Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.07.2017, Az.: 8 LA 40/17
Altersrente; vorgezogene Altersrente; Alterssicherungsordnung; Ärzteversorgung; Aufklärung; Bekanntmachung; Beratung; Beratungspflicht; Einzelnachricht; Herstellungsanspruch; sozialrechtlicher Herstellungsanspruch; Ledigenzuschlag; Rechtsänderung; Satzung; Satzungsänderung; Versorgungseinrichtung; Versorgungswerk
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.07.2017
- Aktenzeichen
- 8 LA 40/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 53950
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 19.01.2017 - AZ: 5 A 3128/15
Rechtsgrundlagen
- § 15 Abs 10 ASO
- § 2 ASO
- § 44 ASO
- § 26 Abs 1 HKG ND
- § 15 SGB 1
- § 14 SGB 1
- § 13 SGB 1
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Soweit § 2 der Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen Bekanntmachungen auch durch Einzelnachrichten anordnet, findet die Vorschrift auf den Erlass von Satzungen keine Anwendung.
§ 44 der Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen verpflichtet zur allgemeinen Aufklärung der Mitglieder und Rentner und nicht zur Beratung im Sinne des spezifischen Eingehens auf Gestaltungsmöglichkeiten eines bestimmten Mitglieds in einer bestimmten Situation.
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 5. Kammer (Einzelrichterin) - vom 19. Januar 2017 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 4.346,64 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die rückwirkende Leistung vorzeitiger Altersrente aus der Ärzteversorgung.
Die 1952 geborene Klägerin ist seit 1986 Mitglied der Beklagten. Von 2007 an leistete sie jährliche Beiträge, die ungefähr dem Höchstbeitrag entsprachen. Im Mai 2014 teilte sie einer Bediensteten der Beklagten telefonisch mit, dass sie eventuell ab September 2014 nur noch einen geringen Gewinn haben werde, und bat um Berechnung der Altersrente ab 1. Oktober 2015 mit Beiträgen von 50 und 500 Euro. Das Ergebnis der Berechnungen teilte die Beklagte mit Schreiben vom 14. Mai 2014 mit, in dem es auch hieß, die Altersrente erhöhe sich um einen Zuschlag von 20 %, wenn bei Rentenbeginn keine rentenbezugsberechtigten Personen vorhanden seien.
Dieser Zuschlag beruhte auf § 15 Abs. 10 Satz 1 der Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen (ASO), die in der seinerzeit geltenden Fassung anordnete, dass das versorgungsberechtigte Mitglied einen Zuschlag in Höhe von 20 % erhält, wenn nach seiner verbindlichen Erklärung bei Beginn der Altersrente keine sonstigen rentenbezugsberechtigten Personen vorhanden sind. Durch am 24. September 2014 von der Kammerversammlung beschlossene Satzungsänderung wurde die Höhe des Zuschlags mit Wirkung vom 1. Januar 2015 auf 10 % reduziert (ausgefertigt am 28.10.2014, Niedersächsisches Ärzteblatt Dezember 2014, S. 33).
Am 21. April 2015 beantragte die Klägerin Altersrente ab dem 1. April 2015. Durch Bescheid vom 18. Mai 2015 gewährte die Beklagte die beantragte Rente. Bei der Rentenberechnung wurde ein Zuschlag von 10 % berücksichtigt. In einem dagegen gerichteten Widerspruchsschreiben führte die Klägerin u.a. aus, durch einen Beratungsfehler ihrer Steuerberaterin über die Rentenbesteuerung, die mit dem Kalenderjahr und nicht mit dem Alter um je 2 % steige, habe sie ihr Vorhaben, die Rente zum Dezember 2014 zu beantragen, um sechs Monate verschoben.
