Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 18.10.2012, Az.: 7 B 5189/12
Vorläufige Untersagung eines bodengebundenen Rettungsdienstes bzgl. der Erteilung eines Zuschlags auf ein Angebot eines oder mehrerer Drittanbieter für die Erbringung von Rettungsdienstleistungen in einem vergaberechtlichen Verfahren
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 18.10.2012
- Aktenzeichen
- 7 B 5189/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 26663
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2012:1018.7B5189.12.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 2 NRettDG
- § 4 Abs. 4 NRettDG
- § 5 Abs. 1 S. 1 NRettDG
- § 5 Abs. 2 NRettDG
- § 1 NVwVfG
- §§ 54 ff. VwVfG
- § 16 Abs. 2 S. 1 VOL/A
- § 19 Abs. 2 S. 1 VOL/A-EG
Amtlicher Leitsatz
Zum ermessensfehlerhaften Ausschluss vom weiteren Auswahlverfahren wegen zunächst versäumter Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorläufig verpflichtet, die Antragstellerin zu der 2. Stufe in dem Vergabeverfahren "Übertragung der Durchführung von Aufgaben des Rettungsdienstes (...)" zuzulassen.
- 2.
Der Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorläufig untersagt, auf ein Angebot eines oder mehrerer Drittanbieter für die Erbringung von Rettungsdienstleistungen für die E. in einem vergaberechtlichen Verfahren den Zuschlag oder eine Genehmigung zu erteilen oder mit diesen diesbezügliche Verträge zu schließen, ohne dass der Antragstellerin die Möglichkeit gegeben wurde, ein Angebot abzugeben.
- 3.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
- 4.
Der Streitwert wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin, ein in N. ansässiges Krankentransportunternehmen und nach eigenen Angaben Teil eines ausländischen Rettungsdienstkonzerns, wendet sich gegen ein Absageschreiben der Antragsgegnerin, mit dem ihre Bewerbung in einem Auswahlverfahren für eine Beauftragung im Rettungsdienst abgelehnt worden ist.
Die Antragsgegnerin ist Trägerin des bodengebundenen Rettungsdienstes in ihrem Gebiet mit Ausnahme des Gebiets der F.. Sie hat gegenwärtig Dritte mit der Durchführung des Rettungsdienstes beauftragt. Die Vergabekammer Lüneburg hat auf der Grundlage der früheren Rechtslage mit Beschluss vom 3.2.2012 - VgK-01/2012 - entschieden, dass eine Beauftragung an die bisherigen Leistungserbringer ohne förmliches Vergabeverfahren längstens für den Leistungszeitraum bis zum 31. Dezember 2012 erfolgen könne. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes vom 22.2.2012 (Nds. GVBl. S. 18) - NRettDG - am 7. März 2012 führt die Antragsgegnerin gegenwärtig ein Auswahlverfahren mit dem Ziel durch, Dritte mit Wirkung vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2018 mit der Durchführung von Aufgaben des Rettungsdienstes zu beauftragen.
Hierzu forderte sie mit einer am 21.7.2012 im EU-Amtsblatt und am 23. Juli 2012 auf der Website der Antragsgegnerin veröffentlichen Bekanntmachung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf (Auftragsbekanntmachung). Nach Nr. II.1.5 dieser Bekanntmachung ist Gegenstand des Auswahlverfahrens die Übertragung der Durchführung von Leistungen der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports auf der Grundlage eines zu schließenden öffentlich-rechtlichen Vertrages (Konzessionsvertrages) in sechs Losen (s. auch Nr. 6 der "Aufforderung zur Einreichung eines Teilnahmeantrages). Der Abschluss der Verträge erfolge mittels der Erteilung von Dienstleistungskonzessionen im Sinne von Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG. Das Verfahren folge nicht den Regeln eines förmlichen Vergabeverfahrens zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages gemäß der Richtlinie 2004/18/EG bzw. den Bestimmungen der VOL/A. Das Vergabeverfahren ist von der Antragsgegnerin mehrstufig ausgestaltet: Auf der 1. Stufe werde ein Teilnahmewettbewerb bezogen auf sechs Lose durchgeführt. Dieser diene der Prüfung der Eignung der Bewerber zur Auftragsdurchführung im Hinblick auf Zuverlässigkeit, wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie fachlich/technische Leistungsfähigkeit sowie der Ermittlung derjenigen Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Auf der Grundlage der vorliegenden Teilnahmeanträge würden zehn geeignete Bewerber ausgewählt, die anschließend zur Angebotsabgabe aufgefordert und am weiteren Verfahren (2. Stufe) beteiligt würden. Die Vergabeunterlagen erhielten die zur Angebotsabgabe aufgeforderten Bewerber erst im Rahmen der 2. Stufe. Sofern nicht bereits im Rahmen der 2. Stufe auf Grundlage der eingereichten ersten Angebote eine Zuschlagserteilung erfolge, werde unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf der 3. Stufe eine weitere Verhandlungsrunde durchgeführt. Zur Verhandlungsrunde würden diejenigen sechs Bieter aufgefordert, die im Rahmen der 2. Stufe die höchste Wertungspunktzahl erhalten hätten. Als zuständige Stelle für das Rechtsbehelfs-/Nachprüfungsverfahren wird unter Nr. VI.4.1. der Auftragsbekanntmachung das Verwaltungsgericht Hannover bezeichnet.
