Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.08.2012, Az.: 5 LB 234/10
Dauernde Unfähigkeit eines Beamten zur Erfüllung seiner Dienstpflichten aufgrund seiner gesamten Konstitution und Verhaltens als Voraussetzung für dessen Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit; Bindungswirkung eines ärztlichen Gutachtens i.R.e. Entscheidung über die Feststellung der Dienstunfähigkeit eines Beamten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.08.2012
- Aktenzeichen
- 5 LB 234/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 22142
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0803.5LB234.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 30.04.2009 - AZ: 13 A 6193/08
Rechtsgrundlagen
- § 54 Abs. 1 S. 1 NBG a.F.
- § 55 Abs. 1 S. 1 NBG a.F.
Fundstellen
- DÖV 2012, 855
- ZBR 2012, 428
Amtlicher Leitsatz
Die materielle Beweislast dafür, dass eine Beamtin in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Versetzung in den Ruhestand maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung dienstunfähig war, obliegt dem Dienstherrn.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.
Die am ... geborene Klägerin wurde im August 1974 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Realschullehrerin z. A. und im Februar 1977 unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit zur Realschullehrerin ernannt.
Nachdem es im März 1976 zu schriftlichen Beschwerden einer Elternsprecherin kam, wurde die Klägerin im August 1976 auf Drängen des Schulrates und auf ihren eigenen Antrag von der Grund- und Hauptschule mit Realschule in B. an die Realschule in C. versetzt.
Ab August 1977 kam es an der Realschule in C. zu Beschwerden der Klassenvertretung und des Vorsitzenden der Klassenelternschaft der von der Klägerin geleiteten Klasse 8r3. Nachdem der Schulrat im Anschluss an eine Unterrichtsbesichtigung eine Ablösung der Klägerin als Klassenlehrerin als erforderlich angesehen hatte, wurde der Klägerin zum 1. Februar 1978 die Leitung der Klasse entzogen.
Im Februar 1979 wurde die Klägerin an die Haupt- und Realschule mit Orientierungsstufe D. abgeordnet. Im Mai 1979 wurde sie an diese Schule versetzt.
Seit August 1984 war die Klägerin teilzeitbeschäftigt.
Aufgrund von Berichten der Leitung der Haupt- und Realschule mit Orientierungsstufe D. ersuchte die Bezirksregierung Lüneburg am 4. März 2002 das Gesundheitsamt des Landkreises E., die Klägerin amtsärztlich zu untersuchen, weil erhebliche Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit bestünden. Die Amtsärztin Dr. F. kam in ihrer Stellungnahme vom 8. April 2002 zu der Einschätzung, dass für eine Dienstunfähigkeit der Klägerin keine durchgreifenden Anhaltspunkte vorlägen.
Vom 7. März 2002 bis zu ihrem Dienstantritt an der KGS G. in H., an die sie mit Wirkung vom 29. Juli 2002 versetzt wurde, war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt.
Unter dem 16. April 2002 bat die Bezirksregierung Lüneburg das Gesundheitsamt des Landkreises E. erneut, die Klägerin amtsärztlich zu untersuchen und ein psychiatrisches Zusatzgutachten erstellen zu lassen. Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. I. kam in ihrem auf Ersuchen des Gesundheitsamtes erstellten psychiatrischen Gutachten vom 3. Juni 2002 zu der Einschätzung, dass keinerlei Anzeichen für eine psychiatrische Erkrankung der Klägerin vorlägen und dass auf psychiatrischem Gebiet keine Einschränkung der Klägerin gegeben sei. Die Amtsärztin Dr. F. schloss sich dieser Einschätzung in ihrer Stellungnahme vom 19. Juni 2002 an und stellte fest, dass die Klägerin aus ärztlicher Sicht dienstfähig sei.
Nach der Versetzung der Klägerin an die KGS G. beschwerten sich der Schulelternrat, Eltern, Schüler und Kollegen über die Klägerin. Wegen der anhaltenden Konflikte ordnete die Beklagte die Klägerin für die Zeit vom 5. September 2005 bis zum 31. Januar 2006 an die Haupt- und Realschule J. und ab dem 1. Februar 2006 an die K. -Schule in L. ab. Auch an diesen beiden Schulen kam es zu Beschwerden über die Klägerin.
