Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.06.2020, Az.: 1 LB 171/17

Änderungsplan; Ausfertigungsmangel; Bauvorbescheid; Bekanntmachungsmangel; Bestimmtheit, hinreichende; Emissionskontingente; Ewigkeitsfehler; Gebietsversorgung; Großflächigkeit; IFSP; Pfandraum; Unwirksamkeit; Ursprungsplan; Verbrauchermarkt; Verkaufsfläche

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.06.2020
Aktenzeichen
1 LB 171/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71865
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 05.09.2016 - AZ: 2 A 1709/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Unwirksamkeit eines Bebauungsplans in seiner Ursprungsfassung wirkt sich auf die Wirksamkeit einer inhaltlich eigenständigen Planänderung nicht aus. Ein inhaltlich eigenständiger Änderungsplan liegt vor, wenn der Plangeber das ursprüngliche Plankonzept hinterfragt und - im Sinne einer erneuten Abwägung - bestätigt, sich allen für die Planung maßgeblichen Fragen erneut gestellt und sich entweder der Aktualität der aus dem Ursprungsplan übernommenen Festsetzungen vergewissert oder neue Festsetzungen getroffen hat.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, die im Gemeindegebiet der Beigeladenen einen Verbrauchermarkt betreibt, streitet mit dem Beklagten um die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Verkaufsflächenerweiterung.

Mit den Zielen der gemeindlichen Wohn-, Gewerbe- sowie Verkehrsentwicklung setzte die Beigeladene am 31. August 2006 den Bebauungsplan Nr. 8 „H. Straße/Beim I.“ mit örtlichen Bauvorschriften (im Folgenden kurz: Bebauungsplan Nr. 8) in Kraft. Das Plangebiet weist insgesamt eine Fläche von mehr als 115 ha auf. Sein hier maßgeblicher Teilgeltungsbereich 1, der in Nordsüdrichtung von der H. Straße und in Westostrichtung von der Bahnlinie J. - K. - L. gequert wird, umfasst Gebiete östlich der M. Straße und nordwestlich der N. Straße und wird nördlich durch die durch den Plan neu geschaffene Ortskernentlastungsstraße (OKES) begrenzt. Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung setzt der Bebauungsplan Nr. 8 im Bereich östlich M. Straße und südlich der OKES bis über die Bahnlinie hinaus Gewerbegebiete und südlich davon - getrennt durch Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft - Allgemeine Wohngebiete sowie für die direkt nordwestlich an die N. Straße angrenzenden Flächen Mischgebiete fest. Sämtliche Baugebiete werden durch Textliche Festsetzungen näher bestimmt. Die Gewerbegebiete werden u.a. hinsichtlich der in ihnen zulässigen Betriebe und Anlagen nach maximal zulässigen immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegeln (IFSP) zoniert, deren Einhaltung unter Verwendung der Rechenverfahren der DIN ISO 9613-2, Ausgabe 10/1999, nachzuweisen ist.

Auf der Grundlage des Bebauungsplans Nr. 8 genehmigte der Beklagte der Klägerin am 3. November 2008 das Vorhaben „Neubau eines Verbrauchermarktes und Dienstleistungsbüro, Herstellung von 88 Kfz-Stellplätzen, Herstellung einer Lärmschutzwand, Aufstellung eines Werbepylons und Anbringung einer Werbetafel“ auf ihrem im Teilgeltungsbereich 1 liegenden Grundstück Beim I. 1 bis 13, O. E. (Gemarkung E. Flur 2 Flurstück 484/1). Das etwa 6.300 m² große Baugrundstück grenzt mit seiner Südostseite an die N. Straße und mit seiner Nordostseite an die Straße Beim I. an und wird über beide Straßen verkehrlich erschlossen. Der Bebauungsplan Nr. 8 weist das Grundstück bezüglich der Art der baulichen Nutzung im Bereich des Marktes als Allgemeines Wohngebiet und im Bereich der Stellplätze als Mischgebiet aus.