Zur Ausgestaltung des Verfahrens heißt es in der Auftragsbekanntmachung unter Nr. II.1.5:
"Das Verfahren folgt nicht den Regeln eines förmlichen Vergabeverfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrages gemäß der Richtlinie 2004/18/EG bzw. den Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A).
Die Verfahrensausgestaltung erfolgt lediglich in Anlehnung an das Verfahren der freihändigen Vergabe im Sinne des ersten Abschnitts der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A 1. Abschnitt) mit einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb nach Maßgabe der Auswahlbedingungen. Die Bestimmungen der VOL/A 1. Abschnitt sind ausdrücklich nicht Bestandteil bzw. Grundlage des Vergabeverfahrens. Es besteht kein Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen der VOL/A und/oder sonstiger Bestimmungen des förmlichen Vergaberechts. Dies gilt für sämtliche Stufen des Verfahrens".
Der zweite Absatz ist auch wortgleich unter Nr. 7 der "Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages" enthalten. In der letztbezeichneten Bekanntmachung heißt es zu den Anforderungen an die Teilnahmeanträge unter Nr. 12.1.1 auf der 1. Stufe des Auswahlverfahrens außerdem:
"Die Anforderungen an die einzureichenden Teilnahmeanträge - einschließlich der Frist für die Einreichung der Teilnahmeanträge - ergeben sich aus Ziff. 13 und 14.
Die fristgerecht eingegangenen Teilnahmeanträge werden zunächst anhand der gestellten Nachweisanforderungen (siehe Ziff. 14 und Anlage: 'Mit dem Teilnahmeantrag vorzulegende Unterlagen/Eignungsnachweise' sowie der Vorgaben in den weiteren Anlagen) daraufhin geprüft, ob die gestellten (Mindest-)Anforderungen an die Eignung hinreichend nachgewiesen sind.
Die Auftraggeberin behält sich unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Nachforderung fehlender Erklärungen, Angaben und Nachweise vor. Ein Anspruch auf eine Nachforderung besteht nicht. Nachgeforderte Erklärungen, Angaben und Nachweise sind in diesem Fall binnen einer angemessenen Nachfrist von max. 5 Tagen ab Aufforderung bei der in der Aufforderung angegebenen Stelle und in der darin mitgeteilten Form einzureichen.
Bewerber, die ihre Eignung, ggf. nach erfolgter Nachforderung und fristgerechtem Nachreichen von Erklärungen, Nachweisen und Angaben, nicht hinreichend nachgewiesen haben, werden vom weiteren Verfahren ausgeschlossen."
Unter Nr. 14 der vorbezeichneten Bekanntmachung heißt es:
"Mit dem Teilnahmeantrag sind sämtliche geforderten Erklärungen sowie Nachweise zur Beurteilung der Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde gemäß Bekanntmachung und der Anlage: 'Mit dem Teilnahmeantrag vorzulegenden Unterlagen/Eignungsnachweise' in deutscher Sprache vorzulegen."
Nach Nr. III.2.1 der Auftragsbekanntmachung und nach der vorbezeichneten Anlage zur Bekanntmachung sind u.a. vorzulegen:
"1.3 Gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Finanzamtes, aus der hervorgeht, dass keinerlei Rückstände bzgl. Steuerzahlungen bestehen in Kopie (zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Einreichung des Teilnahmeantrages nicht älter als 3 Monate),
Hinweis: die Vorlage einer 'Bescheinigung in Steuersachen' ist ausreichend
1.4 Gültige Bescheinigung des zuständigen (kommunalen) Steueramtes, aus der hervorgeht, dass keine Rückstände bzgl. Steuern und Abgaben bestehen in Kopie (zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Einreichung des Teilnahmeantrages nicht älter als 3 Monate)"
Die Frist zur Einreichung der Teilnahmeanträge lief am 12. August 2012, 12.00 Uhr ab und wurde am 27. Juli 2012 "im Interesse der ordnungsgemäßen Erstellung der Teilnahmeanträge" bis zum 20. August 2012, 12.00 Uhr verlängert.