Die Klägerin hat am 16. Juni 2015 Klage erhoben und u.a. vorgetragen, sie habe im Dezember 2014 wie immer zum Jahresende ein Telefongespräch mit der Sachbearbeiterin geführt, um die Summe der möglichen freiwilligen Zuzahlungen zu erfragen. Sie habe ihre schwierige wirtschaftliche und gesundheitliche Situation geschildert und mit der Sachbearbeiterin erörtert, ob es sinnvoll sei, noch weitere freiwillige Zuzahlungen zu leisten, da sie beabsichtige, ab April 2015 eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen. Die Sachbearbeiterin hätte der Klägerin die vorgesehene Satzungsänderung mitteilen müssen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 19. Januar 2017 abgewiesen. Die Herabsetzung des Ledigenzuschlags sei wirksam. Der Rentenbeginn könne nicht nachträglich vorverlegt werden. Dies sei in der ASO nicht vorgesehen. Die Klägerin habe auch keinen Herstellungsanspruch. Es könne dahinstehen, ob dieser Anspruch auf die berufsständische Versorgung Anwendung finde. Es fehle an einer individuellen Beratungspflicht. Selbst wenn man das anders beurteile, habe keine sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängende Gestaltungsmöglichkeit bestanden, über die die Klägerin hätte beraten werden müssen. Ohne die genaue Kenntnis aller maßgeblichen biografischen Daten der Klägerin wäre nicht absehbar gewesen, bis zu welchem Rentenbeginn sich die Herabsetzung des Ledigenzuschlags für die Klägerin überhaupt auswirken würde, und wenn ja, in welchem Umfang. Es wären weitere Recherche- und Rechenschritte erforderlich gewesen, welche ein Sich-Aufdrängen ausschlössen. Bei dem möglicherweise im Dezember 2014 geführten Telefongespräch sei es um zusätzliche Beitragszahlungen gegangen. Es sei keine Rentenberatung in Anspruch genommen worden. Ein etwaiger Schaden könne auch deshalb nicht kausal auf eine unterlassene Auskunftserteilung zurückgeführt werden, weil die Klägerin auf Rat ihrer Steuerberaterin den Rentenantrag aus steuerlichen Gründen um sechs Monate verschoben habe.
Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und des Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO sind zum Teil schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104, 140). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 – BVerwG 7 AV 4.03 –, NVwZ-RR 2004, 542, 543). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 17.6.2015 – 8 LA 16/15 –, NdsRPfl. 2015, 244, 245; Senatsbeschl. v. 17.5.2016 – 8 LA 40/16 –, juris Rn. 6).
a. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung wird vorgetragen, die Satzungsänderung, mit der der Ledigenzuschlag abgesenkt wurde, sei gegenüber der Klägerin nicht ordnungsgemäß veröffentlicht worden. Deswegen sei sie so zu stellen, wie sie stünde, wenn die Satzung ihr gegenüber ordnungsgemäß im Dezember 2014 veröffentlicht worden wäre. Gemäß § 2 ASO erfolgten Bekanntmachungen der Beklagten im „Niedersächsischen Ärzteblatt“ und, soweit Mitglieder oder Leistungsempfänger nicht Bezieher des „Niedersächsischen Ärzteblattes“ seien, durch Einzelnachricht. Die Klägerin hätte wie die Bezieher des Niedersächsischen Ärzteblatts im Dezember 2014 durch Einzelnachricht von der Satzungsänderung informiert werden müssen. Tatsächlich sei sie erst 2015 durch die Mitgliederinformation informiert worden, als sie nicht mehr in der Lage gewesen sei zu reagieren.
Diesem rechtlichen Ansatz ist nicht zu folgen. Die Änderungssatzung kann als Rechtsnorm nur wirksam oder nichtig sein und nur einheitlich in Kraft treten. Eine bloß relative Unwirksamkeit gegenüber der Klägerin scheidet aus. Ebenso verbietet es sich, im Falle der Wirksamkeit der Änderungssatzung aus den Bekanntmachungsvorschriften herleiten zu wollen, dass die Klägerin gleichwohl mangelhaft informiert gewesen sei. Wenn die Bekanntmachung zur Wirksamkeit der Rechtsnorm geführt hat, scheidet eine Verletzung besonderer Rechte der Klägerin aus. Wie bei allen Rechtsetzungsakten regeln die Bekanntmachungsvorschriften die Voraussetzungen des Inkrafttretens und keine Ansprüche der Normadressaten auf Kenntniserlangung im Einzelfall.
Auch wenn man den Vortrag unter dem Gesichtspunkt würdigt, ob die Änderungssatzung überhaupt Wirksamkeit erlangt hat, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel. Die Änderungssatzung ist auch dann gegenüber jedermann in Kraft getreten, wenn die Klägerin keine Einzelnachricht erhalten hat.
Auch aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt sich, dass bestehende Vorschriften über Bekanntmachungsformen eingehalten werden müssen (BVerwG, Beschl. v. 22. 6. 2012 – 8 BN 1/12 –, juris Rn. 7). Schreibt eine Bekanntmachungsregelung die kumulative Veröffentlichung in mehreren Publikationsorganen vor, so darf der Bürger darauf vertrauen, sich in jedem dieser Organe lückenlos über Bekanntmachungen der betreffenden Stelle informieren zu können (BVerwG, Urt. v. 11.10. 2006 – 10 CN 2/05 –, BVerwGE 126, 388 Rn. 20).
