Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.02.2020, Az.: 10 LA 371/18

Hauptfrucht; Hauptkultur; Ökologische Vorrangfläche; Zwischenfrucht

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.02.2020
Aktenzeichen
10 LA 371/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71648
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 08.08.2018 - AZ: 6 A 609/16

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer - vom 8. August 2018 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands des Zulassungsverfahrens wird auf 15.574,47 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hat keinen Erfolg. Denn die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) sind nicht hinreichend dargelegt worden bzw. liegen nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten (Senatsbeschlüsse vom 23.01.2018 - 10 LA 21/18 -, juris Rn. 7, und vom 24.10.2017 - 10 LA 90/16 -, juris Rn. 11; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.07.2013 - 8 LA 148/12 -, juris Rn. 9). Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Stattgebende Kammerbeschlüsse vom 06.06.2018 - 2 BvR 350/18 -, juris Rn. 16, und vom 16.10.2017 - 2 BvR 2615/14 -, juris Rn. 19; Senatsbeschluss vom 23.01.2018 - 10 LA 21/18 -, juris Rn. 7). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen. Es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 04.07.2018 - 13 LA 247/17 -, juris Rn. 4 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 -, juris Leitsatz und Rn. 9; vgl. dazu auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 09.06.2016 - 1 BvR 2453/12 -, juris Rn. 17). Zur Darlegung der ernstlichen Zweifel bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffs auseinandersetzen (Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 08.03.2018 - 7 LA 67/17 -, juris Rn. 6, vom 11.12.2017 - 2 LA 1/17 -, juris Rn. 3, vom 31.08.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 8, und vom 13.07.2017 - 8 LA 40/17 -, juris Rn. 10).

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung schon nicht hinreichend dargelegt. Denn er hat sich nicht konkret mit den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt. Er hat im Wesentlichen nur seine bereits im erstinstanzlichen Verfahren vertretene Auffassung, dass der Begriff Hauptkultur in Art. 45 Abs. 9 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 mit Hauptfrucht gleichzusetzen sei und dass das Winterroggen-Wicken-Gemenge, das er auf seiner Fläche mit einer Untersaat von Gras aufgebracht habe, unzweifelhaft eine solche Hauptfrucht sei, womit er die Voraussetzungen nach dieser Vorschrift für die Förderung dieser Fläche als ökologische Vorrangfläche erfüllt habe, wiederholt. Mit der ausführlichen Begründung des Verwaltungsgerichts hat er sich nur insoweit befasst, als er ausgeführt hat, dass das Verwaltungsgericht gemeint habe, sich von dieser allgemeingültigen Definition im Wege einer Neudefinition der Hauptkultur abheben zu müssen, ohne sich mit den vom Verwaltungsgericht angeführten Argumenten inhaltlich auseinanderzusetzen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung liegen aber auch - im Ergebnis - nicht vor. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob dieses Ergebnis von der von der Beklagten befürworteten Auslegung des Art. 45 Abs. 9 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 oder von der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auslegung dieser Vorschrift getragen wird.

Art. 45 Abs. 9 Unterabs. 1 Satz 1 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Änderung des Anhangs X der genannten Verordnung lautet:

„Die Flächen mit Zwischenfruchtanbau oder Gründecke umfassen nach Maßgabe der GAB 1 gemäß Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 angelegte Flächen sowie andere Flächen mit Zwischenfruchtanbau oder Gründecke, sofern sie durch Einsaat einer Kulturpflanzenmischung oder durch Untersaat von Gras in eine Hauptkultur angelegt wurden.“

Hier geht es nach den zutreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts allein um die Frage, ob der Kläger seine Fläche mit einer Untersaat von Gras in eine Hauptkultur angelegt hat.

Nach der Beklagten ist diese Vorschrift dahingehend auszulegen, dass es nur eine Hauptkultur für Untersaaten im Jahr geben könne. Für diese Auslegung spreche die englische Fassung der Vorschrift: „… or by under-sowing grass in the main crop“. Hierfür spreche ferner der Wortlaut von Art. 45 Abs. 9 Unterabs. 1 in der Fassung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1155 der Kommission vom 15. Februar 2017 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014: „… oder durch Untersaat von Gras oder Leguminosen in die Hauptkultur angelegt wurden.“

Hiervon ausgehend hat der Kläger die Voraussetzungen für die Anerkennung seiner Fläche als im Umweltinteresse genutzte Fläche nicht erfüllt. Denn er hat in seinem
Sammelantrag Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen 2015 vom 15. Mai 2015 für die betreffende Fläche den Kulturcode 121 für Winterroggen angegeben, hat dann jedoch abweichend von dieser Angabe in seinem Änderungsantrag vom 14. Juli 2015 ausgeführt, dass er eine Untersaat von Gras nicht in diese Hauptkultur, sondern in die „zweite Hauptfrucht“ (Winterroggen-Wicken- Mischung) einbringen wolle.

Zu demselben Ergebnis gelangt das Verwaltungsgericht über seine Auslegung, wonach die deutsche Fassung - „eine Hauptkultur“ - maßgeblich sei. Danach sind theoretisch auch mehrere Hauptkulturen auf der betreffenden Fläche denkbar. Zur Bestimmung der Hauptkultur auf der betreffenden Fläche sei aber „die Entscheidung der Kommission vom 24. November 1999 über die Definitionen der Erhebungsmerkmale, die Liste der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die Ausnahmen von den Definitionen sowie die Regionen und Bezirke im Hinblick auf die Erhebungen über die Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(1999) 3875) (2000/115/EG)“ heranzuziehen, wonach unter Hauptkultur bei mehreren während des gleichen Vegetationszeitraums nacheinander auf der gleichen Fläche angebauten Folgekulturen die Kultur mit dem höchsten Produktionswert zu verstehen sei. Seien die Produktionswerte annähernd gleich, so werde die Kultur, die den Boden am längsten beanspruche, als Hauptkultur betrachtet. In der Praxis wird es nach dieser Definition jedenfalls in der Regel ebenfalls nur eine Hauptkultur auf der betreffenden Fläche geben können.

