Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.01.2023, Az.: 5 LA 45/21
Anforderungen an die Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils hinsichtlich der Sachverhaltswürdigung und Beweiswürdigung (hier: Heranziehung eines Sachverständigengutachtens); Anerkennung einer Innenmeniskusläsion und Anpassungsstörung eines Lehrers als Dienstunfallfolge wegen des Dienstunfalls
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 31.01.2023
- Aktenzeichen
- 5 LA 45/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 10548
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:0201.5LA45.21.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 10.11.2020 - AZ: 3 A 61/20
Rechtsgrundlagen
- § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 5 VwGO
- § 34 Abs. 1 NBeamtVG
Amtlicher Leitsatz
Zu den Anforderungen, die an die Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils hinsichtlich der Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu stellen sind (hier: Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts unter Heranziehung eines Sachverständigengutachtens).
Tenor:
Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 10. November 2020 zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht die auf Aufhebung des Bescheids der Funktionsvorgängerin des Beklagten vom 25. Juli 2019 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2020 gefunden hat, gerichtete Klage abgewiesen hat.
Im Übrigen, soweit das Verwaltungsgericht die Klage auf Verpflichtung der Funktionsvorgängerin des Beklagten abgewiesen hat, wegen des Dienstunfalls vom 25. Juli 2014 als Dienstunfallfolge eine "Innenmeniskusläsion links" und eine "Anpassungsstörung mit Depression und Ängsten" anzuerkennen sowie festzustellen, dass das unfallbedingte Heilverfahren nicht abgeschlossen ist, wird der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der von ihm geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greift insoweit durch, als das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage mit dem Ziel, den Bescheid der Funktionsvorgängerin des Beklagten vom 25. Juli 2019 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2020 gefunden hat, aufzuheben, abgewiesen hat (dazu unter 1.). Soweit das Verwaltungsgericht das weitere Klagebegehren (Verpflichtungsklage) abgewiesen hat, die Funktionsvorgängerin des Beklagten zu verpflichten, wegen des Dienstunfalls vom 25. Juli 2014 als Dienstunfallfolge eine "Innenmeniskusläsion links" und eine "Anpassungsstörung mit Depression und Ängsten" anzuerkennen sowie festzustellen, dass das unfallbedingte Heilverfahren nicht abgeschlossen ist, sind vom Kläger Gründe für eine Zulassung der Berufung nicht dargelegt worden; insoweit ist der Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen (dazu unter 2.).
1.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des vorinstanzlichen Urteils sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen. Es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (Nds. OVG, Beschluss vom 7.4.2011 - 5 LA 28/10 -).
In Anwendung dieser Grundsätze führt das Vorbringen des Klägers lediglich zur Zulassung der Berufung, soweit er die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides begehrt.
Diesem Bescheid liegt zugrunde, dass der Kläger am 25. Juli 2014 während seiner Lehrtätigkeit beim Aufstehen vom Lehrerpult stürzte und es dabei zu einer Verdrehung des linken Knies kam. Durch Bescheid vom 16. Dezember 2014 erkannte die Funktionsvorgängerin des Beklagten dieses Unfallereignis als Dienstunfall mit der Unfallfolge "Innenmeniskusläsion links" an. Im Jahr 2015 kam es zu einem weiteren dienstlichen Unfallereignis, das nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist. Durch weiteren Bescheid vom 15. August 2016 erkannte sie zusätzlich eine "Anpassungsstörung mit Depressionen und Ängsten" als Dienstunfallfolge des Unfallereignisses vom Juli 2014 an. Zugleich sprach sie dem Kläger für das Unfallereignis einen Anspruch auf Unfallausgleich auf der Grundlage eines Grades der Schädigungsfolgen (GdS) von 40 zu. Im April 2018 gab die Funktionsvorgängerin ein medizinisches Sachverständigengutachten bei D., Facharzt für Orthopädie und Traumatologie, in Auftrag. Dieser gelangte in seinem Sachverständigengutachten vom 24. Oktober 2018 zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger beklagten Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenks mit dem Unfallereignis nicht im kausalen Zusammenhang stünden. Im Januar 2019 beauftragte die Funktionsvorgängerin des Beklagten E., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie, hinsichtlich der psychischen Beschwerdesymptomatik ein nervenärztliches Sachverständigengutachten zu erstellen. E. kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger von einem psychischen Vorschaden auszugehen sei, der in seiner Bedeutung größer gewesen sei als die angeführten Arbeitsunfälle. Die Unfallereignisse von 2014 und 2015 hätten im Ergebnis keine psychischen Unfallfolgen hauptursächlich hervorgerufen. Daraufhin nahm die Funktionsvorgängerin des Beklagten nach Anhörung des Klägers durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 25. Juli 2019 ihre Bescheide über die Anerkennung von Unfallfolgen vom 16. Dezember 2014 und 15. August 2015 mit Wirkung für die Zukunft zurück.
