Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.09.2024, Az.: 12 KS 34/22

Streit um die teilweise Zulassung der Errichtung und des Betrieb von fünf Windenergieanlagen; Erforderliche Anhörung des erstmals beschwerten Betroffenen bei teilweiser Erteilung einer im Ausgangsverfahren versagten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Abhilfeverfahren; Vorliegen einer "endgültigen" Entscheidung im Sinne  des § 6 Abs. 2 Satz 3 WindBG; Berücksichtigung zukünftiger Sachverhaltsänderungen im grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung; Wahrscheinlichkeit der Neu- oder Wiederbesiedlung von Brutplätzen im Nahbereich der Windenergieanlagen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.09.2024
Aktenzeichen
12 KS 34/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 25753
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0910.12KS34.22.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Soll eine im Ausgangsverfahren versagte immissionsschutzrechtliche Genehmigung im Abhilfeverfahren nach § 72 VwGO teilweise erteilt werden, bedarf es grundsätzlich der vorherigen Anhörung der dadurch erstmals beschwerten Betroffenen nach § 71 VwGO.

  2. 2.

    Eine "endgültige" Entscheidung i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 3 WindBG liegt bereits mit der Erteilung und nicht erst mit dem Eintritt der Bestandskraft einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 BImSchG vor.

  3. 3.

    Bei der Beurteilung, ob es durch den Betrieb einer WEA zu einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos i. S. d. § 44 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 BNatSchG - hier für den Rotmilan - kommen wird, sind auch im grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zukünftige Sachverhaltsänderungen - hier die Neu- oder Wiederbesiedlung von Brutplätzen im Nahbereich der WEA - zu berücksichtigen, wenn sehr wahrscheinlich ist, dass sie eintreten werden.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 3. Januar 2022 i. d. F. der Bescheide vom 29. Juni 2023 und 5. März 2024 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte; ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese allein trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, ein anerkannter Umweltverband, wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 3. Januar 2022 i. d. F. der Bescheide vom 29. Juni 2023 und 5. März 2024, soweit darin im Wege der sog. Teilabhilfe die Errichtung und der Betrieb von fünf Windenergieanlagen (WEA) mit einer Nabenhöhe von 164 m, einem Rotordurchmesser von 149 m und einer Nennleistung von 4,5 MW in der Samtgemeinde I. zugelassen wurden; die Errichtung und der Betrieb einer weiteren WEA mit der Nr. 2 bleibt danach hingegen ungenehmigt.

Die Samtgemeinde J. stellte in der 37. Änderung ihres Flächennutzungsplans Konzentrationsflächen für die Windenergienutzung dar, die aus der folgenden Karte (mit den Standorten der sechs ursprünglich beantragten WEA, deren Westlichste die [nichtgenehmigte] Anlage Nr. 2 ist) ersichtlich sind:

ovg_niedersachsen_20240910_12ks3422_urteil_as1

Das RROP 2010 des Beklagten legte für den Standort der WEA u. a. ein Vorranggebiet "ruhige Erholung in Natur und Landschaft" fest, ist aber zum Jahresende 2021 unwirksam geworden. Ein neues RROP (2020) befindet sich noch in Aufstellung. Nach dem früheren Planungsstand war das hier betroffene Gebiet "K." vom Beklagten - in dessen Eigenschaft als Träger der Regionalplanung - als Dichtezentrum des Rotmilans eingestuft, als Vorranggebiet "Natur und Landschaft" vorgesehen und als Vorranggebiet für die Windenergie zunächst ausgeschlossen worden. Nach dem gegenwärtigen Planungsstand (nunmehr) für einen "Teilplan Windenergie 2024" des RROP soll das Gebiet (als Potenzialflächenkomplex 20 -J. [K.]) für die Nutzung der Windenergie geeignet sein.

Die Lage der insgesamt sechs WEA im Verhältnis zu den (umliegenden) Schutzgebieten ergibt sich aus der folgenden Karte.

ovg_niedersachsen_20240910_12ks3422_urteil_as2

Wie aus der vorstehenden Karte zu erkennen, soll das Vorhaben (nord)östlich des Vogelschutzgebiets V 19 "Unteres Eichsfeld" und westlich des FFH-Gebiets 134 "Sieber, Oder, Rhume" verwirklicht werden.

Zu den charakteristischen Arten des Vogelschutzgebiets V 19 zählt nach dem Standarddatenbogen u. a. der Rotmilan mit einer dort angegebenen Populationsgröße von 21 (wohl Brutpaaren). Danach befindet sich die dortige Population am westlichen Rand des Verbreitungsgebiets (ihrer Art) und ist die Bedeutung des Gebiets V 19 für die Erhaltung des Rotmilans im Bundesgebiet "sehr hoch". Das Vogelschutzgebiet ist Bestandteil des Landschaftsschutzgebiets "Untereichsfeld". Dessen § 3 lautet wie folgt:

"§ 3 Schutzzweck im Hinblick auf das Europäische Vogelschutzgebiet V 19

(1) Das Landschaftsschutzgebiet enthält Flächen des Europäischen Vogelschutzgebietes V 19 "Unteres Eichsfeld". Insoweit dient das Landschaftsschutzgebiet der Umsetzung der Richtlinie 79/409/EWG (EG-Vogelschutzrichtlinie) des Rates vom ... 2. ... 4.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. EG Nr. L 103 S. 1) in der jeweils gültigen Fassung. Die Umsetzungsflächen des Vogelschutzgebietes V 19 sind in der Karte durch einen grauen Hintergrund dargestellt und mit einer Punkt-Linie abgegrenzt.

(2) Ziel ist es, die Habitate der nachfolgend genannten wertbestimmenden Brutvogelarten gem. Anhang I der EG-Vogelschutzrichtlinie zu erhalten oder wiederherzustellen:

  • Rotmilan (Milvus milvus)

  • Wanderfalke (Falco peregrinus)

  • Mittelspecht (Dendrocopos medius)

Zu Gunsten dieser Vogelarten soll die wellige, strukturreiche, halboffene Kulturlandschaft mit altholzreichen, insbesondere alteichenreichen Laubwäldern, Felsbiotopen und Feldgehölzen als Lebensraum erhalten werden, sollen störungsfreie Nisthabitate und störungsfreie Nahrungsräume im Offenland bewahrt und eine extensive Landwirtschaft (insbesondere in Gebieten mit Hackfrucht- und Getreideanbau) als Nahrungsgrundlage (Kleinsäugervorkommen) gefördert werden."

Der Rotmilan zählt nicht zu den im Standardbogen für das FFH - Gebiet 134 aufgeführten Arten. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Buchst. g) der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Rhumeaue, Ellerniederung, Schmalau und Thiershäuser Teiche" bezweckt "die Erklärung zum Naturschutzgebiet insbesondere die Erhaltung und Entwicklung ... der von Grünland geprägten Auen hinsichtlich ihrer Funktion ... als Nahrungs- und Bruthabitat von Brutvogelarten wie Rotmilan ... [und] Schwarzmilan."

Der im Juli 2018 (noch unter einem anderen Namen) von der Beigeladenen gestellte Genehmigungsantrag für die WEA wurde nach Beteiligung der Öffentlichkeit im Ausgangsverfahren durch Bescheid des Beklagten vom 12. Mai 2020 abgelehnt. Der Genehmigungsfähigkeit stünden auch durch Nebenbestimmungen nicht überwindbare arten- und habitatschutzrechtliche Hindernisse entgegen.

Zum Rotmilan wurde ausgeführt (S. 3):

ovg_niedersachsen_20240910_12ks3422_urteil_as3

Zudem (S. 7 f.) sei das Vorhaben auch nicht gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG mit dem Schutz des Gebiets V 19 hinsichtlich des Rotmilans vereinbar. U. a. aufgrund der geringen Reproduktionsrate dieses Vogels sei davon auszugehen, dass schon Einzelverluste populationsrelevant sein könnten. Der für die Vereinbarkeit mit diesem Vogelschutzgebiet erforderliche Ausschluss einer erheblichen Beeinträchtigung des Rotmilans könne weder bezogen auf den Brutstandort RH 52 noch für andere vorhabennahe Brutplätze im Gebiet V 19 durch die erfolgte Raumnutzungsanalyse oder anderweitig erbracht werden.

Gegen die Ablehnung ihres Genehmigungsantrags legte die Beigeladene Widerspruch ein. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens wurde in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde des Beklagten ein sog. "Gesamtmaßnahmenkonzept für den Rotmilan, fachliche Stellungnahme der OECOS GmbH, Stand 10.06.2021," vorgelegt (Beiakte 4). Darin waren zum Schutz des Rotmilans pauschale und temporäre Abschaltzeiten für die WEA 1 sowie 3 bis 6 vorgesehen, und zwar pauschal im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. August jeweils zwischen Sonnenauf- und -untergang, soweit die Windgeschwindigkeit niedriger als 10 m/s sowie der Niederschlag geringer als 2,5 mm/h ist. Für den anschließenden Zeitraum vom 1. September bis zum 31. Oktober waren sog. temporäre Abschaltungen für zwei bzw. drei Tage bei Bewirtschaftungsereignissen im Umkreis von 300 m einer WEA vorgesehen.

Der Beklagte ging nach der Begründung seines angegriffenen Teilabhilfebescheides (S. 60)

"... vorliegend davon aus, dass sich eine signifikante Gefährdungslage in Bezug auf die in dem Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag sowie den ergänzenden Gutachten beschriebenen Rotmilanindividuen im Falle der Errichtung des Windparks ergibt.

Dies folgt zum einen aus der mehrfach gutachterlich belegten Brutplatzsituation, die in Teilen die fachlich empfohlenen Schutzabstände zu Windkraftanlagen von 1500 m deutlich unterschreitet. ... folgt aus dem Unterschreiten der fachlich vorgeschlagenen Schutzabstände eine Indizwirkung für das Bestehen eines signifikanten Tötungsrisikos der im Vorhabensbereich vorkommenden Rotmilane (siehe auch ,Leitfaden Ziff. 4.4.1., S. 218 -'; OVG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 23.2.2016 - OVG 11 S 50 / 15, Rn. 15). Diese Indizwirkung wird ... durch die hohe Flugaktivität von Rotmilanen im Vorhabenbereich als Ergebnis der vorliegenden RNA bestätigt. Darüber hinaus ist aufgrund der speziellen standorttypischen Gegebenheiten mit attraktiven Nahrungsflächen östlich des geplanten Windparks und mehreren Rotmilan-Horsten im Westen eine klare Funktionsbeziehung zwischen Brut- und Nahrungshabitat erkennbar, die wesentlich durch den geplanten Windpark gestört werden würde. Aufgrund dieser erhöht sich das Kollisionsrisiko bei regelmäßig stattfindenden Transferflügen in signifikanter Weise.

Nach alledem wird diese Konfliktlage aber durch die ,Fachliche Stellungnahme', OECOS vom 10.06.2021 im Rahmen des nunmehr vorgelegten bzw. ergänzten ,Vermeidungskonzeptes' in einem Maße reduziert, dass insgesamt nicht mehr von einer ,signifikanten' Gefährdungslage für die betroffenen Rotmilanindividuen ausgegangen werden kann. Denn insbesondere durch die umfänglichen tageszeitlichen Abschaltungen der Anlagen (siehe Pauschale Betriebszeitenregelungen', S.4 d. vorgenannten ,Fachlichen Stellungnahme') wird das hier relevante Risiko in einem Maße reduziert, dass ... insgesamt nicht mehr von einen signifikant gesteigerten Tötungsrisiko durch die Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlagen WEA ... 1, WEA ... 3 bis WEA ... 6 ausgegangen werden kann.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die auf den Rotmilan abgestellte Vermeidungsmaßnahme ,Abschaltzeiten' ihre Schutzwirkung natürlich auch auf weitere Vogelarten entfaltet, unabhängig davon, ob ein signifikantes Kollisionsrisiko besteht oder nicht. So werden auch einzelne und unregelmäßig stattfinde Flüge weiterer windenergiesensibler Arten geschützt. Zu denken wäre hier an den Schwarzmilan sowie Weiß- und Schwarzstorch."

Der Beklagte genehmigte daher - nach öffentlichem Hinweis, dass ihm weitere entscheidungserhebliche, umweltbezogene Unterlagen vorlägen, die nach den allgemeinen Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen eingesehen werden könnten, aber ohne erneute ausdrückliche Beteiligung bzw. Anhörung der Öffentlichkeit oder von Umweltverbänden - mit dem angegriffenen sog. Teilabhilfebescheid vom 3. Januar 2022 die Errichtung und den Betrieb von fünf WEA, und zwar ursprünglich u. a. mit den folgenden artenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen:

"Nr. 5.1.1: Das Vermeidungskonzept zum Schutz des Rotmilans und weiteren Greifvögeln (OECOS 10. ... 6.2021) wird Bestandteil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Von dem mit dieser entscheidungserheblichen Unterlage eingebrachten Vermeidungskonzept darf nicht abgewichen werden. Die auf der Seite 4 des Vermeidungskonzeptes unter Punkt 2.2 zusammengefasst dargestellten Bedingungen sind beim Betrieb der Windenergieanlagen einzuhalten.

