Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.02.2020, Az.: 1 LA 62/19
Boxhotel; Fenster, notwendiges; Hotelzimmer, fensterlos; Schlafbox
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.02.2020
- Aktenzeichen
- 1 LA 62/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71623
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 24.01.2019 - AZ: 4 A 6675/18
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 2 BauO ND
- § 43 Abs 3 BauO ND
- § 43 Abs 5 BauO ND
- § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Berufungszulassung zur Klärung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit von fensterlosen Hotelzimmern
Tenor:
Auf den Antrag der Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer - vom 24. Januar 2019 zugelassen.
Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen 1 LB 29/20 geführt.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit von Beherbergungsräumen ohne (notwendige) Fenster.
Die Klägerin betreibt im Stadtgebiet der Beklagten ein Cityhostel, welches sie durch Umnutzung einer ehemaligen Gaststätte um 13 Mehrbettzimmer erweitern möchte. Nach den baulichen Gegebenheiten würden neun der geplanten Beherbergungsräume über keine Fenster verfügen. Den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Nutzungsänderung lehnte die Beklagte unter Verweis auf § 43 Abs. 3 NBauO ab. Die Vorschrift bestimmt, dass Aufenthaltsräume unmittelbar ins Freie führende Fenster von solcher Zahl, Größe und Beschaffenheit haben müssen, dass die Räume das erforderliche Tageslicht erhalten und zweckentsprechend gelüftet werden können (notwendige Fenster). Ein Absehen von dieser Anforderung komme im Falle des Vorhabens der Klägerin nicht in Betracht.
Die von der Klägerin nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens erhobene Klage war zunächst auf die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung gerichtet. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten beantragt, ihr - unter Ausklammerung des Brandschutzkonzepts - einen positiven Bauvorbescheid über die baurechtliche Zulässigkeit des Vorhabens zu erteilen. Das Verwaltungsgericht hat die Zulässigkeit der Klageänderung bejaht und ihr auch in der Sache stattgegeben. Zwar handele es sich bei den von der Klägerin geplanten Mehrbettzimmern um Aufenthaltsräume im Sinne von § 43 Abs. 3 NBauO. Vorliegend greife jedoch die Ausnahmeregelung des § 43 Abs. 5 NBauO. Nach ihr brauchen Aufenthaltsräume, die nicht dem Wohnen dienen, (u.a.) die Anforderung des Absatzes 3 nicht zu erfüllen, soweit durch besondere Maßnahmen oder Einrichtungen sichergestellt wird, dass den Anforderungen des § 3 entsprochen und die Rettung von Menschen möglich ist. Die streitgegenständlichen Mehrbettzimmer dienten nicht dem Wohnen. Die Klägerin habe auch das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Ausnahmeregelung dargetan. Insbesondere sprächen gegen die Zulassung von Mehrbettzimmern ohne tageslichtbezogene Fenster nicht die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse.
II.
Der sowohl hinsichtlich seiner Einlegung als auch bezüglich seiner Begründung fristgerechte Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg. Der von ihr geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt vor. Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil die Klärung einer im Rechtsmittelzug entscheidungserheblichen rechtlichen Frage notwendig ist. Klärungsbedürftig und auch fallübergreifender Klärung zugänglich ist hier die Frage nach dem Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung des § 43 Abs. 5 NBauO.
Ob, wie die Beklagte weiter meint, auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorliegen, kann daher dahingestellt bleiben.
Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO). Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist schriftlich bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder Postfach 2371, 21313 Lüneburg, oder in elektronischer Form nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124a Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 6 VwGO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).