Die gegen den Bescheid vom 25. Juli 2019 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Funktionsvorgängerin habe nach §§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG rechtsfehlerfrei die Bescheide vom 16. Dezember 2014 und 15. August 2016 mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen. Die Anerkennung einer "Innenmeniskusläsion links" und einer "Anpassungsstörung mit Depression und Ängsten" als Dienstunfallfolgen sei rechtswidrig erfolgt, da diese Folgen nicht als solche im Sinne des § 34 Abs. 1 NBeamtVG zu qualifizieren seien.
a.
Bezogen auf die Rücknahme der Anerkennung einer "Innenmeniskusläsion links" als Dienstunfallfolge hat das Verwaltungsgericht näher ausgeführt: Der Innenmeniskushinterhornriss beim Kläger sei nicht ursächlich auf den Dienstunfall vom 25. Juli 2014 zurückzuführen. Denn nach dem Gutachten des D. vom 24. Oktober 2018 einschließlich dessen ergänzender Stellungnahme vom 1. Januar 2020 sei der Innenmeniskushinterhornriss degenerativ bedingt gewesen und daher nicht Folge des Unfallereignisses vom 25. Juli 2014. Der Gutachter habe hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass allen Verletzungsmechanismen, die zu einer Zerreißung des Meniskus führten, die Verwindung des gebeugten Kniegelenks gemeinsam wäre (Verwindungstrauma, Drehsturz). Hierzu gehörten die passive Rotation des gebeugten Kniegelenks und die plötzliche passive Streckung des gebeugten und rotierten Unterschenkels bei gleichzeitiger Verhinderung der physiologischen Schlussrotation. Der vom Kläger beschriebene Unfallhergang wäre daher zwar grundsätzlich geeignet, eine Innenmeniskusverletzung zu bewirken. Allerdings gäbe es nach medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung keinen sog. "isolierten Meniskusriss" ohne verletzungsspezifische Begleitveränderungen. Voraussetzung für ein unfallabhängiges Ereignis wären daher Verletzungszeichen an anderen Strukturen des betroffenen Kniegelenks, die nicht bevorzugt degenerativen Veränderungen unterlägen (etwa Knochen, Kapsel-Bandstrukturen). Der bildgebende Nachweis hierfür gelänge mit einem zeitnahen Kernspintomogramm. Die MRT-Aufnahmen vom 5. September 2014 zeigten jedoch lediglich eine Zerrung des vorderen Kreuz- und des Innenbandes. Da knöcherne Verletzungen, insbesondere ein lokales Knochenödem oder ein sog. bone bruise, fehlten und im Hinterhornbereich des Innenmeniskus deutliche degenerative Veränderungen erkennbar wären, wäre der Riss des Innenmeniskus des Klägers - aufgrund des Fehlens von Begleitverletzungen - degenerativ bedingt und daher nicht als Folge des maßgeblichen Unfalls zu bewerten. Daher stünden die beklagten Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenks mit dem Unfallereignis vom 25. Juli 2014 nicht in einem kausalen Zusammenhang. Der Kläger hätte infolge des Unfalls eine Zerrung des linken Kniegelenks am vorderen Kreuz- und Innenband erlitten, die folgenlos ausgeheilt wäre. Bei kritischer Würdigung der vorgelegten Befunde wäre er zudem nicht davon überzeugt, dass die auf orthopädischem Fachgebiet beklagten Funktionsbeeinträchtigungen in dieser Form bestünden. Objektivierbar-nachvollziehbare, über der Altersnorm liegende Verschleißerscheinungen und daraus resultierende Belastungsminderungen lägen bei dem Kläger indes nicht vor. Bei der Untersuchung hätten sich keine muskulären Defizite bei wiederum kräftig und symmetrisch entwickelter und gut tonisierter Bein- und Armmuskulatur gezeigt. Grobneurologische Ausfallsymptome und wesentliche Bewegungseinschränkungen wären im Bereich des linken Kniegelenks nicht festgestellt worden. Der Kläger wäre nicht sozial isoliert, führe einen Pkw, bewegte sich spontan flüssig und sicher ohne Hilfsmittel und hätte auch nach seiner Anreise weder Erschöpfungszustände noch mentale Defizite während der gesamten Untersuchung gezeigt. Die Schmerzmittelmenge wäre gering und seit 2014 konstant. Im Dezember 2017 wäre ihm sogar eine zweiwöchige Urlaubsreise in die USA möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund bestünde eine Diskrepanz zwischen der Beschwerdeschilderung und den körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen.