Nr. 5.1.7: Präzisierung und Nachweispflicht des Vermeidungskonzepts zum Schutz des Rotmilans und weiteren Greifvögeln (OECOS 10. ... 6.2021)

Bei Änderungen der Windgeschwindigkeit oder Niederschlagsintensität ist das 10-Minutenintervall maßgeblich.

Bis zum 31.12. eines jeden Betriebsjahres werden der Genehmigungsbehörde die täglich aufgezeichneten Wetterdaten innerhalb des Abschaltzeitraums 01.03. - 31.08. (Mittelwerte in 10-Minutenintervallen von der Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe und der gemessenen Niederschlagsmenge) und die protokollierten Abschaltzeiten in Form von Excel-Tabellen digital übermittelt.

Bis spätestens vier Wochen vor Betriebsbeginn sind der Genehmigungsbehörde rechtskräftige Verträge zwischen dem Betreiber des Windparks und den jeweils von den "bewirtschaftungsbedingten Abschaltungen" (300 m Radius um die WEA) betroffenen Bewirtschaftern vorzulegen. In diesen Verträgen ist zu regeln, dass die Landwirte rechtzeitig, spätestens zwei Stunden vor Beginn der Bewirtschaftung, den WEA-Betreiber darüber informieren. Bis zum 31.12. eines jeden Betriebsjahres werden der Genehmigungsbehörde die bezogen auf den Zeitraum vom 01.09. - 31.10. protokollierten bewirtschaftungsbedingten Abschaltzeiten unter Angabe des Bewirtschafters, der Schlagnummer auf der die Bewirtschaftung stattfand sowie unter Angabe der Bewirtschaftungsform als Tabellen digital übermittelt.

5.1.8. Auflagen- und Widerrufsvorbehalt: Die untere Naturschutzbehörde behält sich die Änderung der bisherigen wie auch die ergänzende Anordnung von weiteren Abschaltzeiten zum Schutz des Rotmilans vor. Dies gilt auch für die nachträgliche Anordnung von anderen Vermeidungsmaßnahmen oder technischen Systemen (Widerrufs- und Auflagenvorbehalt)."

Die Ablehnung des Antrags für die WEA 2 wurde wie folgt begründet (S. 65 des Bescheides):

"Die Feststellung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für Rotmilane durch den Betrieb der WEA ...2 hat auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vermeidungskonzeptes zum Schutz des Rotmilans und weiteren Greifvögeln (OECOS 10.06.2021) weiterhin Bestand. Durch die Errichtung und den Betrieb der WEA ... 2 werden insbesondere aufgrund des sehr geringen Abstandes der WEA ...2 zu einem im Jahr 2019 und 2020 besetzten Rotmilanbrutplatz in 400 m Entfernung an der Hahle hohe artenschutzrechtliche Risiken gesehen. Grundsätzlich erhöht sich mit geringerer Distanz der Brutplätze zu Windkraftanlagen das Kollisionsrisiko (Hötker et a., 2013). Auch nach Isselbächer et al. (2018) ist im 500 m Bereich um einen Rotmilanhorst von einem "unüberwindbaren Kollisionsrisiko auszugehen". Neben dem Risiko, an einer WEA zu verenden, steigt bei derartig geringen Abständen zudem das Risiko störungsbedingter Auswirkungen, was beispielsweise zur Aufgabe des Brutplatzes führen kann. Insgesamt sind die Beeinträchtigungen daher als nicht vermeidbar einzustufen."

Der "verfügende Teil" des Bescheides vom 3. Januar 2022 wurde im Amtsblatt des Beklagten vom 20. Januar 2022 öffentlich bekanntgemacht und darauf hingewiesen, dass "mit Ende der Auslegungsfrist am ... 3. ... 2.2022 ... der Bescheid gegenüber denjenigen, die Einwendungen erhoben haben sowie gegenüber Dritten, die keine Einwendungen erhoben haben, als zugestellt (§ 10 Abs. 8 S. 5 BImSchG)" gilt. "Mit der Zustellung beginnt der Lauf der Rechtsbehelfsfristen."

Der Kläger hat am 2. März 2022 - entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung vorsorglich beim Verwaltungsgericht, das das Verfahren an das erkennende Gericht verwiesen hat - gegen diesen Bescheid Klage erhoben und am 1. Juni 2022 ergänzend einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Diesem Antrag hat der Senat durch Beschluss vom 20. Juli 2022 - 12 MS 77/22 - stattgegeben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass bezogen auf den Schutz des Rotmilans jedenfalls unter drei Gesichtspunkten ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 (Nr. 1), 5 BNatSchG nicht hinreichend sicher ausgeschlossen worden sei. Erstens habe der Beklagte selbst Unsicherheiten bejaht und deshalb einen Auflagen- und Widerrufsvorbehalt für notwendig erachtet; dieser Vorbehalt sei jedoch mit § 12 BImSchG nicht zu vereinbaren. Zweitens sei der Rotmilan in dem Zeitraum von Anfang März bis Ende August jedenfalls insoweit unzureichend geschützt, als die dann grundsätzlich geltenden allgemeinen Abschaltzeiten bei "kräftigem" Wind und Regen nicht eingreifen sollten; für die dem zugrundeliegende Annahme, unter solchen schlechten Wetterbedingungen flögen Rotmilane nicht, fehle es an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Drittens müsste ein Schutz durch Abschaltung der genehmigten WEA bei landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsereignissen mutmaßlich weit über einen Kreis von 300 m um die jeweilige "Erntefläche" hinausgehen. Ob der sog. Teilabhilfebescheid an weiteren Mängeln leide, insbesondere die Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Vogelschutzgebiet V 19 den Vorgaben des § 34 BNatSchG entsprochen habe, hat der Senat offengelassen.

Der Beklagte hat daraufhin in Absprache mit der Beigeladenen den sog. Teilabhilfebescheid unter dem 29. Juni 2023 geändert. Nach der Neufassung der Nebenbestimmung Nr. 5.1.1 ist über das Vermeidungskonzept zum Schutz des Rotmilans vom 10. Juni 2021 hinaus ein "Nachtrag zum Maßnahmenkonzept für den Rotmilan (OECOS 25.10.2022)" - Beiakte 11 - zum Bestandteil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erklärt worden. Außerdem sind die Nebenbestimmungen Nr. 5.1.7 und 5.1.8 geändert worden. Nach Nr. 5.1.7 sind nunmehr in der Zeit vom 1. September bis zum 31. Oktober alle WEA abzuschalten, wenn im Umkreis von 300 m um eine dieser Anlagen eine Grünland- oder Ackerfläche bewirtschaftet wird. Schließlich hat der Beklagte Nr. 5.1.8 alt (Auflagen- und Widerrufsvorbehalt) aufgehoben und zunächst (durch Bescheid vom 29. Juni 2023) wie folgt gefasst: "Die WEA 1 sowie die WEA 3 bis 6 sind über die Brutphase in der Zeit vom 1. März bis zum 31. August von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ohne jede witterungsbedingte Einschränkung abzuschalten." Insoweit ist der Bescheid vom 29. Juni 2023 am 5. März 2024 erneut geändert bzw. aus Sicht des Beklagten "berichtigt" worden, und zwar dahingehend, dass die Abschaltung (von März bis August) ohne die Einschränkung zu erfolgen hat, dass "dieses nur während eines Brutbesatzes geschieht" (vgl. die in den Bescheid eingeschobenen Ausführungen auf Bl. 204 der Gerichtsakte = GA).

Außerdem sind die Ausführungen (unter III. 3 der Genehmigung) zur "Verträglichkeit mit Natura 2000-Gebieten/FFH-Verträglichkeit" neu formuliert worden, wobei (auch) der Beklagte annimmt, dass es sich insoweit (nur) um eine entsprechende Vorprüfung handelt. Denn seines Erachtens (vgl. S. 9 des Bescheides vom 29. Juni 2023 in der Fassung der Berichtigung) gilt: "Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Natura-2000-Schutzgebiete nicht erkennbar ist. Die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Rotmilane des standortnahen Brutplatzes ,RH 52' im ,V 19' kann aufgrund der ergänzenden Vermeidungsmaßnahmen auch ohne vertiefende Prüfung ausgeschlossen werden." Eine weiter gehende FFH-Verträglichkeitsprüfung sei somit nicht erforderlich. Im Rahmen der entsprechenden Ausführungen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, findet sich (auf S. 7, Abs. 2) auch der Satz, wonach "unter Berücksichtigung und Beachtung der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative der Unteren Naturschutzbehörde" "das Tötungsrisiko durch die weitreichenden Vermeidungsmaßnahmen wesentlich reduziert" werde.

Der Kläger hält den Genehmigungsbescheid auch in der geänderten Fassung für rechtswidrig, wie er im Wesentlichen bereits in seiner am 10. Mai 2022 vorgelegten Klagebegründung ausgeführt hat.

Er beruft sich insoweit zunächst auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers durch die unterbliebene Anhörung im Abhilfeverfahren. (Auch) Verfahrensfehlerhaft sei bereits hinsichtlich der FFH-Vorprüfung keine - seiner Ansicht nach erforderliche - Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt worden. Eine solche FFH-Vorprüfung sei hier bezogen auf die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Schutzzielen des Gebiets V 19 erforderlich gewesen; es schütze nämlich u. a. den Rotmilan.

Die erstmals im Genehmigungsbescheid durchgeführte FFH-Vorprüfung sei zudem inhaltlich fehlerhaft, weil sie zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen sei; spätestens dann hätte die Öffentlichkeit in die Prüfung einbezogen werden müssen. Es könne nämlich nicht - wie erforderlich - ausgeschlossen werden, dass die Errichtung und der Betrieb der genehmigten fünf WEA das Gebiet V 19 sowie ggf. auch das o. a. FFH-Gebiet erheblich beeinträchtigten. Der Beklagte habe vielmehr schon den Prüfungsmaßstab verkannt, soweit er auch hinsichtlich des Habitatschutzes auf ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko des Rotmilans - statt auf den dafür richtigerweise geltenden o. a. "deutlich schärferen" Maßstab - abgestellt und dementsprechend unrichtig für sich eine Einschätzungsprärogative in Anspruch genommen habe. Außerdem seien die Prüfentfernungen für den Habitatschutz mit der Annahme verkannt worden, ein - hier gewahrter - Abstand von 300 m zum FFH/Vogelschutzgebiet mache im vorliegenden Fall auch beim Rotmilan eine Verträglichkeitsprüfung entbehrlich, obwohl hier erkennbar Flugbeziehungen zwischen dessen westlich des Windparks im FFH-Gebiet (gemeint ist das V 19) gelegenen Brutplätzen und Nahrungsflächen sowohl im Bereich des Windparks als auch östlich hiervon im FFH-Gebiet Sieber/Oder/Rhume bestünden oder solche Beziehungen zumindest nahe lägen. Die verfügten Abschaltzeiten stünden der Annahme einer Beeinträchtigung nicht entgegen, weil sie nicht mit hinreichender Sicherheit zur vollständigen Vermeidung eines Tötungsrisikos für Rotmilane aus dem Vogelschutzgebiet führten. Das Abschaltkonzept sei nämlich in mehrfacher Hinsicht unzureichend. Der Sachverhalt sei nicht ausreichend ermittelt worden. Die notwendigen Abschaltzeiträume griffen schon tageszeitlich zu kurz. Den Gefährdungen der Rotmilane während des Zuggeschehens und im Winter sei ebenfalls nicht hinreichend Rechnung getragen worden. Es sei gesichert, dass Rotmilane im Vogelschutzgebiet V 19 ganzjährig aufträten und in zunehmender Zahl überwinterten (vgl. Bl. 3 des Schriftsatzes vom 15. Dezember 2023; Bl. 188 der Gerichtsakte = GA). Im Zentrum des Vogelschutzgebiets sei Ende November 2023 ein Schlafplatz mit 35 Rotmilanen festgestellt worden. Sehr wahrscheinlich existierten weitere solche Schlafplätze. Zu der Anwesenheit von Rotmilanen im hier betroffenen Bereich des Windparks fehle jedoch für den Zeitraum vom Herbst bis zum Frühjahr jede belastbare Ermittlung des Beklagten.

Zusätzlich betont der Kläger noch einmal die Besonderheiten des Standortes. Der Windpark befinde sich in einem für Rotmilane extrem attraktiven Gebiet. Der Beklagte gehe im Rahmen der Neuaufstellung seines RROP von einem Dichtezentrum des Rotmilans aus und habe deshalb zu dessen Schutz die Windparkfläche aus der Flächenkulisse der Windvorranggebiete ursprünglich ausschließen wollen. Die gegenwärtig abweichende Einschätzung sei falsch. Das Gebiet werde während der Brutsaison nicht nur von Brutpaaren mit naheliegenden Horsten, sondern auch von solchen mit weiter entfernt liegenden Horsten sowie von Nichtbrütern während und außerhalb der Brutsaison genutzt. Insbesondere müsse auch damit gerechnet werden, dass Rotmilane sowohl am Vorhabenstandort als auch im westlich gelegenen Vogelschutzgebiet überwinterten, wie sich aus dem Anhang K 5 der Klageschrift ergebe. Zu Unrecht von der pauschalen Abschaltung ausgenommen seien zudem die Dämmerungsphasen.