Bestandteil der mit einer Vielzahl von Nebenbestimmungen und Hinweisen erlassenen Baugenehmigung war eine Schallimmissionsprognose, aufgrund derer zum Schutz der nächstgelegenen Wohngebäude verschiedene Auflagen ergingen und die Betriebszeit des Verbrauchermarktes auf werktäglich 8:00 Uhr bis 20:00 Uhr beschränkt wurde. Festgelegt wurde auch, dass die Nutzung des genehmigten „Dienstleistungsbüros“ als Verkaufsfläche unzulässig sei. Die Klägerin hatte das Dienstleistungsbüro anstelle eines zunächst geplanten Backshops beantragt, weil die Verkaufsfläche anderenfalls über dem vom Bundesverwaltungsgericht bestimmten Schwellenwert von 800 m² gelegen hätte, bei dessen Überschreitung ein Einzelhandelsbetrieb großflächig im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO ist. Nach der aktualisierten Nutzflächenzusammenstellung betrug die sich aus 768,00 m² Verkauf, 18,12 m² Eingangskoffer und 13,40 m² zum Pfandraum gehörendem Kundenraum zusammensetzende Verkaufsfläche des Marktes insgesamt 799,52 m².

Die im Genehmigungsverfahren zudem aufgeworfene Frage nach der Einordnung des Verbrauchermarkts als einen der Versorgung des Gebiets dienenden Laden im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1990 hatte der Beklagte auf der Grundlage eines von der Klägerin vorgelegten rechtlichen Vermerks bejaht. In ihm war u.a. der Umstand, dass die vorgesehene Stellplatzanzahl von 88 die Zahl der als notwendig errechneten Stellplätze von 25 um mehr als das Doppelte überstieg, wegen einer Veränderung der Einkaufsgewohnheiten der Bevölkerung als unschädlich angesehen worden.

Der Bebauungsplan Nr. 8 wurde mehrfach - zuletzt 2019 durch die 10. Änderung - geändert. Das Grundstück der Klägerin wurde allein von der am 15. Juli 2010 in Kraft getretenen 2. Änderung betroffen, die mit einem etwas mehr als 26 ha großen Plangebiet den gesamten mit Wohngebieten überplanten Teil der Ursprungsfassung des Bebauungsplans Nr. 8 sowie den nördlichsten Teil der als Mischgebiet ausgewiesenen Flächen an der N. Straße erfasst. Nach der beigegebenen Begründung erfolgte die Planänderung insbesondere zur Umsetzung der Ziele eines veränderten Erschließungskonzepts zur Ermöglichung besserer Grundstückszuschnitte in den noch nicht begonnenen Bauabschnitten, der Anpassung von Art und Maß der baulichen Nutzung auf den Wohnbaugrundstücken zur flexibleren Nutzung und Ermöglichung von Geschosswohnungsbau sowie der Schaffung eines Grünpuffers zwischen Mischgebiet einschließlich Lebensmittel-Discounter und den Allgemeinen Wohngebieten zur Vermeidung von möglichen Beeinträchtigungen. Für das Grundstück der Klägerin enthielt der Bebauungsplan Nr. 8, 2. Änderung dieselben Festsetzungen wie die Ursprungsfassung.

Unter dem 12. April 2012 genehmigte der Beklagte der Klägerin eine Erweiterung ihres Verbrauchermarktes durch das Vorhaben „Neubau einer Backstation, eines Kühlraumes und Änderung des Pfandraumes“. In der von der Klägerin im Genehmigungsverfahren vorgelegten Flächenaufstellung wurde die zusätzliche Nutzfläche mit 75,36 m², nämlich 39,48 m² Backvorbereitung plus 35,88 m² TK-Zelle, errechnet. Für den durch die Baumaßnahme in Richtung Stellplätze verlagerten Vorraum zum Pfandraum wurde keine Flächenerweiterung angegeben; sowohl in der Aufstellung „Bestand“ als auch in der Aufstellung „Nach Umbau“ wurde dessen Größe mit 14,32 m² geführt. Diese Maßangabe lag allerdings um 0,92 m² höher als die in der der Baugenehmigung vom 3. November 2008 zugrundeliegenden Nutzflächenzusammenstellung als Größe für den zum Pfandraum gehörenden Kundenraum benannten 13,40 m². Ein Teilgrundriss, der den Vorraum mit 14,32 m² auswies, wurde vor Erlass der Baugenehmigung vom 12. April 2012 bauaufsichtlich geprüft und nicht beanstandet. Nach Verlängerung der Baugenehmigung mit Bescheid vom 7. September 2015 sowie Erteilung einer Nachtragsbaugenehmigung für eine veränderte Ausführung eines Wanddurchbruchs am 18. April 2016 setzte die Klägerin das Vorhaben im Frühjahr 2016 um.

