Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.06.2020, Az.: 5 LC 2/18

Bereitschaftsdienst; G7-Gipfel; Ruhezeiten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.06.2020
Aktenzeichen
5 LC 2/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71923
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.11.2017 - AZ: 1 A 131/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ruhezeiten der Bundespolizisten beim G7-Gipfel 2015 waren Bereitschaftsdienst

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 1. Kammer - vom 22. November 2017 geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2016 verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum vom 29. Mai 2015 bis zum 9. Juni 2015 über seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus geleistete Dienstzeit im Umfang von 107 Stunden binnen eines Jahres Freizeitausgleich im Verhältnis 1:1 zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines weiteren Freizeitausgleichs für den Einsatz des Klägers anlässlich des G7-Gipfels in Schloss Elmau (Bayern) im Mai/Juni 2015.

Der 19… geborene Kläger steht als Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9) im Dienst der Beklagten. Er ist Angehöriger der Beweissicherungs- und Dokumentationseinheit der Bundespolizeiabteilung A-Stadt, eines nachgeordneten Behördenteils der ... Seine wöchentliche Regelarbeitszeit beträgt 41 Stunden.

Im Rahmen des Einsatzes zum G7-Gipfel in Schloss Elmau (Bayern) vom 27. Mai 2015 bis zum 9. Juni 2015 war der Kläger zur Unterstützung des Bundeskriminalamtes für den Innenschutz (Sicherheitszone …) in Schloss Elmau eingesetzt. Bei dem Einsatz kamen sieben Beamte seiner Einheit zum Einsatz, davon vier - darunter der Kläger - im „Unterabschnitt Fläche“. Der Dienstplan für den sogenannten Innenschutz sah am 29. Mai 2015 die Anreise der Polizeibeamten, vom 30. Mai 2015 bis zum 2. Juni 2015 Schichten von 12 Stunden zuzüglich Vor- und Nachbereitungszeiten, am 3./4. Juni 2015 Schichten von 10 Stunden sowie vom 5. Juni 2015 bis zum 8. Juni 2015 Schichten von 12 Stunden vor.

Die Gesamteinsatzleitung bei dem vorgenannten G7-Gipfel unterstand dem Präsidenten der Bundespolizeidirektion München. Im Vorfeld war der Einsatz im Rahmen der Besonderen Aufbauorganisation - BAO - umfassend geplant und insbesondere waren Dienstpläne erstellt worden. Die Planung wurde in mehreren Einsatzbefehlen niedergelegt. Im Einsatzbefehl Nr. 2 der Bundespolizeidirektion München vom 20. Mai 2015 ist unter Ziffer 6.2.2 ausgeführt:

„Die erforderliche Mehrarbeit wird hiermit auf Grundlage des § 88 BBG angeordnet. Bei Vorliegen der Voraussetzungen sollen die Regelungen des § 11 BPolBG in Verbindung mit der hierzu gültigen Erlass-/Verfügungslage Anwendung finden. Die Entscheidung über die Höhe des Freizeitausgleichs trifft in diesem Fall der Polizeiführer nach dem Einsatz. Eine vorherige Anordnung/Festlegung ist unzulässig.“

Im Befehl Nr. 1 der Bundespolizeiabteilung A-Stadt vom 19. Mai 2015 und im „Befehl Nr. 1 des UA Fläche (DUD)“ vom 20. Mai 2015 heißt es jeweils unter Ziffer 6.10:

„Erforderliche Mehrarbeit/Rufbereitschaft/Bereitschaftsdienst gemäß Anlage 1, Ziff. 6.8 durch BKA angeordnet; Abrechnung gemäß § 11 BPolBG beabsichtigt.“

Als Anlage 1 ist in den vorgenannten schriftlichen Befehlen der „Vorbefehl Nr. 1 des BKA - BAO Enzian - vom 07.05.2015“ aufgeführt. Dort heißt es unter Ziffer 6.8: „Notwendige Mehrarbeit/Rufbereitschaft/Bereitschaftsdienst wird angeordnet (s. Anlage 1).“

Der Kläger war im Zeitraum vom 29. Mai 2015 bis zum 9. Juni 2015 beim G7-Gipfel im Einsatz und währenddessen im Dorint Sporthotel in Garmisch-Partenkirchen untergebracht. Er war am 29. Mai 2015 von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr, vom 30. Mai 2015 bis zum 2. Juni 2015 jeweils von 6.30 Uhr bis 21.30 Uhr, am 3. Juni 2015 von 5.30 Uhr bis 18.30 Uhr, am 4. Juni 2015 von 1.30 Uhr bis 14.30 Uhr und von 21.30 Uhr bis 10.30 Uhr des Folgetages, vom 5. Juni 2015 bis zum 7. Juni 2015 jeweils von 18.30 Uhr bis zum Folgetag um 9.30 Uhr sowie am 9. Juni 2015 von 6.00 Uhr bis 17.30 Uhr im Dienst (ePlan BUND, Bl. 70 ff./GA).

Nach Beendigung des Einsatzes beim G7-Gipfel teilte der Präsident des Bundespolizeipräsidiums durch Mitarbeiterbrief vom 14. Juli 2015 mit, dass die Abrechnung der Arbeitszeit während des Einsatzes beim G7-Gipfel auf der Grundlage des tatsächlich geleisteten Dienstes nach § 88 Bundesbeamtengesetz (BBG) erfolgen würde, also eine sogenannte spitze Abrechnung erfolgen solle. Dies bedeute folgende Anrechnung:

- Volldienstanteile:

100 Prozent

- Bereitschaftsdienstanteile:

50 Prozent

- Rufbereitschaft:

„1/8 - Regelung“ gemäß § 12 AZV.

Darüber hinaus solle unter Fürsorgeaspekten zusätzlich zur Anrechnung der tatsächlich geleisteten Dienste ein besonderer Zeitausgleich ermöglicht werden. Der besondere Zeitausgleich solle bei einer Einsatzdauer bis zu 7 Tagen einen Tag, bei einer Einsatzdauer von 8 bis 21 Tagen zwei Tage und bei einer Einsatzdauer über 21 Tage drei Tage (außer Heimschläfer) betragen. Darüber hinaus teilte der Präsident des Bundespolizeipräsidiums mit, für die dem Bundeskriminalamt unterstellten Kräfte werde eine gesonderte Regelung ergehen.

Mit Schreiben vom selben Tag teilte das Bundespolizeipräsidium mit, der Polizeiführer der dem Bundeskriminalamt anlässlich des Einsatzes des G7-Gipfels unterstellten Kräfte habe mitgeteilt, dass die Arbeitszeitabrechnung dieser Kräfte analog aller Festlegungen im Mitarbeiterbrief des Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums vom 14. Juli 2015 erfolgen solle und bat um weitere Veranlassung.

Die Beklagte berechnete zunächst den dem Kläger aufgrund seines Einsatzes beim G7-Gipfel in Schloss Elmau (Bayern) zustehenden Freizeitausgleich mit 110,25 Stunden, wobei sie den 4. Juni 2015, auf den Fronleichnam fiel, als vermeintlich arbeitsfreien Feiertag berücksichtigte. Nachträglich zog sie deshalb für diesen Tag die Sollarbeitszeit in Höhe von 8,25 Stunden wieder ab und gewährte dem Kläger letztlich einen Freizeitausgleich im Umfang von 102 Stunden.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 25. August 2015, ihm Freizeitausgleich im Umfang von insgesamt 138 Stunden zu gewähren. Er wandte sich gegen die sogenannte spitze Abrechnung und machte geltend, es hätte eine pauschalierte Stundenabrechnung nach § 11 des Bundespolizeibeamtengesetzes (BPolBG) stattfinden müssen.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. November 2015 mit der Begründung ab, die spitze Abrechnung sei entsprechend des Mitarbeiterbriefs des Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums vom 14. Juli 2015 erfolgt. Die Voraussetzungen für die Anwendung von § 11 BPolBG seien im Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 16. Mai 2008 dargestellt. Ziel der Anwendung von § 11 BPolBG sei es, dass bei mehr als 24-stündigen Einsätzen und Übungen die hierbei geleistete Mehrarbeit vereinfacht ermittelt und durch einen einheitlichen pauschalierten Freizeitausgleich abgegolten werde. Bei dem G7-Gipfel in Schloss Elmau (Bayern) habe es sich aber um einen mehrtägigen planbaren Einsatz gehandelt, wobei die gemäß Schichtplan festgelegten Volldienstzeiten durch frei verfügbare Zeitanteile unterbrochen worden seien, so dass die Voraussetzungen des § 11 BPolBG nicht vorlägen.

Den dagegen am 25. November 2015 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2016 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen des § 11 BPolBG lägen nicht vor, weil es sich bei dem Einsatzgeschehen lediglich um die Wahrnehmung regelmäßiger Dienste im Rahmen verschobener Dienstzeiten gehandelt habe. Es sei nur zu einer Umverteilung der wöchentlichen Arbeitszeit (= Dienstplanumgestaltung) für die Dauer des G7-Gipfels gekommen. Nach dem Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 16. Mai 2008 und der Verfügung des Bundespolizeipräsidiums vom 31. Juli 2013 (Az.: 82-110101-0041) müsse bei einem Einsatz im Sinne des § 11 BPolBG hinzukommen, dass die polizeiliche Lage hinsichtlich der konkreten Dauer und des Personaleinsatzes nicht abschließend planbar sei. Ein Unterstützungseinsatz zur Wahrnehmung regelmäßiger Aufgaben sei - auch wenn die Unterstützung auf eine veränderte Lagebeurteilung zurückzuführen sei - grundsätzlich planbar. Eine Planbarkeit liege auch dann vor, wenn Einsätze zwar an mehreren Tagen hintereinander stattfänden, deren Verlauf jedoch täglich durch ein festgelegtes Dienstende und einen darauffolgenden festgelegten Dienstbeginn unterbrochen sei. Aus den bei dem G7-Gipfel überlappend gestalteten Dienstplänen sowie aus den Tätigkeitsnachweisen gehe hervor, dass an jedem Einsatztag verlängerter Volldienst bei von vornherein festgelegtem - wenn auch vom Regeldienst abweichenden - Dienstbeginn und Dienstende geleistet worden sei. Diesem hätten sich festgelegte Ruhezeiten angeschlossen. Bei der vom Kläger angeführten „erforderlichen Mehrarbeit auf der Grundlage des § 88 BBG“ im Einsatzbefehl Nr. 2 handele es sich lediglich um eine vorsorgliche Anordnung, um auf ungeplante und beim personellen Kräfteeinsatz nicht berücksichtigte vorübergehende Spitzenbelastungen während des laufenden Einsatzes vorbereitet zu sein.

Dagegen hat der Kläger am 25. Mai 2016 Klage erhoben.

Zur Begründung hat er seinen vorprozessualen Vortrag wiederholt und vertieft. Er hat weiterhin die Ansicht vertreten, er habe Mehrarbeit geleistet, weil er während des Einsatzzeitraums täglich mindestens 11,5 Stunden und an den meisten Tagen 15 Stunden im Dienst gewesen sei. Diese Einsatzzeiten seien mit der Arbeitszeitverordnung nicht vereinbar und könnten daher auch keinen „Regeldienst mit verschobenen Arbeitszeiten“ darstellen. Zudem setze § 11 BPolBG seinem Wortlaut nach nicht voraus, dass es sich um einen nicht planbaren Einsatz gehandelt habe. Diese Regelung gelte auch bei Übungen, die immer planbar seien. Selbst wenn eine gewisse Unplanbarkeit des Einsatzes vorliegen müsste, wären die Voraussetzungen des § 11 BPolBG erfüllt, weil auch der Einsatz in Schloss Elmau (Bayern) offensichtlich nicht in allen Einzelheiten abschließend planbar gewesen sei. Der zuständige Personalrat sei nicht hinsichtlich der Dienstpläne beteiligt worden. Schließlich setze weder § 11 BPolBG noch der Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 16. Mai 2008 eine gesonderte schriftliche Anordnung von Mehrarbeit voraus.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2016 zu verpflichten, ihm auf der Grundlage von § 11 BPolBG Freizeitausgleich für weitere 27 Stunden zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, eine Berechnung des Freizeitausgleichs auf der Grundlage von § 11 BPolBG komme nach der Erlass- und Verfügungslage nicht in Betracht. Das Merkmal der Planbarkeit ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte der Regelung. Die im Jahr 1976 geschaffene Regelung solle sicherstellen, dass Mehrarbeit durch Freizeitausgleich ausgeglichen werde, der auch innerhalb von drei Monaten genommen werden könne. Auch diene die Regelung der Verwaltungsvereinfachung. Daraus folge, dass sie bereits bei ihrer Entstehung eine Ausnahmeregelung dargestellt habe und entsprechend restriktiv auszulegen sei. Dies mache deutlich, dass die vom Gesetzgeber für die Anwendung von § 11 BPolBG ins Auge gefasste Situation nur dann dessen Anwendung rechtfertige, wenn durch sie eine hohe Zahl an ausgleichspflichtigen Mehrleistungen entstehe. Sie ziele darauf ab zu verhindern, dass der Freizeitausgleich auf Grundlage der herkömmlichen Regelung die Einsatzbereitschaft der Verbände vermindere. Eine solche Situation könne jedoch nur dann angenommen werden, wenn sie unvorhergesehen und damit ungeplant auftrete und sich ebenso unplanbar im Verlauf darstelle. Der Kläger habe stattdessen regelmäßige Dienste im Rahmen verschobener Dienstzeiten wahrgenommen. Mehrarbeit hätte deshalb nicht angeordnet werden können. Mehrarbeit sei auch nicht angeordnet worden. Daneben sei auch zu beachten, dass eine einzeldienstliche Einsatzbewältigung nicht die Art des Einsatzes sei, die im Fokus der gesetzgeberischen Zielsetzung liege. Nach § 11 BPolBG sei zwischen Verband und Einzeldienst zu differenzieren. In diesem Zusammenhang könne es wiederum für die Frage der Anwendbarkeit der Regelung nicht auf die Zugehörigkeit zum Verband oder zum Einzeldienst ankommen, sondern vielmehr auf die Art der Aufgabenwahrnehmung. Anderenfalls würden Angehörige des Einzeldienstes in einem verbandsmäßigen Einsatz nicht unter die Regelung fallen können und umgekehrt Angehörige einer Verbandseinheit beim einzeldienstlichen Einsatz der Regelung unterfallen. Der Einsatz des Klägers im Rahmen des G7-Gipfels in Unterstützung des Bundeskriminalamtes sei weit überwiegend von der Wahrnehmung einzeldienstlicher Aufgaben (beispielsweise Streifengänge, Sicherungsmaßnahmen) geprägt gewesen.

Mit Urteil vom 22. November 2017 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, weil der Kläger nicht gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt sei. § 11 BPolBG vermittele Beamten der Bundespolizei kein subjektiv-öffentliches Recht. Die öffentlichen Interessen, die die Regelung zu schützen bestimmt sei, ergäben sich aus der Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Regelung in der Fassung des Gesetzes vom 3. Juni 1977 sowie der weiteren Gesetzgebungsgeschichte. Die damalige Regelung des § 72 BBG, der einen Ausgleich von Mehrarbeit bis zum Ablauf von drei Monaten vorgesehen habe, habe die Sicherheit gefährdet, weil die Einsatzbereitschaft der Verbände im Nachgang zu einem Einsatz habe vermindert werden müssen. Mit § 11 BPolBG sei deshalb eine abweichende Regelung getroffen worden, durch die zudem die Festsetzung des Urlaubs pauschal und damit ohne nennenswerten Verwaltungsaufwand möglich sei. Allenfalls die Zwecksetzung, gegenüber der Altregelung des § 72 BBG eine zeitliche Flexibilisierung beim Ausgleich von Mehrarbeit zu ermöglichen, sei durch die Änderung von § 88 BBG, der Nachfolgeregelung zu § 72 BBG, obsolet geworden. Während § 11 BPolBG weiterhin den Freizeitausgleich möglichst innerhalb von drei Monaten vorsehe, regele § 88 Satz 2 BBG, dass die Dienstbefreiung für eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit innerhalb eines Jahres zu gewähren sei. Damit bleibe es bei der Verwaltungsvereinfachung als dem wesentlichen öffentlichen Interesse, dem § 11 BPolBG diene. Die Regelung in § 11 BPolBG vermittele keine subjektiven Rechte im Hinblick auf das „Ob“ der Festsetzung eines einheitlichen Freizeitausgleichs. Erst dann, wenn der Dienstherr den einheitlichen Freizeitausgleich wähle, könne sich der Beamte darauf berufen, dass dieser angemessen sei und insbesondere nicht hinter seinem Anspruch auf Freizeitausgleich im Umfang der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit zurückbleibe. Auch aus einer möglichen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 11 Satz 1 BPolBG und dem Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 16. Mai 2008 könne der Kläger keine mögliche Rechtsverletzung herleiten. Andere Anspruchsgrundlagen für einen Freizeitausgleich, der die bereits gewährten Mehrdienstzeiten noch übersteige und auf deren mögliche Verletzung sich der Kläger berufen könne, seien nicht ersichtlich.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung gemäß §§ 124 Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und die Sprungrevision gemäß §§ 134 Abs. 1 und 2, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Der Kläger hat am 29. Dezember 2017 Berufung eingelegt.

Er ist der Ansicht, er sei klagebefugt, weil ihm § 11 BPolBG ein einklagbares subjektiv-öffentliches Recht vermittele. Schon bei der Abfassung dieser Regelung sei umstritten gewesen, ob sie ausschließlich dem öffentlichen Interesse - Vermeidung einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit sowie zur Verwaltungsvereinfachung - diene oder ob sie Berufungsfälle für andere Beamtengruppen schaffe. Aber selbst wenn die ursprüngliche Regelung des § 11 BPolBG ausschließlich öffentlichen Interessen gedient hätte, habe der Gesetzgeber mit der nachfolgenden Änderung dieser Regelung zum 1. Januar 1989 die Zwecksetzung des § 11 BPolBG verändert bzw. ergänzt. Die Regelung zum pauschalen Freizeitausgleich sei seitdem keine Kann-Bestimmung mehr, sondern als eine gebundene Entscheidung ausgestaltet. Auch in der Gesetzesbegründung heiße es, mit dieser Änderung werde die Vorschrift auf eine breitere Grundlage gestellt. Bei der künftigen Bemessung des Freizeitausgleichs sei es nunmehr möglich, nach gemeinsamen Einsätzen den den Polizeikräften des Bundes und der Länder zu gewährenden Freizeitausgleich aufeinander abzustimmen sowie bestimmte weitere Beanspruchungen des Beamten (Reisezeiten, Unterbringung in Behelfsunterkünfte) angemessen zu berücksichtigen. Regelungszweck sei auch die Berücksichtigung der besonderen Beanspruchung der Beamten durch die Durchführung der Einsätze an sich sowie die Vereinheitlichung des allen Einsatzkräften zu gewährenden Freizeitausgleichs. Der Gesetzgeber habe klargestellt, dass grundsätzlich bei Einsätzen und Übungen von Verbänden, Einheiten oder Teileinheiten von einer Dauer von mehr als einem Tag eben nicht nur die mit diesem Einsatz verbundene dienstliche Beanspruchung, sondern darüber hinaus auch die Dauer des Einsatzes bei der Bemessung des Freizeitausgleichs berücksichtigt werden müsse. Damit sei die Regelung geeignet, jedem einzelnen Beamten einen angemessenen Freizeitausgleich zu verschaffen. Dementsprechend sei auch das Verwaltungsgericht Hannover in seinem Urteil vom 20. Dezember 1990 (- 2 A 205/89 -) von einer Klagebefugnis des einzelnen Beamten aus § 11 BPolBG ausgegangen. § 11 BPolBG sei immer dann, wenn - wie hier - seine Voraussetzungen vorlägen auch ohne ausdrückliche Anordnung anzuwenden. Nach dem Wortlaut der Regelung sei nicht Voraussetzung, dass der Einsatz hinsichtlich seiner konkreten Dauer und hinsichtlich des Personaleinsatzes nicht abschließend planbar gewesen sei. Auch Übungen, für die § 11 BPolBG anwendbar sei, seien planbar. Der Dienstherr müsse sich im Voraus und nicht - wie hier - im Nachhinein auf die Abrechnung festlegen. Die vorzunehmende Berechnung ergebe sich aus dem Durchführungserlass des Bundesministeriums des Innern zu § 11 BPolBG vom 16. Mai 2008.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Göttingen die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2016 zu verpflichten, ihm auf der Grundlage von § 11 BPolBG Freizeitausgleich für weitere 27 Stunden zu gewähren.

Er beantragt nunmehr,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen zu ändern, soweit es die Klage abgewiesen hat, den ablehnenden Bescheid vom 13. November 2015 und den Widerspruchsbescheid vom 22. April 2016 insoweit aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für die in der Zeit vom 29. Mai 2015 bis zum 9. Juni 2015 über seine regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende geleistete Dienstzeit im Umfang von weiteren 107 Stunden Freizeitausgleich,

hilfsweise Mehrarbeitsvergütung im selben Umfang nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Klage sei mangels Klagebefugnis des Klägers bereits unzulässig. Es existiere kein subjektives Recht auf das Verwaltungsinstitut der Pauschalierung. Die Regelung des § 11 BPolBG betreffe rein organisatorische Belange. Rechte des Beamten würden durch eine Ablehnung eines Freizeitausgleichsanspruchs nach § 11 BPolBG nicht verletzt, weil in diesem Fall die Behörde die tatsächlich erbrachte Mehrarbeit für jeden Beamten ermitteln und nach § 88 BBG ausgleichen müsse. Dabei würden Reisezeiten voll berücksichtigt zuzüglich großzügig berechneter Rüst-, Vor- und Nachbereitungszeiten. Der Gesetzgeber habe keine bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 11 BPolBG zu Gunsten des betroffenen Beamten gebundene Entscheidung vorgegeben. Nach § 11 Satz 2 BPolBG treffe die Entscheidung der C. oder die von ihm bestimmte Dienststelle. Dabei handele es sich nicht nur um eine Zuständigkeitsregelung, sondern der bezeichneten Behörde werde ein freies Ermessen über die Entscheidung gewährt, ob bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 BPolBG eine pauschale Abrechnung vorgenommen werde oder nicht. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung nicht die Zielsetzung verfolgt, dass bei mehrtägigen Ein-sätzen zwingend ein Freizeitausgleich nach § 11 BPolBG vorzunehmen sei. § 11 BPolBG diene nach seiner Gesetzesgeschichte allein der Verwaltungsvereinfachung und damit ausschließlich dem öffentlichen Interesse. Aufgrund dieser Tatsache sei der Verwaltung eine Organisationsermessen hinsichtlich des „Ob“ der Vereinfachung eingeräumt. Es handele sich um eine Ausnahmevorschrift für besondere Einsatzlagen, die nicht ohne den Anfall von gegebenenfalls nicht planbar abbaubarer Mehrarbeit auskämen, da die zugrundeliegenden Lagen in ihrem Verlauf nicht absehbar gewesen seien. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover aus dem Jahr 1990 setze sich nicht explizit mit der Klagebefugnis auseinander und sei im Übrigen überholt und auf den Fall nicht übertragbar. Die Klage wäre auch unbegründet. Sowohl das Verwaltungsgericht Kassel als auch das Verwaltungsgericht Köln hätten festgestellt, dass § 11 BPolBG auf den G7-Gipfel nicht anwendbar gewesen sei, weil es sich um einen planbaren Einsatz, der nach der umfangreichen Vorplanung (Dienstpläne) habe abgearbeitet werden können, gehandelt habe, und tatsächliche Mehrarbeit nicht erforderlich geworden sei.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 6. April 2020 und 7. Mai 2020 ihr Einverständnis erklärt, dass über die Berufung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten ergeht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin (vgl. §§ 125 Abs. 1, 87 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger klagebefugt.

Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Voraussetzung ist demnach die Geltendmachung einer (zumindest) möglichen Verletzung eigener Rechte, also nicht lediglich ideeller, wirtschaftlicher und ähnlicher Interessen des Klägers durch die Ablehnung des begehrten Verwaltungsaktes. Die Frage, ob die behauptete Verletzung eigener Rechte tatsächlich vorliegt, gehört dagegen erst zur Begründetheitsprüfung.

Die Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben, wenn eine Verletzung der Rechte des Klägers durch den angefochtenen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsaktes jedenfalls nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise unmöglich erscheint, d. h., wenn nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte nicht bestehen oder ihm nicht zustehen können. Die bloße verbale Behauptung der rechtlichen Betroffenheit genügt nicht (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 42 Rn. 65). Erforderlich ist, dass für die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs die Anwendung von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts, unter Umständen auch des Verfassungsrechts, insbesondere der Grundrechte, in Betracht kommt, die zumindest auch dem Schutz der Interessen von Personen in der rechtlichen Situation, in der sich der Kläger befindet, zu dienen bestimmt sind (Kopp/Schenke, a. a. O., § 42 Rn. 71; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 42 Rn. 388 ff.).

Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend festgestellt, die Regelung in § 11 BPolBG vermittele dem Kläger kein subjektiv-öffentliches Recht auf Festsetzung eines pauschalierten Freizeitausgleichs.

Nach § 11 Satz 1 BPolBG wird bei Einsätzen und bei Übungen von Verbänden, Einheiten oder Teileinheiten der Bundespolizei von einer Dauer von mehr als einem Tag anstelle einer Dienstbefreiung nach den §§ 87 und 88 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) ein einheitlicher Freizeitausgleich festgesetzt, der die Dauer des Einsatzes oder der Übung und die damit verbundene dienstliche Beanspruchung angemessen berücksichtigen muss. Die Entscheidung trifft der C. oder die von ihm bestimmte Dienststelle (§ 11 Satz 2 BPolBG). Der Freizeitausgleich soll gewährt werden, sobald die dienstlichen Verhältnisse es zulassen, möglichst innerhalb von drei Monaten (§ 11 Satz 3 BPolBG).

§ 11 BPolBG dient hinsichtlich der Frage, ob ein einheitlicher Freizeitausgleich festgesetzt wird, allein öffentlichen Interessen. Das folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch der Historie und dem sich daraus ergebenden Sinn und Zweck der Norm.

Aus dem Wortlaut der Norm („anstelle“ einer Dienstbefreiung nach § 88 BBG) folgt, dass dem Dienstherrn im Fall von mehr als eintägigen Einsätzen und Übungen lediglich eine weitere Berechnungsart des festzusetzenden Freizeitausgleichs ermöglicht werden soll, indem dieser neben der spitzen Abrechnung die Pauschalierung des Freizeitausgleichs wählen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.11.2018 - BVerwG 2 B 29.18 -, juris Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 13.2.2020 - 1 A 1671/18 -, juris Rn. 52).

Für dieses am Wortlaut der Norm orientierte Verständnis spricht auch ihre Entstehungsgeschichte, insbesondere die Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Regelung in der Fassung des Gesetzes vom 3. Juni 1977 (BT-Drs. 7/3494 S. 15 f.). Danach gefährde die (damalige) Regelung des § 72 BBG, der einen Ausgleich von Mehrarbeit bis zum Ablauf von drei Monaten vorsah, die Sicherheit, weil die Einsatzbereitschaft der Verbände im Nachgang zu einem Einsatz vermindert werden müsse. Ferner zwinge die bestehende Regelung zu einem erheblichen Mehraufwand, da für jeden Beamten der Umfang der Mehrarbeit genau ermittelt werden müsse. Das könnte nach § 11 BPolG zumindest dann vermieden werden, wenn feststehe, dass der Einsatz länger als fünf Tage gedauert habe. Durch die Regelung in § 11 BPolBG solle die Festsetzung des Urlaubs pauschal und damit ohne nennenswerten Verwaltungsaufwand möglich sein. Auch die nachfolgenden Änderungen haben an dieser Zwecksetzung nichts verändert. § 11 Satz 1 BPolBG hat durch das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1988 seinen Wortlaut gefunden, die späteren Änderungen berücksichtigen nur noch Änderungen der Verweisungsnorm im Bundesbeamtengesetz. Aufgenommen in das Gesetz wurde die Neuregelung aufgrund der Beschlussempfehlung des Innenausschusses vom 9. November 1988 (BT-Drs. 11/3293 S. 11) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 11/2742). In der Begründung heißt es dazu (BT-Drs. 11/3293 S. 51), die bisherige Regelung habe sich aufgrund ihrer einschränkenden Voraussetzungen als zu eng erwiesen. Die Notwendigkeit, einerseits für bestimmte Sicherheitslagen die Einsatzbereitschaft der Verbände des Bundesgrenzschutzes aufrechtzuerhalten und andererseits die geleistete Arbeitszeit möglichst einfach zu ermitteln, gelte auch bei polizeilichen Ein-sätzen von weniger als fünf Tagen Dauer und vor allem bei Übungen von Polizeiverbänden. Bei der künftigen Bemessung des Freizeitausgleichs sei es nun möglich, nach gemeinsamen Einsätzen den den Polizeikräften des Bundes und der Länder zu gewährenden Freizeitausgleich aufeinander abzustimmen sowie bestimmte weitere Beanspruchungen der Beamten (Reisezeiten, Unterbringung in Behelfsunterkünften) angemessen zu berücksichtigen. Darüber hinaus entfalle die bisherige aufwendige Beweisführung über Zeiten eines Voll- oder Bereitschaftsdienstes, der Rufbereitschaft, Reise- und Ruhezeiten.

Danach war Intention des Gesetzgebers bei der Schaffung der Regelung des § 11 BPolBG lediglich, den Freizeitausgleich pauschal ohne nennenswerten Verwaltungsaufwand festzusetzen. Der erhebliche Verwaltungsaufwand, der durch die individuelle Berechnung und Festsetzung von Freizeitausgleich bei Einsätzen und Übungen der Bundespolizei von einer Dauer von mehr als einem Tag entsteht, sollte entfallen, insbesondere die aufwendige Nachweisführung über Zeiten eines Voll- oder Bereitschaftsdienstes, der Rufbereitschaft, der Reise- und der Ruhezeiten. Soweit in der Gesetzesbegründung noch darauf hingewiesen wird, bei der künftigen Bemessung des Freizeitausgleichs sei es nun möglich, bestimmte weitere Beanspruchungen der Beamten (Reisezeiten, Unterbringung in Behelfsunterkünften) angemessen zu berücksichtigen, bezieht sich dies auf die nachgelagerte Frage des Umfangs des zu gewährenden Freizeitausgleichs. Die Frage des „Ob“ der Pauschalierung berührt hingegen keine schützenswerten Individu-alinteressen der Beamten. Nichts anderes folgt aus Sinn und Zweck der Norm. Der Freizeitausgleichsanspruch dient der Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit (BVerwG, Beschluss vom 28.11.2018, a. a. O., Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 13.2.2020 - 1 A 1671/18 -, a. a. O., Rn. 52 ff.; anders wohl noch VG Hannover, Urteil vom 20.12.1990 - 2 A 205/89 -).

Entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts sind jedoch andere Anspruchsgrundlagen für einen weiteren Freizeitausgleich ersichtlich. Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von weiterem Freizeitausgleich für seinen Einsatz beim G7-Gipfel könnte sich aus § 88 Satz 2 BBG ergeben. Danach ist Beamten, die durch dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht werden, innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Die Vorschrift in § 88 Satz 2 BBG dient dem Schutz von Beamten wie dem Kläger mit der Folge, dass sich ein subjektiv-öffentliches Recht des Klägers aus dieser Norm ableiten lässt.

II. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gemäß § 88 Satz 2 BBG einen Anspruch auf weiteren Freizeitausgleich im Umfang von 107 Stunden für seinen Einsatz anlässlich des G7-Gipfels in Schloss Elmau (Bayern) im Mai/Juni 2015.

1. § 88 Satz 2 BBG setzt eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit voraus, aufgrund derer der Beamte mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus - d. h. nicht im Rahmen des normalen Arbeitsumfangs - beansprucht worden ist. Voraussetzung für den Freizeitausgleich ist damit, dass Mehrarbeit angeordnet oder genehmigt wurde; es kommt nicht darauf an, ob sie angeordnet oder genehmigt werden durfte (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2016 - BVerwG 2 C 23.15 -, juris Rn. 12 f. m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 13.2.2020 - 1 A 1671/18 -, a. a. O., Rn. 63).

Die Voraussetzungen nach § 88 Satz 2 BBG liegen vor. Der Kläger hat während des G7-Gipfels auf dienstliche Anordnung Mehrarbeit in weiterem Umfang geleistet, denn auch die als Ruhezeiten bezeichneten Zeiten im Dorint Sporthotel in Garmisch-Partenkirchen sind als Zeiten des Bereitschaftsdienstes zu qualifizieren und in die Berechnung des Freizeitausgleichs mit einzustellen.

a) Die Ruhezeiten des Klägers während des G7-Gipfels in Schloss Elmau (Bayern) im Mai/Juni 2015 waren in der Sache Zeiten des Bereitschaftsdienstes und damit Arbeitszeit.

„Arbeitszeit“ im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG (bzw. der entsprechenden Vorgängerrichtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. L 307, S. 18) ist jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt; unter „Ruhezeit“ im Sinne der Richtlinie ist demgegenüber jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit zu verstehen (Art. 2 Nr. 2 RL 2003/88/EG). Beide Begriffe schließen einander aus (EuGH, Urteil vom 3.10.2000 - C-303/98 [Simap] -, juris Rn. 47; Urteil vom 9.9.2003 - C-151/02 [Jaeger] -, juris Rn. 48; Urteil vom 1.12.2005 - C-14/04 [Dellas] -, juris Rn. 42; Urteil vom 21.2.2018 - C-518/15 [Matzak] -, juris Rn. 55). Hieraus folgt, dass Zeiten des „Sich-Bereithaltens“, die ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner für den Arbeitgeber erbrachten Tätigkeiten verbringt, entweder als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ im Sinne der oben genannten Richtlinie (bzw. der entsprechenden Vorgängerrichtlinie) einzuordnen sind (EuGH, Urteil vom 21.2.2018 [Matzak], a. a. O., Rn. 55), eine „Zwischenkategorie“ zwischen „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ sieht die Richtlinie also nicht vor. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass Zeiten des „Sich-Bereit-Haltens“ eines Beamten entweder als „Bereitschaftsdienst“ - und damit als Arbeitszeit - oder als „Rufbereitschaft“ - und damit als Freizeit - einzuordnen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.1988 - BVerwG 1 C 11.85 -, juris Rn. 15; Urteil vom 22.1.2009 - BVerwG 2 C 90.07 -, juris Rn. 13 ff.; Urteil vom 17.11.2016, a. a. O., Rn. 23).

Was die Abgrenzung der Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG (bzw. der entsprechenden Vorgängerrichtlinie) betrifft, so hat der EuGH betont, dass die Mitgliedstaaten den Inhalt dieser Begriffe nicht einseitig festlegen können, sondern dass diese Begriffe unionsrechtliche Begriffe darstellen, welche anhand objektiver Merkmale unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des Zweckes der Richtlinie - nämlich, Mindestvorschriften zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer aufzustellen - zu bestimmen sind; nur so wird die volle Wirksamkeit der Richtlinie und eine einheitliche Anwendung der Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ in sämtlichen Mitgliedstaaten sichergestellt (EuGH, Urteil vom 9.9.2003 [Jaeger], a. a O., Rn. 58; Urteil vom 1.12.2005 [Dellas], a. a. O., Rn. 44; Urteil vom 10.9.2015 - C-266/14 [Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras] -, juris Rn. 27; Urteil vom 21.2.2018 [Matzak], a. a. O., Rn. 62).

Hiervon ausgehend hat der EuGH entschieden, dass Zeiten des „Sich-Bereit-Haltens“, die von Arbeitnehmern in Form von persönlicher Anwesenheit am Arbeitsort geleistet werden, unter den Begriff der „Arbeitszeit“ im Sinne der RL 2003/88/EG (bzw. der entsprechenden Vorgängerrichtlinie) fallen, auch wenn die tatsächlich geleistete Arbeit von den Umständen abhängt (EuGH, Urteil vom 3.10.2000 [Simap], a. a. O., Rn. 48 f.; Urteil vom 9.9.2003 [Jaeger], a. a. O., Rn. 61, 62, 65, 68, 71; Urteil vom 1.12.2005 [Dellas], a. a. O., Rn. 46; Urteil vom 21.2.2018 [Matzak], a. a. O., Rn. 57). Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich zur Erbringung seiner beruflichen Leistung am Arbeitsplatz aufzuhalten und verfügbar zu sein, ist als Bestandteil der „Wahrnehmung von Aufgaben“ im Sinne der Arbeitszeit-Definition des Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG (bzw. der entsprechen-den Definition der Vorgängerrichtlinie) anzusehen, unabhängig davon, ob es während dieser Zeiten des „Sich-Bereit-Haltens tatsächlich zu Arbeitsleistungen gekommen ist oder nicht (EuGH, Urteil vom 3.10.2000 [Simap], a. a. O., Rn. 48 f.; Urteil vom 1.12.2005 [Dellas], a. a. O., Rn. 46; Urteil vom 21.2.2018 [Matzak], a. a. O., Rn. 57); für die Qualifizierung der gesamten Zeiten des „Sich-Bereit-Haltens“ in Form der vom Arbeitgeber angeordneten persönlichen Anwesenheit am Arbeitsort als „Arbeitszeit“ ist also ohne Belang, dass es während dieser Zeiten zu „beruflicher Untätigkeit“ bzw. „Zeiten der Inaktivität“ kommen kann (EuGH, Urteil 9.9.2003 [Jaeger], a. a. O., Rn. 61 f., 64; Urteil vom 1.12.2005 [Dellas], a. a. O., Rn. 47, 50; Urteil vom 26.7.2017 - C-175/16 [Hälvä u. a.] -, juris Rn. 42). Die Irrelevanz „beruflicher Inaktivität“ während Zeiten, in denen sich der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsort bereit zu halten hat, für die rechtliche Einordnung dieser Zeit als „Arbeitszeit“ im Sinne der maßgeblichen Richtlinie hat der EuGH auch dahingehend zusammengefasst, zu den wesentlichen Merkmalen des Begriffs „Arbeitszeit“ im Sinne des Unionsrechts gehöre nicht die Intensität der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit oder dessen Leistung (Urteil vom 1.12.2005 [Dellas], a. a. O., Rn. 43 ff.).

Demgegenüber ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein „Sich-Bereit-Halten“ in der Form, dass der betreffende Arbeitnehmer ständig erreichbar sein muss, ohne jedoch zur Anwesenheit am Arbeitsplatz verpflichtet zu sein, keine „Arbeitszeit“, sondern „Ruhezeit“ im Sinne der Richtlinie (EuGH, Urteil vom 3.10.2000 [Simap], a. a. O., Rn. 50; Urteil vom 21.2.2018 [Matzak], a. a. O., Rn. 60). Selbst wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in dem Sinne zur Verfügung steht, dass er erreichbar sein muss, kann er in dieser Situation freier über seine Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen (EuGH, Urteil vom 3.10.2000 [Simap], a. a. O., Rn. 50; Urteil vom 21.2.2018 [Matzak], a. a. O., Rn. 60). Unter diesen Umständen ist nur die Zeit, die für die tatsächliche Erbringung von Leistungen aufgewandt wird, als „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen (EuGH, Urteil vom 3.10.2000 [Simap], a. a. O., Rn. 50; Urteil vom 21.2.2018 [Matzak], a. a. O., Rn. 60).

Letztlich ist - wie der EuGH in seinen Urteilen vom 9. September 2003 („Jaeger“) und vom 1. Dezember 2005 („Dellas“) sowie auch in seinem jüngeren Urteil vom 21. Febru-ar 2018 („Matzak“) herausgestellt hat - für die Einordnung von Zeiten des „Sich-Bereit-Haltens“ als Arbeitszeit im Sinne der maßgeblichen Richtlinie entscheidend, das sich der Arbeitnehmer an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können (EuGH, Urteil vom 9.9.2003 [Jaeger], a. a. O., juris Rn. 63; Urteil vom 1.12.2005 [Dellas], a. a. O., Rn. 48; Urteil vom 21.2.2018 [Matzak], a. a. O., Rn. 59). Diese Verpflichtung, aufgrund derer der betroffene Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort während der Zeiten des „Sich-Bereit-Haltens“ nicht frei bestimmen kann, ist als Bestandteil der Wahrnehmung seiner Aufgaben anzusehen (EuGH, Urteil vom 9.9.2003 [Jaeger], a. a. O., Rn. 63; Urteil vom 1.12.2005 [Dellas], a. a. O., Rn. 48; Urteil vom 21.2.2018 [Matzak], a. a. O., Rn. 59).

Vor diesem Hintergrund sind Zeiten des „Bereitschaftsdienstes“ Arbeitszeit. Zwar muss sich der Arbeitnehmer während des „Bereitschaftsdienstes“ nicht am Arbeitsplatz aufhalten und zur Verfügung halten, er ist aber objektiv in gleicher Weise in seinen Möglichkeiten eingeschränkt, seinen Aufenthaltsort zu bestimmen und sich seinen persönlichen oder sozialen Interessen zu widmen, weil er an einem (anderen) vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend sein muss (auch wenn dies seine Wohnung ist) oder sich jedenfalls innerhalb weniger Minuten an seinem Arbeitsplatz einzufinden hat, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können. Ebenso wie die Anwesenheit und Verfügbarkeit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz Bestandteil der Wahrnehmung seiner Aufgaben und damit Arbeitszeit sind, sind die Anwesenheit und Verfügbarkeit an einem anderen vom Arbeitgeber bestimmten Ort Bestandteil der Wahrnehmung seiner Aufgaben, und zwar ebenfalls unabhängig davon, ob und welche Arbeitsleistung tatsächlich erbracht wird (OVG NRW, Urteil vom 13.2.2020 - 1 A 1671/18 -, a. a. O., Rn. 69).

Nach alledem hängt die Frage, ob die sogenannten Ruhezeiten des Klägers während des G7-Gipfels in Schloss Elmau (Bayern) im Mai/Juni 2015 als Bereitschaftsdienst und damit als Arbeitszeit im Sinne der RL 2003/88/EG einzustufen sind, maßgeblich davon ab, ob sich der Kläger während dieser Ruhezeiten an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen musste, um gegebenenfalls sofort/unverzüglich die geeigneten Leistungen erbringen zu können oder ob er seine Zeit autonom gestalten konnte. Diese Kriterien sind Ausdruck dessen, dass die unionsrechtlichen Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ - wie ausgeführt - nach der Rechtsprechung des EuGH anhand objektiver Merkmale unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Richtlinie zu bestimmen sind und danach letztlich zu bewerten ist, wie stark die Möglichkeiten des Betreffenden, sich während der Zeiten des „Sich-Bereit-Haltens“ seinen persönlichen und sozialen Interessen widmen zu können, aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls objektiv eingeschränkt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 21.2.2018 [Matzak], a. a. O., Rn. 63 bis 66).

Nach diesen Maßstäben sind die Ruhezeiten während des Einsatzes des Klägers anlässlich des G7-Gipfels in Schloss Elmau (Bayern) im Mai/Juni 2015 als Bereitschaftsdienst und damit als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG zu qualifizieren. Der Kläger konnte in den Ruhezeiten weder seinen Aufenthaltsort frei wählen noch seine Zeit frei gestalten. Er war vielmehr verpflichtet, sich auch während dieser Zeiten an dem vom Dienstherrn bestimmten Ort - dem Sporthotel Dorint in Garmisch-Partenkirchen - aufzuhalten. Das Hotel durfte er allenfalls zu bestimmten Anlässen und nur nach vorheriger Genehmigung, nicht jedoch nach eigenem Belieben - etwa zur Freizeitgestaltung - verlassen. Dies ergibt sich aus dem Akteninhalt, dem Vortrag der Beteiligten und dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 22. November 2017 vor dem Verwaltungsgericht Göttingen (vgl. Sitzungsniederschrift vom 22.11.2017, S. 2 [Bl. 183/GA]), dem die Beklagte nicht entgegengetreten ist.

Auch während der Ruhezeiten musste der Kläger - wie die anderen bundesweit hinzugezogenen Bundespolizeibeamten (vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 13.2.2020 - 1 A 1671/18 -, a. a. O., Rn. 77 ff.) in seinem Hotel vor Ort verbleiben. Er war angewiesen, das Dorint Sporthotel in Garmisch-Partenkirchen und das unmittelbare Gelände um das Hotel herum grundsätzlich nicht zu verlassen, insbesondere auch nicht zur individuellen persönlichen Freizeitgestaltung. Der Kläger musste jederzeit erreichbar sein.

Die Ruhezeiten des Klägers waren auch durch das ständige Sich-Bereithalten für eine jederzeitige dienstliche Inanspruchnahme geprägt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Göttingen am 22. November 2017 hat seine Prozessbevollmächtigte in seinem Beisein ausgeführt, der Kläger habe während der im Hotel verbrachten Ruhezeiten seine Waffe am Mann zu tragen und sein Handy stets griffbereit haben müssen, um im Bedarfsfall einsetzbar zu sein. Nur während der Schlafenszeit habe er seine Waffe in den Hotelsafe gelegt. Während des gesamten Einsatzzeitraums habe für alle Einsatzkräfte Alkoholverbot bestanden (vgl. Sitzungsniederschrift vom 22.11.2017, S. 2 [Bl. 183/GA]). Das Vorbringen des Klägers ist glaubhaft, denn es ist nachvollziehbar und weist die Schilderung von Einzelheiten auf. Zudem entspricht es den einheitlichen Vorgaben für die bundesweit hinzugezogenen Bundespolizeibeamten, wie sie sich aus dem Urteilen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 2020 (- 1 A 1512/18, 1 A 1671/18, 1 A 1672/18, 1 A 1673/18, 1 A 1677/18, 1 A 1678/18 -) ergeben. Dem Vorbringen des Klägers ist die Beklagte insoweit auch nicht entgegengetreten.

Dem steht - anders, als die Beklagte meint - nicht entgegen, dass die sich in sogenannten Ruhezeiten befindlichen Kräfte erst nachrangig nach den Bereitschaftskräften herangezogen und erst vor einem unmittelbaren Einsatz in Bereitschaft versetzt werden sollten. Beide Stufen der Einsatzplanung sind als Bereitschaftsdienst einzuordnen, weil beide Stufen dadurch geprägt waren, dass die jeweiligen Beamten sich für einen jederzeit möglichen Einsatz bereithielten, der vom Dienstherrn eingeplant war. Schon die Ermöglichung des Einsatzes als Bereitschaftskräfte durch die erfolgten Weisungen enthält implizit die Ermöglichung einer alsbaldigen Dienstaufnahme. Im Übrigen schloss diese Planung nicht aus, dass die Ruhekräfte, wenn erforderlich, auch unmittelbar herangezogen werden konnten (OVG NRW, Urteil vom 13.2.2020 - 1 A 1671/18 -, a. a. O., Rn. 80).

b) Die Ruhezeiten während des G7-Gipfels in Schloss Elmau (Bayern) sind als Mehrarbeit auch dienstlich angeordnet worden.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Freizeitausgleich gemäß § 88 Satz 2 BBG ist die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit. Diese unterliegt keinem Schriftformerfordernis, muss sich aber auf konkrete und zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen; nicht erforderlich ist, dass im Zeitpunkt der Anordnung oder Genehmigung die Anzahl der zu leistenden oder bereits geleisteten Mehrarbeitsstunden bekannt ist. Der Dienstherr entscheidet über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach Ermessen. Dabei hat er insbesondere zu prüfen, ob nach dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll (BVerwG, Beschluss vom 2.4.2019 - BVerwG 2 B 43.18 -, juris Rn. 9; Urteil vom 17.11.2016, a. a. O., Rn. 14 m. w. N.). Hat der Dienstherr Mehrarbeit - zutreffend oder unzutreffend - angeordnet, kommt es nicht darauf an, ob sie auch angeordnet oder genehmigt werden durfte (BVerwG, Urteil vom 17.11.2016, a. a. O., Rn. 12 m. w. N.)

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist in Bezug auf die als Ruhezeiten bezeichneten Stunden Mehrarbeit für den Kläger hinreichend konkret und zeitlich abgegrenzt angeordnet worden. Zwar lässt sich den Verwaltungsvorgängen keine individuelle Anordnung von Mehrarbeit für den Kläger entnehmen. Im Befehl Nr. 1 der Bundespolizeiabteilung A-Stadt vom 19. Mai 2015 und im „Befehl Nr. 1 des UA Fläche (DUD)“ vom 20. Mai 2015 heißt es jeweils unter Ziffer 6.10:

„Erforderliche Mehrarbeit/Rufbereitschaft/Bereitschaftsdienst gemäß Anlage 1, Ziff. 6.8 durch BKA angeordnet; Abrechnung gemäß § 11 BPolBG beabsichtigt.“

Als Anlage 1 ist in den vorgenannten schriftlichen Befehlen der „Vorbefehl Nr. 1 des BKA - BAO Enzian - vom 07.05.2015“ aufgeführt. Dort heißt es unter Ziffer 6.8: „Notwendige Mehrarbeit/Rufbereitschaft/Bereitschaftsdienst wird angeordnet (s. Anlage 1).“

Auf Anforderung des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. November 2017 nur einen Auszug aus der ursprünglichen Anlage 1 zum Vorbefehl Nr. 1 des BKA übersandt. Auf diesem Auszug findet sich der Name des Klägers nicht.