Es fehle weiterhin eine Kumulationsbetrachtung insbesondere mit dem nordwestlich gelegenen Windpark, an dessen WEA nachweislich vier Rotmilane zu Tode gekommen seien - ohne dass bislang das dortige Betriebskonzept nachjustiert worden sei.

Aus den vorgenannten Gründen bestehe zudem das vom Beklagten dem Grunde nach selbst bejahte signifikant gesteigerte Tötungsrisiko für den Rotmilan zu Unrecht fort, sei also ein Verstoß (auch) gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zu bejahen. Im Übrigen sei dem Beklagten bekannt, dass im Jahr 2021 der Mäusebussard im Abstand von weniger als 190 m zur WEA 3 und weniger als 300 m zur WEA 1 gebrütet habe. Im Jahr 2024 habe schließlich im Nahbereich von weniger als 500 m zu den drei WEA 4 bis 6 ein Rotmilan gebrütet. Eine solche Ansiedlung im Nahbereich sei von vorneherein zu erwarten gewesen.

Die unter Nr. 5.1.2 der Genehmigung angeordneten Abschaltzeiten zum Schutz der Fledermaus seien unzureichend, soweit die Abschaltung nicht bereits in der Dämmerung einsetze und weil die vorgegebenen Werte nicht im Bereich der unteren Rotorspitze zu ermitteln seien.

Schließlich sei der Artenschutz auch während der Bauzeit nicht hinreichend gewährleistet. Ggf. würde eine Bauzeitbeschränkung dafür ausreichen. Sie werde aber (in der Nebenbestimmung "Nr. 5.1.4") unter den Vorbehalt einer völlig unbestimmten ökologischen Baubegleitung gestellt. Auch der - wiederkehrend - in weniger als 250 m von geplanten Zuwegungen brütende Rotmilan werde insoweit nicht hinreichend geschützt. Zudem nehme die Bauzeitenbeschränkung offensichtlich nur den Schutz der bodenbrütenden Offenlandarten in den Blick.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 3. Januar 2022 in der Fassung des Bescheides vom 29. Juni 2023 und der Berichtigung vom 5. März 2024 aufzuheben,

hilfsweise für rechtwidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er tritt dem Kläger wie folgt entgegen:

Eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung sei im Abhilfe-/Widerspruchsverfahren nicht erforderlich gewesen, weil durch den im Verhältnis zum Ausgangsantrag geänderten Antrag keine nachteiligen Änderungen für Dritte zu befürchten gewesen seien.

Auch für die FFH-Vorprüfung bedürfe es keiner Öffentlichkeitsbeteiligung. Eine unterstellt fehlerhafte FFH-Vorprüfung stelle allenfalls einen relativen Verfahrensfehler dar, der die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe.

Die FFH-Vorprüfung sei inhaltlich zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass keine erhebliche Beeinträchtigung des westlich gelegenen Vogelschutzgebiets V 19 zu erwarten sei. Zwar zähle der Rotmilan zu den wertbestimmenden Arten dieses Gebiets. Da das Vorhaben der Beigeladenen - zu dem von vornherein nur der einschränkte Betrieb der WEA gehöre - aber außerhalb des Schutzgebiets verwirklicht werden solle, seien erhebliche Auswirkungen auf das Schutzgebiet allenfalls bei einer Tötungsgefahr für den Rotmilan bzw. erst bei einer Gefahr für einen günstigen Erhaltungszustand dieser Art zu bejahen. Innerhalb des maßgebenden Radius von 1.500 m um den Windpark habe sich nur ein einziger wiederkehrend besetzter Brutplatz innerhalb des Vogelschutzgebiets befunden. Die dort brütenden Rotmilane nutzten die Vorhabenfläche nicht zum Überflug auf einer Hauptflugroute oder als essenzielles Nahrungshabitat; solche Habitate stünden auch anderweitig insbesondere an anderen Fließgewässern im Vogelschutzgebiet (Suhle, Retlake, Seeanger, Seeburger See) oder außerhalb (Hahle, und teilweise Ellerbach) zur Verfügung. Für die Rotmilane bestehe im Übrigen bei zulässiger Berücksichtigung der schon von der Beigeladenen selbst beantragten Abschaltzeiten keine erhöhte Tötungsgefahr. Außerhalb der Brutzeit bestehe wegen der dann nachlassenden Bindung an den Brutplatz auch keine erhöhte Gefahr, dass das Brutpaar bzw. die Jungvögel durch in Betrieb befindliche WEA zu dort frisch gemähten Grünflächen flögen. Das für Rotmilane allgemein verbleibende Restrisiko sei als gering, dasjenige für die am sogenannten RH 52 im Vogelschutzgebiet brütenden Exemplare als äußerst gering einzustufen.

Eine Kumulationswirkung mit weiteren Windparks sei insoweit nicht gegeben.

Der Windpark befinde sich nicht in einem Hauptzug-Gebiet für Rotmilane. Es gebe keine Hinweise auf ein Zuggeschehen, das über das in Südniedersachsen normale Maß hinausgehe. Im Winter bestehe keine Brutplatzbindung. Dass gerade das Vorhabengebiet als Schlafplatz für Rotmilane genutzt werde, sei nicht ersichtlich.

Entsprechend dem Nds. Artenschutzleitfaden würden die zum Schutz von Fledermäusen maßgebenden Witterungsparameter in aller Regel in Gondelhöhe gemessen. Eine Ausweitung des Abschaltzeitraums auf die Dämmerungsstunden sei nicht geboten.

Bei Baumaßnahmen würden in erster Linie artenschutzfachliche Betrachtungen angestellt, die Umstände erfassten, ob Tiere in der Bauphase getötet werden könnten. Das artenschutzrechtliche Störungsverbot beziehe sich in erster Linie auf die lokale Population, und ein negativer Einfluss des Vorhabens auf die lokale Population könne ausgeschlossen werden.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, die - vom Kläger vorgenommene - "Herleitung der Erforderlichkeit einer Beteiligung der Öffentlichkeit" sei "nicht stringent"; vielmehr bestehe anerkanntermaßen keine Pflicht zu einer förmlichen Durchführung der FFH-Vorprüfung. Eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets (gemeint ist auch das V 19) sei in der erfolgten Vorprüfung zu Recht verneint worden. Dies könne schon keinen Verfahrensfehler darstellen und sei auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht sei dazu auf die Erhaltungsziele bzw. die für den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteile der betroffenen Gebiete abgestellt worden. Ein Ausschluss jeglichen Risikos für den Rotmilan sei auch insoweit nicht geboten.

Im Übrigen, u. a. auch zur Verneinung eines artenschutzrechtlich relevanten Schlagrisikos für den Rotmilan, verweist die Beigeladene auf eine von ihr in Auftrag gegebene weitere Stellungnahme des Herrn L. von der OECOS GmbH vom 20. Juni 2022 (Anlage zum Schriftsatz vom 24. Juni 2022 im Verfahren 12 MS 77/22). Die genehmigten Abschaltzeiten senkten das Mortalitätsrisiko für den Rotmilan unter die Signifikanzschwelle.

Ergänzend weist die Beigeladene auf einen von ihr im Dezember 2023 gestellten Antrag hin, § 6 WindBG anzuwenden. Ein solcher Antrag könne bis zur Bestandskraft der Genehmigung, und damit auch hier noch, gestellt werden. Aus artenschutzrechtlichen Gründen könne die Genehmigung daraufhin nicht (mehr) versagt werden. Auf gerichtliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene an diesem Antrag festgehalten und weiter erklärt, keinen Antrag nach § 74 Abs. 5 BNatSchG zu stellen.

Auch zum Schutz der Fledermaus sei kein vom Kläger gefordertes Nullrisiko notwendig.

Die umwelt- einschließlich artenschutzrechtskonforme Durchführung der Bauarbeiten werde gerade durch eine ökologische Baubegleitung gewährleistet.

Auf gerichtlichen Hinweis haben sich die Beteiligten noch zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens ausgetauscht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in diesem und in dem Verfahren 12 MS 77/22 sowie die Beiakten verwiesen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig (I.) und mit dem Hauptantrag unbegründet, mit dem Hilfsantrag begründet (II.).

I. 1. Der Kläger ist als anerkannte Umweltvereinigung im Sinne von § 3 UmwRG klagebefugt.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung, also auch, wie hier, eine Anfechtungsklage nach § 42 VwGO gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG (a) einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (b), sie weiter geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG berührt zu sein (c), und sie zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG berechtigt war (d).

Diese Voraussetzungen für eine Klagebefugnis des Klägers sind hier gegeben.

a) Die angegriffene Genehmigung stellt eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) UmwRG dar. Danach ist dieses Gesetz u. a. auf Zulassungsentscheidungen i. S. d. § 2 Abs. 6 UVPG hinsichtlich solcher Vorhaben anzuwenden, für die nach dem UVPG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehen kann. Dies ist hier der Fall. Denn nach § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG gehört zu den "Zulassungsentscheidungen" i. S. d. Gesetzes u. a. eine Genehmigung, hier nach § 4 BImSchG. Für das in Rede stehende Vorhaben, die Errichtung und der Betrieb einer Windfarm (vgl. § 2 Abs. 5 UVPG) mit (mindestens) fünf WEA mit einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 Metern, kann zudem nach § 7 UVPG i. V. m. Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG eine Pflicht zur Durchführung einer UVP bestehen. Dem steht auch nicht entgegen, dass eine solche Pflicht nachträglich gemäß § 6 WindBG entfallen kann, da ein solcher Fall aus den nachfolgend unter II. angeführten Gründen hier nicht gegeben ist; im Übrigen handelte es sich bei der Genehmigung des Beklagten ansonsten jedenfalls um eine - von dem Kläger nach dem UmwRG angreifbare - Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.

b) Der Kläger macht mit seinem im Tatbestand zusammengefasst wiedergegebenen Vorbringen geltend, dass die Genehmigung entscheidungserheblichen Rechtsvorschriften widerspricht.

c) Nach § 2 Satz 1 seiner (im Internet abrufbaren) Satzung ist "Zweck" des Klägers "die Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege". Mit seinem Vortrag in diesem Klageverfahren, die vorgesehenen WEA seien unter Verstoß gegen Arten- und Habitatschutzrecht zugelassen worden, beruft er sich also darauf, in seinem so bezeichneten satzungsmäßigen (weiten) Aufgabenbereich berührt zu sein.

d) Schließlich war der Kläger auch i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) UmwRG berechtigt, sich als Teil der Öffentlichkeit an den Genehmigungsverfahren nach § 10 Abs. 3 BImSchG zu beteiligen (vgl. nur Jarass, BImSchG, 14. Aufl., § 10, Rn. 84), wobei § 10 Abs. 3a BImSchG die ihm als anerkannte Vereinigung dabei zukommende Funktion (im öffentlichen Interesse) noch unterstreicht; der Kläger hat hiervon im Übrigen mit mehreren umfangreichen Stellungnahmen wiederholt Gebrauch gemacht. Die von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung angeführten Mitwirkungsrechte anerkannter Naturschutzvereinigungen nach § 63 BNatSchG sind nicht insoweit abschließend, als sie auch eine Mitwirkung dieser Vereinigungen im Rahmen von solchen "Jedermann"-Rechten ausschlössen; vielmehr ergänzen heute § 63 BNatSchG und § 2 UmwRG die (allgemeinen) Mitwirkungs- und Klagerechte der Umweltvereinigungen um spezifische Rechte für sog. Naturschutzvereinigungen (Heselhaus, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 4. Aufl., § 63 BNatSchG, Rn. 1).

2. Die Klage gegen den Genehmigungsbescheid (d. h. den sog. Teilabhilfebescheid) vom 3. Januar 2022 ist am 2. März 2022 erhoben worden. Die Klagefrist ist damit gewahrt worden. Dies gilt schon deshalb, weil die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides unrichtig war. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit, der dieser unrichtigen Belehrung folgend bei ihm anhängig gemacht worden war, zu Recht (und ohnehin nach § 83 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend) an das nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO sachlich zuständige Oberverwaltungsgericht verwiesen.

3. Die Klage richtet sich zu Recht (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 15.9.2020 - 12 ME 29/20 -, juris, Rn. 49, m. w. N.) gegen die Genehmigung vom 3. Januar 2022 in deren aktueller Fassung. Bei dem nach § 88 VwGO gebotenen Verständnis schließt sie damit auch die in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern des Beklagten erklärten letzten Änderungen dieser Genehmigung ein.