Unter dem 28. Juli 2006 bat die Beklagte das Gesundheitsamt M., die Klägerin amtsärztlich zu untersuchen, weil es "schwer vorstellbar" sei, dass die Klägerin als dienstfähig angesehen werden könne.
Am 11. September 2006 teilte ein Beamter der Beklagten dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin telefonisch mit, dass dieser die Ausübung ihres Amtes untersagt sei.
Die Klägerin wurde am 12. Oktober und am 30. Oktober 2006 vom Gesundheitsamt des Landkreises N. psychiatrisch untersucht. Der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. O. und die stellvertretende Amtsärztin Dr. P. teilten der Beklagten mit Schreiben vom 31. Oktober 2006 mit, es hätten keine psychiatrischen Auffälligkeiten im engeren Sinne festgestellt und keine wesentlichen Hinweise auf das Vorliegen einer Dienstunfähigkeit eruiert werden können. Es stelle sich die Frage, ob intensivere Versuche unternommen werden könnten, die Klägerin am Arbeitsplatz zu integrieren. Sofern es zu disziplinarischen Verstößen kommen sollte, könne zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgegangen werden, dass diese nicht auf einer psychischen Erkrankung im engeren Sinne basierten.
Unter dem 6. Dezember 2006 stellte ein Beamter der Beklagten in einem Vermerk fest, dass die Klägerin infolge einer Schwäche ihrer geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten als Realschullehrerin dauernd dienstunfähig sei. Der Vermerk wurde der Klägerin mit Schreiben vom 15. Dezember 2006 übersandt und ihr mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen. Die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin legten mit Schreiben vom 2. Januar 2007 dar, dass angesichts der amtsärztlichen Stellungnahme vom 31. Oktober 2006 die Voraussetzungen für die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht vorlägen. Der Schulbezirkspersonalrat lehnte die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit am 20. Januar 2007 ab. Nach einem mit einem Beamten der Beklagten geführten Gespräch teilte der Schulbezirkspersonalrat am 13. März 2007 mit, dass er kein Votum abgebe.
Mit Verfügung vom 27. März 2007 versetzte die Beklagte die Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Ablauf des 31. März 2007 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Das für eine Unterrichtstätigkeit vorausgesetzte Sozialverhalten der Klägerin sei in elementarer Weise gestört. Es sei zwar in Übereinstimmung mit den amtsärztlichen Voten davon auszugehen, dass keine psychische Erkrankung im engeren Sinne vorliege. Eine Krankheit im medizinischen Sinne sei aber auch nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme der Dienstunfähigkeit. Entscheidend sei, dass die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen, durch geistig-psychische Merkmale geprägten Konstitution nicht in der Lage sei, Unterricht im heutigen Schulwesen zu erteilen.
Die Klägerin hat am 19. April 2007 Klage erhoben und zugleich um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte vor dem Verwaltungsgericht (Beschluss vom 8.6.2007 - 13 B 1974/07 -) und dem beschließenden Senat (Beschluss vom 6.9.2007 - 5 ME 236/07 -, [...]) keinen Erfolg. Der Senat hat in dem vorgenannten Beschluss ausgeführt, die sich aus den Verwaltungsvorgängen ergebenden Erkenntnisse reichten nicht aus, entgegen der amtsärztlichen Stellungnahme vom 31. Oktober 2006 eine Dienstunfähigkeit der Klägerin anzunehmen. Zu der Frage, ob die von der Beklagten dargelegten Konflikte mit der Klägerin auf mangelnder Begabung oder auf einer Schwäche der geistigen Kräfte i. S. v. § 54 Abs. 1 Satz 1 NBG a. F. beruhten, verhalte sich die amtsärztliche Stellungnahme vom 31. Oktober 2006 nicht. Diese Frage lasse sich auch nicht allein aus den von der Beklagten gewonnenen Erkenntnissen beantworten. Ob die von der Beklagten dargelegten, den Amtspflichten einer Lehrerin nicht entsprechenden Verhaltensweisen der Klägerin auf mangelnder Begabung, auf disziplinarrechtlich relevantem Fehlverhalten oder auf einer Schwäche der geistigen Kräfte i. S. v. § 54 Abs. 1 Satz 1 NBG a. F. beruhten, bedürfe einer weiteren Prüfung durch ein (amts-)ärztliches Gutachten.