Auch nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist danach hier der Winterroggen die Hauptkultur gewesen, da dieser in der vom Verwaltungsgericht als maßgeblich angesehenen, sich von April bis Oktober erstreckenden Vegetationsperiode mit einer Durchschnittstemperatur von über 5 °C von April bis in die zweite Hälfte Juli und damit mehr als dreieinhalb Monate auf der Fläche gestanden hat, während die Wicken-Winterroggen-Mischung von Ende Juli bis Ende Oktober und damit nur etwas mehr als drei Monate auf der Fläche angebaut worden ist. Zwar bestreitet der Kläger die Richtigkeit dieser zeitlichen Annahmen des Verwaltungsgerichts, weil der Winterroggen bereits Ende Juni geerntet und die zweite Hauptfrucht bereits Anfang Juli eingedrillt und Ende September abgeerntet worden sei, doch widerspricht dies seinen eigenen Angaben in seinem Schriftsatz vom 15. Juli 2016, auf die sich das Verwaltungsgericht gestützt hat. Das Verwaltungsgericht hat deshalb auch keinen Anlass gehabt, den Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären, wie der Kläger mit seinem Zulassungsantrag ferner geltend macht. Seine abweichenden Angaben im Zulassungsantrag hat der Kläger durch nichts belegt. Denn die angeblich vorhandenen Wiegescheine, wobei dahinstehen kann, ob diese die Angaben des Klägers überhaupt stützen könnten, hat er dem Zulassungsantrag nicht beigefügt. Diese Behauptungen des Klägers können daher von vornherein keine ernstlichen Zweifel an den Feststellungen des Verwaltungsgerichts begründen.

Nach Auffassung des Senats kann der Begriff Hauptkultur im Sinne des Art. 45 Abs. 9 Unterabs. 1 Satz 1 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 jedenfalls nicht - wie der Kläger meint - als Hauptfrucht definiert werden mit der vom Kläger angenommenen Folge, dass auf der Fläche mehrere Hauptfrüchte hintereinander angebaut werden können. Dafür finden sich in dieser Vorschrift keine Anhaltspunkte. Es wird dort nämlich nicht zwischen Haupt- und (den in dieser Vorschrift ebenfalls genannten) Zwischenfrüchten unterschieden, vielmehr hat der Verordnungsgeber maßgeblich auf den Begriff Hauptkultur abgestellt, soweit es um die Frage geht, ob diese durch eine Untersaat von Gras angelegt worden ist.

Schon aufgrund des Wortverständnisses spricht viel dafür, dass es nur eine Hauptkultur auf der betreffenden Fläche geben kann, was nunmehr durch Art. 45 Abs. 9 Unterabs. 1 in der Fassung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1155 klargestellt worden ist. Gerade diese (nicht rückwirkend in Kraft getretene) Änderungsverordnung spricht dafür, dass auch 45 Abs. 9 Unterabs. 1 Satz 1 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 a. F. entsprechend seiner englischen Fassung dahingehend zu verstehen ist, dass Gras in die Hauptkultur eingesät worden sein muss, es also nur eine Hauptkultur auf der betreffenden Fläche geben darf, die im Sammelantrag anzugeben ist. Auch in der Praxis wird es in der Regel nur eine Hauptkultur auf der jeweiligen Fläche geben können, was auch die Anwendung der vom Verwaltungsgericht für richtig gehaltenen Auslegung zeigt. Da diese im vorliegenden Fall zu keinem abweichenden Ergebnis gelangt, muss die Frage der Auslegung des Art. 45 Abs. 9 Unterabs. 1 Satz 1 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 hier jedoch nicht abschließend entschieden werden.

Es kommt auch eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO mangels hinreichender Darlegung dieses Zulassungsgrunds nicht in Betracht.

Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich bislang noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich noch nicht geklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Hierzu hat der Antragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie zu begründen, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17.09.2014 - 10 LA 42/14 -, juris Rn. 17 und vom 10.04.2014 - 10 LA 32/13 -, juris Rn. 27 m.w.N.).

Hier hat der Kläger die insoweit bestehenden Darlegungserfordernisse bereits deshalb nicht erfüllt, weil er die von ihm für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage nicht konkret bezeichnet hat. Sollte er die (allein entscheidungserhebliche) Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig halten, ob der Begriff Hauptkultur im Sinne des Art. 45 Abs. 9 Unterabs. 1 Satz 1 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 als Hauptfrucht zu verstehen sei, so kann diese Frage - wie oben ausgeführt - ohne weiteres bereits im Zulassungsverfahren verneint werden.

Der von dem Kläger ferner geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor. Denn das Verwaltungsgericht hat - wie oben ausgeführt - entgegen der Meinung des Klägers keinen Anlass gehabt, die Aussaat- und Erntezeitpunkte weiter zu ermitteln, da es von den eigenen Angaben des Klägers in dessen Schriftsatz vom 15. Juli 2016 ausgegangen ist. Soweit der Kläger zur Begründung dieses Zulassungsgrunds eine „in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebene Erklärung“ erwähnt, findet sich diese in dem maßgeblichen Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 8. August 2018 nicht. Auch fehlt es insoweit an der Darlegung, da der Kläger nicht ausführt, was er angeblich zu Protokoll gegeben hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).