Bereits am 13. März 2014 hatte die Klägerin - unter Beifügung einer Flurkarte - einen Bauvorbescheid zu der Frage „Ist die Vergrößerung der Verkaufsfläche des vorhandenen Marktes auf 1.200 m² nach der Art der baulichen Nutzung unter Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme bauplanungsrechtlich zulässig?“ beantragt. Die von dem Beklagten informierte Beigeladene enthielt sich einer Äußerung. Gerade weil es sich um einen Standort in einem Allgemeinen Wohngebiet handele, wolle ihr Rat über jede Änderung bzw. Erweiterung informiert werden. Dies sei ihr aufgrund der eingereichten Unterlagen jedoch nicht möglich. Die eingeholte regionalplanerische Stellungnahme fiel negativ aus. Der jetzige Markt, als Nahversorger, liege bereits außerhalb des Versorgungskernes der Beigeladenen. Als Einzelhandelsgroßprojekt mit einem innenstadtrelevanten Kernsortiment widerspreche er grundsätzlich den Zielen der Raumordnung (Integrationsgebot). Unter dem 23. April 2014 erließ der Beklagte einen negativen Bauvorbescheid. Zwar sei die Formulierung der Bauvoranfrage nicht zu beanstanden. Auch unter Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme entspreche eine Erweiterung der Verkaufsfläche des Verbrauchermarktes von 799,52 m² auf 1.200 m² aber nicht dem öffentlichen Baurecht. Das Grundstück der Klägerin sei im Bereich des Marktes durch den Bebauungsplan Nr. 8, 2. Änderung als Allgemeines Wohngebiet ausgewiesen, in dem nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1990 nur die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden zulässig seien. Bei einer Verkaufsstätte mit einer Verkaufsfläche von 1.200,00 m² handele es sich jedoch um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO 1990, der auf Kerngebiete bzw. für ihn festgesetzte Sondergebiete verwiesen sei. Eine ausnahmsweise Zulassung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1990 komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil ein Einzelhandelsbetrieb von derartiger Größe typischerweise Störungen durch Lärmimmissionen des An- und Abfahrtsverkehr der Kunden sowie durch ständiges Öffnen, Schließen und Zuschlagen von Türen und Kofferraumdeckeln mit sich bringe.

Mit fristgerecht eingelegten Widerspruch machte die Klägerin einen Anspruch auf die Erteilung des beantragten Bauvorbescheids geltend. Die Ausweisung ihres Grundstücks im Bereich des Marktes als Allgemeines Wohngebiet stehe dem nicht entgegen. Denn der Bebauungsplan Nr. 8 sei wegen gravierender Mängel bereits in seiner Ursprungsfassung vom 31. August 2006 unwirksam. Daraus folge ohne weiteres auch die Unwirksamkeit der 2. Änderung vom 15. Juli 2010. Es handele sich um eine unselbständige Änderung des Ursprungsplans, die für sich genommen keine Existenzberechtigung habe. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ihres Vorhabens beurteile sich daher nach § 34 BauGB. In diesem Rahmen sei eine Vergrößerung der Verkaufsfläche ihres Verbrauchermarktes auf 1.200 m² nach der Art der baulichen Nutzung (unter Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme) zulässig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Normverwerfungskompetenz komme ihm nicht zu. Nicht streitig sei, dass die Bauvoranfrage der Klägerin bei Anwendung des Bebauungsplans Nr. 8., 2. Änderung negativ zu bescheiden sei.