Zur Wirksamkeit der Änderungssatzung hat die Bekanntmachung im Niedersächsischen Ärzteblatt Dezember 2014 ausgereicht (vgl. Senatsurt. v. 24.6.2016 – 8 KN 128/15 –, juris Rn. 40).
Soweit § 2 ASO die Herausgabe von Einzelnachrichten anordnet, findet die Vorschrift auf den Erlass von Satzungen keine Anwendung. Gemäß § 26 Abs. 1 HKG sind Satzungen nach dem HKG und Beschlüsse nach § 25 HKG nach näherer Bestimmung durch die Kammersatzung im Mitteilungsblatt der Kammer oder im Internet bekannt zu machen. Eine Satzung nach dem HKG ist auch die in § 25 Nr. 1 Buchst. i) HKG geregelte Alterssicherungsordnung. Das Gesetz kennt für die Promulgation von Satzungen nur zwei alternativ geregelte Formen, die Bekanntmachung im Mitteilungsblatt und die Bekanntmachung im Internet (zum Verhältnis von HKG und Kammersatzung vgl. auch Senatsurt. v. 29.9.2004 – 8 KN 4142/01 –, juris Rn. 62 f.). Wenn es eine nähere Bestimmung durch die Kammersatzung vorsieht, bezieht sich das auf die vorgegebenen Publikationsformen; deren Durchführung kann näher ausgestaltet werden. Dagegen erlaubt es das Gesetz nicht, für die Bekanntmachung von Satzungen kumulativ zu den gesetzlich vorgesehenen Bekanntmachungsformen eine andersartige Bekanntmachungsform anzuordnen. Dann ist nicht zu erwarten, dass § 2 ASO den Satzungserlass entgegen dieser gesetzlichen Vorgabe regeln wollte.
Hinzu kommt, dass es wenig sinnvoll wäre, wenn das Inkrafttreten einer Rechtsnorm von der Herausgabe von Einzelnachrichten abhängig gemacht würde. Eine Rechtsnorm kann nur einheitlich mit Wirkung für und gegen jedermann (generell) in Kraft treten. Das unterscheidet sie vom Verwaltungsakt, dessen Wirksamkeit nach § 1 NVwVfG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG davon abhängt, ob eine Bekanntgabe im Verhältnis zum jeweiligen Betroffenen erfolgt ist. Eine Bekanntgabehandlung gegenüber einzelnen Normadressaten ist von Verfassungs wegen nicht erforderlich; die Zugänglichkeit der verlautbarten Rechtsnorm, so dass die Möglichkeit zur verlässlichen Kenntnisnahme besteht, reicht aus (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 22. 6. 2012 – 8 BN 1/12 –, juris Rn. 5 f.). Vor diesem Hintergrund würde es zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen, wenn zur Bekanntmachung von Satzungen auch die Herausgabe von Einzelnachrichten gehörte. Ob eine ordnungsgemäße Bekanntmachung erfolgt ist, könnte dann nämlich davon abhängen, ob der Adressatenkreis dieser Einzelnachrichten im Wesentlichen zutreffend festgelegt wurde. Auch wenn man wie bei der Veröffentlichung durch Rundschreiben annähme, dass sie als in dem Zeitpunkt erfolgt gilt, in dem die Benachrichtigung nach dem gewöhnlichen Ablauf der Postbeförderung die Empfänger erreicht, und dass es nicht darauf ankommt, ob das einzelne Mitglied sie tatsächlich erhalten hat (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26.3.1980 – 2 A 2835/78 –, GewArch 1980, 337, 338), bereitete die Bestimmung des Zeitpunkts der Bekanntmachung, von dem der Zeitpunkt des Inkrafttretens abhängen kann, erhebliche Schwierigkeiten. Denn der gewöhnliche Ablauf der Postbeförderung ist nicht einfach festzustellen. Auch wegen dieser Problematik gilt bei Verwaltungsakten die – nicht analogiefähige – Drei-Tages-Fiktion des § 41 Abs. 2 VwVfG.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich auch ohne besondere Anhaltspunkte im Wortlaut, dass die Bekanntmachungsvorschrift für Satzungen nicht gilt. Ein ähnliches Ergebnis hat auch das OVG Rheinland-Pfalz für das Versorgungswerk der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern gefunden (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.12.2011 – 6 C 11098/11 –, juris Rn. 29 f.).