Weiter hat das Verwaltungsgericht zur Verwertbarkeit des Sachverständigengutachtens des D. ausgeführt: Es habe keine Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des Sachverständigen. Das Gutachten sei schlüssig, widerspruchsfrei und weise auch sonst keine Mängel auf. Der Gutachter habe unter Wiedergabe der einschlägigen Fachliteratur nachvollziehbar ausgeführt, weshalb er zu der Einschätzung gelangt sei, der Innenmeniskushinterhornriss des Klägers sei degenerativ bedingt. Es entspreche der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung, dass es einen "isolierten Meniskusriss" ohne verletzungsspezifische Begleitverletzungen an anderen Strukturen des betroffenen Kniegelenks (Knorpel, Kapsel-Bandapparat, Knochen) nicht gebe. Ein solcher könne nach gängiger Lehrmeinung nur bei einer degenerativen Vorschädigung auftreten, weil direkte Einwirkungen auf das Kniegelenk die Meniski deutlich nachrangig gegenüber anderen Kniegelenksstrukturen gefährdeten. Aus diesem Grund komme es bei einem unfallbedingten Riss eines gesunden, nicht vorgeschädigten Meniskus zwingend zu den vorstehenden genannten Begleitschäden, die bei dem Kläger - so der Gutachter - kurz nach dem Unfall aber nicht festgestellt worden seien. Der Kläger habe diese Feststellungen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Der Gutachter habe sich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 1. Januar 2020 überzeugend mit den inhaltlichen Einwendungen des Klägers auseinandergesetzt. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Gutachter bei der Bewertung der Unfallfolgen von einer unvollständigen Tatsachengrundlage ausgegangen wäre. In dem Ausgangsgutachten seien sämtliche vom Kläger eingereichten privatärztlichen Berichte/Stellungnahmen und der Akteninhalt chronologisch aufgelistet, zusammengefasst wiedergegeben und schließlich fachlich gewürdigt worden. Die Ausführungen in dem Gutachten einschließlich der ergänzenden Stellungnahme seien objektiv gehalten und orientierten sich an der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung sowie den vorgelegten Befunden. Dass das Unfallgeschehen primär geeignet gewesen sei, auch einen gesunden Meniskus zu zerreißen, stelle der Gutachter nicht in Abrede. Er habe unter Auswertung der MRT-Bildaufnahmen vom 5. September 2014 nachvollziehbar ausgeführt, dass es an typischen Begleitverletzungen an anderen Strukturen des Kniegelenks, insbesondere an einem lokalen Knochenödem im Meniskusbereich, fehlte, weshalb der Innenmeniskushinterhornriss nicht Folge des Unfalls vom 25. Juli 2014 gewesen wäre, sondern vielmehr auf degenerativen Veränderungen beruhte. Die im MRT festgestellte leichte Ödembildung im Innen- und Kreuzbandbereich wäre - anders als der Kläger meine - jedenfalls nicht mit der von der Fachliteratur geforderten Verletzung anderweitiger Kapsel-Bandstrukturen gleichzusetzen. An der Schlüssigkeit dieser Bewertung änderten auch die vom Kläger vorgelegten privatärztlichen Berichte nichts, mit denen sich der Gutachter ebenfalls auseinandergesetzt habe. Den beigebrachten Bescheinigungen ließe sich - so der Gutachter - nicht entnehmen, dass der Befund traumatischer Natur wäre; ein intraoperativer Befund und/oder Operationsbericht (des Operateurs F.) läge zudem nicht vor. Darüber hinaus habe der Gutachter auf das entsprechende Vorbringen des Klägers hin überzeugend erläutert, dass das vorherige Ausbleiben von Beschwerden (im Sinne von "Vorschäden") seiner Einschätzung nicht entgegenstünde, da degenerative Meniskusschäden bis zum Stadium IIB (lineare Signalintensitätserhöhungen ohne Verbindung zur Meniskusoberfläche), in dem sich der Kläger befände, in der Regel symptomlos verliefen. Der weitere Einwand des Klägers, ohne Trauma wäre es nicht zu der Operation am 18. September 2014 gekommen und die Heilbehandlung hätte unverzüglich abgebrochen werden müssen, gehe fehl. Es liege auf der Hand, dass auch ein degenerativ bedingter Meniskusriss operativ saniert werden müsse. Hierauf habe auch der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme hingewiesen. Soweit der Kläger ferner meine, eine folgenlos ausgeheilte "Zerrung des Kniegelenks" könnte schon deshalb nicht vorgelegen haben, weil nach wie vor Behandlungsbedarf bestünde, übersehe er, dass es in dem vorliegenden Gutachten ausschließlich um die Frage gehe, ob und inwieweit die von ihm beklagten Beschwerden ursächlich auf das Unfallereignis vom 25. Juli 2014 zurückzuführen seien bzw. welche Verletzungen durch den Unfall hauptursächlich hervorgerufen worden seien. In Anbetracht dessen sehe die Kammer keinen Anlass für die Einholung eines weiteren (gerichtlichen) Sachverständigengutachtens.
Der Kläger sieht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts darin begründet, dass das dieser Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten des D. weder schlüssig noch widerspruchsfrei sei und erhebliche Mängel aufweise. Die Darstellungen des Gutachters seien zum Teil irreführend und entsprächen nicht der allgemeinen wissenschaftlichen Beurteilung. Die Aussagen des Gutachters seien wissenschaftlich nicht haltbar. Darüber hinaus gehe der Gutachter bei seinen Ausführungen von falschen Tatsachen aus. Insoweit gibt der Kläger die sachverständigen Ausführungen des G., Facharzt für Orthopädie und Kinderorthopädie, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, in dessen Gutachten vom 22. März 2021 wieder. Dieser habe zum Gutachten des D. mit näherer Begründung ausgeführt: Darstellungen des Gutachters wären zum Teil irreführend, in keiner Weise adäquat nachvollziehbar und wissenschaftlich nicht haltbar. D. hätte das Unfallereignis (2014) mit der Kontrolle aus 2017 im Rahmen des MRT-Befundes verwechselt und nicht richtig eingestuft. Hingegen könnte den Darstellungen des H. lückenlos gefolgt werden. Dieser habe beschrieben, dass trotz eines fehlenden Operationsberichtes Arthroskopie-Bilder vorlägen, die einen Innenmeniskus-Lappenriss erkennen ließen, dessen Rissform - im Gegensatz zu horizontalen, komplexen Rissen - Folge von traumatischen Ereignissen nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (aktuelle Auflage) sei. Die Darstellung (von H.) wäre korrekt und nachvollziehbar.