Die Antragstellerin stellte unstreitig unter dem 26. Juli 2012/15. August 2012 einen Teilnahmeantrag, versäumte es jedoch, innerhalb der Frist die Bescheinigung nach Nr. 1.4. der Anlage zur Bekanntmachung (Unbedenklichkeitsbescheinigung des kommunalen Steueramtes) vorzulegen. Zugleich rügte sie das Beauftragungsverfahren. Die Antragsgegnerin hätte ein förmliches Verfahren nach der VOL/A durchführen müssen, weil es sich nicht um eine Dienstleistungskonzession handele, die vergeben werde, sondern um einen Dienstleistungsauftrag. Hilfsweise rügte sie auch Verstöße gegen die Grundsätze, die von der Antragsgegnerin bei der Vergabe einer Dienstleistungskonzession zu beachten seien.
Mit dem streitbefangenen Absageschrieben vom 3. September 2012 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin darüber, dass ihre Bewerbung im weiteren Auswahlverfahren keine Berücksichtigung mehr finden könne. Eine Aufforderung zur Angebotsabgabe im Rahmen der 2. Stufe erfolge daher nicht. Zur Begründung wurde auf die fehlende Unbedenklichkeitsbescheinigung des kommunalen Steueramtes hingewiesen. Die Antragsgegnerin habe von dem Vorbehalt der Nachforderung fehlender Erklärungen und Nachweise unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bezüglich sämtlicher Bewerber keinen Gebrauch gemacht. Das Schreiben enthält keine gesonderte Rechtsbehelfsbelehrung.
Gegen das Absageschreiben erhob die Antragstellerin mit anwaltlichem Schreiben vom 5. September 2012 Widerspruch, beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist und legte die fehlende Unbedenklichkeitsbescheinigung der Stadt G. vom gleichen Tage vor. Zugleich beantragte sie Akteneinsicht. Der Ausschluss vom weiteren Vergabeverfahren verstoße gegen die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - und Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG. Die Ausschreibungsunterlagen seien unklar formuliert. Deshalb hätte eine Nachforderung erfolgen müssen. Sie gehe davon aus, dass die Antragsgegnerin andere Bewerber mit Nachfragen zu den jeweils abgegebenen Teilnahmeanträgen kontaktiert hätte. Auch sei es ermessensfehlerhaft, einzelne Informationen nachzufordern, nicht jedoch Unterlagen. Hilfsweise rügte sie erneut das gesamte Vergabeverfahren.
Mit Schreiben vom 10. September 2012 gewährte die Antragsgegnerin grundsätzlich die beantragte Akteneinsicht. Mit weiterem Schreiben vom 11. September 2012 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass es sich bei dem Absageschreiben nicht um einen Verwaltungsakt handele. Die Antragsgegnerin nehme von der bisherigen Verwaltungspraxis Abstand, nach der erst nach einem Beauftragungsbescheid ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen werde. Stattdessen erfolge die Beauftragung nunmehr einheitlich mittels Zuschlagserteilung und dem hiermit unmittelbar verbundenen Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. In der Sache sei die Aufforderung zur Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des kommunalen Steueramtes eindeutig. Ein anderer Bewerber mit Betriebssitz in H. habe wegen dieser Voraussetzung nachgefragt. Die Antwort sei unter lfd. Nr. 56 auf der Website der Antragsgegnerin veröffentlicht worden. Auch die Antragstellerin hätte im Zweifelsfalle innerhalb der Frist nachfragen können, wie sie es mit Schreiben vom 26. Juli 2012 auch zu anderen Punkten getan hätte. Im Übrigen sei von keinem der Bewerber, die mit ihrem Teilnahmeantrag nicht sämtliche geforderten Unterlagen vorgelegt hätten, Unterlagen nachgefordert bzw. die Möglichkeit eines Nachreichens von fehlenden, d.h. mit dem Teilnahmeantrag nicht vorgelegten Unterlagen eröffnet worden. Die Berücksichtigung der verspätet vorgelegten Bescheinigung vom 5. September 2012 sei bereits aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht möglich. Aus diesem Grund könne Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung in die Frist zur Einreichung der Teilnahmeanträge nicht gewährt werden. Akteneinsicht werde im Hinblick auf den Charakter des Verfahrens hinsichtlich der Identität der übrigen Bewerber anonymisiert unter Wahrung deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gewährt. Akteneinsicht in die Teilnahmeanträge Dritter werde nicht gewährt.
Nach Mitteilung der Antragsgegnerin haben am 20. August 2012 zwölf Bewerber Teilnahmeanträge abgegeben, von denen gegenwärtig neun Bewerber auf der 2. Stufe des Auswahlverfahrens zur Abgabe von konkreten Bewerbungen aufgefordert worden seien. Drei Bewerber - unter ihnen die Antragstellerin - seien wegen fehlender Unterlagen ausgeschlossen worden. Der Zuschlag solle am 25. Oktober 2012 erfolgen.