Zur Begründung ihrer am 9. Oktober 2014 erhobenen Klage hat die Klägerin ihre Auffassung zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 8 in seiner Ursprungsfassung und seiner 2. Änderung wiederholt und vertieft. Die Klägerin hat zudem darauf hingewiesen, dass ihr aufgrund der Baugenehmigung vom 12. April 2012 erweiterter Verbrauchermarkt nunmehr eine Verkaufsfläche von insgesamt 800,44 m² aufweise. Die durch den großflächigen Markt und die umgebenden Wohngebäude geprägte Eigenart der näheren Umgebung entspreche keinem der in der Baunutzungsverordnung typisierten Baugebiete. Nach dem deswegen einschlägigen § 34 Abs. 1 BauGB erweise sich das Vorhaben als zulässig, weil es sich bei Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme in dem Rahmen halte, der durch die Bebauung in der näheren Umgebung vorgegeben sei. Denn mit ihrem inzwischen großflächigen Verbrauchermarkt sei für die beantragte Erweiterung der Verkaufsfläche ein großflächiges Vorbild vorhanden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Versagungsbescheides vom 23. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2014 zu verpflichten, ihr den am 13. März beantragten Bauvorbescheid zur Erweiterung der Verkaufsfläche des auf dem Grundstück Beim I. 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13 (Gemarkung E. Flur 2 Flurstück 484/1) betriebenen Lebensmittelmarktes beschränkt auf die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nach der Art der baulichen Nutzung und unter Ausklammerung des Gebotes der Rücksichtnahme zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat ergänzend die Ansicht vertreten, dass die Klägerin auch bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 8, 2. Änderung keinen Anspruch auf den begehrten Bauvorbescheid habe. In der Nachbarschaft des Verbrauchermarktes befänden sich ausschließlich Wohngebäude, so dass der Bereich nach § 34 Abs. 2 BauGB als Allgemeines oder Reines Wohngebiet einzustufen sei, in denen eine Verkaufsstätte mit der angestrebten Verkaufsfläche nicht zulässig sei. Soweit sich die Klägerin auf eine bereits bestehende Überschreitung des für die Großflächigkeit maßgeblichen Schwellenwertes berufe, sei der Wert von 0,44 m² zu gering, um noch größere Erweiterungen des Verbrauchermarktes zu rechtfertigen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich auch schriftsätzlich zu den Angriffen der Klägerin gegen den Bebauungsplan Nr. 8 und seine 2. Änderung nicht geäußert.

Mit Urteil vom 5. September 2016 (2 A 1709/14) hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine positive Beantwortung der Bauvoranfrage der Klägerin lägen unabhängig von der Wirksamkeit der bauplanerischen Festsetzungen nicht vor. Liege das Baugrundstück im unbeplanten Innenbereich, sei die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Vergrößerung der Verkaufsfläche des vorhandenen Verbrauchermarktes auf 1.200 m² nach der Art der baulichen Nutzung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an § 34 Abs. 1 BauGB, sondern an § 34 Abs. 2 BauGB zu messen. Die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabenstandortes entspreche einem Reinen Wohngebiet im Sinne des § 3 BauNVO. Denn der bestehende Markt habe bei der Bestimmung des Gebietscharakters als Fremdkörper außer Betracht zu bleiben. In einem Reinen Wohngebiet sei ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb nicht zulässig.

Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 9. November 2017 (1 LA 160/16) wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassenen Berufung greift die Klägerin die erstinstanzliche Bewertung des auf ihrem Grundstück vorhandenen Verbrauchermarktes als die nähere Umgebung nicht prägenden Fremdkörper an und erhebt weitere Rügen gegen die Wirksamkeit der Ursprungsfassung des Bebauungsplans Nr. 8.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 5. September 2016 - 2 A 1709/14 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Versagungsbescheides vom 23. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2014 zu verpflichten, ihr den am 13. März 2014 beantragten Bauvorbescheid zur Erweiterung der Verkaufsfläche des Lidl-Markts Beim I. 1/3/5/7/9/11/13 zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte geht insbesondere von der Wirksamkeit der für das Baugrundstück getroffenen bauplanerischen Festsetzungen aus.

Die Beigeladene hat auch im Berufungsverfahren auf die Stellung eines Antrags und eine schriftsätzliche Einlassung verzichtet.