Mit diesen Ausführungen hat der Kläger in hinreichender Weise ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils hinsichtlich der tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts dargelegt, der Innenmeniskushinterhornriss sei degenerativ bedingt und damit nicht Folge des Unfallereignisses vom 25. Juli 2014 gewesen.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind auch dann anzunehmen, wenn erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, juris Rn. 15). Bezieht sich, wie hier, das diesbezügliche Vorbringen auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung, kommt eine Zulassung der Berufung aber nicht schon dann in Betracht, wenn der erkennende Senat die vom Verwaltungsgericht nach zutreffenden Maßstäben gewürdigte Sachlage nach einer eigenen etwaigen Beweisaufnahme möglicherweise anders beurteilen könnte als das Verwaltungsgericht selbst. Denn sonst wäre die Berufung gegen Urteile, die auf einer Sachverhalts- oder Beweiswürdigung beruhen, regelmäßig nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, was mit Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung nicht vereinbar wäre (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 23.6.2022 - 5 LA 22/21 -, juris Rn. 7; Beschluss vom 9.12.2021 - 5 LA 174/20 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 13.2.2020 - 13 LA 491/18 -, juris Rn. 27; Beschluss vom 18.1.2017 - 8 LA 162/16 -, juris Rn. 27; Sächs. OVG, Beschluss vom 8.1.2010 - 3 B 197/07 -, juris Rn. 2). Eine Sachverhalts- oder Beweiswürdigung kann deshalb nur mit Erfolg angegriffen werden bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder wenn sie offensichtlich sachwidrig und damit willkürlich ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 23.6.2022 - 5 LA 22/21 -, juris Rn. 7; Beschluss vom 9.12.2021 - 5 LA 174/20 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 13.2.2020 - 13 LA 491/18 -, juris Rn. 27; Beschluss vom 17.5.2016 - 8 LA 40/16 -, juris Rn. 25; Bay. VGH, Beschluss vom 11.4.2017 - 10 ZB 16.2594 -, juris Rn. 5). Gleiches gilt, wenn sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung maßgeblich auf ein Sachverständigengutachten stützt, das objektiv ungeeignet ist, die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn das betreffende Gutachten auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, etwa nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruht, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen gibt, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.6.2020 - BVerwG 7 BN 3.19 -, juris Rn. 6; Urteil vom 29.2.2012 - BVerwG 7 C 8.11 -, juris Rn. 37; Beschluss vom 3.2.2010 - BVerwG 7 B 35.09 - juris Rn. 12).
Nach Maßgabe dessen hat der Kläger hinreichend dargelegt, dass das der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts zugrunde gelegte Sachverständigengutachten des D. vom 24. Oktober 2018 (Bl. 53 ff. Beiakte - BA - 5) unter Berücksichtigung seiner Ergänzung vom 1. Januar 2020 erkennbare Mängel aufweist. Er hat insoweit unter Wiedergabe der sachverständigen Ausführungen des G. in dessen Gutachten vom 22. März 2021 (Bl. 144 ff. [149] GA) gerügt, dass das Gutachten von D. von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen sei. D. hat in seinem Gutachten u.a. ausgeführt unter "Beurteilungsrelevante Fremdbilder" (S. 77 BA 5),
"MRT linkes Knie 05.09.2014 [...] Leichte Flüssigkeitsansammlung im Innenbandbereich ohne Kontinuitätstrennung. [L]eichte degenerative Veränderungen im Außermeniskus vom Vorderhorn bis zum Hinterhorn ohne dur[ch]sichtbare Rissbildung."
sowie unter "Zusammenfassung und Beurteilung" (Bl. 79 BA 5):
"Das MRT des linken Kniegelenkes wurde dann auch erst, noch unfallnah (< 6 Wochen), am 05.09.2014 [...] angefertigt. Hier fand sich eine Innenband[-] und vordere Kreuzbandzerrung und ein[e] degenerativer Innenmeniskusriss."