II. Der Maßstab der Begründetheitsprüfung für die vorliegende Anfechtungsklage einer anerkannten Umweltvereinigung ergibt sich hier vorrangig aus § 2 Abs. 4 UmwRG. Nach dessen Satz 1 Nr. 1 ist ein Rechtsbehelf gegen - wie hier (s. o. unter I. 1. a) - eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG begründet, soweit diese Entscheidung gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für sie von Bedeutung sind (1.) und (dem Wortlaut der Norm nach) der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert (2.). Bei Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG muss zudem eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung i. S. d. § 2 Abs. 10 UVPG gegeben sein (§ 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG, dazu unter 3.).

Soweit es sich bei den entscheidungserheblichen Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen worden ist, um Verfahrensvorschriften handelt, werden die o. a. maßstabsbildenden Normen durch die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1b UmwRG ergänzt; bei materiellen Fehlern gilt insoweit § 7 Abs. 5 UmwRG (4.).

Ergänzend ist schließlich auf § 6 UmwRG zu verweisen.

1. An diesen Voraussetzungen gemessen ist die Genehmigung in dem nachfolgend aufgezeigten Umfang formell (a) und materiell (b) rechtswidrig.

a) aa) Verfahrensfehlerhaft ist im (Teil-)Abhilfeverfahren keine Anhörung derjenigen erfolgt, die durch die in diesem Verfahrensabschnitt erlassene Genehmigung des Beklagten erstmals "beschwert" wurden. Eine entsprechende, fristgerechte Rüge des Klägers ist erfolgt (vgl. S. 9 seines Schriftsatzes vom 10.5.22, Bl. 77 GA).

Eine solche Anhörung - "des Betroffenen" - ist jedoch in § 71 VwGO grundsätzlich vorgeschrieben, wenn die Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsaktes im Widerspruchsverfahren für ihn erstmalig mit einer Beschwer verbunden ist.

§ 71 VwGO geht als spezielle Regelung der Beteiligungsrechte Dritter im Widerspruchsverfahren den generelleren Regelungen über Beteiligungsrechte im (Ausgangs-)Verwaltungsverfahren - und damit den vom Beklagten auch im Widerspruchsverfahren allein für einschlägig erachteten § 10 Abs. 3 Satz 3 BImSchG bzw. § 8 Abs. 2 der 9. BImSchV - vor, wie sich allgemein bereits aus § 79 VwVfG entnehmen lässt (vgl. dazu Schübel-Pfister, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl., § 79, Rn. 25, m. w. N.). Die letztgenannten immissionsschutzrechtlichen Normen beziehen sich im Übrigen schon nach ihrem Wortlaut nicht auf die o. a. speziellere Fallgestaltung im Widerspruchsverfahren und berücksichtigen nicht das insoweit u. a. nach Erlass eines öffentlich bekannt gemachten Ablehnungsbescheides (§ 20 Abs. 3 der 9. BImSchV, § 10 Abs. 7 BImSchG) besonders schutzwürdige Interesse Dritter; diese sollen nämlich nicht ohne vorherige Anhörung erfahren, dass (und warum) die zunächst abgelehnte Genehmigung auf den Widerspruch des Vorhabenträgers doch erteilt werden soll.

"Beschwer" meint in diesem Zusammenhang die materielle Beschwer, d. h., ob die zu erteilende Genehmigung Rechte Dritter berührt (vgl. etwa Porsch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 45. EL Januar 2024, § 71 VwGO, Rn. 4a, m. w. N.), was in dem hier maßgebenden Zusammenhang jedenfalls für diejenigen Nachbarn zu bejahen ist, die im Einwirkungsbereich der genehmigten WEA leben und deshalb gegen die Genehmigung klagebefugt (vgl. nur Jarass, a. a.O., § 6, Rn. 78) sind. Sie sind im vorliegenden Widerspruchsverfahren durch eine Abhilfe "erstmals" beschwert, weil zuvor die Erteilung der Genehmigung für die WEA gerade abgelehnt worden war. Wie sich etwa aus der Abbildung 16 (S. 20) des Schallgutachtens (Nr. 5.1.1 Beiakte 17) entnehmen lässt, leben allein im nächtlichen Schalleinwirkungsbereich der WEA in den Ortschaften M. und N. eine Vielzahl von Personen, die teilweise deshalb auch Einwendungen gegen die Genehmigung erhoben haben (vgl. Beiakte 14) und anzuhören gewesen wären.

Dass es sich um eine Vielzahl von Personen handelt, führt nicht zur Annahme eines atypischen Falls, der abweichend vom Regelfall des § 71 VwGO ("soll") ein Absehen von der Anhörungspflicht begründete, sondern allenfalls zur Modifikation der Art und Weise dieser Anhörung, sei es in schriftlicher Form durch ein Musterschreiben oder mündlich durch einen gemeinsamen Anhörungstermin; denn die Ausgestaltung der Anhörung obliegt der Abhilfe- bzw. Widerspruchsbehörde (Porsch, a. a. O., Rn. 7). Da sich die Anhörungspflicht auch auf Rechtsfragen bezieht, hier also gerade auch auf die Frage, ob das Vorhaben nunmehr teilweise genehmigungspflichtig sei, weil bisherige Einwände dagegen ausgeräumt worden seien, genügte der tatsächlich erfolgte Hinweis des Beklagten allein auf das Vorliegen weiterer Gutachten nicht den Anforderungen an eine solche "Anhörung".

Eine spezielle Regelung über die Anhörung von Umweltverbänden bei einer Genehmigungserteilung erst im Widerspruchsverfahren enthält weder § 71 VwGO, noch ist sonst dafür eine ausdrückliche Rechtsgrundlage ersichtlich. Eine Beteiligungspflicht ergibt sich insoweit aber aus den Gründen, die das Bundesverwaltungsgericht im Planfeststellungsrecht angeführt hat und die hier entsprechend auf die Beteiligung anerkannter Umweltvereinigungen anzuwenden sind (vgl. Urt. v. 6.11.2012 - 9 A 17/11 -, juris, Rn. 16 unter Bezug auf das Urt. v. 12.12.1996 - 4 C 19/95 -, juris, LS. 3, Rn. 18:

"Daraus folgt zugleich, daß die in einem früheren Verfahrensabschnitt ordnungsgemäß durchgeführte Beteiligung für die Frage der Notwendigkeit einer erneuten Beteiligung der Naturschutzverbände unerheblich ist. Ob eine neue Beteiligungspflicht ausgelöst wird, hängt vielmehr davon ab, ob sich in dem neuen Verfahrensabschnitt zusätzliche naturschutzrechtliche Fragen stellen, zu deren Beantwortung die sachverständige Stellungnahme der anerkannten Naturschutzverbände geboten erscheint. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn - wie auch das Erstgericht meint - der vorgesehene Planfeststellungsbeschluß zu zusätzlichen Eingriffen in Natur und Landschaft führt, sondern auch dann, wenn es die Planfeststellungsbehörde für notwendig erachtet, neue, den Naturschutz betreffende Untersuchungen anzustellen, die Ergebnisse in das Verfahren einzuführen und die Planungsentscheidung darauf zu stützen. Das bedeutet freilich nicht, daß schon jede naturschutzrechtliche Fragen betreffende Überlegung der Planfeststellungsbehörde zu einer neuen Beteiligung der Naturschutzverbände zwingt; denn die Naturschutzverbände sind keine allgemeinen "Begleiter" des Planfeststellungsverfahrens. Ihre Sachkunde ist jedoch gefragt und muß in einer wiederholten Beteiligung nutzbar gemacht werden, wenn das naturschutzrechtlich relevante Material durch neue Gutachten oder ihnen vergleichbare Stellungnahmen Dritter oder eigene Untersuchungen der Planfeststellungsbehörde nachträglich erweitert wird."

Hieran gemessen hätten auch die anerkannten Umweltvereinigungen über den allgemeinen Hinweis auf das Vorliegen neuer Unterlagen hinaus im Widerspruchsverfahren beteiligt werden müssen, und zwar in der Weise, dass auch sie ausdrücklich auf den "Nachtrag zum Maßnahmenkonzept für den Rotmilan (OECOS 25.10.2022)" und die hieran anknüpfende Absicht des Beklagten hätten hingewiesen werden müssen, nunmehr doch fünf der sechs WEA zu genehmigen. Denn die in diesem Nachtrag vorgesehenen zusätzlichen Maßnahmen zum Schutz des Rotmilans waren aus Sicht des Beklagten entscheidend dafür, nunmehr die zuvor versagte Genehmigung doch überwiegend zu erteilen. Sie waren aber im Genehmigungsverfahren noch nicht vorhanden und deshalb auch nicht ausgelegt worden; für die anerkannten Umweltvereinigungen hatte deshalb damals weder ein Anlass noch eine Notwendigkeit bestanden, bereits in diesem Verfahrensstadium vorsorglich ihren Sachverstand einzubringen und sich zu der Frage zu äußern, ob und ggf. mit welchen zusätzlichen Schutzvorkehrungen das Vorhaben der Beigeladenen teilweise genehmigungsfähig sein könnte.

bb) Ein weiterer, hier vom Kläger unter Bezug auf die entsprechende Vorschrift (§ 16 Abs. 1 Satz 2) des UVPG sinngemäß und deshalb ausreichend gerügter Verfahrensfehler liegt darin, dass der nach § 10 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 der 9. BImSchV a. F. (heute Satz 8) auszulegende UVP-Bericht entgegen § 4e Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV keine Angaben zu den Auswirkungen des UVP-pflichtigen Vorhabens der Beigeladenen auf die Erhaltungsziele des Vogelschutzgebiets V 19 enthielt; darin liegen zugleich verfahrensrechtliche Mängel, und zwar sowohl der notwendigen Dokumentation als auch der öffentlichen Auslegung.

Schon aus dem nationalen Recht, nämlich aus § 4e Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV, der für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren als Spezialvorschrift an die Stelle des allgemein geltenden und vom Kläger angeführten § 16 Abs. 1 Satz 2 UVPG tritt, ergibt sich in der vorliegenden Fallgestaltung mittelbar zugleich die Notwendigkeit der - hier versäumten - Beteiligung der Öffentlichkeit auch an einer notwendigen FFH-Verträglichkeitsprüfung im Abhilfeverfahren. Denn gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c) der 4. BImSchV ist das Genehmigungsverfahren zwingend nach § 10 BImSchG, d. h. mit einer Öffentlichkeitsbeteiligung i. S. d. § 10 Abs. 3 BImSchG, durchzuführen, wenn für die Erteilung der Genehmigung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Ist die Öffentlichkeitsbeteiligung entgegen § 10 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 der 9. BImSchV a. F. (bzw. § 25 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 8 der 9. BImSchV) ohne Auslegung eines § 4e Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV genügenden Umweltberichtes durchgeführt worden, muss sie deshalb im Abhilfeverfahren wieder- bzw. nachgeholt werden, sofern eine Umweltverträglichkeitsprüfung - wie hier aus den folgenden Gründen - weiterhin erforderlich bleibt.

Wann für die FFH-Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 a. E. der FFH-Richtlinie "ggf." bereits unionsrechtlich, also unabhängig vom nationalen Recht, eine Beteiligung der Öffentlichkeit zwingend geboten ist, kann deshalb hier ebenso offen bleiben wie eine Klärung der Frage unterbleiben darf, ob entgegen der bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 27.11.2018 - 9 A 8/17 - juris, Rn. 84, m. w. N.) unionsrechtlich die Öffentlichkeit bereits zwingend an der sog. FFH-Vorprüfung zu beteiligen gewesen ist.

Denn § 4e Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV bestimmt, dass

"der UVP-Bericht bei einem UVP-pflichtigen Vorhaben, das einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet ist, ein Natura 2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, Angaben zu den Auswirkungen des UVP-pflichtigen Vorhabens auf die Erhaltungsziele dieses Gebiets enthalten muss".

Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

Für das Vorhaben der Beigeladenen war jedenfalls ursprünglich nach § 7 Abs. 3 UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich (vgl. Nr. 14.1 der Antragsunterlagen sowie Bl. 96 Beiakte 1)

Sie ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. zuletzt Beschl. v. 13.8.2024 - 12 MS 43/24 -) auch nicht nachträglich durch den von der Beigeladenen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 (i. V. m. Abs. 2 Satz 3) WindBG, also zeitlich nach der Genehmigungserteilung, gestellten Antrag entfallen (vgl. insoweit VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.6.2024 - 10 S 1546/23 - juris, Rn. 39, und OVG Nord.-Westf., Urt. v. 24.8.2023 - 22 A 793/22 - "ggf. auch unionsrechtlich konnotierte Frage" - juris, Rn. 157).

