltbelangen unter Zurückstellung aller übrigen Belange – wie ausgeführt (s. oben S. 6) – nicht.

Soweit der Antragsteller unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dipl.-Ing. H. die Belastbarkeit der erstellten Verkehrsprognose bezweifelt, reicht sein Vortrag deutlich nicht aus, um diese zu erschüttern. Die Ausführungen des Gutachters H. erschöpfen sich in vagen, einer Substanz entbehrenden und unkonkreten Vorhersagen zu der seines Erachtens zu erwartenden Reduzierung des Kraftfahrzeugverkehrs in der Bundesrepublik (S. 25 des Gutachtens).

Unzutreffend ist ferner die Annahme, es liege ein Abwägungsausfall mit Blick auf die Frage vor, ob auf die Errichtung der befestigten Seitenstreifen verzichtet werden könne. Im Rahmen der Begründung der Querschnittsgestaltung führt die Antragsgegnerin ausdrücklich die nach den RAA grundsätzlich bestehende Möglichkeit auf, ausnahmsweise die standardisierten Querschnittsmaße zu unterschreiten, verneint allerdings das Vorliegen eines ein Unterschreiten rechtfertigenden Ausnahmefalls (S. 130 PFB). Auch im Zuge der Auseinandersetzung mit Einwendungen, die eine Reduzierung des Querschnitts fordern, hat die Antragsgegnerin eingehende Erwägungen zu der Möglichkeit des Verzichts auf die Seitenstreifen angestellt und einen solchen abgelehnt (S. 164-167, 172, 181 f. PFB). Dies lässt der Antragsteller unberücksichtigt.

Der Einschätzung des Antragstellers, eine Errichtung der Fahrbahn unter Verzicht auf die Seitenstreifen sei ohne Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit möglich, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach Nr. 4.2.3.5 der RAA sind Seitenstreifen aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Betriebsdienstes unabdingbarer Bestandteil von Autobahnquerschnitten. Mag ein Verzicht auf sie nach Nr. 4.3.4 der RAA bei Stadtautobahnen (EKA 3), zu denen der Südschnellweg zählt, in engen Grenzen auch zulässig sein, unterstreicht das mit einem Verzicht auf die Seitenstreifen einhergehende Gebot, zumindest Nothaltebuchten in Abständen von nicht mehr als 1.000 m zu errichten, dass der Verzicht auf Seitenstreifen unweigerlich mit einer Reduzierung der Verkehrssicherheit einhergeht.

2. Eine Fehlgewichtung der Interessen des Antragstellers mit Blick auf den Schallschutz liegt nicht vor. Das Grundstück des Antragstellers liegt in einem Bereich, der von dem Bebauungsplan 991 der Landeshauptstadt Hannover vom 12. Dezember 1984 als Gebiet für Dauerkleingärten (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) festgesetzt ist. Damit handelt es sich um ein sonstiges Gebiet im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 16. BImSchV, das hiernach entsprechend seiner Schutzbedürftigkeit gemäß § 2 Abs. 1 16. BImSchV zu beurteilen ist. Maßgeblich für die Intensität der Schutzbedürftigkeit ist im Falle der Festsetzung eines Gebietstypus die Schutzbedürftigkeit der dort zulässigen Nutzungen; nicht entscheidend ist die tatsächliche Art der Nutzung eines konkreten Grundstücks ohne Rücksicht auf deren Zulässigkeit (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 26.03.2014 - 1 KN
1/12 -, juris). Die Beurteilung der Schutzbedürftigkeit des Gebietes entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 3 16. BImSchV wird vom Antragsteller nicht angegriffen und begegnet auch keinen Bedenken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.03.1992 - 4 B 230.91 -, juris). Der demnach tagsüber einzuhaltende Immissionsgrenzwert von 64 dB(A) wird ausweislich der Unterlage 17.1.2 deutlich unterschritten.

Unschädlich ist, dass ein Immissionswert für die Nachtzeit nicht ermittelt wurde. Die vom Antragsteller betriebene Nutzung des Grundstückes zu Wohnzwecken erforderte, da sie auch in der Nacht stattfindet, im Grundsatz gemäß § 2 Abs. 3 16. BImSchV zwar die Ermittlung eines solchen. Die Wohnnutzung ist jedoch illegal, genießt daher keinen rechtlichen Schutz und ist im Rahmen der schalltechnischen Untersuchung zutreffend unberücksichtigt geblieben.

Die von dem Antragsteller vorgelegten Unterlagen belegen nicht die Genehmigung einer Nutzung zu Wohnzwecken: Der Bauschein vom 31. August 1950 (Anlage EA4 zum Schriftsatz des Antragstellers vom 22. November 2021) bezieht sich auf den Wiederaufbau eines Gartenhauses. Das Schriftstück vom 16. März 1956 stellt eine Teilungsgenehmigung, das vom 11. Januar 1957 (jeweils a.a.O.) die Genehmigung eines Grundstücks(teil)kaufvertrages gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten vom 22. September 1933 (RGBl. I, S. 659) in der Fassung vom 27. September 1938 (RGBl. I, S. 1246) (WSG) dar. Dass Genehmigungen nach dem WSG, wie die Antragsgegnerin zu Recht anmerkt, in ihrer Wirkung hinsichtlich der Frage nach einer Bebaubarkeit des betroffenen Grundstücks Ähnlichkeiten zum heutigen Bauvorbescheid aufweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.06.1956 - I C 93.54 -, juris), geht nicht mit einer eine Baugenehmigung entbehrlich machenden Genehmigungswirkung für eine Wohnnutzung einher.