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 1. Januar 2020 (Bl. 225 ff. BA 3) hat sich D. zu den Einwänden des Klägers, der Sachverständige habe den MRT-Befund vom 5. September 2014 umgeschrieben und dieser interpretiere einen degenerativen IM-Riss in die radiologische Bildgebung hinein, obwohl der Radiologe I. dies gerade nicht behauptet habe, geäußert und ausgeführt:
"[Ich] habe nicht ,umgeschrieben'[,] sondern den bereits im Erstbefund von I. beschriebenen ,... Nachweis von Signalalterationen im IM-Hinterhorn, sodass hier eine Rissbildung abschl. nicht auszuschließen ...' ausführlicher beschrieben" (Bl. 230 BA 3),
unter "Beurteilungsrelevante Fremdbilder"
"MRT linkes Knie 05.09.2014 [...] Leichte Flüssigkeitsansammlung im Innenbandbereich ohne Kontinuitätstrennung. [L]eichte degenerative Veränderungen im Außermeniskus vom Vorderhorn bis zum Hinterhorn ohne dur[ch]sichtbare Rissbildung." (Bl. 250 f. BA 3)
sowie
"Die Befunde unterscheiden sich im Wesentlichen nur insofern, als im Befund von I.,... Nachweis von Signalalterationen im IM-Hinterhorn, sodass hier eine Rissbildung abschl. nicht auszuschließen ...' dokumentiert wird, ich hier ,... Degenerative Strukturveränderungen im Innenmeniskushinterhorn bis intermediär reichend mit durchgehender multipler Rissbildung im Hinterhornbereich ...' ausführlicher befundet habe.
Eine lokale Knochenödembildung im Meniskusbereich wird weder von I. noch [von] mir beschrieben." (Bl. 251 f. BA 3)
Insoweit rügt der Kläger zutreffend (Bl. 149 GA), dass die von D. (in seinem Gutachten) genannten "degenerativen Veränderungen des Innenmeniskus" in dem von ihm herangezogenen Bericht zum MRT vom 5. September 2014 nicht beschrieben sind und auch von "einer leichten degenerativen Veränderung im Außenmeniskus vom Vorderhorn bis zum Hinterhorn ohne durchsichtbare Rissbildung" dort nicht die Rede ist.
So hat der Facharzt für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie I. der Radiologischen Abteilung des J. in seinem Bericht vom 5. September 2014 zum MRT vom selben Tage lediglich ausgeführt (Bl. 260 BA 4):
"Regelrechtes Signalverhalten der erfassten Skelettanteile ohne Anhalt für patholog. Auffälligkeiten.
Allenfalls diskrete Ergussbildung im Recessus suprapatellaris.
Signalalterationen im Bereich des VKB, welches kontinuitätserhalten erscheint, hier auch diskrete Ergussbildung nachweisbar, sodass der Verdacht auf eine Distorsion besteht.
Ebenfalls Signalalterationen im Bereich des Innenbandes, auch hier im Sinne einer stattgehabten Distorsion.
Nachweise von Signalalterationen im IM-Hinterhorn, sodass hier eine Rissbildung abschl. nicht auszuschließen ist.
Die Übrigen Menisci-Anteile und der AM regelrecht.
Unauffällige Darstellung der Weichteilstrukturen.
Keine sonstigen patholog. Auffälligkeiten."
Hier ist nicht von "leichten degenerativen Veränderungen im Außermeniskus vom Vorderhorn bis zum Hinterhorn ohne dur[ch]sichtbare Rissbildung", sondern davon die Rede, dass der Außenmeniskus (AM) "regelrecht" sei. Bezogen auf den Innenmeniskus wird darin zwar berichtet, dass es Nachweise von Signalalterationen im Innenmeniskus-Hinterhorn gegeben habe, sodass eine Rissbildung abschließend nicht auszuschließen sei. Allerdings ist darin nicht - wie D. angibt - von einem "degenerativen Innenmeniskusriss" die Rede, insbesondere finden sich keine Ausführungen dazu, dass Veränderungen des Innenmeniskus gerade degenerativer Art festgestellt worden wären. Soweit sich D. in seiner Stellungnahme vom 1. Januar 2020 darauf beruft, dass er im Vergleich zum Facharzt I. die Befunde "ausführlicher beschrieben" bzw. "ausführlicher befundet habe", vermag diese Erklärung allein nicht zu überzeugen, weil sie sich zum einen nicht auf seine Aussage bezogen hat, beim MRT habe sich ein "degenerativer Innenmeniskusriss" gefunden, und zum anderen zu der Aussage der Facharztes I., der Außenmeniskus sei "regelrecht", jedenfalls erläuterungsbedürftig blieb.
b.