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Planaufstellungsvorgänge zur Ursprungsfassung und zur 2. Änderung des Bebauungsplan Nr. 8 sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die in dem Bescheid des Beklagten vom 23. April 2014 in Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 23. September 2014 ausgesprochene Versagung des von der Klägerin am 13. März 2014 beantragten Bauvorbescheids ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Zutreffend sind der Beklagte und ihm folgend das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die Rechtsprechung des Senats (Senatsurt. v. 26.6.2013 - 1 LB 40/10 -, juris Leitsatz 1 und Rn. 20 ff.) von der Bescheidungsfähigkeit der gestellten Bauvoranfrage nach § 73 Abs. 1 NBauO ausgegangen. Der mit dem in Bezug genommenen Urteil vom 26. Juni 2013 aufgestellte Leitsatz, dass Gegenstand einer Bauvoranfrage auch die planungsrechtliche Zulassung eines Vorhabens unter Ausklammerung einzelner Zulässigkeitshindernisse sein kann, greift ebenso hinsichtlich der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgenommenen Klarstellung, dass mit dem beantragten Bauvorbescheid über § 34 Abs. 3 BauGB gleichfalls nicht entschieden werden solle.

Die von ihr hiernach begehrte Feststellung, dass die Vergrößerung der Verkaufsfläche ihres auf dem Baugrundstück bereits vorhandenen Marktes auf 1.200 m² nach der Art der baulichen Nutzung unter Ausklammerung sowohl des Gebots der Rücksichtnahme als auch der Frage zu erwartender schädlicher Auswirkungen ihres Vorhabens auf zentrale Versorgungsbereiche der Beigeladenen oder anderer Gemeinden bauplanungsrechtlich zulässig ist, kann die Klägerin aber nicht erreichen. Aus § 73 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO ergibt sich ein solcher Anspruch nicht, weil die von der Klägerin beabsichtigte Verkaufsflächenerweiterung dem öffentlichen Baurecht, soweit es hier zu prüfen ist, nicht entspricht. Denn dem Vorhaben steht die durch den Bebauungsplan Nr. 8, 2. Änderung vom 15. Juli 2010 für das Baugrundstück im Bereich des Marktes erfolgte Ausweisung als Allgemeines Wohngebiet entgegen, in dem nach dem gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO 1990 zum Bestandteil des Bebauungsplans gewordenen § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1990 nur der Versorgung des Gebiets dienende Läden (allgemein) zulässig sind. Dass ein bei einer Verkaufsfläche von 1.200 m² unzweifelhaft als großflächig im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO einzuordnender Einzelhandelsbetrieb gerade nicht mehr auf die Versorgung des Gebiets beschränkt ist, hat der Senat bereits entschieden (z.B. Senatsbeschl. v. 15.11.2002 - 1 ME 151/02 -, juris Rn. 7). Der entsprechenden sowohl von dem Beklagten als auch von dem Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung hat die Klägerin auch nichts entgegengesetzt. Mit ihrem Angriff gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 8, 2. Änderung vermag die Klägerin indes nicht durchzudringen. Demgemäß bedarf keiner Entscheidung, ob dem Urteil des Verwaltungsgerichts auch insoweit zu folgen ist, als es das Vorliegen der Voraussetzungen für eine positive Beantwortung der Bauvoranfrage ebenfalls für den Fall, dass das Baugrundstücks im unbeplanten Innenbereich läge, verneint hat.

Die Wirksamkeit der am 15. Juli 2010 in Kraft gesetzten 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 8 hat die Klägerin erstmals mit ihrem Widerspruch gegen den Versagungsbescheid des Beklagten vom 13. April 2014 in Zweifel gezogen. Auch von Dritten sind ausweislich der Planurkunde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung des Bebauungsplans Nr. 8, 2. Änderung eine beachtliche Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, eine beachtliche Verletzung der Vorschriften über das Verhältnis des Bebauungsplanes zum Flächennutzungsplan oder beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs beim Zustandekommen des Bebauungsplans gegenüber der Beigeladenen nicht geltend gemacht worden. Da die Amtliche Bekanntmachung der Beigeladenen über die Inkraftsetzung des Bebauungsplans Nr. 8, 2. Änderung im Amtsblatt für den Landkreis D. vom 15. Juli 2010 einen ordnungsgemäßen Hinweis nach § 215 Abs. 2 BauGB enthält, waren die in § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB genannten Fehler im Frühjahr 2014 lange unbeachtlich geworden. Eine Unwirksamkeit der 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 8 könnte sich daher nur z.B. im Hinblick auf die in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB genannten Fehler, Fehler im Abwägungsergebnis, Verstöße gegen materiell-rechtliche Anforderungen an die Bauleitplanung, die der Abwägung entzogen sind, und Verstöße gegen landesrechtliche Vorschriften oder Ausfertigungsmängel ergeben.

