Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.06.2020, Az.: 5 ME 91/20

Bewährung; Elternzeit; Höchstdauer der Probezeit; Probezeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.06.2020
Aktenzeichen
5 ME 91/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72030
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 31.03.2020 - AZ: 13 B 1079/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Nach der bundesrechtlichen Bestimmung des § 10 Satz 1 BeamtStG ist die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit nur zulässig, wenn der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Mit dieser Vorschrift hat der Bundesgesetzgeber in Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Statusrecht der Beamten der Länder (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) die statusrechtliche Mindest- und Höchstdauer der Probezeit festgelegt und vorgegeben. Innerhalb des bundesrechtlich vorgegebenen Rahmens von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren können die Länder die Dauer der Probezeit aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz für das Laufbahnrecht der Landesbeamten regeln. Die bundesrechtliche Bestimmung des § 10 Satz 1 BeamtStG schließt es aus, die Dauer der Probezeit durch landesrechtliche Regelungen über die Höchstdauer von fünf Jahren hinaus zu verlängern.

2. Der niedersächsische Landesgesetzgeber hat seine Gesetzgebungskompetenz für das Laufbahnrecht der Landesbeamten durch den Erlass der Vorschrift des § 19 Abs. 4 NBG dahingehend ausgeübt, dass die Probezeit bis zu der nach der Vorgabe des § 10 Satz 1 BeamtStG möglichen Höchstdauer von fünf Jahren verlängert werden kann.

3. Die Normen des § 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Laufbahnverordnung (NLVO) lassen es nicht zu, die gesetzlich vorgegebene Höchstdauer der Probezeit einer Beamtin im Wege einer Ermessensentscheidung um den Zeitraum der von der Beamtin in Anspruch genommenen Elternzeit ohne Dienstbezüge zu verlängern.

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich gegen ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe.

Die 35 Jahre alte Antragstellerin wurde mit Wirkung vom … 2015 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Obersekretärin im Justizvollzugsdienst (Besoldungsgruppe A 7) ernannt. Im Jahr 2015 war sie an insgesamt 81 Tagen dienstunfähig erkrankt. Vom 13. April 2016 bis zum 1. Januar 2018 war sie durchgehend dienstunfähig erkrankt. In der Zeit vom 2. Januar 2018 bis zum 10. Juli 2018 versah sie aufgrund eines schwangerschaftsbedingten und ärztlich angeordneten Beschäftigungsverbotes keinen Dienst. Im Anschluss daran folgte die gesetzliche Mutterschutzzeit und Erholungsurlaub. Danach nahm die Antragstellerin vom 18. Januar 2019 bis zum 6. Januar 2020 Elternzeit ohne Dienstbezüge in Anspruch.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2017, gegen den die Antragstellerin keinen Rechtsbehelf einlegte, verlängerte die Antragsgegnerin die Probezeit der Antragstellerin bis zum 30. Juni 2018. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Bewährung der Antragstellerin könne zum Ablauf der regulären dreijährigen Probezeit (31.12.2017) wegen längerer Krankheitszeiträume, Mängeln bei den bislang gezeigten dienstlichen Leistungen und nicht einwandfreier dienstlicher Führung im Umgang mit Kollegen, im Auftreten gegenüber Gefangenen und bei der Einhaltung von Regelungen nicht festgestellt werden.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2018 verlängerte die Antragsgegnerin die Probezeit der Antragstellerin nochmals, und zwar bis zum 31. Dezember 2019. Zur Begründung wurde ausgeführt, die im Bescheid vom 12. Dezember 2017 dargelegten Eignungszweifel bestünden weiterhin, da die Antragstellerin seitdem keinen Dienst geleistet habe. Im Übrigen sei es angesichts der in dem amtsärztlichen Gutachten vom 20. Dezember 2017 getroffenen Feststellungen unwahrscheinlich, dass die Antragstellerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Verbeamtung auf Lebenszeit erfüllen werde. Bei Würdigung der Gesamtumstände sei im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht anzunehmen, dass sich die Antragstellerin bis zum Ende der verlängerten Probezeit bewähren werde. Eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe sei aber derzeit aufgrund der zugunsten der Antragstellerin eingreifenden Schutzvorschrift des § 4 Abs. 1 MuSchEltZVO rechtlich nicht möglich. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage der Antragstellerin wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 20. Dezember 2019 (13 A 4885/18) gegen das die Antragstellerin kein Rechtsmittel einlegte, abgewiesen.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2019 stellte die Antragsgegnerin die Nichtbewährung der Antragstellerin innerhalb der gesetzlichen Höchstdauer der Probezeit fest. Aufgrund der in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 12. April 2016 erbrachten dienstlichen Leistungen bestünden erhebliche Eignungszweifel, die einer positiven Bewährungsfeststellung entgegenstünden. Neue Erkenntnisse über die dienstlichen Leistungen der Antragstellerin hätten nicht gewonnen werden können, da sie seit dem 13. April 2016 keinen Dienst mehr geleistet habe. Es sei nicht möglich, die gesetzliche Höchstdauer der Probezeit über den 31. Dezember 2019 hinaus zu verlängern. Über die von der Antragstellerin gegen diesen Bescheid erhobene Klage (13 A 758/20) hat das Verwaltungsgericht Hannover noch nicht entschieden.

Mit Verfügung vom 10. Februar 2020 entließ die Antragsgegnerin die Antragstellerin gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG mit Ablauf des 31. März 2020 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die im Bescheid vom 27. Dezember 2019 enthaltenen Ausführungen verwiesen. Die Antragstellerin habe die Zweifel an ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung bis zum Ablauf der gesetzlichen Höchstdauer der Probezeit nicht ausräumen können.

Gegen die Verfügung vom 10. Februar 2020 hat die Antragstellerin am 13. Februar 2020 bei dem Verwaltungsgericht Hannover Klage erhoben (13 A 1078/20), über die noch nicht entschieden ist, und zugleich um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 31. März 2020 dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entsprochen und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entlassungsverfügung wiederhergestellt. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, der die Antragstellerin entgegentritt.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Die von ihr vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der beschließende Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine Änderung der angegriffenen Entscheidung und die Ablehnung des Antrags der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

1. Rechtsgrundlage der Entlassungsverfügung ist § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG. Danach können Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Bei dem Begriff der Bewährung handelt es sich um einen komplexen Rechtsbegriff, der den Behörden hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Einschätzungsprärogative überlässt (BVerwG, Urteil vom 19.3.1998 - BVerwG 2 C 5.97 -, juris Rn 22; Urteil vom 25.1.2001 - BVerwG 2 C 43.99 -, juris Rn 23). Der Sinn und der Zweck der Begründung des Statusverhältnisses eines Probebeamten bestehen darin, die Feststellung zu ermöglichen, ob er in dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit als dem Regeltyp eines Beamtenverhältnisses den Anforderungen genügen wird, die an einen Beamten seiner Laufbahn in körperlicher, geistiger, charakterlicher und fachlicher Hinsicht gestellt werden (BVerwG, Urteil vom 25.2.1993 - BVerwG 2 C 27.90 -, juris Rn 9 f.). Dabei liegt mangelnde Bewährung bereits dann vor, wenn nachhaltige Zweifel bestehen, ob der Beamte den an ihn zu stellenden Anforderungen gerecht wird (BVerwG, Beschluss vom 10.10.1985 - BVerwG 2 CB 25.84 -, juris Rn 3 m. w. N.). Die insoweit erforderlichen - teils wertenden und teils prognostischen - Feststellungen kann nur der Dienstherr treffen. Nur dieser ist in der Lage, den Gleichbehandlungsanspruch im Hinblick auf den Zugang zu den von ihm eingerichteten öffentlichen Ämtern zu wahren und durchzusetzen; nur der Dienstherr ist befugt, das Anforderungsprofil dieser Ämter festzulegen und im wertenden Vergleich festzustellen, ob der Beamte den gestellten Anforderungen entspricht (BVerwG, Urteil vom 19.3.1998, a. a. O., Rn 24). Dementsprechend unterliegt die Frage, ob der Dienstherr zu Recht von einer mangelnden Bewährung des Probebeamten ausgegangen ist, nur der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die Entlassungsverfügung kann daher insoweit nur daraufhin überprüft werden, ob der gesetzliche Begriff der Bewährung oder die gesetzlichen Grenzen der Beurteilungsermächtigung verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (BVerwG Urteil vom 24.11.1983 - BVerwG 2 C 28.82 -, juris Rn 19; Urteil vom 19.3.1998, a. a. O., Rn 20). Dabei ist maßgebend für die Rechtmäßigkeitsprüfung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung; es kommt auf die zu diesem Zeitpunkt dem Dienstherrn zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel an (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.1981 - BVerwG 2 C 48.78 -, juris Rn 28; Nds. OVG, Beschluss vom 7.4.2009 - 5 ME 25/09 -, juris Rn 9).

2. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Entlassungsverfügung vom 10. Februar 2020 rechtlich nicht zu beanstanden. Die Einschätzung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin habe sich in der zwei Mal auf insgesamt fünf Jahre verlängerten Probezeit nicht bewährt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin hat zur Feststellung der Bewährung der Antragstellerin nur auf die Leistungen zurückgreifen können, die die Antragstellerin in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 12. April 2016 erbracht hat, wobei die Antragstellerin während dieses lediglich knapp 15,5 Monate langen Zeitraums auch noch an 81 Tagen dienstunfähig erkrankt war. Seit dem 13. April 2016 bis zum Ablauf der verlängerten Probezeit am 31. Dezember 2019 hat die Antragstellerin keinen Dienst mehr geleistet. Die Antragsgegnerin hat die Probezeit der Antragstellerin erstmals mit Bescheid vom 12. Dezember 2017, gegen den die Antragstellerin keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, bis zum 30. Juni 2018 verlängert, weil - so die Begründung des bestandskräftigen Bescheides - die Bewährung der Antragstellerin zum Ablauf der regulären dreijährigen Probezeit wegen längerer Krankheitszeiträume, Mängeln bei den bislang gezeigten dienstlichen Leistungen und nicht einwandfreier dienstlicher Führung im Umgang mit Kollegen, im Auftreten gegenüber Gefangenen und bei der Einhaltung von Regelungen nicht habe festgestellt werden können. Während des ersten Verlängerungszeitraums sowie des sodann mit Bescheid vom 26. Juni 2018 nochmals bis zum 31. Dezember 2019 und damit bis zur Höchstdauer von fünf Jahren (vgl. § 10 Satz 1 BeamtStG und § 19 Abs. 4 NBG) verlängerten Zeitraums hat die Antragstellerin jedoch keinen Dienst geleistet und es der Antragsgegnerin deshalb auch nicht ermöglicht, festzustellen, ob die die Bewährung betreffenden Defizite, die zu der zweimaligen Verlängerung der Probezeit geführt haben, weiterhin bestehen. Angesichts dieser Sachlage ist die in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2020 getroffene Annahme, sie habe bis zum Ablauf der Höchstdauer der Probezeit am 31. Dezember 2019 nicht feststellen können, dass sich die Antragstellerin bewährt habe (§ 19 Abs. 3 Satz 3 NBG), es bestünden vielmehr weiterhin Zweifel an ihrer Bewährung, rechtlich nicht zu beanstanden.

Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber rechtsfehlerhaft angenommen,

- die Antragsgegnerin sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Höchstdauer der Probezeit von fünf Jahren noch nicht ausgeschöpft und eine weitere Verlängerung der Probezeit rechtlich nicht zulässig sei,

- daher habe die Antragsgegnerin das ihr in Bezug auf eine eventuelle Verlängerung der Probezeit nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt,

- dieser Ermessensausfall sei auch nicht nachträglich heilbar und auch nicht wegen einer Ermessensreduzierung auf Null unbeachtlich.

Die vorstehend wiedergegebene rechtliche Einschätzung des Verwaltungsgerichts ist mit den maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar.

Nach der bundesrechtlichen Bestimmung des § 10 Satz 1 BeamtStG ist die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit nur zulässig, wenn der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Mit dieser Vorschrift hat der Bundesgesetzgeber in Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Statusrecht der Beamten der Länder (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) die statusrechtliche Mindest- und Höchstdauer der Probezeit festgelegt und vorgegeben. Innerhalb des bundesrechtlich vorgegebenen Rahmens von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren können die Länder die Dauer der Probezeit aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz für das Laufbahnrecht der Landesbeamten regeln. Die bundesrechtliche Bestimmung des § 10 Satz 1 BeamtStG schließt es aus, die Dauer der Probezeit durch landesrechtliche Regelungen über die Höchstdauer von fünf Jahren hinaus zu verlängern (vgl. Plog/Wiedow, BBG, Stand: Mai 2020, Band 6, § 19 NBG Rn 2; Reich, BeamtStG, 2009, § 10 Rn 2; Metzler-Müller/Rieger/Seeck/Zentgraf, BeamtStG, 3. Aufl. 2014, § 10 Anm. 2 S. 135 f.; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 1.4.2019 - 5 ME 7/19 -).

Der niedersächsische Landesgesetzgeber hat seine Gesetzgebungskompetenz für das Laufbahnrecht der Landesbeamten durch den Erlass der Vorschrift des § 19 Abs. 4 NBG dahingehend ausgeübt, dass die Probezeit bis zu der nach der Vorgabe des § 10 Satz 1 BeamtStG möglichen Höchstdauer von fünf Jahren verlängert werden kann. Diese gesetzlich geregelte Höchstdauer der Probezeit hat im Falle der Antragstellerin, deren Probezeit am 1. Januar 2015 begonnen hat, nach fünf Jahren mit dem Ablauf des 31. Dezember 2019 geendet.

Die verordnungsrechtlichen Normen des § 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NLVO lassen es entgegen der in dem angefochtenen Beschluss vertretenen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu, die gesetzlich vorgegebene Höchstdauer der Probezeit der Antragstellerin im Wege einer Ermessensentscheidung um den Zeitraum der von der Antragstellerin in Anspruch genommenen Elternzeit ohne Dienstbezüge, also über den 31. Dezember 2019 hinaus, um ca. ein Jahr zu verlängern. Die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NLVO ist mit den dargestellten gesetzlichen Vorgaben des § 10 Satz 1 BeamtStG und des § 19 Abs. 4 NBG nicht vereinbar.

Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 NLVO hatte in ihrer bis zum 31. Dezember 2018 geltenden früheren Fassung (NLVO a. F.) lediglich bestimmt, dass die Zeit eines Urlaubs ohne Dienstbezüge und Elternzeit ohne Dienstbezüge nicht zur Probezeit gehören. Durch Art. 5 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Einführung einer Familienpflegezeit für Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2018 (Nds. GVBl. S. 307) ist § 7 Abs. 3 NLVO neu gefasst worden. Der vorherige Wortlaut ist Satz 1 des Absatzes 3 geworden. Diesem neuen Absatz 3 Satz 1 sind außerdem die Sätze 2 bis 4 angefügt worden. Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 NLVO in der seit dem 1. Januar 2019 geltenden Fassung verkürzen die Zeit eines Urlaubs ohne Dienstbezüge nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBG und Elternzeit ohne Dienstbezüge nach den nach § 81 NBG geltenden Rechtsvorschriften die Probezeit, soweit sie während des für die Probezeit vorgesehenen Zeitraums in Anspruch genommen werden.

Die Norm des früheren § 7 Abs. 3 NLVO a. F., nach der die Zeit eines Urlaubs ohne Dienstbezüge und Elternzeit ohne Dienstbezüge nicht zur Probezeit gehörten, hatte zur Folge, dass die (regelmäßige) beamtenrechtliche Probezeit (§ 19 NBG) um die vorgenannten Zeiten verlängert wurde, wenn die Zeiten in die Probezeit gefallen waren. Diese Bestimmung hatte bewirkt, dass die im Beamtenverhältnis auf Probe stehenden Beamten die Probezeit unverkürzt zu leisten hatten und erst entsprechend später - Ablauf der Dauer der Probezeit zuzüglich der Zeit eines während der Probezeit in Anspruch genommenen Urlaubs ohne Dienstbezüge und einer während der Probezeit in Anspruch genommenen Elternzeit ohne Dienstbezüge - in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen werden konnten.

In § 7 Abs. 3 Satz 1 NLVO in der seit dem 1. Januar 2019 geltenden Fassung ist der Wortlaut des früheren § 7 Abs. 3 NLVO a. F. beibehalten worden. Damit hat der Vorschriftengeber ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien deutlich machen wollen, dass auch nach der Neufassung des § 7 Abs. 3 NLVO der Grundsatz, dass die Zeit eines Urlaubs ohne Dienstbezüge und einer Elternzeit ohne Dienstbezüge nicht zur Probezeit gehören, aufrechterhalten bleibt (vgl. den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Inneres und Sport des Niedersächsischen Landtags vom 7.12.2018 [LT-Drucks. 18/2331 S. 32] zu seiner Beschlussempfehlung vom 5.12.2018 [LT-Drucks. 18/2281 S. 29] zu dem Gesetzentwurf der Niedersächsischen Landesregierung [Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Familienpflegezeit für Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften] vom 13.1.2018 [LT-Drucks. 18/149 S. 1 ff.]).

Mit dem Gesetz zur Einführung einer Familienpflegezeit für Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2018 (a. a. O.) hat der Vorschriftengeber jedoch unter anderem das Ziel verfolgt, bei Beamten, die im Geltungsbereich des Niedersächsischen Beamtengesetzes in einem Beamtenverhältnis stehen, die Vereinbarkeit der Pflege und Betreuung von Kindern und anderen nahen Angehörigen mit der Berufsausübung dieser Beamten weiter zu fördern. Deshalb ist in dem mit Wirkung vom 1. Januar 2019 geschaffenen Satz 2 des Absatzes 3 des § 7 NLVO geregelt worden, dass die Zeit eines Urlaubs ohne Dienstbezüge nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBG und Elternzeit ohne Dienstbezüge nach den nach § 81 NBG geltenden Rechtsvorschriften die Probezeit verkürzen, soweit sie während des für die Probezeit vorgesehenen Zeitraums in Anspruch genommen werden. Mit der Bestimmung des § 7 Abs. 3 Satz 2 NLVO, die als speziellere Regelung (lex specialis) der Norm des § 7 Abs. 3 Satz 1 NLVO vorgeht, hat der niedersächsische Vorschriftengeber es den Beamten, die während der Probezeit Urlaub ohne Dienstbezüge nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBG oder Elternzeit ohne Dienstbezüge nach den nach § 81 NBG geltenden Rechtsvorschriften in Anspruch genommen haben, ermöglicht, ohne einen dadurch bedingten zeitlichen Nachteil die Probezeit zu beenden und in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen zu werden. Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 2 NLVO führt nicht zu einer Veränderung der Dauer der Probezeit als solcher, sondern bewirkt, dass die - als solche unverändert lange - Probezeit im Umfang der angerechneten Zeiten zu Gunsten der betroffenen Beamten als abgegolten gilt, obwohl die Beamten während dieser Zeiten faktisch keinen aktiven Dienst geleistet haben (vgl. den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Inneres und Sport des Niedersächsischen Landtags vom 7.12.2018, a. a. O., S. 32 unter Verweis auf S. 4). Um das Ausmaß dieser aus familienpolitischen Gründen geschaffenen Regelung zu begrenzen, ist die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 2 NLVO auf Beamte beschränkt worden, die im Geltungsbereich des Niedersächsischen Beamtengesetzes in einem Beamtenverhältnis stehen und im Rahmen dieses Beamtenverhältnisses Urlaub ohne Dienstbezüge nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBG oder Elternzeit ohne Dienstbezüge nach den nach § 81 NBG geltenden Rechtsvorschriften in Anspruch genommen haben (vgl. den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Inneres und Sport des Niedersächsischen Landtags vom 7.12.2018, a. a. O., S. 32).

Da - wie sich aus dem Vorstehenden ergibt - im Falle der Antragstellerin die auf die Höchstdauer von fünf Jahren verlängerte Probezeit im Umfang der angerechneten Elternzeit ohne Dienstbezüge (ca. ein Jahr) als abgegolten gilt, obwohl die Antragstellerin während dieser Zeit faktisch keinen aktiven Dienst geleistet hat, und ferner einschließlich der Zeit der Elternzeit die Höchstdauer der Probezeit von fünf Jahren (§ 10 Satz 1 BeamtStG und § 19 Abs. 4 NBG) am 31. Dezember 2019 abgelaufen ist, ist die Antragsgegnerin entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht verpflichtet, eine Ermessensentscheidung über eine weitere Verlängerung der Probezeit zu treffen. Für eine Berechtigung oder - wie das Verwaltungsgericht meint - Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine dahingehende Ermessensentscheidung zu treffen, bleibt nach dem Ablauf der Höchstdauer der Probezeit kein Raum.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG aus dem Beamtenverhältnis auf Probe zu entlassen, ist auch als solche nicht wegen der Nichtausübung eines Ermessens rechtswidrig. Zwar steht die Entscheidung, Beamte auf Probe zu entlassen, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben, nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG grundsätzlich im Ermessen des Dienstherrn. Auf der Rechtsfolgenseite entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.3.1998 - BVerwG 2 C 5.97 -, juris Rn 35), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. etwa Nds. OVG, Urteil vom 13.11.2012 - 5 LB 301/10 -, juris Rn 74), dass dem Dienstherrn hinsichtlich der Entlassung eines Beamten auf Probe ein Ermessensspielraum dann nicht zusteht, wenn die mangelnde Bewährung aufgrund nicht behebbarer Mängel feststeht, und dass mit dem in dieser Vorschrift verwendeten Wort „kann“ allein der Möglichkeit Rechnung getragen wird, die Probezeit gemäß § 9 NLVO zu verlängern, wenn die Bewährung bis zum Ablauf der vorgesehenen Probezeit noch nicht festgestellt werden kann. Angesichts dessen, dass die Antragsgegnerin die Probezeit der Antragstellerin bereits zwei Mal verlängert und damit die gemäß § 10 Satz 1 BeamtStG und § 19 Abs. 4 NBG höchstmögliche Dauer von fünf Jahren (1.1.2015 bis zum 31.12.2019) ausgeschöpft hat, war die Antragsgegnerin nach der rechtmäßig getroffenen Feststellung der fehlenden Bewährung der Antragstellerin verpflichtet, die Antragstellerin zu entlassen (vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 1.4.2019 - 5 ME 7/19 -).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG. Der sich danach ergebende Wert ist für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren, so dass sich ein Streitwert von 9.172,02 EUR ergibt (3.034,99 EUR + 22,35 EUR = 3.057,34 EUR x 3 = 9.172,02 EUR).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).