Vor diesem Hintergrund kommt es auf die bestandskräftige Untersagung der Wohnnutzung vom 10. Mai 2012 (von der Antragsgegnerin übersandt mit Schriftsatz vom 17. Januar 2022) nicht an. Diese stünde der Schutzwürdigkeit einer Wohnnutzung aber selbst dann eigenständig entgegen, wenn der Antragsteller sein Grundstück vor ihrem Erlass rechtmäßig zu Wohnzwecken genutzt hätte.

3. Die Kritik des Antragstellers, es müssten „zwingend 300.000 m³ Tunnelaushub an der Trasse verbaut werden“, der in einer die Umwelt weniger belastenden Weise für die Errichtung von Schutzwällen an der Ortsumgehung Hemmingen Verwendung finden könne, ist schon inhaltlich unzutreffend. Richtig ist, dass aufgrund des Tunnelaushubs im östlichen Bereich der Trasse etwa 300.000 m³ Aushubmaterial anfallen. Dieses soll allerdings nicht vollständig, sondern nur, soweit es sich um Material der LAGA-Einstufung Z0 handelt und maximal in dem benötigten Umfang von 189.000 m³ (126.000 m³ für die Dammverbreiterung, 63.000 m³ für die Wiederverfüllung des Tunnels) an der Trasse verbaut werden (vgl. 4.11.4 der Unterlage 1).

Im Übrigen steht dem Antragsteller als Enteignungsbetroffenem zwar ein Vollüberprüfungsanspruch zu. Nicht ersichtlich ist allerdings, dass sich die Frage nach dem Ort des Wiederverbaus des Tunnelaushubmaterials, selbst wenn – wofür nach dem Vortrag des Antragstellers nichts spricht – insoweit ein Abwägungsfehler vorliegen sollte, ursächlich für die Inanspruchnahme des Grundstücks des Antragstellers sein könnte.

4. Mit der Rüge, sein Grundstück könne ungeschmälert erhalten bleiben, wenn anstelle der geplanten Dammböschung L-Betonstützen oder Metallspundwände zum Einsatz kämen, zeigt der Antragsteller keinen Abwägungsmangel auf. Seiner Argumentation liegt die Annahme zugrunde, die hinsichtlich des Einwendungsschreibens Nr. 179 zum Kosten-Nutzen-Verhältnis von Beigeladener und Antragsgegnerin angestellten Überlegungen (S. 154 PFB) griffen in seinem Falle nicht, da sein Grundstück rechtmäßig zu Wohnzwecken genutzt werde und daher einen erheblich höheren Wert aufweise als das von den genannten Erwägungen betroffene Gartengrundstück. Dies ist – wie aufgezeigt – jedoch nicht der Fall; die Wohnnutzung genießt keinen rechtlichen Schutz und ist daher nicht geeignet, sich werterhöhend auszuwirken.

5. Abwägungsfehlerhaft ist der Planfeststellungsbeschluss auch nicht deshalb, weil er keine Anordnung gegenüber der Beigeladenen enthält, die im Eigentum des Antragstellers verbleibenden – vom Planfeststellungsbeschluss nicht unmittelbar in Anspruch genommenen – Flächen seines Grundstücks gegen Zahlung einer Entschädigung mit zu übernehmen.

Ob über einen Anspruch auf Grundstücksübernahme gegen Entschädigung schon im Planfeststellungsbeschluss selbst zu entscheiden ist, richtet sich nach der Art der anspruchsbegründenden Beeinträchtigungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.07.2004 - 9 A 21.03 -, juris m.w.N.; Senat, Urteil vom 19.02.2009 - 7 KS 78/06 -, juris). Entfaltet ein Planfeststellungsbeschluss lediglich mittelbare Wirkung auf das Grundeigentum, ohne dieses in Anspruch zu nehmen, und bringt diese Wirkung Folgen mit sich, die dem Betroffenen nicht ohne Weiteres als Teil der inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zuzumuten sind, ist im Planfeststellungsbeschluss selbst über eine Entschädigung zu befinden. Ermöglicht der Planfeststellungsbeschluss dagegen den unmittelbaren Zugriff auf das Grundeigentum durch dessen (Teil-) Entzug, kommt ihm mit anderen Worten – wie hier (§ 19 Abs. 1 Satz 2 FStrG) – enteignungsrechtliche Vorwirkung zu, ist die Regelung der damit verbundenen Entschädigungsfragen erst im gesonderten Enteignungsverfahren geboten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, da sie einen Antrag gestellt und sich auf diesem Wege einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nrn. 34.2.1.1, 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).