Bezogen auf die Rücknahme der Anerkennung einer "Anpassungsstörung mit Depression und Ängsten" als Dienstunfallfolge hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet: Nach dem nervenärztlichen Gutachten des E., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie, vom 3. Juni 2019 seien auch keine psychischen Unfallfolgen hauptursächlich hervorgerufen worden. Der Gutachter habe im Wesentlichen ausgeführt, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den geschilderten Beschwerden und den Unfällen nicht eindeutig vorläge. Aus dem Inhalt der Akten ließen sich vielmehr Hinweise auf einen psychischen Vorschaden entnehmen. So wäre im Jahre 2008 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme wegen eines Erschöpfungssyndroms erforderlich gewesen. Im Jahr 2000 wäre der Bruder des Klägers, zu dem er ein gutes Verhältnis gepflegt habe, bei einem Motorradunfall gestorben. Zudem hätte der Kläger von Gewalterfahrungen in Form sexuellen Missbrauchs in der Jugendzeit berichtet. Mithin ergäben sich Hinweise auf traumatische Ereignisse vor den Unfällen in den Jahren 2014 und 2015, welche die psychische Vulnerabilität des Klägers erhöhten. Berücksichtige man die vorstehend aufgeführten Hinweise auf einen psychischen Vorschaden, wäre der Unfall im Jahre 2014 auf eine vorbestehende psychopathologische Symptomatik getroffen, die in ihrer Bedeutung größer gewesen wäre als die Arbeitsunfälle. Eine stumme Krankheitsanlage hätte bereits vor dem Unfall im Jahre 2014 vorgelegen. Der Unfall, der negative Auswirkungen auf die Lebensführung des Klägers bewirkt hätte, hätte dann zur Entwicklung einer Anpassungsstörung beigetragen, die wiederum zur Entwicklung von Depressionen, Ängsten und Somatisierungssymptomen geführt hätte. Die Entwicklung des späteren schweren psychischen Störungsbildes wäre ohne einen psychischen Vorschaden nicht nachvollziehbar gewesen. Aus der Beschreibung des Unfallhergangs (Knieverletzung) ergäbe sich nämlich, dass es sich um ein verhältnismäßig leichtes, psychisch wenig belastendes Unfallereignis gehandelt hätte. Nach der Fachliteratur würden somatoforme Störungen jedoch nur dann als Unfallfolge anerkannt, wenn sie im Zusammenhang mit anhaltenden schweren körperlichen Schädigungsfolgen (z. B. Verlust eines Beines) stünden, was bei dem Kläger nicht der Fall gewesen wäre. Zu berücksichtigen wäre auch, dass sich die seelische Symptomatik erst mit einer Latenz von mehreren Monaten (Dezember 2014) entwickelt hätte, was ebenfalls dafür spräche, dass konkurrierende Faktoren mitgewirkt hätten. Im Ergebnis läge zwar eine behandlungsbedürftige psychische Störung vor, die jedoch nicht hauptursächlich auf die angeführten Dienstunfälle zurückzuführen wäre.
Weiter hat das Verwaltungsgericht zur Heranziehung des Sachverständigengutachtens von E. ausgeführt: Die Kammer habe keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser fachärztlichen Einschätzung zu zweifeln. Das Gutachten sei schlüssig, widerspruchsfrei und lasse auch sonst keine Mängel erkennen. Der Gutachter habe nachvollziehbar, plausibel und unter Bezugnahme auf die einschlägige Fachliteratur ausgeführt, weshalb er zu der Überzeugung gelangt sei, dass durch die Dienstunfälle keine psychischen Unfallfolgen hauptursächlich hervorgerufen worden seien. Insbesondere berücksichtige E. die "psychische Vorschädigung" des Klägers, die in den amtsärztlichen Stellungnahmen des Amtsarztes K. vom 25. November 2015 und vom 28. Mai 2018 weitestgehend unberücksichtigt geblieben sei, und führe auf dieser Grundlage überzeugend aus, dass die Schwere der gegenwärtigen psychischen Erkrankung des Klägers in Anbetracht der verhältnismäßig leichten, psychisch wenig belastenden Unfallereignisse ohne einen "psychischen Vorschaden" nicht erklärbar wäre. Diese Einschätzung halte die Kammer in jeder Hinsicht für plausibel. Zudem würdige E. - wiederum anders als der Amtsarzt K. in den o. g. Stellungnahmen - die Latenzzeit von mehreren Monaten zwischen dem ersten Unfall am 25. Juli 2014 und dem Eintreten des psychischen Leidens (Dezember 2014). Der Kläger habe die Einschätzung des E. auch nicht substantiiert in Frage gestellt.
Der Kläger sieht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts u. a. darin begründet, dass die Ausführungen des Gutachters E. von einem falschen Sachverhalt ausgingen. So habe er - der Kläger - zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Gutachter geäußert, er hätte undefinierbare Knochenschmerzen und ihm seien wegen chronischer Schmerzen mit 18 (Jahren) sogar die Zähne gezogen worden. Darüber hinaus habe er zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Gutachter geäußert, dass er in der Jugendzeit sexuell missbraucht worden sei, was ihn noch heute belastete. Die getätigten Ausführungen des Gutachters basierten mithin nicht auf dessen eigener Wahrnehmung. Bezeichnenderweise habe E. ihn nicht zu diesen Ereignissen befragt. Eine Befragung hätte jedoch zwingend erfolgen müssen, um das Beschwerdebild aus eigener Wahrnehmung festhalten zu können.
Mit diesen Ausführungen hat der Kläger - bezogen auf das Ziehen von Zähnen wegen chronischer Schmerzen - in hinreichender Weise ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils hinsichtlich der tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts dargelegt, die Anpassungsstörung mit Depression und Ängsten seien nicht Folge des Unfallereignisses vom 25. Juli 2014 gewesen.