Es bedurfte indes einer individuellen Anordnung von Mehrarbeit für jeden einzelnen Beamten unter den gegebenen logistischen Bedingungen eines über mehrere Planungs- und Entscheidungsebenen koordinierten Großeinsatzes einer erheblichen Zahl von Beamten bei dem G7-Gipfel in Schloss Elmau (Bayern) nicht. Der einzelne Beamte ist bei einer solchen Sachlage vielmehr schon dann hinreichend personenscharf von einer Anordnung erfasst, wenn diese seine Einheit und ihn damit mittelbar als deren Mitglied betrifft. Der hierarchisch geordneten Struktur der Gesamtplanung entspricht es dabei ohne weiteres, wenn auch die Anordnung von Mehrarbeit auf der Grundlage von § 88 BBG in einem stufenweise konkreter werdenden Entscheidungsprozess über das „Ob“ und das „Wie“ von Mehrarbeit ergeht. Dieser Prozess enthält die notwendige einzelfallbezogene Ermessensentscheidung. Im Gesamtgefüge wird auf der letzten Stufe eine hinreichend konkret auf den einzelnen Beamten zugeschnittene, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängige Entscheidung getroffen. Da die Entscheidung letztlich von allen Entscheidungsebenen koordiniert getroffen wird, gibt es kein Zuständigkeitsproblem (vgl. OVG NRW, Urteil vom 13.2.2020 - 1 A 1671/18 -, a. a. O., Rn. 84).

Der für die Gesamteinsatzleitung zuständige Präsident der Bundespolizeidirektion München traf mit dem Einsatzbefehl Nr. 2 vom 20. Mai 2015 zunächst auf einer ersten vorgelagerten Stufe die grundsätzliche Entscheidung, dass bei Bedarf Mehrarbeit stattfinden soll, und damit die allgemeine „Ermächtigung“ der nachgeordneten Entscheidungsstufen, die Mehrarbeit bei entsprechendem Bedarf im Einzelfall vor Ort konkret zu regeln und anzuordnen. Denn unter Ziffer 6.2.2 des vorgenannten Einsatzbefehls ist ausgeführt:

„Die erforderliche Mehrarbeit wird hiermit auf Grundlage des § 88 BBG angeordnet. Bei Vorliegen der Voraussetzungen sollen die Regelungen des § 11 BPolBG in Verbindung mit der hierzu gültigen Erlass-/Verfügungslage Anwendung finden. Die Entscheidung über die Höhe des Freizeitausgleichs trifft in diesem Fall der Polizeiführer nach dem Einsatz. Eine vorherige Anordnung/Festlegung ist unzulässig.“

Diese allgemeine Entscheidung des vorgenannten Einsatzbefehls wurde dann auf der nächsten Stufe in den zu Beginn und während des Einsatzes erstellten Ablaufplänen umgesetzt, die die Mehrarbeit zunächst in zeitlicher Hinsicht konkretisiert haben, indem sie für die einzelnen Einsatzkräfte - wie für den Kläger - jeweils Volldienst- und Ruhezeiten vorsahen, die dem jeweiligen Bedarf angepasst wurden. Auf einer letzten Stufe wurde mit den Anweisungen des Abschnittsleiters, wie die Beamten - also auch der Kläger - die Ruhezeiten im Einsatzhotel konkret zu verbringen haben, die Mehrarbeit abschließend angeordnet (vgl. OVG NRW, Urteil vom 13.2.2020 - 1 A 1671/18 -, a. a. O., Rn. 84).

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf weiteren Freizeitausgleich im Umfang von 107 Stunden für seinen Einsatz anlässlich des G7-Gipfels in Schloss Elmau (Bayern) im Mai/Juni 2015.

Die Regelung in § 88 Satz 2 BBG sieht als Rechtsfolge vor, dass den Beamten innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren ist. „Entsprechende Dienstbefreiung" in § 88 Satz 2 BBG heißt bei Bereitschaftsdienst - ebenso wie bei Volldienst - voller Freizeitausgleich im Verhältnis „1 zu 1". Dies ergibt sich aus der Auslegung dieser Bestimmung nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie ihrer Entstehungsgeschichte (BVerwG, Urteil vom 17.11.2016, a. a. O., Rn. 16 ff.). Für eine Stunde Bereitschaftsdienst durch Ruhezeit ist eine Stunde Freizeitausgleich zu gewähren.

Entgegen dem hat der Präsident des Bundespolizeipräsidiums in seinem Mitarbeiterbrief vom 14. Juli 2015 eine Anrechnung von Bereitschaftsdiensten mit nur 50 Prozent angeordnet. Die Beklagte hat zudem die Ruhezeiten des Klägers im Dorint Sporthotel in Garmisch-Partenkirchen nicht als Bereitschaftsdienst, sondern als Rufbereitschaft mit 12,5 Prozent entsprechend der sogenannten 1/8 Regelung gemäß § 12 AZV angerechnet.

Für den Kläger sind während des G7-Gipfels in Schloss Elmau (Bayern) folgende Ruhezeiten angefallen (vgl. ePlan BUND, Bl. 70 ff./GA):

- am 29. Mai 2015 von 19.00 Uhr bis 24.00 Uhr (5 Stunden)

- am 30. Mai 2015 von 0.00 Uhr bis 6.30 Uhr und von 21.30 Uhr bis 24.00 Uhr (9 Stunden)

- am 31. Mai 2015 von 0.00 Uhr bis 6.30 Uhr und von 21.30 Uhr bis 24.00 Uhr (9 Stunden)

- am 1. Juni 2015 von 0.00 Uhr bis 6.30 Uhr und von 21.30 Uhr bis 24.00 Uhr (9 Stunden)

- am 2. Juni 2015 von 0.00 Uhr bis 6.30 Uhr und von 21.30 Uhr bis 24.00 Uhr (9 Stunden)

- am 3. Juni 2015 von 0.00 Uhr bis 5.30 Uhr und von 18.30 Uhr bis 24.00 Uhr (11 Stunden)

- am 4. Juni 2015 von 0.00 Uhr bis 1.30 Uhr und von 14.30 Uhr bis 21.30 Uhr (8 Stunden 30 Minuten)

- am 5. Juni 2015 von 10.30 Uhr bis 18.30 Uhr (8 Stunden)

- am 6. Juni 2015 von 9.30 Uhr bis 18.30 Uhr (9 Stunden)

- am 7. Juni 2015 von 9.30 Uhr bis 18.30 Uhr (9 Stunden)

- am 8. Juni 2015 von 9.30 Uhr bis 0.00 Uhr (14 Stunden 30 Minuten)

- am 9. Juni 2015 von 0.00 Uhr bis 6.00 Uhr (6 Stunden).

Insgesamt ergeben sich für den Kläger danach Ruhezeiten im Umfang von 107 Stunden während seines Einsatzes beim G7-Gipfel. Diese Ruhezeiten sind als Zeiten des Bereitschaftsdienstes und damit als Arbeitszeit vollständig auszugleichen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 BeamtStG, § 127 BRRG liegen nicht vor.