Mit einem am 17. September 2012 beim Verwaltungsgericht Hannover eingegangenen Schriftsatz sucht die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nach. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsschreiben und rügt einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie gehe davon aus, dass die Antragsgegnerin andere Bewerber mit Nachfragen zu den jeweils abgegebenen Teilnahmeanträgen kontaktiert habe. Sie erhebt den Vorwurf, dass die Antragsgegnerin anderen Bewerbern die Möglichkeit eingeräumt habe, ihre Teilnahmeanträge durch weitere Informationen vollständig bzw. wertbar zu machen und dies bei ihr - der Antragstellerin - unterlassen zu haben. Weil sie keine vollständige Akteneinsicht erhalte, könne sie den Vorwurf nicht konkretisieren. Die Antragsgegnerin habe ermessensfehlerhaft entschieden.
Die Antragstellerin beantragt:
- 1.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorläufig verpflichtet, die Antragstellerin zu der 2. Stufe in dem Vergabeverfahren "Übertragung der Durchführung von Aufgaben des Rettungsdienstes" ... zuzulassen.
- 2.
Der Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorläufig untersagt, auf ein Angebot eines oder mehrerer Drittanbieter für die Erbringung von Rettungsdienstleistungen für die E. in einem vergaberechtlichen Verfahren den Zuschlag oder eine Genehmigung zu erteilen oder mit diesen diesbezügliche Verträge zu schließen, ohne dass der Antragstellerin die Möglichkeit gegeben wurde, ein Angebot abzugeben.
Hilfsweise:
- 3.
Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren verpflichtet, die unter Ziff. 1 genannten streitgegenständlichen Leistungen nur unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu vergeben.
- 4.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, eine Auswahlentscheidung für Drittanbieter zur Erbringung von Rettungsdienstleistungen in der E. nur nach Durchführung eines ordnungsgemäßen verwaltungsrechtlichen Auswahlverfahrens gemäß dem Niedersächsischen Rettungsdienstgesetz zu treffen.
- 5.
Die Verwaltungsakten werden gemäß § 99 VwGO beigezogen.
- 6.
Der Antragstellerin wird gemäß § 100 VwGO Akteneinsicht gewährt.
- 7.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
- 8.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin zu tragen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Sie wiederholt den Inhalt ihres Schreibens vom 10. September 2012. Zu dem Vorwurf der Antragstellerin, sie habe sie ungleich behandelt, erwidert die Antragsgegnerin: Sie habe die Teilnahmeanträge von fünf Bewerbern aus unterschiedlichen Gründen für aufklärungs- bzw. auslegungsbedürftig gehalten und diese zur Stellungnahme aufgefordert. Fehlende Unterlagen seien nicht nachgefordert worden. Der Mutmaßung der Antragstellerin fehle jegliche Grundlage. Sie habe ermessensfehlerfrei gehandelt, weil sie von vornherein zwischen vollständigen und unvollständigen Anträgen unterschieden habe. Ein Bewerber habe Anspruch auf Aufklärung seines Angebots, nicht hingegen einen Anspruch auf Nachreichen von fehlenden Unterlagen und damit Vervollständigung seiner Bewerbung. Im Übrigen hätte die Nachforderung von Unterlagen zu einer Verzögerung des Verfahrens geführt. Mit den Anträgen zu Ziff. 2), 3) und 4) nehme die Antragstellerin zudem die Hauptsache vorweg. Der Antrag zu 7) sei unzulässig, weil kein Vorverfahren anhängig gewesen sei.
Das ... Ministerium für ... hat auf Antrag der Antragsgegnerin mit Erlass vom 27. September 2009 angeordnet, dass die Vorlage der vollständigen Verwaltungsvorgänge durch die Antragsgegnerin zu verweigern sei. Die Antragstellerin hat einen während des Verfahrens gestellten Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO zurückgenommen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Teils der Verwaltungsvorgänge verwiesen, den die Antragsgegnerin vorgelegt hat.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO hat mit den beiden Hauptanträgen Erfolg.
1.
Die Hauptanträge zu 1) und 2) sind zulässig.
a.
Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig, weil die Antragstellerin mit ihren Hauptanträgen die weitere Beteiligung an einem Auswahlverfahren betreffend eine Dienstleistungskonzession begehrt, die die Antragsgegnerin in den Formen des öffentlichen Rechts vergeben will (BGH, Beschluss vom 23.1.2012, NZBau 2012, S. 248 [BGH 23.01.2012 - X ZB 5/11]).
Gemäß § 3 Abs. 2 des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes in der hier anwendbaren Fassung vom 22.2.2012 (Nds. GVBl. S. 18) - NRettDG - obliegt der bodengebundene Rettungsdienst den kommunalen Trägern als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises. Gemäß §§ 4 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 1 NRettDG haben die Träger des Rettungsdienstes den Rettungsdienst in ihren Rettungsdienstbereichen sicherzustellen. Damit ist der Rettungsdienst in Niedersachsen als öffentliche Aufgabe ausgestaltet. Würde die Antragsgegnerin davon absehen, Dritte nach § 5 NRettDG mit der Durchführung des Rettungsdienstes zu beauftragen, müsste sie den Rettungsdienst aufgrund ihres Sicherstellungsauftrages selbst durchführen. Der Beauftragte handelt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 NRettDG auch im Falle der Dienstleistungskonzession im Namen des Trägers des Rettungsdienstes. Dies gilt nach Halbsatz 2 der Vorschrift im Falle der Dienstleistungskonzession lediglich nicht für die Erhebung der Entgelte. Darüber hinaus ist Ziel des streitbefangenen Auswahlverfahrens der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (s. Nr. II.1.5 der Auftragsbekanntmachung der Antragsgegnerin und Nr. 6 ihrer Aufforderung zur Einreichung eines Teilnahmeantrages; ebenso VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 4.11.2011 - 5 L 2864/11.F - BeckRS 2011, 55664).
Es kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, ob die streitbefangene Dienstleistung tatsächlich in der Gestalt einer Dienstleistungskonzession und nicht lediglich in der Gestalt eines verkappten Dienstleistungsauftrages (vgl. hierzu Freese/Schwind, NdsVBl. 2012, S. 201) vergeben wird, weil die Antragstellerin mit ihrem Teilnahmeantrag und ihren Hauptanträgen im vorläufigen Rechtsschutzbegehren gerade die weitere Teilnahme an dem Auswahlverfahren nach Maßgabe der Ausgestaltung und Bedingungen der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Dienstleistungskonzession begehrt. Auf Dienstleistungskonzessionen ist der Vierte Teil des GWB nicht anzuwenden (BGH, a.a.O.).
b.
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist auch statthaft, weil gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorliegend ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ausscheidet. Das Absageschreiben der Antragsgegnerin vom 3. September 2012 enthält keine Regelung im Sinne von § 35 VwVfG. Mit dem Schreiben wird die Antragstellerin davon unterrichtet, dass ihre Bewerbung im weiteren Auswahlverfahren keine Berücksichtigung mehr finden könne. Es handelt sich bei diesem Schreiben um eine bloße Information. Weder ist damit ein Zuschlag an die begünstigten Bewerber verbunden, noch gar der Abschluss der öffentlich-rechtlichen Verträge über die einzelnen Leistungen (VG Frankfurt a.M., a.a.O.). Der Widerspruch der Antragstellerin vom 5. September 2012 dürfte sich deshalb als unzulässig erweisen.
c.
Wird in dem Absageschreiben vom 3. September 2012 lediglich eine Verfahrenshandlung in einem Verwaltungsverfahren gesehen, ist das vorläufige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin gleichwohl trotz § 44a VwGO zulässig, weil anders der durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotene effektive Rechtsschutz nicht zu gewährleisten wäre (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 31.5.1985, NVwZ 1986, S. 960 [VG Hannover 31.05.1985 - 6 VG D 20/85] m.w.N.). Der Antragstellerin ist es nicht zuzumuten, den Ausgang des Auswahlverfahrens unter Hinnahme ihres Ausschlusses abzuwarten und dann gegen sämtliche von der Antragsgegnerin ausgesprochenen Beauftragungen vorzugehen.
d.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Ob der Teilnahmeantrag der Antragstellerin - wie die Antragsgegnerin in ihrem Absageschreiben vom 3. September 2012 ausführt - auszuschließen war, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit (VG Frankfurt a.M., a.a.O. m.w.N.).
e.
Mit den Hauptanträgen zu 1) und 2) wird die Hauptsache nicht vorweggenommen. Sie diesen ausschließlich der Sicherung des geltend gemachten Anspruchs der Antragstellerin, weiter am Auswahlverfahren teilnehmen zu dürfen.
2.
Die zulässigen Hauptanträge zu 1) und 2) sind auch begründet.
Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 VwGO auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen notwendig erscheint.
a.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, weil die Antragstellerin am 25. Oktober 2012 die Zuschläge erteilen will.
b.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es spricht Überwiegendes dafür, dass sich der mit Absageschreiben vom 3. September 2012 erfolgte Ausschluss der Antragsgegnerin von dem Auswahlverfahren für eine Beauftragung im Rettungsdienst in einem Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NRettDG kann die Antragsgegnerin als Trägerin des bodengebundenen Rettungsdienstes Dritte mit der Durchführung von Leistungen des Rettungsdienstes nach § 2 Abs. 2 NRettDG und der Einrichtung und der Unterhaltung der Einrichtungen nach § 4 Abs. 4 NRettDG beauftragen. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 NRettDG in der vorbezeichneten Neufassung des Gesetzes erfolgt die Beauftragung innerhalb eines Rettungsdienstbereiches einheitlich entweder (1.) durch die Erteilung eines Dienstleistungsauftrages oder mehrerer Dienstleistungsaufträge oder (2.) durch die Erteilung einer Dienstleistungskonzession oder mehrerer Dienstleistungskonzessionen. Vorliegend hat sich die Antragsgegnerin für die Erteilung von Dienstleistungskonzessionen entschieden und die Antragstellerin begehrt mit ihren Hauptanträgen die weitere Teilnahme an dem Auswahlverfahren zum Erhalt einer solchen Dienstleistungskonzession.
Auf das Verfahren zur Erteilung einer Dienstleistungskonzession finden der Vierte Teil des GWB und damit auch die VgV und die VOL/A keine Anwendung (BGH ebd.). Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe vom 20.12.2011, KOM (2011) 897 ist noch nicht realisiert. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Antragsgegnerin verpflichtet, auch bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen die primärrechtlichen Grundregeln des AEUV, insbesondere die Art. 49 und 56 AEUV sowie die daraus fließende Transparenzpflicht zu beachten, wenn an dem betreffenden Vertrag ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht (EuGH, Urteil vom 10.3.2011, Rdnr. 49, u.a. EuZW 2001, S. 353 = BayVBl. 2011, S. 497; vgl. insoweit bereits auch Nds. OVG, Beschluss vom 7.2.2006, NdsVBl. 2006, S. 165 zur früheren Rechtslage). Dies hat auch der Niedersächsische Gesetzgeber zur Grundlage des Änderungsgesetzes zum NRettDG gemacht (LT-Drs. 16/3826, S. 8 vorletzter Absatz). Das grenzüberschreitende Interesse besteht vorliegend schon deshalb, weil es sich bei der Antragstellerin nach eigener Darstellung in der Antragsschrift um einen Teil eines ausländischen Rettungsdienstkonzerns handelt, der im Bundesgebiet tätig werden will. Das NRettDG selbst enthält mit Ausnahme von § 5 Abs. 1 Satz 3 NRettDG (Bei der Auswahl der Beauftragten können die Eignung und Bereitschaft zur Mitwirkung am Katastrophenschutz sowie zur Bewältigung von Großschadensereignissen berücksichtigt werden) keine besonderen Bestimmungen für die Vergabe der Dienstleistungskonzession.
Die Antragsgegnerin hat sich für ihr Verfahren nach der Auftragsbekanntmachung und ihrer Aufforderung zur Einreichung eines Teilnahmeantrages selbst folgende Grundlagen gegeben:
"Die Verfahrensausgestaltung erfolgt lediglich in Anlehnung an das Verfahren der freihändigen Vergabe im Sinne des ersten Abschnitts der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A 1. Abschnitt) mit einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb nach Maßgabe der Auswahlbedingungen. Die Bestimmungen der VOL/A 1. Abschnitt sind ausdrücklich nicht Bestandteil bzw. Grundlage des Vergabeverfahrens. Es besteht kein Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen der VOL/A und/oder sonstiger Bestimmungen des förmlichen Vergaberechts. Dies gilt für sämtliche Stufen des Verfahrens".
Die Berücksichtigung von Vorschriften der VOL/A auch bei der Vergabe einer Dienstleistungskonzession wird im Rahmen des Ermessens der Behörde bei der Verfahrensausgestaltung (vgl. OVG Magdeburg, Urteil vom 22.2.2012 - 3 L 259/10, Rdnr. 67) für zulässig erachtet (vgl. VG Frankfurt a.M., a.a.O., für die VOL/A-EG). Da das vorliegende Auswahlverfahren letztendlich auf Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im Sinne von § 1 NVwVfG in Verbindung mit den §§ 54ff. VwVfG gerichtet ist, hat die Antragsgegnerin darüber hinaus jedoch gemäß § 9 VwVfG zwingend auch die Bestimmungen des VwVfG über das Verwaltungsverfahren zu beachten. Denn Verwaltungsverfahren im Sinne des VwVfG ist auch die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist; es schließt den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags ein (vgl. zur Anwendbarkeit der Maßstäbe des VwVfG im rettungsdienstrechtlichen Auswahlverfahren auch OVG Magdeburg, - a.a.O., Rdnr. 74).
Im Hinblick auf diese Maßstäbe hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie von der Antragsgegnerin zu Unrecht von der weiteren Teilnahme am Auswahlverfahren ausgeschlossen worden ist, weil die Gründe in dem Absageschreiben vom 3. September 2012 allein den Ausschluss nicht rechtfertigen.
Grund des Ausschlusses der Antragstellerin vom weiteren Auswahlverfahren ist ausweislich des Absageschreibens vom 3. September 2012 die Nichtvorlage der in dem Forderungskatalog bezeichneten Unbedenklichkeitsbescheinigung des kommunalen Steueramtes, dessen fristgerechte Vorlage die Antragstellerin unstreitig versäumt und nach Mitteilung der Säumnis in dem Absageschreiben unverzüglich nachgeholt hat. Begründet wird der Ausschluss damit, dass "von dem Vorbehalt der Nachforderung fehlender Erklärungen und Nachweise unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bzgl. sämtlicher Bewerber kein Gebrauch gemacht worden" sei.
Dieser Grund reicht für einen Ausschluss der Antragstellerin nicht aus.
Nach § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG soll die Behörde, soweit es der Verfahrensbeschleunigung dient, dem Antragsteller nach Eingang des Antrags unverzüglich Auskunft über die Vollständigkeit der Antragsunterlagen geben. Die Vorschrift regelt Betreuungs- und Fürsorgepflichten der Behörde gegenüber den Beteiligten im allgemeinen Verwaltungsverfahren, das auch auf Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet sein kann. Das Teilnahmeangebot der Antragstellerin kann dabei einem Antrag gleichzusetzen sein (vgl. auch OVG Magdeburg, a.a.O., Rdnr. 74), zumal die Antragsgegnerin selbst die Bewerbung mit dem Begriff "Teilnahmeantrag" gleichsetzt.
Die Antragsgegnerin hat sich demgegenüber ersichtlich ausschließlich an § 16 Abs. 2 Satz 1 VOL/A bzw. § 19 Abs. 2 Satz 1 VOL/A-EG (Erklärungen und Nachweise, die auf Anforderung der Auftraggeber bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht vorgelegt wurden, können bis zum Ablauf einer zu bestimmenden Nachfrist nachgefordert werden) orientiert und in ihrer "Auftragsbekanntmachung" unter Nr. II.1.5 ausgeführt:
"Die Auftraggeberin behält sich unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Nachforderung fehlender Erklärungen, Angaben und Nachweise vor. Ein Anspruch auf eine Nachforderung besteht nicht. Nachgeforderte Erklärungen, Angaben und Nachweise sind in diesem Fall binnen einer angemessenen Nachfrist von max. 5 Tagen ab Aufforderung bei der in der Aufforderung angegebenen Stelle und in der darin mitgeteilten Form einzureichen.
Bewerber, die ihre Eignung, ggf. nach erfolgter Nachforderung und fristgerechtem Nachreichen von Erklärungen, Nachweisen und Angaben, nicht hinreichend nachgewiesen haben, werden vom weiteren Verfahren ausgeschlossen."
Danach trägt der für den Ausschluss der Antragstellerin vom weiteren Auswahlverfahren angegebene Grund, die Antragsgegnerin habe von dem Vorbehalt der Nachforderung fehlender Erklärungen und Nachweise unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bzgl. sämtlicher Bewerber keinen Gebrauch gemacht, nicht. Denn die Antragsgegnerin hätte in ihre Entscheidung den von § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG grundsätzlich vermittelten Anspruch der Antragstellerin, vorab Mitteilung über die Vollständigkeit ihrer Unterlagen zu erhalten, in ihre Entscheidung über den Ausschluss der Antragstellerin einstellen müssen. In keinem Fall ist die Antragsgegnerin berechtigt, der Antragstellerin in diesem Zusammenhang jeglichen Verfahrensanspruch - wie vorstehend unter Nr. II.1.5 ihrer Auftragsbekanntmachung und Nr. 12.1.1 der Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen - abzusprechen.
Zwar ist § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG lediglich als "Soll"-Vorschrift ausgestaltet. "Sollen" bedeutet jedoch "Müssen", es sei denn, es liegt ein atypischer Fall vor (vgl. bereits Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl., S. 375; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., § 25 Rdnr. 22 qualifizieren § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG sogar weitergehend als "Rechtsanspruch" auf Mitteilung der fehlenden Unterlagen). Ein solcher atypischer Fall liegt nicht deshalb vor, weil es sich vorliegend um ein Auswahlverfahren um die Erteilung einer Dienstleistungskonzession mit dem Ziel des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages handelt. Dies folgt bereits daraus, dass sich die Antragsgegnerin selbst die Nachforderung von Nachweisen vorbehalten hat.