Zwar ist der Sachverständige nicht gehalten, sämtliche Befundtatsachen selbst zu erheben. Er kann als Befundtatsache in medizinischen Gutachten insbesondere Feststellungen aus Gutachten, Befundberichte, Atteste und Bescheinigungen anderer Ärzte heranziehen und seinem Gutachten grundsätzlich zugrunde legen.
aa.
Bezogen auf die Befundtatsache, dass der Kläger in seiner Jugendzeit sexuell missbraucht worden sei, führt E. in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 3. Juni 2019 (Bl. 152 ff. BA 3) unter Heranziehung des orthopädischen Gutachtens von M. vom 5. September 2016 auf S. 5 seines Gutachtens (Bl. 156 BA 3) aus:
"Erwähnt wird auf Seite 2 des Gutachtens ein sexueller Missbrauch von einem älteren Arbeitskollegen. Die Erinnerungen daran werden als noch heute sehr belastend angegeben. Der Täter sei mittlerweile verstorben und dessen Tod habe [bei dem Kläger] ein Gefühl der Erleichterung hervorgerufen."
Nachfolgend berichtet der Gutachter aus der gutachterlichen Stellungnahme von PD N., Arzt für Anästhesie und Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie und Schmerzmedizin des O., vom 26. November 2016.
In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die zuvor zitieren Ausführungen nicht in dem angeführten Gutachten des M. vom 5. September 2016 (Bl. 71 ff. BA 3) zu finden sind, sondern auf Seite 2 der gutachterlichen Stellungnahme des PD N. vom 26. November 2016 (Bl. 98 BA 3). Insoweit dürfte es sich um ein Versehen redaktioneller Art des Sachverständigen bei der Abfassung seines Gutachtens handeln, wofür der Verweis "auf Seite 2 des Gutachtens" spricht. Hinsichtlich dieser Befundtatsache ist festzustellen, dass gerade der Kläger die sachverständige Stellungnahme des PD N. mit Schriftsatz seines seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten vom 2. Dezember 2016 (Bl. 82 BA 2) zum behördlichen Verfahren reichte und ausdrücklich hierauf Bezug nahm, ohne die darin getroffenen Feststellungen und Ausführungen in Zweifel zu ziehen. So führt PD N. darin aus:
"[Der Kläger] hat eine Ausbildung im Maschinenbau absolviert und mit dem Meisterbrief abgeschlossen. Während seiner Lehrzeit wurde er als 15-jähriger von einem älteren Arbeitskollegen sexuell missbraucht. Er konnte sich nur schwerlich dagegen wehren und keinen davon erzählen. Die Erinnerung daran empfindet [der Kläger] noch heute als sehr belastend. Der Täter ist mittlerweile verstorben und dessen Tod hat bei [dem Kläger] ein Gefühl der Erleichterung hervorgerufen, welches bis heute anhält." (S. 2 der Stellungnahme, Bl. 98 BA 2)
"Hinzu kommen bei [dem Kläger] biografische Belastungsfaktoren, denen nicht hinreichend entgegengewirkt wurde und für die ihm bisher nur unreife Bewältigungsstrategien zur Verfügung gestanden haben. Zuvorderst ist da der sexuelle Missbrauch am Arbeitsplatz zu nennen, dem [der Kläger] als 15-jähriger schutzlos ausgeliefert war. Erst durch den Tod des Täters hat er Erleichterung erfahren. Es gibt eine ganze Reihe von Studien[,] die belegen, dass bei der Entwicklung von somatoformen Schmerzen körperliche und seelische Gewalterfahrungen sowie sexueller Missbrauch sehr relevante pathogenetische Faktoren sind." (S. 5 der Stellungnahme, Bl. 101 BA 2)
"Der Kläger leidet zudem an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Dieses Krankheitsbild hat sich sekundär infolge der körperlich begründeten Funktionsstörungen entwickelt und ist jetzt als ein eigenständiges Krankheitsbild aufzufassen. Diagnostisch wegweisend sind die bei [dem Kläger] feststellbaren Gewalterfahrungen in seiner Jugendzeit, denen er schutzlos ausgeliefert war, sowie die bei ihm nachweisbare Alexithymie." (S. 7 der Stellungnahme, Bl. 103 BA 2)
Hiernach bestand für E. kein Anhalt, die Richtigkeit der darin getroffenen Feststellungen und Ausführungen im Tatsächlichen in Zweifel zu ziehen. Soweit der Kläger in der Begründung seines Zulassungsantrags ausführt, seine Ausführungen (insbesondere zur biografischen Anamnese) sprächen völlig gegen die Annahme des Gutachters, er - der Kläger - wäre sexuell missbraucht worden, ist festzustellen, dass er diesen Umstand erstmalig im Verfahren auf Zulassung der Berufung bestritten hat, jedoch - was nähergelegen hätte - weder in seiner Widerspruchsbegründung vom 27. September 2019 (Bl. 14 ff. der Gerichtsakte), in der er auf das Gutachten von E. im Einzelnen eingegangen ist, noch im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. So hat er in der vorgenannten Begründung seines Widerspruchs (Bl. 17 der Gerichtsakte) lediglich ausgeführt, soweit der Gutachter auf einen psychischen Vorschaden und eine mögliche psychische Vulnerabilität hinweise, sei anzumerken, dass der Tod seines Bruder ... zu keinem Ausfall der Dienstfähigkeit geführt habe und "auch angebliche psychische Belastungen wegen Bluterkrankung und Ziehen sämtlicher Zähne im Alter von 18 Jahren sowie sexueller Missbrauch im Alter von 15 Jahren während der Lehrzeit haben zu keinem Zeitpunkt zu Arbeits- und Dienstausfällen geführt" und "sie haben auch nicht zu ambulanten Behandlungen in medizinischer oder psychischer Hinsicht geführt". Insoweit hätte es nähergelegen, unmittelbar die nunmehr in Abrede gestellte Annahme des Gutachters, es sei zu einem sexuellen Missbrauch gekommen, zu bestreiten und nicht lediglich auf das Ausbleiben von Ausfallzeiten und therapeutischen Behandlungen hinzuweisen. Im Falle der Erstellung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens wird sich der Sachverständige u. a. mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob eine Vulnerabilität des Klägers etwa aufgrund eines sexuellen Missbrauchs schon vor dem Unfallereignis vorgelegen hat, und sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Klägers zu befassen haben.