Die Beklagte hat daraufhin den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Q. beauftragt, ein ergänzendes psychiatrisches Gutachten zu erstellen. Dieser ist in seinem Gutachten vom 19. Februar 2008 zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin unter einer paranoiden Persönlichkeitsstörung gemäß ICD 10 F60.0 leide. Aufgrund des Schweregrades und der Chronizität der Störung sowie wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten sei die Klägerin dienstunfähig. Dies gelte insbesondere angesichts der besonderen Anforderungen, die bezüglich der zwischenmenschlichen Kompetenzen an eine Lehrerin zu stellen seien.
Die Klägerin hat im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht beantragt,
die Verfügung vom 27. März 2007 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 30. April 2009 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die Klägerin zu Recht wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Die Dienstunfähigkeit stehe aufgrund des Gutachtens des Dr. Q. vom 19. Februar 2008 und der in dem Vermerk eines Beamten der Beklagten vom 6. Dezember 2006 getroffenen Feststellungen fest. Bedenken gegen die Eignung des Gutachters und dessen Gutachten bestünden nicht. Die Einwendungen der Klägerin griffen nicht durch. Da auch nicht die Möglichkeit bestehe, die Klägerin anderweit zu beschäftigen, habe die Beklagte nicht von einer Versetzung in den Ruhestand absehen müssen.
Die Klägerin hat am 6. Juli 2009 die Zulassung der Berufung beantragt. Mit ihrer Zulassungsbegründung hat die Klägerin ein von ihr in Auftrag gegebenes fachpsychologisches Sachverständigengutachten des Diplom-Psychologen Prof. Dr. R. - Institut für Rechtspsychologie der Universität S. - vom 3. Juni 2009 vorgelegt. Der Gutachter hat aufgrund einer psychologischen Untersuchung der Klägerin und nach der Durchführung von Testverfahren dargelegt, er habe keine Anzeichen für ein neurotisches oder paranoides Verhalten feststellen können. Die erhobenen Befunde stimmten mit den Ergebnissen der Gutachten überein, die zuvor eine psychische Störung von Krankheitswert ausgeschlossen hätten. Der Beurteilung des Dr. Q. werde ausdrücklich widersprochen.
Durch Beschluss vom 7. September 2010 (5 LA 177/09) hat der Senat die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zugelassen.
Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei rechtsfehlerhaft wegen vermeintlicher Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden. Die angegriffene Verfügung und das angefochtene Urteil beruhten auf einer einseitigen und unzureichenden Sachverhaltsaufnahme und auf fehlerhaften rechtlichen Bewertungen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei zudem in sich unschlüssig, widersprüchlich und formal fehlerhaft ergangen. Die Beklagte habe den ihr obliegenden Nachweis einer Dienstunfähigkeit nicht erbracht. Drei amtsärztliche Gutachten hätten sie - die Klägerin - für dienstfähig erachtet. Auch Prof. Dr. R. habe eine Gesundheitsstörung verneint. Lediglich Dr. Q. sei zu einer entgegenstehenden Beurteilung gelangt. Dessen Gutachten sei aber wegen schwerer methodischer Mängel untauglich.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Verfügung der Beklagten vom 27. März 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, das Verwaltungsgericht habe die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dr. Q. habe in seinem Gutachten fundiert begründet, dass die Klägerin an einer psychischen Krankheit leide, die ihre Dienstunfähigkeit begründe. Die Angriffe der Klägerin gegen dieses Gutachten gingen fehl. Die Feststellungen im Gutachten des Dr. Q. würden durch das Gutachten des Prof. Dr. R. nicht im Geringsten in Frage gestellt. Die Ausführungen im Gutachten des Prof. Dr. R. seien oberflächlich und wiesen deutliche Merkmale eines Gefälligkeitsdienstes auf.
Der Senat hat gemäß Beschluss vom 2. Februar 2011 Beweis darüber erhoben, ob die Klägerin in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung der Beklagten vom 27. März 2007 wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten als Realschullehrerin dauernd unfähig war, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Frau Dr. T., Oberärztin an der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Klinik U. gGmbH. Die Sachverständige ist in ihrem Gutachten vom 10. Juli 2011, berichtigt durch Schreiben vom 19. August 2011, zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung der Beklagten vom 27. März 2007 weder wegen ihres körperlichen Zustandes noch aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten als Realschullehrerin dauernd unfähig war.
Auf Veranlassung der Beklagten hat Dr. Q. unter dem 4. August 2011 zu dem Sachverständigengutachten vom 10. Juli 2011 Stellung genommen. Dr. Q. hat an seiner im Gutachten vom 19. Februar 2008 getroffenen Einschätzung festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Vorbringens der Beteiligten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130 a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Verfügung der Beklagten vom 27. März 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist deshalb zu ändern und die Verfügung vom 27. März 2007 aufzuheben.
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Zurruhesetzungsverfügung wegen Dienstunfähigkeit kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.4.2012 - BVerwG 2 C 17.10 -, [...] Rn 9 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 7.12.2011 - 5 ME 352/11 - m. w. N.; Beschluss vom 6.9.2007 - 5 ME 236/07 -, [...] Rn 20).
Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 NBG in der im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung der Beklagten vom 27. März 2007 maßgeblichen Fassung (NBG a. F.) ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dienstunfähig ist. Der Beamte ist dienstunfähig, wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist (§ 54 Abs. 1 Satz 1 NBG a. F.).
Der Kreis der möglichen Ursachen der Unfähigkeit zur Erfüllung der Dienstpflichten ist begrenzt auf den körperlichen Zustand des Beamten sowie auf gesundheitliche Gründe. Dadurch wird die zur Versetzung in den Ruhestand führende Dienstunfähigkeit abgegrenzt gegenüber anderen Eignungsmängeln. Wenn sich im Laufe der Zeit mangelnde Begabung für die eingeschlagene Fachrichtung oder jedenfalls für die konkreten Dienstaufgaben herausstellt, ist dies kein Fall der Dienstunfähigkeit (vgl. Plog/Wiedow, BBG, Band 1 a, § 42 BBG Rn 7). Eine zur Dienstunfähigkeit im jeweiligen Amt führende "Schwäche der geistigen Kräfte" kann demgegenüber bereits vorliegen, wenn der Beamte wegen seiner geistig-seelischen Konstitution schon unterhalb der Schwelle einer psychischen Erkrankung nicht mehr im Stande ist, seine Pflicht zur harmonischen Zusammenarbeit mit den übrigen Bediensteten, seinen Vorgesetzten, oder - im Falle eines Lehrers oder Schulleiters - mit den Eltern zu erfüllen und dadurch den notwendigen Verwaltungsablauf erheblich beeinträchtigt. Zur Erfüllung des Begriffs der Dienstunfähigkeit reicht es aus, wenn die geistig-seelische Verfassung des Beamten mit Blick auf die Erfüllung seiner amtsgemäßen Dienstgeschäfte bedeutende und dauernde Abweichungen vom Normalbild eines in dieser Hinsicht tauglichen Beamten aufweist. Dabei ist diese Abweichung nicht an dem Normalbild eines im medizinischen Sinne gesunden Menschen zu messen, sondern an der Verfassung eines vergleichbaren und durchschnittlichen, zur Erfüllung seiner amtsgemäßen Dienstgeschäfte tauglichen Amtsinhabers. Es ist daher maßgebend, ob der Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution und seines Verhaltens, ohne dass eine Erkrankung im engeren Sinne vorliegen muss, zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 3.2.2005 - 4 S 2398/04 -, [...] Rn 8; Nds. OVG, Beschluss vom 6.9.2007, a. a. O., Rn 16).
Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung der Beklagten vom 27. März 2007 gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 NBG a. F. dienstunfähig war.
In der Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Landkreises N. vom 31. Oktober 2006, die nur wenige Monate vor dem Erlass der angefochtenen Verfügung vom 27. März 2007 erstellt worden ist und die auf zwei psychiatrischen Untersuchungen der Klägerin beruht, haben der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. O. und die stellvertretende Amtsärztin Dr. P. eine psychische Erkrankung der Klägerin und ihre Dienstunfähigkeit verneint. Zuvor hatte auch schon das Gesundheitsamt des Landkreises E. die Klägerin amtsärztlich untersucht. Die Amtsärztin Dr. F. war in ihrer Stellungnahme vom 8. April 2002 zu der Einschätzung gelangt, dass für eine Dienstunfähigkeit der Klägerin keine durchgreifenden Anhaltspunkte vorlägen. Kurz darauf war die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. I. in ihrem auf Ersuchen des Gesundheitsamtes des Landkreises E. erstellten psychiatrischen Gutachten vom 3. Juni 2002 zu der Einschätzung gelangt, dass keinerlei Anzeichen für eine psychiatrische Erkrankung der Klägerin vorlägen und dass auf psychiatrischem Gebiet keine Einschränkung der Klägerin gegeben sei. Die Amtsärztin Dr. F. hatte sich dieser Einschätzung in ihrer Stellungnahme vom 19. Juni 2002 angeschlossen und festgestellt, dass die Klägerin aus ärztlicher Sicht dienstfähig sei.
Ärztliche Gutachten sind für die Entscheidung über die Feststellung der Dienstunfähigkeit allerdings nicht allein maßgeblich. Diese Gutachten sind zwar eine in medizinischer Hinsicht wesentliche Entscheidungsgrundlage, für die Entscheidung als solche jedoch nicht bindend. Denn bei der Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen, sondern vielmehr sind die Auswirkungen seiner körperlichen Gebrechen usw. auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb entscheidend. Es kommt dabei nicht allein und ausschlaggebend - jedenfalls nicht in allen Fällen - auf Art und Ausmaß der einzelnen körperlichen Gebrechen usw., den objektiven ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche an, sondern vielmehr darauf, ob der Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Aus diesem Grunde stellt die ärztliche Begutachtung nicht das einzige und allein ausschlaggebende Beweismittel für die Klärung der Frage der Dienstunfähigkeit dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.10.1997 - BVerwG 2 C 7.97 -, [...] Rn 15; Nds. OVG, Beschluss vom 6.9.2007, a. a. O., Rn 14; Beschluss vom 10.9.2010 - 5 LA 232/09 -). Die Entscheidung über die Feststellung der Dienstunfähigkeit trifft mithin der Dienstvorgesetzte aufgrund eines ärztlichen Gutachtens, er kann aber auch eigene Erkenntnisse und Feststellungen berücksichtigen und z. B. ergänzende ärztliche Gutachten in Auftrag geben (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 6.9.2007, a. a. O., Rn 14; Beschluss vom 10.9.2010 - 5 LA 232/09 -).
Die Beklagte durfte deshalb auch die in dem Vermerk eines ihrer Beamten vom 6. Dezember 2006, auf den sie in der angefochtenen Verfügung vom 27. März 2007 Bezug genommen hat, aufgezeigten Konfliktsituationen zwischen der Klägerin und den Schülern, Eltern und Kollegen berücksichtigen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 6.9.2007, a. a. O., Rn 15).
Da die sich aus den Verwaltungsvorgängen ergebenden Erkenntnisse der Beklagten jedoch nicht ausreichten, eine Dienstunfähigkeit der Klägerin zu begründen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 6.9.2007, a. a. O., Rn 15), hat die Beklagte im Anschluss an den Beschluss des Senats vom 6. September 2007 (a. a. O.) zu Recht ein ergänzendes ärztliches Gutachten eingeholt.
Die Dienstunfähigkeit der Klägerin ist sodann in dem auf Veranlassung der Beklagten erstellten Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Q. vom 19. Februar 2008 bejaht worden. Dr. Q. ist in seinem Gutachten vom 19. Februar 2008 zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin unter einer paranoiden Persönlichkeitsstörung gemäß ICD 10 F60.0 leide. Er hat ausgeführt, aufgrund des Schweregrades und der Chronizität der Störung sowie wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten sei die Klägerin dienstunfähig. Dies gelte insbesondere angesichts der besonderen Anforderungen, die bezüglich der zwischenmenschlichen Kompetenzen an eine Lehrerin zu stellen seien.
In dem daraufhin auf Veranlassung der Klägerin erstellten Gutachten des Diplom-Psychologen Prof. Dr. R. (Universität S.) vom 3. Juni 2009 ist die Dienstunfähigkeit dagegen wiederum verneint worden. Der Gutachter ist aufgrund einer psychologischen Untersuchung der Klägerin und nach der Durchführung von Testverfahren zu der Einschätzung gelangt, er habe keine Anzeichen für ein neurotisches oder paranoides Verhalten feststellen können. Dazu hat er dargelegt, die erhobenen Befunde stimmten mit den Ergebnissen der Gutachten überein, die zuvor eine psychische Störung von Krankheitswert ausgeschlossen hätten. Der Beurteilung des Dr. Q. werde ausdrücklich widersprochen.
Da es sich bei den genannten Gutachten vom 19. Februar 2008 und vom 3. Juni 2009 um so genannte Parteigutachten handelt und diese die entscheidungserhebliche Frage unterschiedlich beantwortet haben, hat der Senat von Amts wegen Beweis darüber erhoben, ob die Klägerin in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 27. März 2007 wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten als Realschullehrerin dauernd unfähig war, durch Einholung eines Gutachtens der Frau Dr. med. T., Oberärztin in der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Klinik U. gGmbH. Die Sachverständige Dr. T. ist in ihrem ausführlich begründeten Gutachten vom 10. Juli 2011 nach Würdigung der Akten und der darin befindlichen Gutachten sowie nach einer am 24. März 2011 und am 5. Mai 2011 durchgeführten Exploration und Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 27. März 2007 nicht wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten als Realschullehrerin dauernd unfähig war.
Der daraufhin wiederum von der Beklagten eingeschaltete Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Q. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 4. August 2011 an der in seinem Gutachten vom 19. Februar 2008 getroffenen Einschätzung festgehalten.
Die sachkundigen Ausführungen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Q. sind ebenso nachvollziehbar wie die Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. T., die in ihrem Gutachten vom 10. Juli 2011 mit ebenfalls sachkundigen Ausführungen zu einer anderen Einschätzung gelangt ist. Auch in der Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Landkreises N. vom 31. Oktober 2006, die von dem Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. O. und der stellvertretenden Amtsärztin Dr. P. erstellt worden ist, sind eine psychische Erkrankung der Klägerin und ihre Dienstunfähigkeit verneint worden.
Angesichts der einander widersprechenden Gutachten und Stellungnahmen, insbesondere des eine Dienstunfähigkeit verneinenden gerichtlichen Sachverständigengutachtens und der im Ergebnis übereinstimmenden behördlichen Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Landkreises N. vom 31. Oktober 2006, kann auch in Ansehung der Einschätzung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Q. die entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 27. März 2007 dienstunfähig war, nicht mit der gebotenen Sicherheit bejaht werden. Dieser Umstand geht zu Lasten der Beklagten, da dieser die materielle Beweislast für die Dienstunfähigkeit der Klägerin obliegt (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 6.4.2010 - 2 A 10095/10 -, [...] Rn 5). Es ist Aufgabe der Beklagten, zu belegen, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 27. März 2007 dienstunfähig war. Dem Senat obliegt es, zu klären, ob die Beklagte nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen die Dienstunfähigkeit der Klägerin annehmen durfte. Dies durfte die Beklagte - wie ausgeführt wurde - nicht. Die Verfügung der Beklagten vom 27. März 2007 ist deshalb rechtswidrig und aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG, § 127 Nr. 2 BRRG liegen nicht vor.