Denn nach § 6 Abs. 2 Satz 3 WindBG ist Absatz 1, nach dem unter den dort genannten Voraussetzungen u. a. die Pflicht zur Durchführung einer solchen UVP entfällt, zwar auch auf bereits laufende Genehmigungsverfahren anzuwenden, bei denen der Antragsteller den Antrag vor dem 29. März 2023 gestellt hat und bei denen noch keine endgültige Entscheidung ergangen ist, wenn der Antragsteller dies gegenüber der zuständigen Behörde verlangt. Die "endgültige" Entscheidung liegt aber bei einem gebotenen unionsrechtlichen Verständnis in der Genehmigungserteilung (d. h. hier in dem sog. Teilabhilfebescheid vom 3. Januar 2022), so dass in einem sich an diese Genehmigungserteilung anschließenden etwaigen Widerspruchs- oder Klageverfahren kein entsprechendes Optionsrecht des Vorhabenträgers - hier der Beigeladenen als der Antragstellerin des Genehmigungsverfahrens - mehr besteht. Zur Begründung hat der Senat in seinem o. a. Beschluss vom 13. August 2024 ausgeführt:

"Dabei kann offen bleiben, ob das von der Beigeladenen in Anspruch genommene Wahlrecht überhaupt auch dann noch besteht, wenn sie zuvor, wie hier, gerade vorsorglich eine solche UVP (nach § 7 Abs. 3 UVPG) beantragt hatte, und ob der Antragsgegner nicht andernfalls zumindest seine Genehmigung in der aktuellen Fassung ändern müsste, in der unverändert umfangreiche Ausführungen zur durchgeführten, dann aber überflüssigen UVP enthalten sind.

Jedenfalls steht der Beigeladenen das nach § 6 Abs. 3 Satz 2 WindBG in Anspruch genommene Wahlrecht hier schon nicht zu, weil es nur bis zum Erlass einer "endgültigen" Entscheidung besteht, dieser Begriff unionsrechtlich auszulegen ist, danach aus den folgenden Gründen im vorliegenden Zusammenhang der Zeitpunkt der Erteilung einer Genehmigung i. S. d. § 4 BImSchG gemeint ist und somit der Beigeladenen nach dem 4. August 2022 das Wahlrecht gar nicht mehr zur Verfügung stand.

§ 6 WindBG beruht auf Art. 6 der Verordnung (EU) 2022/2577 des Rates vom 22. Dezember 2022 i. d. F. der Verordnung (EU) 2024/223 zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien. Nach deren Art. 1 Abs. 3 können die

"Mitgliedstaaten ... diese Verordnung auch auf laufende Verfahren zur Genehmigungserteilung anwenden, bei denen vor dem 30. Dezember 2022 noch keine endgültige Entscheidung ergangen ist, sofern das Verfahren zur Genehmigungserteilung damit verkürzt wird und bereits bestehende Rechte Dritter gewahrt werden."

Was unionsrechtlich unter einer "endgültigen" Entscheidung zu verstehen ist, erschließt sich aus Art. 2 Abs. 1 b) i. V. m. Art. 4 und 5 der Verordnung. Nach Art. 2 Abs. 1 b) umfasst das Verfahren zur Genehmigungserteilung "alle behördlichen Stufen ...", beginnt mit der Bestätigung des Eingangs des vollständigen Antrags bei der zuständigen Behörde und endet mit der Mitteilung der endgültigen Entscheidung über das Ergebnis des Verfahrens durch die zuständige Behörde. Für dieses Verfahren ist in Art. 4 Abs. 1 für die Installation von Solarenergieanlagen eine Dauer von maximal drei Monaten und in Art. 5 Abs. 1 u. a. für das Repowering von WEA eine solche von maximal sechs Monate vorgeschrieben. Diese Fristen können aber unmöglich eingehalten werden, wenn man, wie unter Bezug auf das nationale Begriffsverständnis geltend gemacht wird, "endgültig" i. S. v. "bestandskräftig" versteht. Zudem schreiben die Absätze 5 des Art. 4 und 5 der Verordnung jeweils vor, dass "alle Entscheidungen, die auf den in den Absätzen 1 (und 2) genannten Verfahren zur Genehmigungserteilung beruhen, ... im Einklang mit bestehenden Verpflichtungen veröffentlicht" werden - auch diese Verpflichtung spricht dafür, dass die Erteilung der Genehmigung, nicht aber stattdessen erst die bestandskräftige Genehmigung oder zusätzlich ihre Bestandskraft zu veröffentlichen ist. Schließlich ist aus unionsrechtlicher Sicht gegen ein Begriffsverständnis der "Endgültigkeit" einer Genehmigung i. S. v. ihrer "Bestandskraft" zusätzlich anzuführen, dass der zeitliche Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung dann von dem nicht (erkennbar) harmonisierten nationalen Rechtsbehelfsverfahrensrecht abhinge, damit in den Mitgliedsstaaten erheblich divergieren würde und sich die Ausnahmeregelung zudem, wie hier von der Beigeladenen in Anspruch genommen, auch auf Verfahren beziehen könnte, in denen die Genehmigung, deren Erteilung beschleunigt werden soll, bereits vor dem erstmaligen Inkrafttreten der Verordnung erlassen worden ist. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass dies beabsichtigt ist.

Außerdem war hier auch eine FFH-Verträglichkeitsprüfung (vgl. zu den insoweit notwendigen Bestandteilen: Nds. OVG, Beschl. v. 10.11.2023 - 4 LA 163/21 -, juris, Rn. 21, m. w. N.) nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG bezogen auf das Vogelschutzgebiet V 19 erforderlich.

Dabei ist - im Hinblick auf den wohl abweichenden Ansatz der Beigeladenen - vorauszuschicken, dass das Schutzregime des § 34 BNatSchG auch bei erheblichen Beeinträchtigungen eingreift, die ihre Ursache zwar außerhalb des Schutzgebiets haben, sich aber auf das Gebiet auswirken können (vgl. ebenso etwa OVG Rh-Pf., Beschl. v. 4.1.2024 - 1 B 10987/23 - juris, Rn. 27; Gatz/Tyczewski/Baars, Reg. Energien in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 4. Aufl., Rn. 319, m. w. N.). Dass sich die genehmigten WEA der Beigeladenen (östlich) außerhalb des V 19 befinden sollen, begrenzt damit dessen mögliche vorhabenbedingte Beeinträchtigungen, schließt sie aber nicht aus.

Die vom Beklagten allein durchgeführte Vorprüfung in der letzten, aktuellen Fassung ist zu Unrecht zum Ergebnis gelangt, eine vorhabenbedingte erhebliche Beeinträchtigung des Vogelschutzgebiets V 19 könne bereits so, d. h. wie erforderlich ohne nähere Prüfung, offensichtlich ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab etwa BVerwG, Urt. v. 29.9.2011 - 7 C 21/09 -, juris, Rn. 40, m. w. N.) werden. Der Kläger rügt zu Recht, dass der Beklagte zu diesem Ergebnis durch fehlerhafte Maßstabbildung gelangt ist.

Grundsätzlich wäre hier zur Beurteilung des Vorliegens einer Beeinträchtigung unmittelbar auf den günstigen Erhaltungszustand des Rotmilans als einer für das Gebiet V 19 charakteristischen Art abzustellen gewesen. Nähere Ermittlungen des Beklagten zum aktuellen Erhaltungszustand dieser Vogelart, etwa zur Anzahl der Brutpaare und zu deren Habitatansprüchen sowie zu den notwendigen Reproduktionsbedingungen im V 19, sind hier jedoch unterblieben - wie etwa in der im Auftrag der Beigeladenen vorgelegten Stellungnahme der OECOS GmbH vom 20. Juni 2022, S. 4 (Bl. 61 in 12 MS 77/22), eingeräumt wird.

Das wäre in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung (vgl. zuletzt Urt. v. 12.3.24 - 12 LB 148/22 - zum EU-Vogelschutzgebiet V 69 "Uhu-Brutplätze im Weserbergland, S. 27 ff. des Urteilsabdrucks, zur Veröffentlichung vorgesehen) auch nicht erforderlich (gewesen), wenn sich im Sinne einer worst-case Betrachtung (vgl. ebenso etwa OVG Rh-Pf., Beschl. v. 4.1.2024, a. a. O., Rn. 20) davon ausgehen ließe, dass eine vorhabenbedingte relevante Gefahr für den guten Erhaltungszustand des Rotmilans im Gebiet des V 19 hier allein in der Tötung von Rotmilanen liegen könnte, eine solche Tötung vorliegend aber ausgeschlossen wäre. Dann müsste eine solche Gefahr aber tatsächlich ausgeschlossen, d. h. allenfalls noch theoretisch möglich sein.

Eine entsprechende Feststellung hat der Beklagte aber nicht getroffen. Denn den vorstehend umrissenen Maßstab hat er seiner FFH-Vorprüfung nicht zu Grunde gelegt, sondern ist stattdessen letztlich nur von der Notwendigkeit ausgegangen, ein signifikant erhöhtes "Todesrisiko" i. S. d. Artenschutzrechts ausschließen zu müssen, um bereits deshalb eine FFH-Prüfung für entbehrlich halten zu dürfen. Nur dieses Risiko hat er letztlich verneint.

Auf die vom Beklagten ausdrücklich angeführte Aussage unter Nr. 2.1 des niedersächsischen Artenschutzleitfadens (Nds.MBl. 2016, 190)

Sofern im Zusammenhang mit betriebsbedingten Auswirkungen von WEA keine artenschutzrechtlichen Verbote erfüllt sind, ist diesbezüglich im Regelfall auch nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung von FFH-Gebieten im Sinne der FFH-Richtlinie auszugehen"

konnte dieser abweichende Prüfungsansatz - ungeachtet der ohnehin fehlenden Normqualität dieses Leitfadens - schon deshalb nicht gestützt werden, weil die dortige Aussage mit der Einschränkung "im Regelfall" nicht einmal selbst den Anspruch erhebt, dass stets so verfahren werden könne, und sie sich im Übrigen auf die eigentliche Verträglichkeitsprüfung, nicht aber erkennbar zugleich auf die hier in Rede stehende FFH-Vorprüfung bezieht. Unterstrichen wird dieses Verständnis durch die weitere Regelung in Nr. 6 Abs. 4 des Leitfadens, in der gerade auf die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung verwiesen wird:

"Bei WEA-Planungen im unmittelbaren Umfeld von Natura 2000-Gebieten kann die Einhaltung eines Puffers zu Teilen des Gebietes oder zum gesamten Gebiet notwendig werden. Die Prüfung und Umsetzung eines solchen Puffers ist schutzgutspezifisch und einzelfallbezogen vorzunehmen."

Daher ist eine Erörterung der Frage überflüssig, ob vorliegend im Sinne der Nr. 2.1 dieses Leitfadens eine Ausnahme zu bejahen wäre. Hierfür würde allerdings - bei einem anderen Verständnis des Leitfadens - schon sprechen, dass im Standardbogen des Gebietes V 19 dessen auf das gesamte Bundesgebiet bezogene Bedeutung für die Erhaltung des Rotmilans (als Verantwortungsart) als "sehr hoch" eingestuft worden ist, und weiter, dass in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 27.11.2018, a. a. O., Rn. 90 ff.) zu Recht betont wird, dass bezogen auf Gebiete mit ganz besonderer Bedeutung die üblichen Untersuchungsvorgaben ggf. zu modifizieren, d. h. etwa auch Prüfradien zu erweitern, sind.

Der Beklagte hat bereits Einzelverluste des Rotmilans aufgrund dessen geringer Reproduktionsrate als populationsrelevant eingestuft; das ist gerichtlich nicht zu beanstanden (vgl. ebenso Bay. VGH, Urt. v. 29.3.2016 - 22 B 14.1875 - juris, Rn. 74): Schon solche Einzelverluste können danach den (günstigen) Erhaltungszustand der Rotmilane im Gebiet V 19 bei der o. a. worst-case Betrachtung erheblich beeinträchtigen.

Für die Beurteilung, ob ein solcher Einzelverlust ausgeschlossen ist, kann sich der Beklagte im Rahmen solcher Betrachtung nicht, wie er dies aber ausdrücklich getan hat, auf eine "naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative der Unteren Naturschutzbehörde" bzw. verbleibende "wissenschaftliche Unsicherheiten" berufen. Denn diese sind jedenfalls im Rahmen der FFH-Vorprüfung nicht berücksichtigungsfähig (vgl. nur Keller, in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl., § 34 BNatSchG, Rn. 18, m. w. N.). Zudem soll nach der Einschätzung des Beklagten selbst unter (unzulässiger) Einbeziehung beider Aspekte "das Tötungsrisiko" (u. a. für den Rotmilan) durch die weitreichenden Vermeidungsmaßnahmen wesentlich reduziert" (vgl. auch die Vermerke Bl. 485, 501 Beiakte 2), aber gerade nicht - wie erforderlich - ausgeschlossen worden sein. Ungeklärt geblieben ist schließlich, inwieweit Rotmilane vorhabenbedingt zu Schaden kommen können, die sich nach Aktenlage zahlreich auch vom November bis Februar im Gebiet V 19 aufhalten, wenngleich sie dann nicht mehr, wie während der Brutphase, an einen Standort gebunden sind. Angesichts dieser Mängel der FFH-Vorprüfung muss nicht geklärt werden, ob dem Beklagten bei der Maßstabsbildung weitere Fehler unterlaufen sind. Auch soweit diese potentiellen Fehler in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat angesprochen wurden, bedarf es deshalb an dieser Stelle keiner weiteren Ausführungen.

Es handelt sich insoweit auch nicht um bloß theoretische Überlegungen zu einer Gefahr für Rotmilane, da die im Gebiet V 19 lebende Tiere dieser Art auch nach der Einschätzung des Beklagten schon während der betrachteten Aufenthaltszeiten vom Frühjahr bis zum Spätsommer, wenn auch nicht vorrangig, so doch wiederkehrend zur Nahrungssuche in Richtung Rhume u. a. die genehmigten WEA-Standorte überqueren, sie sich in einem nicht näher untersuchten Umfang auch nach dem Ende der Aufzuchtzeit bis zum Aufbruch in die Winterquartiere ohne feste räumliche Bindung in dem Gebiet aufhalten und dort zudem, wie ausgeführt, eine nicht näher bekannte Anzahl überwintert. In diesem Zeitraum laufen die WEA der Beigeladenen aber ggf. grundsätzlich zeitlich unbegrenzt. Auf entsprechende Lücken zeitlicher Art im Schutzkonzept sowie für "Nichtbrüter" hat im Übrigen auch bereits Herr O. vom NLWKN in seiner Stellungnahme vom 27. April 2021 hingewiesen (vgl. etwa Bl. 160 f. GA). Danach kann bei dem o. a. zutreffenden Maßstab im Rahmen der worst-case Betrachtung die vorhabenbedingte Tötung eines Rotmilans gerade nicht ausgeschlossen werden.

Lediglich ergänzend ist im Übrigen noch auf den "Sinneswandel" des Beklagten hinzuweisen, der in seinem ablehnenden Ausgangsbescheid noch die "Unzulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG bezogen auf den Schutz der Rotmilane durch das V 19" betont hat.

Ohne dass hierauf tragend abgestellt wird, spricht gegen die Annahme, eine Beeinträchtigung des Rotmilans im V 19 sei ausgeschlossen, zusätzlich, dass der von der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten bereits allgemein empfohlene Mindestabstand zwischen WEA und einem Europäischen Vogelschutzgebiet dem Zehnfachen der Anlagenhöhe entspricht, das hier bei einer Anlagengesamthöhe von 238,5 m 2,38 km beträgt, während der tatsächlich gewahrte Abstand mit rd. 1.355 m mehr als einem Kilometer geringer ist. Auch hierauf hatte sich der Beklagte zur Begründung seines ablehnenden Ausgangsbescheides vom 12. Mai 2020 noch selbst berufen (S. 7/8). Es ist nicht zu erkennen, dass sich seither die Sach- oder Rechtslage entscheidend geändert hat.

Weil nach alldem eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebietes V 19 gerade nicht ausgeschlossen werden konnte, wäre im Rahmen einer deshalb angesagten (vertieften) FFH-Verträglichkeitsprüfung außerdem nach § 34 Abs. 1 BNatSchG als "Zusammenwirken mit anderen Projekten" eine mögliche Kumulation der Auswirkungen des zur Genehmigung stehenden Vorhabens der Beigeladenen und des nördlich des Gebiets V 19 gelegenen, bereits genehmigten Windparks zu untersuchen gewesen, durch den immerhin schon vier Rotmilane getötet worden sind.

Der tatsächlich nach Aktenlage (vgl. Bl. 97 Beiakte 1) bekanntgegebene UVP-Bericht (vgl. Beiakte 8) nach dem Stand vom 14. Januar 2019 enthielt die demnach notwendigen Angaben zu einer FFH-Verträglichkeitsprüfung schon deshalb nicht, weil eine solche gar nicht für erforderlich erachtet wurde und damit bis heute unterblieben ist. Er beinhaltete im Übrigen nicht einmal die nachträglich erfolgten Ausführungen zu der FFH-Vorprüfung (vgl. Bl. 498 ff. Beiakte 2), sondern erschöpfte sich unter Nr. 4.7.9 in der bloßen Anführung u. a. des Gebiets V 19, ohne auch nur ansatzweise auf eine mögliche vorhabenbedingte Beeinträchtigung seines Erhaltungszustands u. a. für den Rotmilan einzugehen; insoweit blieb er sogar hinter den Angaben in der "Scoping-Unterlage" als Bestandteil der Antragsunterlagen zurück (Nr. 14.2 Beiakte 18).

cc) Da eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden hat und der Öffentlichkeit damit nicht vollumfänglich die Möglichkeit der Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen worden ist, handelt es sich bei den zuvor unter II. 1. a) aa) bis bb) bezeichneten Verfahrensfehlern zwar nicht um solche i. S. d. § 4 Abs. 1 UmwRG, wohl aber um Verfahrensfehler i. S. d. § 4 Abs.1a UmwRG.

Sie sind beachtlich, weil nicht festgestellt werden kann, dass die unterbliebene Beteiligung von beschwerten Dritten nach § 71 VwGO bzw. die bezogen auf das Gebiet V 19 fehlende Durchführung der FFH-Verträglichkeitsprüfung die Genehmigungsentscheidung nicht beeinflusst haben (§ 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG).

b) aa) Hinsichtlich des Gebiets V 19 verstößt die Genehmigung gegen § 34 BNatSchG, weil die nach den vorherigen Ausführungen erforderliche Verträglichkeitsprüfung (§ 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG) unterblieben ist und deshalb derzeit nicht beurteilt werden kann, ob das genehmigte Vorhaben dieses Vogelschutzgebiet erheblich beeinträchtigt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG).

Inwieweit das genehmigte Vorhaben mit den in seinem Umfeld befindlichen FFH-Gebieten sowie der Verordnung zum Schutz des Landschaftsschutzgebiets "Untereichsfeld" zu vereinbaren ist, ist mangels entsprechender Rügen nach § 6 UmwRG in diesem Verfahren unerheblich.

bb) Der Senat hat dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung Bedenken gegen dessen Annahme aufgezeigt, dass von der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (§ 13 BImSchG) für die WEA auch die landesrechtlich erforderlichen Baugenehmigungen für umfangreiche, mehr als einen Kilometer betragende - anzulegende oder zumindest auszubauende - Erschließungswege umfasst würden (vgl. ergänzend etwa Hess. VGH, Beschl. v. 10.2.2023 - 9 B 247/22.T - juris, Rn. 32; Lange, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 13, Rn. 21 [Anlagenbezug]; Agatz, Windenergiehandbuch, 19. Ausgabe, S. 12 "Anlagenabgrenzung", jeweils m. w. N.) und daher (insbesondere) die entsprechenden baurechtlichen Nebenbestimmungen 3.16 und 3.17 erforderlich seien. Diesen nach § 6 UmwRG, § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO berücksichtigungsfähigen Bedenken hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung durch die Aufhebung der diesbezüglichen Regelungen der Genehmigung Rechnung getragen.

cc) Die bauplanerische Zulässigkeit der WEA ist hier nach § 6 UmwRG nicht zu klären. Denn entsprechende Rügen hat der Kläger nicht fristgerecht erhoben, und es ist jedenfalls nach dem möglichen Eingreifen des § 245e Abs. 4 Satz 1 BauGB (bezogen auf den aktuellen Planungsstand für einen "Teilplan Windenergie 2024" des RROP des Beklagten) ausgeschlossen, den Sachverhalt mit geringem Aufwand (§ 6 Satz 3 UmwRG i. V. m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO) zu ermitteln.

dd) Die Genehmigung des Beklagten verstößt hinsichtlich des Rotmilans weiterhin gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.

Der Senat stellt insoweit aus den folgenden Gründen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des o. a. Bescheides vom 29. Juni 2023 ab.

Im Ausgangspunkt ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich, in Niedersachsen ist also grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses eines - in Verfahren nach dem BImSchG, wie hier, nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 b) NJG weiterhin erforderlichen - Widerspruchsbescheides abzustellen.

Die Beigeladene plant einen Windpark mit sechs WEA - hierauf hat sich ihr beim Beklagten gestellter Genehmigungsantrag bezogen. Allerdings hat dieser Antrag im Abhilfe-/Widerspruchsverfahren ein unterschiedliches Schicksal genommen: Die hier umstrittenen fünf WEA sind durch einen sog. Teilabhilfebescheid genehmigt worden, die Genehmigung für die sechste Anlage ist weiterhin unterblieben, der Erlass eines (Teil-)Widerspruchsbescheides steht insoweit noch aus. Ungeachtet der Frage nach der Zulässigkeit eines solchen Teilabhilfebescheides in Drittbeteiligungsfällen, wie hier, ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gegen einen solchen (Teil-)Abhilfebescheid, der für Dritte eine erstmalige Beschwer enthält, unmittelbar Anfechtungsklage und nicht nochmals Widerspruch zu erheben. Das verbliebene Widerspruchsverfahren beschränkt sich dann auf das Schicksal der sechsten WEA; im Übrigen, d. h. bezogen auf die hier umstrittenen, genehmigten fünf WEA, ist es mit dem Erlass des Teilabhilfebescheides abgeschlossen.

Daher ist für die hier umstrittene Rechtmäßigkeit der genehmigten fünf WEA zunächst von der Maßgeblichkeit der Lage im Zeitpunkt des Erlasses des Teilabhilfebescheides vom Januar 2022 als der insoweit letzten Behördenentscheidung ausgehen.

Dieser Zeitpunkt hat sich allerdings bezogen auf den Schutz des Rotmilans nachträglich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides vom 29. Juni 2023 verschoben, in dem der Beklagte - um den vom Senat in seinem Beschluss vom 20. Juli 2022 aufgezeigten Mängeln Rechnung zu tragen - mehrere o. a. Nebenbestimmungen geändert und u. a. den "Nachtrag zum Maßnahmenkonzept für den Rotmilan (OECOS 25.10.2022)" zum Bestandteil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erklärt und diese insoweit erneut (inhaltlich) geändert hat. In der Sache hat der Beklagte nämlich insoweit ein ergänzendes Verfahren zur Heilung auch materieller Mängel durchgeführt, und zwar mit der Folge, dass bezüglich des dadurch neu bewältigten artenschutzrechtlichen Konflikts für die Bewertung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der erneuten gerichtlichen Entscheidung der Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem die behördliche Änderungsentscheidung erging (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 4 UmwRG, Rn. 97; § 7 UmwRG, Rn. 126, jeweils m. w. N.).

In diesem Zeitpunkt waren zwar bereits die Sonderbestimmungen zum artenschutzrechtlichen Tötungsverbot beim Betrieb von WEA nach § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG in Kraft getreten. Sie sind nach der Übergangsregelung in § 74 Abs. 4 BNatSchG aber grundsätzlich nicht auf "bereits genehmigte Vorhaben" anzuwenden und damit nach den vorherigen Ausführungen auch nicht auf das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG im Juli 2022 bereits genehmigte, hier streitige Vorhaben der Beigeladenen zur Errichtung und zum Betrieb von fünf WEA. Es verbleibt danach bei der Anwendung des § 44 BNatSchG (ohne die Modifikationen des § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG).

Allerdings ist in der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass bei der Überprüfung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach der letzten Behördenentscheidung eingetretene Änderungen der Sach- bzw. Rechtslage zugunsten des Vorhabenträgers berücksichtigungsfähig sind (vgl. etwa Urt. v. 25.1.2024 - 7 A 4/23 -, juris, Rn. 30, m. w. N.).

Auf das Vorliegen einer solchen nachträglichen, sie begünstigenden Rechtsänderung hat sich die Beigeladene mit ihrem Begehren nach § 6 Abs. 2 Satz 3 WindBG berufen, weil dann nach § 6 Abs. 1 WindBG temporär nur ein abgesenktes artenschutzrechtliches Schutzniveau zu beachten gewesen wäre. Dieser Antrag geht aber aus den o. a. Gründen ins Leere; die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 2 WindBG sind nicht gegeben.

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa Hess. VGH, Beschl. v. 22.5.2024 - 9 C 232/22.T - juris, Rn. 14, m. w. N.) wäre dafür aber in Betracht gekommen, dass die Beigeladene einen Antrag nach § 74 Abs. 5 BNatSchG stellt, (zumindest) § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG abweichend von dem aus den zuvor bezeichneten Gründen nicht eingreifenden § 74 Absatz 4 BNatSchG "bereits vor dem in Absatz 4 genannten Tag" bzw. sinngemäß "auf ein noch nicht bestandskräftig genehmigtes Vorhaben", wie das ihrige, anzuwenden. Auf ausdrückliche gerichtliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene aber erklärt, dass ihr Antrag auf Anwendung des § 6 Abs. 1 WindBG nicht als ein solcher nach § 74 Abs. 5 BNatSchG auf Anwendung des § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG zu verstehen sei und sie einen solchen auch im Übrigen nicht stellen wolle.

Damit bleibt die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides vom 29. Juni 2023 maßgeblich. Demgemäß ist hier für das artenschutzrechtliche Verbot, beim Betrieb von WEA Rotmilane zu töten, nicht auf die Sonderregeln in § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG, sondern "nur" auf § 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG abzustellen.

Zwar ist in diesen Vorschriften - anders als in § 45b Abs. 2 BNatSchG i. V. m. Abschnitt 1 der Anlage 1 zu § 45b Absatz 1 bis 5 - nicht ausdrücklich geregelt, dass das Tötungsrisiko für Rotmilane, die einen Brutplatz in einem Abstand von weniger als 500 m zum Mittelpunkt des Mastfußes einer WEA ("Nahbereich") nutzen, signifikant erhöht ist und nicht durch fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen unter diese Schwelle gesenkt werden kann. Hiervon ist aber bezogen auf die Ablehnung der Genehmigung der WEA 2 bereits der Beklagte ausgegangen, und zwar zu Recht, wie der Senat bereits im Eilbeschluss (S. 14 unten) ausgeführt hat. Denn es ist weder ersichtlich, dass sich seit der gesetzlichen Neuregelung im Juli 2022, als § 45b BNatSchG in Kraft getreten ist, die dieser Regelung zugrundeliegende fachwissenschaftliche Erkenntnislage zum Tötungsrisiko des Rotmilans geändert hätte, noch, dass insoweit der Schutz schlaggefährdeter Brutvögel gegenüber dem vorhergehenden Rechtsstand gestärkt werden sollte. Der Gesetzgeber (zum Folgenden: Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: Juni 2024, BNatSchG, § 45b, Rn. 11) hat mit der Neuregelung in § 45b Abs. 2 BNatSchG vielmehr der (insoweit unveränderten) fachwissenschaftlichen Erkenntnis Rechnung getragen, dass es innerhalb dieses Nahbereichs schon wegen des Territorialverhaltens der Vögel und der häufigen horstnahen Flüge zu einem sehr hohen und selbst durch Vermeidungsmaßnahmen [in einem angemessenen Umfang] nicht hinreichend zu reduzierenden Kollisionsrisiko kommt (BT-Drs. 20/2354, 32). Auch wenn der Betrieb einer WEA in dieser Zone damit stets mit dem Tötungsverbot in Konflikt gerät, ist im Nahbereich dennoch ein solcher Betrieb nicht schlechthin ausgeschlossen. Indessen dürften WEA dort nur zugelassen werden, wenn dafür eine artenschutzrechtliche Ausnahme erteilt werden kann (s. u.).

Es ist also auf der Grundlage der im Juni 2023 vorliegenden Erkenntnisse zu beurteilen, ob es zu einem Verstoß gegen das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG kommen wird.

Normative Vorgaben dazu, wie ein Brutplatz, auf dessen Nahbereich bei der o. a. Prüfung abzustellen ist, zu bestimmen ist, fehlen. Allerdings werden grundsätzlich nur potenzielle Brutplätze nicht geschützt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.2.2016 - OVG 11 S 50.15 -, juris, Rn. 14), und können in der Vergangenheit genutzte Brutplätze durch Zeitablauf diese Eigenschaft verlieren. In Nr. 5.3 des Niedersächsischen Artenschutzleitfadens wird insoweit ausgeführt, dass

"ältere Daten wichtige Hinweise zur Beurteilung der artenschutzrechtlichen Fragestellungen (z. B. zu regelmäßig genutzten Fortpflanzungs-/Ruhestätten, zu Rast- und Zugvögeln, zu Offenlandarten mit wechselnden Standorten und schwankendem Bestand (z. B. Weihen und Wachtelkönig) sowie zu Gemeinschaftsschlafplätzen von Milanen und Weihen) [liefern]. Bei Greifvogelarten, Uhu und Schwarzstorch ist die Abschätzung des Störungs- und Schädigungsrisikos auch auf Wechselnester auszulegen. Die Wechselhorste von Greifvogelarten und Uhu verlieren nach drei Jahren der Nichtnutzung ihre Funktion als Niststätten. Bei Wechselnestern des Schwarzstorches sind Nester der letzten fünf Jahre zu berücksichtigen"

In Anknüpfung an die bereits in dem Senatsbeschluss vom 20. Juli 2022 aufgeworfene Fragestellung ist der Senat der Ansicht, dass bei der insoweit erforderlichen Prognose einer konkreten Gefahr (vgl. Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 4. Aufl., § 44 BNatSchG, Rn. 7) "auch zumindest sehr wahrscheinliche, ggf. sogar anderweitig geförderte bzw. erstrebte tatsächliche, etwa naturräumliche, Veränderungen mit zu berücksichtigen sind, wie sie hier in Rede stehen."

Denn der Schutz von Vögeln vor einer tödlichen Kollision ist eine "Daueraufgabe", die auch in der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung keine Zäsur findet (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 19.12.2023 - 7 C 4/22 - juris, Rn. 16) und ggf. bei zuvor nicht absehbaren Ansiedlungen von Vögeln zum (Teil-)Widerruf einer solchen Genehmigung nach § 21 Abs. 1 Nr. 5 BImSchG führen kann. Daher hat es wenig Sinn, bereits bei der Genehmigungserteilung sehr wahrscheinliche Ansiedlungen allein unter zeitlichem Aspekt "sehenden Auges" auszublenden. Zudem spricht für die Berücksichtigung sehr wahrscheinlicher zukünftiger Entwicklungen, dass diese Berücksichtigungspflicht einheitlich auch zugunsten des Vorhabens gilt, d. h. ein Antrag wegen eines zukünftig sicher wegfallenden artenschutzrechtlichen Hindernisses also nicht abgelehnt, sondern (aufschiebend bedingt) genehmigt wird. Weder aus § 44 BNatSchG noch aus § 45b BNatSchG lässt sich etwas Anderes entnehmen, weil sie schon nicht ausdrücklich an Brutplätze anknüpfen (§ 44 BNatSchG) bzw. nicht regeln, unter welchen Voraussetzungen von einem solchen auszugehen ist (§ 45b BNatSchG). Allerdings ist einzuräumen, dass die vom Gesetzgeber mit dem Erlass des § 45b BNatSchG im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erstrebte - partielle (vgl. Gellermann, a. a. O., Rn. 5) - Berechenbarkeit (vgl. BT -Drs. 20/2354, 25) ein Stück weit verloren geht, wenn die Genehmigungsbehörde solche im Genehmigungszeitpunkt noch nicht eingetretene Entwicklungen mit in den Blick zu nehmen hat. Diesem Aspekt wird aber hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass die Wahrscheinlichkeit berücksichtigungsfähiger zukünftiger Entwicklungen sehr hoch sein muss und es sich insoweit daher um seltene Ausnahmefälle, etwa gerade in sog. Dichtezentren, wie hier, handelt; bloß potenziell geeignete Brutplätze werden unverändert nicht geschützt. Im Übrigen könnte ein Konzept, den Vogelschutz nur an einen vorhandenen Brutplatz anzuknüpfen, ohnehin nicht ausnahmslos durchgehalten werden, soweit es um Wiesenbrüter (vgl. Senatsbeschl. v. 24.9.2021 - 12 ME 45/21 -, juris, Rnrn. 154 ff.), nicht horsttreue Vogelarten oder solche mit Wechselhorsten bzw. mit nur schwer zu ermittelnden Brutplätzen geht. Das ergibt sich bereits aus dem zuvor wiedergegebenen Auszug aus dem Artenschutzleitfaden, und ein solches Konzept würde auch unionsrechtlichen Bedenken unterliegen. Systematisch kann man für dieses Verständnis weiter anführen, dass für vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen, also Maßnahmen, welche die Wahrung der ökologischen Funktion der von einem Eingriff oder sonstigen Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten nach § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG weiterhin sicherstellen sollen, ebenfalls gefordert wird, dass die neu geschaffenen bzw. aufgewerteten Fortpflanzungs- oder Ruhestätten von den eingriffsbetroffenen Individuen prognostisch mit mindestens hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden (vgl. etwa Nds. OVG, Urt. v. 31.7.2018 - 7 KS 17/16 - juris, Rn. 338, m. w. N.), dass also auch insoweit zukünftige Entwicklungen berücksichtigt werden, wenn sie mit mindestens hoher Wahrscheinlichkeit eintreten.

Dies zugrunde gelegt war im o. a. maßgeblichen Zeitpunkt (und im Übrigen auch bei Erlass des Teilabhilfebescheides) mit Ansiedlungen von Rotmilanen im Nahbereich letztlich aller fünf WEA sehr wahrscheinlich zu rechnen. Rotmilane verfügen in der Regel über mehrere, jahrweise unterschiedlich genutzte Wechselhorste, sind also reviertreu; hierauf weist bereits der Artenschutzleitfaden hin, und auch der Beklagte ist hiervon zutreffend ausgegangen (vgl. dessen interne Stellungnahme v. 25.9.20, Bl. 319 Beiakte 2). Hieran anknüpfend haben nicht nur einzelne Einwender im Verwaltungsverfahren (vgl. etwa Dr. Wildenhayn, BA 16, a. E, zusammenfassend auf S.12 f., dort zudem mit Verweis auf die Agrarfördermaßnahmen im Vorhabengebiet), sondern auch der Kläger wiederkehrend auf die "hohe Horstdynamik" und damit eine zu erwartende Neu- oder Wiederansiedlung des Rotmilans, wie beispielsweise gerade im Waldstück "im Schraderholz", hingewiesen (vgl. ergänzend Schriftsatz v. 4. August 2018, BA 16, S. 11 unten). Der Beklagte selbst ist dieser Einschätzung ausdrücklich unter Bezug auf die naturräumlichen Gegebenheiten beigetreten. Denn er hat (s. o.) ausgehend hiervon "sowohl eine Wiederbesetzung oder die Neuanlage von Horsten im Nahbereich sowie eine Neuetablierung von Brutstätten" als "für die Zukunft sehr wahrscheinlich" bezeichnet. Wie der Senat im Eilbeschluss bereits ausgeführt hat und sich den vom Kläger vorgelegten Karten zu der Entwicklung der Horste von Rotmilanen im Vorhabengebiet entnehmen lässt, hat sich die Annahme, es werde zu Neu- bzw. Wiederansiedlungen im Nahbereich um die WEA der Beigeladenen kommen, erstmals schon im Laufe des - im Juli 2018 eingeleiteten - Genehmigungsverfahrens durch die Neuansiedlung eines Brutpaares ab dem Jahr 2019 im Nahbereich von weniger als 500 m zu der mit beantragten WEA 2 bestätigt, und nunmehr im Jahr 2024 erneut durch die Ansiedlung im Nahbereichsdreieck zwischen den WEA 4, 5 und 6. Auch zwischen den verbleibenden genehmigten WEA verläuft ein Waldstück, dessen Ränder sich als Brutplatz für Rotmilane nicht nur eignen, sondern nach Aktenlage (vgl. die Karte auf S. 3 der Klageschrift, Bl. 74 Gerichtsakte) bereits in der Vergangenheit so genutzt wurden, und deren Wieder- bzw. Neuansiedlung daher ebenfalls sehr wahrscheinlich gewesen ist. Bei dieser Sachlage kommt es auf die Lage des Vorhabens in einem Gebiet, dessen "rotmilangerechte Bewirtschaftung" durch das Land grundsätzlich gefördert wird, nicht mehr entscheidungserheblich an.

Ohne Ausnahme vom Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG durften die fünf genehmigten WEA daher nicht zugelassen werden.

Nach § 45b Abs. 8 Nr. 6 BNatSchG handelt es sich bei der Erteilung der Ausnahme (jetzt) um eine gebundene Entscheidung. Gleichwohl war in diesem Verfahren nicht über die Rechtmäßigkeit einer solchen Ausnahme zu entscheiden. Denn eine solche findet sich nicht in der angegriffenen Genehmigung und kann nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Beschl. v. 11.5.2020 -12 LA 150/19 - juris, Rnrn. 45, 51) im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage auch nicht durch den Senat in sie hineingelesen werden; ob es für ihre Erteilung zudem eines - hier fehlenden - Antrags des Vorhabenträgers bedürfte, kann deshalb offenbleiben. Im Übrigen wären zur rechtmäßigen Erteilung einer solchen Ausnahme nähere Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des § 45 Abs. 7, § 45b Abs. 8 BNatSchG notwendig, die sich jedenfalls bezogen auf den Erhaltungszustand der lokalen Population des Rotmilans weitgehend mit denjenigen decken dürften, die der Beklagte ohnehin ergebnisoffen im Rahmen der "FFH-Verträglichkeitsprüfung" bezogen auf das Gebiet V 19 nachzuholen hat; dann aber dürfte ohnehin keine ersatzweise Verpflichtung des Gerichts bestehen, diesen Aspekt von sich aus aufzuklären (vgl. bereits Senatsurt. v. 26.2.20 - 12 LB 157/18 -, juris, Rn. 92).

Ist somit schon aufgrund der zu erwartenden Ansiedlung von Rotmilanen in Nahbereich der genehmigten WEA von einem Verstoß gegen das Tötungsverbot auszugehen, so kommt es nicht mehr entscheidungserheblich auf die weiteren Aspekte an, unter denen der Kläger einen solchen Verstoß annimmt. Deshalb wird zusammenfassend nur auf Folgendes hingewiesen:

Soweit der Kläger einen weiter gehenden Schutz von durchziehenden Rotmilanen einfordert, wäre ihm wohl nicht zu folgen. Trotz umfangreicher ornithologischer Untersuchungen ist nämlich nicht zu erkennen, dass das Vorhabengebiet regelmäßig im Herbst/Frühjahr von einer Mehrzahl von Rotmilanen durchzogen wird. Die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass dies doch erfolgte und dann an in Betrieb befindlichen WEA eine Kollisionsgefahr bestünde, führte angesichts der Bandbreite des Zugkorridors sowie der geringen zeitlichen Dauer des Durchflugs mutmaßlich nicht zur Überschreitung der Schwelle zur signifikant erhöhten Schlaggefahr.

Gleiches dürfte gelten, soweit der Kläger eine Abschaltung über die Zeit vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang hinaus, nämlich unter Einbeziehung der jeweiligen Dämmerungsphasen, fordert. Im Übrigen geht nunmehr auch der Gesetzgeber in Abschnitt 2 der Anlage 1 zu § 45b BNatSchG bezogen auf die Schutzmaßnahme "Abschaltung bei landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsereignissen" offenbar davon aus, dass eine solche Abschaltung "jeweils von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang" ausreichend ist, die Dämmerungsphasen also nicht einzubeziehen sind.

Zur Beurteilung, ob Rotmilane, die im Umfeld des Vorhabengebiets überwintern, ausreichend vor einer Kollision mit einer der genehmigten WEA geschützt sind, bedürfte es allerdings mutmaßlich, wie zuvor bereits für die nachzuholende Verträglichkeitsprüfung bezogen auf das angrenzende Gebiet V 19 ausgeführt, näherer Feststellungen dazu, ob und wie viele Rotmilane überhaupt im Umfeld überwintern und wo sie sich dann im Einzelnen aufhalten.

ee) Die vom Kläger hinsichtlich des Beginns der täglichen Abschaltzeit - erst ab dem Sonnenuntergang statt bereits ab der Dämmerung - als unzureichend bezeichneten Schutzmaßnahmen für Fledermäuse sind gerichtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 WindBG hat die zuständige Behörde auf Grundlage vorhandener Daten geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen in den Windenergiegebieten anzuordnen, um die Einhaltung der Vorschriften des § 44 Absatz 1 BNatSchG zu gewährleisten, sofern die Daten eine ausreichende räumliche Genauigkeit aufweisen und zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag nicht älter als fünf Jahre sind. Geeignete Minderungsmaßnahmen nach Satz 3 zum Schutz von Fledermäusen hat die Behörde insbesondere in Form einer Abregelung der Windenergieanlage anzuordnen, die auf Grundlage einer zweijährigen akustischen Erfassung der Fledermausaktivität im Gondelbereich anzupassen ist (§ 6 Abs. 1 Satz 4 WindBG).

Aus der Regelung in dem vorgenannten Satz 4 lässt sich der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber allgemein, d. h. auch über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 6 WindBG hinaus, die Erfassung von Fledermausaktivität(-en) im Gondelbereich von WEA als ausreichende Grundlage einer Beurteilung der Gefahr für diese Tiere durch den Anlagenbetrieb ansieht, es darüber hinaus also weder einer gesonderten Messung an den unteren Rotorspitzen von WEA noch einer Hochrechnung der im Gondelbereich ermittelten Werte auf die unteren Rotorspitzen bedarf, wie sie der Kläger zur Wahrung einer größeren Genauigkeit fordert. Insbesondere eine "Hochrechnung" gewährleistete ohnehin nur eine sehr eingeschränkte Zusatzgenauigkeit. Auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung wird deshalb eine Messung "nur" in Gondelhöhe gebilligt (vgl. Hess. VGH, Urt. v. 23.2.2024 - 11 C 2414/21.T - juris, Rn. 226, m. w. N., sowie Senatsbeschl. v. 24.9.2021 - 12 ME 45/21 - juris, Rn. 170 f.).

Ergänzend ist gerade unter Bezug auf die vom Kläger angeführte sog. RENEBAT III - Studie (von Behr, u. a., 2018, S. 401) darauf hinzuweisen, dass die unter Nr. 5.1.2 der Genehmigung angeordneten Abschaltzeiten sowohl hinsichtlich des erfassten Jahreszeitraums (vom 21.3. bis zum 15.11) als auch hinsichtlich der Anlaufwindgeschwindigkeit der WEA von mindestens 7,5 m/s jeweils weitgehend sind, weil sie ansonsten nicht allgemein umfasste Zeiten in den Abschaltungszeitraum einbeziehen, und damit schon so das Tötungsrisiko für Fledermäuse "überdurchschnittlich" vermindern.

Hinsichtlich des Aktivitätsbeginn von Fledermäusen wird in der RENEBAT - III Studie auf S. 402 ausgeführt, dass "Aktivität vor Sonnenuntergang nur selten vorkomme". Allerdings habe es im Spätsommer/Herbst einige Aufzeichnungen von Nyctaoid-Rufen in den drei Stunden vor Sonnenuntergang an WEA-Standorten im Osten Deutschlands gegeben. Daraus wird auf die Notwendigkeit vorsorglicher Abschaltungen vor Sonnenuntergang in Gebieten mit "Zughinweisen" bzw. in Regionen bekannter Abendseglerwochenstuben geschlossen. Daraus lässt sich jedoch nicht folgern, dass in Niedersachsen generell zur Abwendung eines signifikanten Schlagrisikos für den Großen Abendsegler eine Abschaltung von WEA schon in der Dämmerung geboten sei. Besondere für den Großen Abendsegler risikoerhöhende Umstände sind im vorliegenden Einzelfall nicht vorgetragen oder ersichtlich. Den entsprechenden, schriftsätzlich vorgetragenen Einwand hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung im Übrigen nicht weiterverfolgt.

ff) Schließlich hat der Kläger noch artenschutzrechtliche Verstöße während der Bauarbeiten an den Windenergieanlagen und an den Zuwegungen geltend gemacht, und zwar gegen § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG sowie ergänzend - bei einer lärmbedingten Brutaufgabe - auch gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.

Soweit sich die Einwände, wie wohl zumindest schwerpunktmäßig, gegen Arbeiten an bzw. auf den Zuwegungen beziehen, gehen sie nunmehr schon ins Leere. Diese Arbeiten sind zwar ursprünglich als "Annex" zur Nutzung der Zuwegungen mitgenehmigt worden; sie sind aber jetzt nicht mehr Gegenstand der hier angegriffenen Genehmigung, nachdem der Beklagte die darin enthaltenden Regelungen zu den Zuwegungen in der mündlichen Verhandlung aufgehoben hat.

Berechtigt ist allerdings der Angriff des Klägers gegen die Regelung in Nr. 5.1.3 Satz 1 der Genehmigung. Danach steht der "Beginn der vorbereitenden Baumaßnahmen (Baufeldfreiräumung) innerhalb des in der Nebenbestimmung 5.1.3 genannten Zeitraums unter der Bedingung, dass der UNB zuvor der genaue Umfang der ökologischen Baubegleitung (ÖBB) vorgelegt wird und diese der ÖBB zugestimmt hat." Diese Regelung genügt nicht den Anforderungen des - auch für Nebenbestimmungen geltenden - § 37 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG.

Abgesehen davon, dass sich der Verweis wohl auf den in Nr. 5.1.4 (nicht ... 3.) genannten Zeitraum vom 1. März bis Ende Juli (Brutzeit) beziehen soll, rügt der Kläger zu Recht, dass es in der Genehmigung an jeglicher Konkretisierung fehlt, was genau Gegenstand der ÖBB sein soll, die danach Voraussetzung für die Durchführung von Bauarbeiten auch während der Brutzeit ist. Dass der Begriff in der Fachwelt eine hinreichend genaue Definition gefunden hat, die nicht nur abstrakt den Gegenstand und die Phasen dieser Begleitung umfasst, sondern auch ihren jeweiligen Inhalt, ist nicht ersichtlich (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 31.3.2023 - 4 A 11/21 - juris, Rn. 98: "Die ökologische Funktionalität wird dabei durch die Festlegung konkreter Ausgleichsmaßnahmen gewährleistet und nicht lediglich einer inhaltlich nicht näher bestimmten ökologischen Baubegleitung überantwortet."). Eine weitere vorherige inhaltliche Konkretisierung der ÖBB ist deshalb vom Beklagten selbst vorgesehen, bedarf dann aber nur noch einer Zustimmung seiner "UNB", ohne dass daran noch die Öffentlichkeit einschließlich anerkannter Umweltvereinigungen zu beteiligen wäre. Mangels näherer Bestimmbarkeit der Zustimmungsvoraussetzungen würde bei einer Billigung dieser Nebenbestimmung daher solchen Dritten zu Unrecht die Möglichkeit der inhaltlichen Prüfung genommen.

Der Kläger führt zur Klagebegründung weiter aus, dass "die Versäumnisse bezüglich der Bauarbeiten möglicherweise vernachlässigbar" wären, wenn "die im Genehmigungsbescheid unter Nr. 5.1.4 angeordnete Bauzeitenbeschränkung. ohne Einschränkungen gelten würde"; und verweist - wie ausgeführt - weiter darauf, dass es der ÖBB an jeder konkretisierenden Vorgabe fehle; so sei ungewiss, wie die ÖBB die Erfüllung eines absehbaren Verbotstatbestandes während der Bauarbeiten verhindern solle. Da der Kläger zu Recht die fehlende Bestimmtheit der ÖBB rügt, ist die Frage, ob sie dazu geeignet ist, erst nach ihrer Konkretisierung (neu) zu beurteilen. Im Übrigen ergibt sich aus der Klagebegründung nicht hinreichend, an welchen genehmigten WEA-Standorten für welche Tierarten es zu baubedingten Störungen kommen soll. Soweit der Kläger seine diesbezüglichen Einwände ortsbezogen konkretisiert hat, ist dies bezogen auf Zuwegungen erfolgt. Wenn er auf eine Fluchtdistanz etwa des Rotmilans von 330 m verweist, so wirkt sich eine solche wegen des zu WEA-Standorten einzuhaltenden, weiter gehenden Abstandes von 500 m (s. o.) ebenfalls nur bezogen auf Zuwegungen aus.

2. Nach der unionsrechtskonformen "Auslegung" des § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG durch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschl. v. 12.7.2018 - 7 B 15/17 -, juris, Rn. 19 a. E.; Senatsbeschl. v. 11.5.2020 - 12 LA 150/19 -, juris, Rn. 36, m. w. N.) bedarf es keines "spezifischen und unmittelbaren Bezugs des jeweiligen Rechtsverstoßes zu Umweltbelangen." Der Erfolg der Verbandsklage hängt hiernach (stattdessen nur) davon ab, ob die vom Rechtsverstoß betroffene, d. h. rechtswidrige, Entscheidung vom satzungsmäßigen Aufgabenbereich des Verbands (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG) erfasst wird. Das ist hier aus den o. a. Gründen der Fall.

3. Es ist bereits zuvor dargelegt worden, dass für das Vorhaben jedenfalls nach § 7 Abs. 3 UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen war und diese Pflicht nicht nachträglich nach § 6 WindBG entfallen ist.

4. a) Nach § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG führen die aufgezeigten Verfahrensfehler nur dann zur Aufhebung der Genehmigung, wenn sie nicht durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. Letzteres ist hier aber der Fall, da sich sowohl die unterbliebene Anhörung als auch die FFH-Verträglichkeitsprüfung (ergebnisoffen) nachholen lassen (vgl. zur FFH-Verträglichkeitsprüfung BVerwG, Urt. v. 29 5.2018 - 7 C 18/17 -, juris, Rn. 32 ff.; Keller, a. a. O., Rn. 18, m. w. N.).

b) Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG kommt auch wegen der materiellen Mängel ein ergänzendes Verfahren zur Fehlerbehebung in Betracht. Weder ist ersichtlich, dass nach dem noch ausstehenden Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung keine der fünf WEA genehmigungsfähig sein wird, noch, dass der bejahte Verstoß gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot nicht durch die Erteilung einer Ausnahme geheilt werden könnte. Die Bestimmtheit der "ökologischen Baubegleitung" sollte ohne großen Aufwand geschaffen werden können.

c) Danach ist der auf die Aufhebung der Genehmigung gerichtete Hauptantrag abzulehnen und auf den Hilfsantrag die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Genehmigung festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 154 Abs. 3, 159 Satz 1 VwGO. Im Hinblick auf das Gewicht der aufgezeigten Mängel der Genehmigung insbesondere hinsichtlich des Artenschutzes unterliegt der Kläger nur zu einem geringen Teil. Es entspricht nicht der Billigkeit i. S. d. § 162 Abs. 3 VwGO, die Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da sie als Vorhabenträgerin die Rechtmäßigkeit der Genehmigung geltend gemacht hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10 (in analoger Anwendung), 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Frage zugelassen, was unter einer "endgültigen" Entscheidung i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 3 WindBG zu verstehen ist.