bb.
Allerdings durfte E. nicht ohne Weiteres seinem nervenärztlichen Gutachten vom 3. Juni 2019 zugrunde legen, dem Kläger seien im Alter von 18 Jahren "die Zähne" wegen chronischer Schmerzen gezogen wurden. Diese Aussage hat der Sachverständige seiner Feststellung zugrunde gelegt, der Unfall im Jahr 2014 sei auf eine vorbestehende psychopathologische Symptomatik getroffen. Zur Begründung hat er anführt, dass Hinweise auf einen psychischen Vorschaden vorlägen, weil es Hinweise auf traumatische Ereignisse sowie auf eine eventuelle Schmerzfehlverarbeitung vor den Unfällen in 2014 und 2015 gebe (vgl. S. 25 f. des Gutachtens, Bl. 176 BA 3). Zwar hat E. die eingangs angeführte Feststellung zutreffend dem orthopädischen Gutachten von M. vom 15. September 2015 (Bl. 71 ff. BA 2) entnommen, indes hat der Kläger die Richtigkeit dieser Aussage bereits mit Schriftsatz seines damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 2. Dezember 2016 bestritten und hierzu vorgetragen (S. 4 des Schriftsatzes, Bl. 85 BA 2):
"So führe er [Anmerkung des Senats: M.] an, dass [der Kläger] sich bereits in der Jugend habe Zähne ziehen lassen. Dieses sei jedoch nicht aufgrund von Schmerzen geschehen, sondern weil eine Zahnärztin die Auffassung vertreten habe, dass die chronische Müdigkeit - zu dem Zeitpunkt wa[r] die Thalass[ä]mie noch nicht bekannt - evtl. ihre Ursache in einem Zahnwurzeltod gehabt hätte."
Diese entgegenstehende Erklärung des Klägers lag E. bei Erstellung seines Gutachtens als Teil der ihm übersandten Akten vor, so dass er sich hiermit hätte auseinandersetzen müssen und diese vom Kläger bestrittene Befundtatsache im Rahmen seiner Anamnese hinterfragen müssen. Es kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Feststellung von E., es gebe beim Kläger Hinweise auf "eine evtl. Schmerzfehlverarbeitung" zu einem Zeitpunkt vor dem Unfallereignis in 2014 und damit Hinweise auf eine vorbestehende psychopathologische Symptomatik, aufrecht erhalten bliebe, die Feststellung "dem Kläger seien im Alter von 18 Jahren die Zähne wegen chronischer Schmerzen gezogen worden" hinweggedacht. Hiernach ist das Beweisergebnis nicht feststehend widerlegt, aber doch ernsthaft und damit hinreichend erschüttert, so dass auch insoweit die Richtigkeit des angefochtenen Urteils ernstlichen Zweifeln unterliegt.
2.
Soweit das Verwaltungsgericht das weitere mit der Klage verfolgte Begehren des Klägers abgewiesen hat, die Funktionsvorgängerin des Beklagten zu verpflichten, wegen des Dienstunfalls vom 25. Juli 2014 als Dienstunfallfolge eine "Innenmeniskusläsion links" und eine "Anpassungsstörung mit Depression und Ängsten" anzuerkennen sowie festzustellen, dass das unfallbedingte Heilverfahren nicht abgeschlossen ist, hat der Kläger Gründe für eine Zulassung der Berufung nicht dargelegt. Seine Ausführungen zu den Zulassungsgründen der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) beziehen sich allein auf den mit der Anfechtungsklage angegriffenen Bescheid vom 27. Juli 2019 über die Rücknahme der Bescheide vom 16. Dezember 2014 und 15. August 2016 über die Feststellung näher bezeichneter Dienstunfallfolgen, nicht aber auf das weitergehende Verpflichtungsbegehren.
3.
Soweit der Senat die Berufung zugelassen hat, wird das Zulassungsverfahren als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht. Die Berufung ist innerhalb eines Monats zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in einzureichen.
Soweit der Senat den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt hat, ist das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO)