Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.06.2020, Az.: 10 ME 112/20

Beweislast; Flächen, landwirtschaftliche; Flächen: Zuordnung; Selbstständigkeit, hinreichende; Stichtag; Verfügungsgewalt, tatsächliche; Zahlungsansprüche: Zuordnung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.06.2020
Aktenzeichen
10 ME 112/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71742
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 12.05.2020 - AZ: 1 B 45/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Voraussetzung dafür, dass dem Betriebsinhaber eine landwirtschaftliche Fläche i.S.d. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 und § 3 Abs. 1 Betriebsprämiendurchführungsverordnung zur Verfügung steht, ist, dass der Betriebsinhaber zum maßgeblichen Stichtag in der Lage ist, die betreffende Fläche mit einer hinreichenden Selbstständigkeit für seine landwirtschaftliche Tätigkeit zu nutzen, er also zum maßgeblichen Stichtag sowohl die rechtliche als auch die tatsächliche Verfügungsgewalt über die betreffende Fläche inne hat.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 1. Kammer - vom 12. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.207,08 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid der Antragsgegnerin, mit welchem diese der Antragstellerin zuvor zugewiesene Zahlungsansprüche aberkannt und eingezogen hat.

Nach dem Tod ihres Ehemannes, der einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Rinderhaltung bewirtschaftet und auf seine Anträge Agrarförderung erhalten hatte, beantragte die Klägerin selbst ab dem Jahr 2006 Agrarförderung und gab dabei an, einen landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenerwerb zu leiten, nunmehr ohne Tierhaltung. Dieser umfasst eine Fläche von etwa 32 ha. Es handelt sich dabei ausschließlich um extensiv genutzte Dauergrünlandflächen, die sich teilweise außerhalb der Deichanlagen befinden und teilweise dioxinbelastet sind. Eine Nachsaat und/oder Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln der Flächen erfolgt nicht. Auf dem Hof-Gelände befinden sich zudem ein Hofladen und weitere Gebäude. Auf ihren Sammelantrag Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen vom 11. Mai 2015 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 32,61 Zahlungsansprüche nach der Basisprämienregelung der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates (im Folgenden: Verordnung (EU) Nr. 1307/2013).

Nachdem die Antragsgegnerin am 9. Oktober 2018 eine Vor-Ort-Kontrolle auf dem Gelände des Betriebs der Antragstellerin in deren Beisein durchgeführt hatte, nahm die Antragsgegnerin nach Anhörung der Antragstellerin mit Bescheid vom 9. August 2019 den Bescheid über die Erstzuweisung von Zahlungsansprüchen vom 17. Dezember 2019 zurück, zog 32,61 Zahlungsansprüche wieder ein und ordnete die sofortige Vollziehung des Einzugs der zugewiesenen Zahlungsansprüche an. Zur Begründung führte sie aus, dass die Vor-Ort-Kontrolle am 9. Oktober 2018 ergeben habe, dass die Antragstellerin keine der beantragten Flächen selbst bearbeitet habe. Damit seien die Voraussetzungen für die zunächst bewilligte Förderung nicht erfüllt. Denn nach Art. 32 und 33 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 könne nur derjenige, der eine landwirtschaftliche Fläche (Acker oder Grünland) selbst bewirtschafte und dafür ein Nutzungsrecht nachweisen könne, eine Förderung beantragen. Die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes sei geboten, um die zwingend zu beachtenden unionsrechtlichen Vorschriften zum wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union durchzusetzen.

Nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erhob die Antragstellerin Klage und ersuchte um vorläufigen Rechtsschutz. Sie bestritt die Feststellungen der Prüferin im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle und machte geltend, dass sie die streitgegenständlichen Flächen selbst bewirtschafte. Diese befänden sich in ihrem Eigentum und seien auch nicht verpachtet, noch sei der Besitz in anderer Weise auf Dritte übergegangen. Es handele sich um Grünlandflächen, die extensiv bewirtschaftet würden, daher seien eine regelmäßige Düngung und ein regelmäßiger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die den Zukauf von Betriebsmitteln erfordern würden, nicht notwendig und im Übrigen verboten, so dass das Fehlen von Betriebsmittelzukäufen nicht als Beleg für mangelnde Eigenbewirtschaftung gewertet werden könne. Auch Nachsaaten seien auf diesen Flächen nicht erfolgt. Sie selbst habe die regelmäßigen Pflegearbeiten in Hinblick auf den Unkrautdruck ausgeführt und die Entscheidungen getroffen, wann welche Maßnahme auf welcher Fläche ausgeführt werde. Auch habe sie das wirtschaftliche Risiko der Bewirtschaftung getragen.

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag der Antragstellerin durch Beschluss vom 12. Mai 2020 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides das Interesse der Antragstellerin, von der Vollziehung der Rücknahme der vormaligen Zuweisung von Zahlungsansprüchen nach der Basisprämienregelung sowie der Einziehung der Zahlungsansprüche bis zur endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, überwiege, da die hiergegen erhobene Klage nach der hier gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nach dem derzeitigen Erkenntnisstand unter alleiniger Berücksichtigung der präsenten Beweismittel voraussichtlich keinen Erfolg haben werde. So sei die vormalige Zuweisung von Zahlungsansprüchen an die Antragstellerin voraussichtlich rechtswidrig erfolgt, da nicht festzustellen sei, dass die Antragstellerin die von ihr im Jahr 2015 angemeldeten Flächen als Betriebsinhaberin tatsächlich selbst landwirtschaftlich bewirtschaftet habe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013. Beihilfefähig seien nach Art. 32 Abs. 2 Buchstabe a) der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 nur die am Stichtag 15. Mai 2015 zum Betrieb der Antragstellerin gehörenden landwirtschaftlichen Flächen. Anspruchsberechtigt sei allein der Betriebsinhaber, der die angemeldete Fläche verwalte. Nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe a) der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 sei „Betriebsinhaber“ eine Person, deren Betrieb sich im Geltungsbereich der Verordnung befinde und die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübe. „Betrieb“ bedeute hierbei die Gesamtheit der für landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten und vom Betriebsinhaber verwalteten Einheiten. Für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuweisung der Zahlungsansprüche trage die Antragstellerin gemäß § 11 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisation und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz - MOG) die materielle Beweislast, weil zwischen dem Erlass des begünstigenden Verwaltungsaktes und dessen Aufhebung weniger als vier Jahre vergangen seien. Ihr bisheriges Vorbringen und die wenigen das Jahr 2015 betreffenden Dokumente hätten es jedoch nicht vermocht, eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung der von ihr angemeldeten Flächen überzeugend darzutun. Ihr diesbezügliches Vorbringen sei lückenhaft und teilweise widersprüchlich. Es sei vielmehr zu erwarten, dass ein Betriebsinhaber - auch im Falle eines Nebenerwerbsbetriebs - im Einzelnen die landwirtschaftliche Bewirtschaftung seiner einzelnen Schläge im betreffenden Antragsjahr substantiiert darlege, etwa anhand einer Schlagkartei, in welcher festgehalten werde, wann, durch wen und auf welchem Schlag welche einzelne Bodenbearbeitungsmaßnahme durchgeführt, Nachsaaten und Düngung ausgebracht, Pflanzenschutzmittel eingesetzt und Erntemaßnahmen vorgenommen worden seien. Weiter sei davon auszugehen, dass ein Landwirt den wirtschaftlichen Ertrag seiner Schläge festhalte und eine Gewinn- und Verlustrechnung - bei Kleinbetrieben zumindest eine Einnahmeüberschussrechnung - aufstelle. In diesem Zusammenhang sei es nicht ausreichend, wenn - wie vorliegend - Dokumente beigebracht würden, die mit einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung im Umfang der im Agrarförderantrag angemeldeten Flächen nicht in Einklang zu bringen seien. Auch die von der Antragstellerin eingereichten Unterlagen bezüglich der Folgejahre könnten eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung der beantragten Flächen durch sie selbst nicht nachvollziehbar darlegen. Insbesondere die handschriftliche Aufstellung zum „Heuverkauf“ lasse sich nicht überzeugend mit einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung eines Betriebes von 32 ha und den Angaben der Antragstellerin zum durchschnittlichen Ernteertrag gegenüber der Öko-Kontrollstelle in Einklang bringen. Schließlich liege auch ein besonderes Vollzugsinteresse vor. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass dem angefochtenen Verwaltungsakt die Bestandskraft fehle, so dass dieser bis zu einer Entscheidung über die diesbezügliche Klage einer Beantragung von Zuwendungen in den Folgejahren nicht entgegenstehe. Folglich seien mit der ablehnenden Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine irreversiblen Folgen für die Antragstellerin verbunden.

Zur Begründung ihrer gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde beruft sich die Antragstellerin darauf, dass sie eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübe und Betriebsinhaberin i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Buchstabe a) der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 sei. Sie sei alleinige Besitzerin der streitbefangenen Flächen, treffe die maßgeblichen Entscheidungen für diese Flächen und führe selbst landwirtschaftliche Tätigkeiten darauf aus, so dass diese Flächen von ihr genutzt und verwaltet würden. Eine landwirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe c) der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 sei auch die Erhaltung einer landwirtschaftlichen Fläche in einem Zustand, der sie ohne über die in der Landwirtschaft üblichen Methoden hinausgehende Vorbereitungsmaßnahmen für die Beweidung oder den Anbau geeignet mache. Solche Tätigkeiten habe sie ausgeführt und die streitgegenständlichen Flächen damit in einem guten landwirtschaftlichen Zustand erhalten. So sammele sie regelmäßig im Frühjahr das Treibgut von den durch sie bewirtschafteten Flächen, lichte im Frühjahr und/oder Herbst auf dem größeren Teil der Flächen Randgehölze mit der Motorsäge aus und transportiere den Schnitt ab. In den Jahren 2015 bis 2017 habe sie sich zudem Wirtschaftsdünger liefern und auf den Flächen ausbringen lassen. Weiterhin habe sie - soweit sie bei der Begehung im Frühjahr Maulwurfbesatz festgestellt habe - die Flächen mit der in ihrem Eigentum befindlichen Wiesenschleppe bearbeitet. Allein der Umstand, dass sie die „Ernte“ „ab Feld“ verkauft habe, lasse nicht den Schluss zu, die betreffenden Flächen seien anderen Landwirten zur eigenständigen Nutzung überlassen worden, da sämtliche anderen Bewirtschaftungsmaßnahmen von ihr ausgeführt worden seien. Auch habe sie alle Entscheidungen hinsichtlich der streitbefangenen landwirtschaftlichen Flächen als Betriebsinhaberin getroffen. Die von dem Verwaltungsgericht formulierte Erwartung hinsichtlich der Dokumentation durch einen Betriebsleiter sei rechtlich nicht nachzuvollziehen. Es gebe keine gesetzliche Verpflichtung des Inhabers eines landwirtschaftlichen Betriebes, eine Schlagkartei mit den vom Verwaltungsgericht genannten detaillierten Angaben zu führen. Im maßgeblichen Antragsjahr 2015 habe es lediglich eine gesetzliche Dokumentationspflicht im Hinblick auf die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gegeben, die für sie jedoch nicht einschlägig sei, da sie keine Pflanzenschutzmittel anwende. Die Vor-Ort-Prüfung im Oktober 2018 sei nicht mit der notwendigen Sorgfalt, sondern einer gewissen Voreingenommenheit durchgeführt worden, so dass die diesbezüglichen Feststellungen unzutreffend seien. Sie habe sowohl zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle als auch der Antragstellung über eine ausreichende Maschinenausstattung verfügt, um die streitbefangenen Flächen zu bewirtschaften. Ggf. abweichende Angaben im Verwaltungsverfahren zur Maschinenausstattung seien auf einen Informationsirrtum gegenüber den früheren Prozessbevollmächtigten zurück zu führen. Die Prüferin habe weder überprüft, ob eine Hofstelle, noch ob Maschinen vorhanden seien. Der Lohnunternehmer C. habe in aller Regel die Ernte ausgeführt und diese direkt den Erwerbern in Rechnung gestellt, so dass sie keine Rechnungen über diese Tätigkeit habe vorlegen können. Auch bezüglich der Verwendung der Ernten liege kein Widerspruch vor. So sei der überwiegende Teil der beiden Schnitte im Jahr von den Landwirten A., D. und E. erworben worden. Sie habe jedoch stets einige Ballen Heu zur eigenen Vermarktung erhalten, die sie dann an Pferdehalter abgegeben oder im Rahmen ihres Hofladens an andere veräußert habe. Im Übrigen habe die Abwägung der widerstreitenden Interessen hinsichtlich der sofortigen Vollziehung zu ihren Gunsten ausfallen müssen, da ihr durch die Nichtgewährung vorläufigen Rechtsschutzes irreversible Folgen entstünden. Auf Grund der für sofort vollziehbar erklärten rückwirkenden Einziehung der ihr im Jahr 2015 zugeteilten Zahlungsansprüche seien diese zwischenzeitlich in der INVEKOS-Datenbank gelöscht worden, so dass es ihr auch im Jahr 2019 nicht möglich gewesen sei, Basisprämie, Umverteilungsprämie und Greeningprämie zu erhalten. Auch im Falle des Obsiegens im Hauptsacheverfahren könnten die Voraussetzungen für die einzelnen Mittel der Agrarförderung nicht wiederhergestellt werden. Darüber hinaus werde ihr eine Verpachtung der betreffenden Flächen ohne die Möglichkeit, Zahlungsansprüche auf den Pächter zu übertragen, erheblich erschwert.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 12. Mai 2020 hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer dort fristgerecht gegen den Aufhebungs- und Einziehungsbescheid der Antragsgegnerin vom 9. August 2019 erhobenen Klage (1 A 79/20) zu Recht abgelehnt. Die von der Antragstellerin zur Begründung der Beschwerde angeführten Gründe, auf deren Überprüfung der Senat sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, führen nicht zu einer Änderung des angefochtenen erstinstanzlichen Beschlusses. Entgegen der Annahme der Antragstellerin weist die vom Verwaltungsgericht nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgenommene Abwägung der widerstreitenden Interessen keine Rechtsfehler auf. Auch der Senat geht davon aus, dass die beim Verwaltungsgericht anhängige Klage der Antragstellerin voraussichtlich erfolglos bleiben wird, weil die angefochtene Aufhebung und Einziehung der der Antragstellerin mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 zugewiesenen Zahlungsansprüche aller Voraussicht nach rechtmäßig erfolgt ist. Die Antragstellerin, die gemäß § 11 MOG die diesbezügliche Beweislast trägt, hat nicht überzeugend dargelegt, dass am Stichtag des 15. Mai 2015 die Voraussetzungen für eine Zuweisung von Zahlungsansprüchen nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 vorgelegen haben.

Nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 ist außer im Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände die Anzahl der je Betriebsinhaber 2015 zugewiesenen Zahlungsansprüche gleich der Zahl der beihilfefähigen Hektarflächen, die der Betriebsinhaber gemäß Artikel 72 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 1306/2013 in seinem Beihilfeantrag für 2015 anmeldet und die ihm zu einem von dem betreffenden Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Hierzu bestimmt § 3 der Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsverordnung - BetrPrämDurchfV), dass die im Sammelantrag nach § 7 der InVeKoS-Verordnung für die Betriebsprämie angemeldeten Flächen dem Betriebsinhaber an dem sich aus § 7 Abs. 1 InVeKoS-Verordnung ergebenen letzten Tag für die Einreichung des Sammelantrags in dem Kalenderjahr, für das die Betriebsprämie beantragt wird (hier: 15. Mai 2015), zur Verfügung stehen müssen. Nach der auf die aktuelle Rechtslage grundsätzlich übertragbaren Rechtsprechung des Senats zu der auch hier streitgegenständlichen Frage der Zuordnung landwirtschaftlicher Flächen nach der Vorgängerregelung des Art. 44 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 ist der Begriff „zur Verfügung stehen“ so zu verstehen, dass der Betriebsinhaber in der Lage sein muss, die betreffenden Flächen mit einer hinreichenden Selbständigkeit für seine landwirtschaftliche Tätigkeit zu nutzen (Senatsurteile vom 20.05.2014 - 10 LB 206/11 - und - 10 LB 94/13 -; Beschluss des Senats vom 25.09.2014 - 10 LA 59/14 - und vom 29.10.2014 - 10 LA 48/14 -). Die Beihilfefähigkeit von - landwirtschaftlich nutzbaren - Flächen für einen Betrieb setzt also objektiv kumulativ voraus, dass der anspruchsberechtigte Betriebsinhaber rechtlich über die Fläche am Stichtag 15. Mai verfügte und dass er darauf hinreichend selbstständig seine von ihm geltend gemachte landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat (Senatsurteil vom 29.09.2015 - 10 LB 2/15 -; vgl. zum letztgenannten Merkmal der Selbstständigkeit ergänzend EuGH, Urteile vom 02.07.2015 - C-422/13 -, juris Rn. 44, sowie C-684/13 - juris Rn. 58 und 73). Dies gilt unabhängig davon, ob ein Dritter, der die Fläche tatsächlich genutzt hat, seinerseits einen Antrag auf Bewilligung von Betriebsprämien gestellt hat. Für eine „hinreichende Selbständigkeit“ im vorgenannten Sinne reicht die bloße rechtliche Verfügungsmöglichkeit folglich nicht aus, die Verfügungsgewalt muss zum Stichtag auch tatsächlich ausgeübt worden sein, d.h. der Betriebsinhaber muss auf der Fläche präsent gewesen sein und die Kontrolle („nach dem Rechten sehen“) innegehabt sowie die Dispositionsbefugnis über diese ausgeübt haben und das wirtschaftliche Risiko deren Bewirtschaftung getragen haben. Dies bedeutet nicht, dass der Betriebsinhaber genau an diesem Tag auf der Fläche „gestanden“ haben muss, aber er muss jedenfalls die tatsächliche Verfügungsgewalt im beschriebenen Sinne innegehabt haben.

Gemessen daran hat die Antragstellerin nicht überzeugend dargetan, dass ihr die von ihr gemeldeten Flächen am 15. Mai 2015 im vorstehend dargestellten Sinn zur Verfügung gestanden haben. Denn selbst wenn man unterstellt, dass die Antragstellerin die nun angeführten landwirtschaftlichen Maschinen am maßgeblichen Stichtag vorgehalten und sie die mit der Beschwerdebegründung sowie dem Schriftsatz vom 14. Mai 2020 im Klageverfahren vorgetragenen Tätigkeiten auf den betreffenden Flächen im Frühjahr 2015 ausgeführt hat, ist auch nach ihrem Vortrag nicht erkennbar, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr - einschließlich des maßgeblichen Stichtags - die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Flächen innegehabt hat. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragstellerin nach den (möglichen) Vorbereitungsmaßnahmen im März/April die für die Nutzung der Flächen als Dauergrünland maßgeblichen weiteren Tätigkeiten (erste und zweite Mahd) unabhängig von dem fehlenden Abschluss eines entsprechenden Pachtvertrages völlig aus der Hand gegeben hat. Soweit die Antragstellerin nunmehr vorträgt, der Zeitpunkt der Grasschnitte sei mit ihr abgestimmt und aus diesem Grund sei sie im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle verwundert gewesen, dass der zweite Schnitt auf bestimmten Flächen noch nicht vorgenommen sei, vermag dies diesen Eindruck nicht zu erschüttern. Es ist nicht ersichtlich und im Übrigen auch nicht vorgetragen, dass sie nach der Überlassung der Flächen zur Durchführung der Grasschnitte an die Herren A., D. und/oder E. bzw. einen durch diese beauftragten Unternehmer noch auf den Flächen „nach dem Rechten gesehen hat“ bzw. sich darüber informiert hat, wann und ob die jeweiligen Schnitte durchgeführt wurden. Dass der mit der Mahd beauftragte Unternehmer - nach den Angaben der Antragstellerin - seine Rechnung direkt an die Abnehmer der Ernte gerichtet hat, spricht ebenfalls gegen eine tatsächliche Verfügungsgewalt der Antragstellerin bezüglich der betreffenden Flächen nach der Durchführung der von ihr vorgetragenen Vorbereitungsarbeiten. Es ist nach alledem nicht erkennbar, dass der Antragstellerin die beantragten Flächen tatsächlich zum Stichtag i.S.d. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 i.V.m. § 3 Abs. 1 BetrPrämDurchfV zur Verfügung standen.

Im Übrigen hat auch der Senat angesichts der äußerst lückenhaften Dokumentation der Antragstellerin, dem nahezu vollständigen Fehlen jedweder Belege für das Jahr 2015 (beispielsweise für die Betankung der Traktoren zur Durchführung der angegebenen Arbeiten) und den Angaben der Prüferin auf die telefonische Nachfrage der Antragsgegnerin (wiedergegeben im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30.03.2020, Bl. 62 R der Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens zum Aktenzeichen 1 A 79/20) insbesondere zu den Äußerungen der Antragstellerin im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle Zweifel an dem Vortrag der Antragstellerin zu deren eigener landwirtschaftlicher Tätigkeit und der Ausgestaltung der vertraglichen Beziehung zu den Personen, die ihr die Ernte „ab Feld“ abgenommen haben. Die Klärung dieser Fragen ist jedoch - sollten diese noch entscheidungserheblich sein - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Auf Grund der voraussichtlichen Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen voraussichtlich rechtmäßigen Bescheides der Antragsgegnerin das Interesse der Antragstellerin von dessen Vollzug vorerst verschont zu bleiben. Das besondere Vollzugsinteresse i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO folgt hierbei, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, aus dem nach Art. 58 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 gebotenen effektiven Schutz der finanziellen Interessen der Union (vgl. Senatsbeschluss vom 30.06.2016 - 10 ME 35/16 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und entsprechender Anwendung des § 52 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).