b. In materieller Hinsicht steht die Absenkung des Ledigenzuschlags mit höherrangigem Recht im Einklang. Das hat der Senat bereits entschieden. Auf die in dem angefochtenen Urteil auszugsweise wiedergegebenen Entscheidungen vom 24. Juni 2016 wird verwiesen. Die Absenkung verfolgt in verhältnismäßiger Weise das legitime Ziel, den Ledigenzuschlag auf eine nach versicherungsmathematischen Kriterien angemessene Höhe abzusenken, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versorgungssystems zu sichern und den sozialen Ausgleich innerhalb der Versorgungsgemeinschaft durch erhöhte Heranziehung von Mitgliedern ohne sonstige rentenbezugsberechtigte Angehörige zu stärken (Senatsurt. v. 24.6.2016 – 8 KN 128/15 –, juris Rn. 55 f.). Ein unzulässiges Sonderopfer liegt darin entgegen dem Vorbringen des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht.
c. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind nicht erfüllt, so dass es auf dessen Anwendbarkeit im Recht der berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht ankommt.
aa. In Bezug auf den Herstellungsanspruch hat das Verwaltungsgericht selbständig tragend angenommen, es fehle an einer Beratungspflicht, wie sie § 14 SGB I vorschreibe. § 44 ASO regle nur eine Pflicht zur allgemeinen Information und Aufklärung über die aktuell geltenden Bestimmungen, nicht aber über zukünftig in Kraft tretende Regelungen. Ein Recht auf individuelle Beratung ergebe sich aus der Regelung nicht. Dagegen bringt der Antrag auf Zulassung der Berufung kein schlüssiges Gegenargument vor.
Gemäß § 44 ASO obliegt der Beklagten die allgemeine Aufklärung ihrer Mitglieder und Rentner über deren Rechte und Pflichten. Bereits die Verwendung des Wortes „allgemein“ verdeutlicht, dass eine Beratung im Sinne des spezifischen Eingehens auf Gestaltungsmöglichkeiten eines bestimmten Mitglieds in einer bestimmten Situation von der Vorschrift nicht erfasst wird. Dies wird durch den Vergleich mit den §§ 13 ff. SGB I bestätigt. § 13 SGB I betrifft die Aufklärung der Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Die Aufklärung wendet sich an die Allgemeinheit. Die Beratung beinhaltet eine umfassende individuelle und persönliche Information über alle für den Bürger bedeutsamen Rechtsfragen. Sie ist in § 14 SGB I geregelt. Die in § 15 SGB I behandelte Auskunft nimmt eine Zwischenstellung zwischen Aufklärung und Beratung ein und enthält als Minimum die Benennung des zuständigen Leistungsträgers, außerdem aber auch die Antwort auf Sach- und Rechtsfragen, soweit die Auskunftsstelle dazu in der Lage ist (zum Ganzen KassKomm, § 13 SGB I Rn. 2). Nur zu § 13, nicht aber zu §§ 14 und 15 SGB I enthält die ASO mit § 44 eine Parallele. Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung meint, dies werde den Aufgaben der Beklagten nicht gerecht, hilft das nicht darüber hinweg, dass er keine Rechtsnorm angibt, aus der ein von der Ansicht des Verwaltungsgerichts abweichendes Ergebnis folgen könnte.
bb. Das Verwaltungsgericht hat weiter angenommen, selbst wenn man unterstellte, dass der Rechtsgedanke des § 14 SGB I entsprechend anwendbar wäre, habe die Beklagte mangels sich aufdrängender Gestaltungsmöglichkeiten keine Beratungspflicht verletzt. Auch das zieht der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht erfolgreich in Zweifel.
Ein Herstellungsanspruch wegen der Verletzung einer Beratungspflicht setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts voraus, dass der Versicherungsträger nicht auf Gestaltungsmöglichkeiten hinweist, die nach den ihm bekannten Umständen klar zu Tage liegen und deshalb für ihn erkennbar sind. Das darf nicht dahin verstanden werden, als müsse der Versicherungsträger wie ein Rechtsberater den Versicherten schlechterdings auf alle aus den Vorschriften des Gesetzes zu ziehenden Vorteile aufmerksam machen, sofern diese Möglichkeiten nur im konkreten Fall evident sind. Sinn der Beratungspflicht ist es, dem Versicherten in der Erlangung der ihm vom Gesetz zugedachten Rechte beizustehen. Deshalb liegt es auf der Hand, dass der Versicherungsträger auf Möglichkeiten eines Rechtsmissbrauchs keineswegs hinweisen muss. Auszuscheiden sind aber ferner solche Gestaltungsmöglichkeiten, die zwar keinen Rechtsmissbrauch bedeuten, die der Gesetzgeber jedoch vom Bürger nicht ohne weiteres erwartet. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Regelung für unbefriedigend hält und deswegen ändert, er die Änderung jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen oder solchen der Praktikabilität erst eine gewisse Zeit nach der Verkündung in Kraft treten lässt. Bei einer solchen Sachlage muss der Versicherungsträger die Versicherten nicht darüber belehren, dass sie durch ein Tätigwerden in der Zwischenzeit noch den mit der Rechtsänderung auf sie zukommenden Nachteilen ausweichen könnten. Hiermit könnte nämlich der mit der Gesetzesänderung angestrebte Erfolg weitgehend beeinträchtigt werden. Das gilt insbesondere, wenn schon aus finanziellen Gründen ein erhebliches öffentliches Interesse an dem alsbaldigen Inkrafttreten der Neuregelung besteht (vgl. BSG, Urt. v. 18.8.1983 – 11 RA 40/82 –, BSGE 55, 257, 260).