Auch hätte - jedenfalls in dem vorliegenden Auswahlverfahren - die unterbliebene Mitteilung über die Vollständigkeit der Antragsunterlagen der Verfahrensbeschleunigung gedient. Denn die Antragsgegnerin hätte so sicherstellen können, von ihrem auf der zweiten Stufe der Vollständigkeitsprüfung nach ihrer eigenen Auftragsbekanntmachung vorgesehenen und an § 16 Abs. 2 Satz 1 VOL/A bzw. § 19 Abs. 2 Satz 1 VOL/A-EG orientierten Nachforderungsermessen keinen Gebrauch machen zu müssen. Da die Antragsgegnerin die Bewerbungsfrist bereits einmal verlängert hatte, kann sie sich nicht auf darauf berufen, dass eine Mitteilung nach § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG das Verfahren verzögert hätte.
Selbst bei Nichtanwendung der Vorschrift des § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG wäre vorliegend auch das Unterbleiben der Nachforderung von Nachweisen aus anderen Gründen ermessensfehlerhaft. Selbst bei unmittelbarer Anwendung von § 19 Abs. 2 VOL/A-EG hätte die Antragstellerin einen Anspruch auf ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.3.2011, ZfBR 2012, S. 301 [OLG Karlsruhe 23.03.2011 - 15 Verg 2/11]). Vorliegend wäre das Unterbleiben der Nachforderung der Unbedenklichkeitsbescheinigung des kommunalen Steueramtes deshalb als ermessenfehlerhaft zu qualifizieren, weil die Antragsgegnerin bereits am 27. Juli 2012 die Abgabefrist für die Einreichung der Teilnahmeanträge vom (ursprünglich) 12. August 2012, 12.00 Uhr "im Interesse der ordnungsgemäßen Erstellung der Teilnahmeanträge" bis zum 20. August 2012, 12.00 Uhr verlängert hatte. Verlängert die Behörde jedoch eine behördlich gesetzte Ausschlussfrist, um den beteiligten Personen die ordnungsgemäße Erstellung der Teilnahmeanträge zu ermöglichen, ist sie auch gehalten, den Bewerbern zumindest mitzuteilen, ob die von ihnen bislang vorgelegten Unterlagen vollständig sind. Anders liefe die Verlängerung leer. Ein anderer Sinn der von der Antragsgegnerin verfügten Verlängerung der Antragsfrist erschließt sich der Kammer nicht. Denn Ursache der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Verlängerung der Ausschlussfrist konnte nur sein, dass zuvor einzelne oder gar alle Bewerber bislang keinen ordnungsgemäßen Teilnahmeantrag erstellen konnten. Eine etwaige Beschränkung darauf, den Bewerbern die ordnungsgemäße Erstellung der Teilnahmeanträge ausschließlich aus Gründen der Ausräumung von Missverständnissen im Zuge des Verfahrens zu ermöglichen, enthält die Begründung der Verlängerung nicht. Die diesbezüglichen allgemeinen Erklärungen der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung überzeugen im Hinblick auf die Begründung für Verlängerung der Bewerbungsfrist nicht.
Die unterbliebene Vorab-Mitteilung der Antragsgegnerin an die Antragstellerin, dass ihr Antrag unvollständig sei, ist vorliegend auch ursächlich für den Ausschluss der Antragstellerin von dem weiteren Auswahlverfahren. Dies folgt bereits daraus, dass die Antragstellerin die fehlende Unbedenklichkeitsbescheinigung des kommunalen Steueramtes unverzüglich nach Erhalt des Absageschreibens vom 3. September 2012 nachgereicht hat.
3)
Da den Hauptanträgen zu 1) und 2) entsprochen wurde, ist über die Hilfsanträge zu 3) bis 8) - einschließlich des unzulässigen Hilfsantrages zu 7) - nicht mehr zu entscheiden.
4)
Die Beteiligten werden auf die Vorschrift des § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 926 Abs. 1 ZPO hingewiesen. Ein entsprechender Antrag ist bislang nicht gestellt.
5)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
6)
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Abweichend von der Streitwertangabe der Antragstellerin, die sich auf 2.500,00 EUR beläuft, legt das Gericht auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren einen Streitwert von mindestens 15.000,00 EUR zugrunde, weil das Interesse der Antragstellerin darauf abzielt, das Absageschreiben vom 3. September 2012 gegenstandslos zu machen und letztlich mit der Durchführung des Rettungsdienstes beauftragt zu werden. Das VG Frankfurt a.M. (a.a.O.) hat in einem ähnlich gelagerten Fall noch einen wesentlich höheren Streitwert angenommen, zu dessen Festlegung dem beschließenden Gericht vorliegend jedoch die konkreten Anhaltspunkte fehlen.