Diese zur Berücksichtigung von Ausfallzeiten beim Altersruhegeld entwickelte Rechtsprechung lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Die von der Klägerin vermisste Beratung hätte Gestaltungsmöglichkeiten in der Übergangszeit zwischen Bekanntmachung und Inkrafttreten einer auch aus finanziellen Gründen erlassenen Neuregelung des Ledigenzuschlags betroffen. Im Übrigen ist entgegen dem Zulassungsvorbringen zweifelhaft, ob sich bei einem Gespräch, das sich auf die Möglichkeit einer freiwilligen Zuzahlung bezog, ausreichender Anlass für eine Spontanberatung ergab (vgl. BSG, Urt. v. 26.10.1994 – 11 Rar 5/94 –, NZS 1995, 325, 326 f.) und ob die Gestaltungsmöglichkeit, hinsichtlich deren die Klägerin eine Beratung vermisst, klar zu Tage lag, wenn die erforderlichen Daten sich lediglich aus der Mitgliedsakte ergaben.
2. Die Berufung ist nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Solche Schwierigkeiten sind nur dann anzunehmen, wenn die Beantwortung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage oder die Klärung einer entscheidungserheblichen Tatsache in qualitativer Hinsicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden ist (vgl. Senatsbeschl. v. 26.1.2011 – 8 LA 103/10 –, juris Rn. 44; v. 24.3.2017 – 8 LA 197/16 –, juris Rn. 29). Daher erfordert die ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes eine konkrete Bezeichnung der Rechts- oder Tatsachenfragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, und Erläuterungen dazu, worin diese besonderen Schwierigkeiten bestehen (vgl. Senatsbeschl. v. 11.10.2010 – 8 LA 65/10 –, juris Rn. 17).
Der Antrag auf Zulassung der Berufung leitet besondere Schwierigkeiten daraus her, dass die Klägerin die Absenkung des Ledigenzuschlags als mit höherrangigem Recht unvereinbar ansehe. Die diesbezüglichen Rechtsfragen sind jedoch geklärt (s.o. 1.b.).
3. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine solche grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 4.7.2011 – 8 LA 288/10 –, GewArch 2011, 494, 497 m.w.N.). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. Senatsbeschl. v. 15.8.2014 - 8 LA 172/13 -, GewArch 2015, 84, 85; v. 17.5.2016 – 8 LA 40/16 –, juris Rn. 32).
Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung sinngemäß geklärt wissen will, ob der sozialrechtliche Herstellungsanspruch auf die Tätigkeit der Beklagten Anwendung findet, ist die Frage nicht klärungsfähig. Auf die Anwendbarkeit dieses Rechtsinstituts käme es in einem Berufungsverfahren nicht an, weil die Voraussetzungen des Anspruchs nicht erfüllt sind. Die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts greift der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht mit durchgreifenden Rügen an.
Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung im Zusammenhang mit der Grundsatzrüge darstellt, warum nach Ansicht der Klägerin eine Beratungspflichtverletzung vorliege, die für das Unterlassen einer früheren Antragstellung ursächlich gewesen sei, wird bereits keine Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert. Zudem wird die Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt. Die Ausführungen beziehen sich nur auf den Einzelfall der Klägerin.
4. Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, nicht dadurch verletzt, dass es den angebotenen Zeugen nicht gehört hat.
Das Beweisthema war nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat bei der rechtlichen Prüfung unterstellt, dass ein Telefonat mit dem von der Klägerin behaupteten Inhalt stattgefunden hat. Es war auch nicht gehalten, über die schriftsätzliche Beweisanregung ausdrücklich zu entscheiden. Ausreichend ist, dass sich die mangelnde Entscheidungserheblichkeit aus den Entscheidungsgründen des Urteils ergab.