Ein solcher „Ewigkeitsfehler“ lässt sich in Bezug auf den Bebauungsplan Nr. 8, 2. Änderung jedoch nicht feststellen. Dem Vorbringen der Klägerin selbst sind insoweit nur zwei Rügen zu entnehmen, die indes beide nicht überzeugen.

Die Klägerin hat zum einen - dies ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - den formalen Einwand erhoben, dass der das Inkrafttreten der 2. Änderung am 15. Juli 2010 bestätigende Gemeindedirektor der Beigeladenen in dem Vordruck des Planes das im Zusammenhang mit der Bekanntmachung stehende Wort „ortsüblich“ gestrichen und stattdessen handschriftlich „im Amtsblatt für den Landkreis D.“ vermerkt hat. Ein von § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht erfasster Ausfertigungsmangel lässt sich daraus aber schon deswegen nicht ableiten, weil zur Ausfertigung nicht (mehr) die Angabe gehört, wann der Plan bekannt gemacht und damit rechtsverbindlich geworden ist (vgl. Senatsbeschl. v. 10.5.2016 - 1 MN 180/15 -, juris Rn. 19). Im Übrigen trifft für die Beigeladene gemäß § 8 Abs. 1 ihrer Hauptsatzung zu, dass die ortsübliche Bekanntmachung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BauGB eine Veröffentlichung im Amtsblatt für den Landkreis D. ist.

Zum anderen hat die Klägerin geltend gemacht, dass der durch die Planung hervorgerufene Konflikt zwischen dem Verkehrslärm auf der N. Straße und den Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse nicht gelöst worden sei, der bloße Hinweis auf der Planurkunde auf die Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005 nahe der N. Straße reiche zur Konfliktbewältigung offenkundig nicht aus. Ein stets beachtlicher Mangel im Abwägungsergebnis, auf den der Vortrag der Klägerin wohl abzielt, ist damit aber nicht dargetan. Wie sich der Begründung zur 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 8 entnehmen lässt, diente die Aufnahme des Hinweises „3. Vorbelastungen durch Lärm“ nicht der Rechtfertigung der Ausweisung von Mischgebieten an der N. Straße. Mit ihm bezweckte die Beigeladene lediglich die Sicherstellung, dass Vorhaben in Kenntnis der vorhandenen bzw. gemäß Prognose zu erwartenden Vorbelastung errichtet würden. Vielmehr heißt es, dass sich hinsichtlich des Immissionsschutzes - ausweislich der Prüfung durch den Sachverständigen - durch die 2. Änderung keine neuen Sachverhalte ergeben hätten. Daher seien keine weiteren Festsetzungen bzw. Maßnahmen vorgesehen, die Ausführungen in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 8 hätten weiter Bestand (Begründung der 2. Änderung 2.9 Immissionsschutz). Darin wird ausgeführt, dass zwar bei den (an der N. Straße) neu geplanten Mischgebieten die für sie geltenden Orientierungswerte der DIN 18005 in einem ca. 30 m breiten Streifen auf den Grundstücken um bis zu 5 dB(A) überschritten würden, aber nicht in einem gesundheitsgefährdenden Bereich lägen. Insgesamt wird für die Rechtfertigung der Planung darauf abgestellt, dass die Orientierungswerte für Wohngebiete fast im gesamten neuen Wohngebiet eingehalten würden und nur im Nahbereich der H. Straße und im Bereich der N. Straße (MI-Gebiet) Überschreitungen zu erwarten seien (Begründung des Bebauungsplans Nr. 8 12.1 Verkehrslärm). Für ein schlechterdings unhaltbares Ergebnis der Planung gibt es hiernach keinen Anhalt.

Die Klägerin leitet die Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 8, 2. Änderung allerdings maßgeblich auch nicht aus dessen eigener Fehlerhaftigkeit, sondern aus der von ihr angenommenen Unwirksamkeit seiner am 31. August 2006 in Kraft getretenen Ursprungsfassung ab. Nach ihrer Ansicht handelt es sich bei der 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 8 um eine unselbständige Änderung des Ursprungsplans, die für sich genommen keine Existenzberechtigung habe.

Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt der Klägerin, dass nach der auch von ihr zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Wirksamkeit des Ursprungsplans (und etwaiger vorangegangener Änderungen) insoweit als Vorfrage der Wirksamkeit einer Änderung des Plans (incidenter) zu prüfen ist, als die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Änderung von den früheren Fassungen des Plans abhängt. Besteht zwischen den früheren Fassungen und der Fassung, die Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist, ein Rechtmäßigkeitszusammenhang, erfasst die Unwirksamkeit einer vorhergehenden Fassung auch die spätere Fassung. Werden allerdings sämtliche Festsetzungen des Ursprungsplans im Zuge der "Änderung" durch neue Festsetzungen ersetzt oder aber jedenfalls erneut in den planerischen Abwägungsprozess einbezogen, so ist letztlich ein eigenständiger Plan entstanden, bei dem ein Fortwirken alter Fehler des Ursprungsplans nicht mehr sachgerecht erschiene (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.10.2016 - 4 BN 11.16 -, juris Rn. 7 m.w.N.).

Nach den dargelegten Kriterien folgte aus einer Unwirksamkeit der Ursprungsfassung des Bebauungsplans Nr. 8 aber gerade nicht - wie die Klägerin meint - „ohne weiteres“ die Unwirksamkeit seiner 2. Änderung. Denn hierbei handelt es sich um einen inhaltlich eigenständigen Änderungsplan.

Die gegenteilige Auffassung der Klägerin berücksichtigt schon die bei dem (Ursprungs)Bebauungsplan bestehende Besonderheit nicht, dass die Beigeladene mit ihm gleich mehrere Ziele verfolgte, die auch durch gesonderte Bebauungspläne hätten umgesetzt werden können. Erstens sollte zur gemeindlichen Wohnentwicklung ein neues Wohngebiet ausgewiesen, zweitens sollten zur gemeindlichen Gewerbeentwicklung Erweiterungsmöglichkeiten für die bereits vorhandenen Gebiete geschaffen und auch der Bedarf an neuen Gewerbeflächen gedeckt und drittens sollte zur gemeindlichen Verkehrsentwicklung durch den Bau einer Ortsumgehungsstraße maßgeblich die innerörtliche Verkehrssituation entlastet werden. Von diesen drei Zielen hat die Beigeladene mit dem Bebauungsplan Nr. 8, 2. Änderung allein - im Hinblick auf die Erfassung des gesamten durch die Ursprungsfassung des Bebauungsplans Nr. 8 als Wohngebiete ausgewiesenen Bereichs aber auch umfassend - das Ziel der gemeindlichen Wohnentwicklung durch Bereitstellung neuer Wohngrundstücke insbesondere wegen eines festgestellten Änderungsbedarfes bei der verkehrlichen Erschließung erneut aufgegriffen (Begründung der 2. Änderung 1.3 Anlass, Erfordernis und Ziele der Planung). Sie hat dabei ausweislich der Ausführungen zu Planinhalt und Abwägung in der Planbegründung das ursprüngliche Plankonzept hinterfragt und - im Sinne einer erneuten Abwägung – bestätigt, sich allen für die Planung maßgeblichen Fragen erneut gestellt und sich entweder der Aktualität der aus dem Ursprungsplan übernommenen Festsetzungen vergewissert oder neue Festsetzungen getroffen. Dass die Beigeladene dabei, worauf die Klägerin zur Stützung ihrer Rechtsposition verweist, ausweislich der Begründung der Planänderung „die Festsetzungen des bisher rechtskräftigen Bebauungsplans Nr. 8“ als „relevant und als Bestand anzunehmen“ (Begründung der 2. Änderung 1.6 Angaben zum Bestand) angesehen hat, liegt mangels bis dahin erfolgter Angriffe der Klägerin oder Dritter gegen die Ursprungsfassung oder neuer einschlägiger Rechtsprechungsanforderungen auf der Hand und sagt nichts über den Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen Ursprungs- und Änderungsplan aus.

Für diesen ist auch eine Unwirksamkeit der vom Änderungsgebiet nicht erfassten Teile des (Ursprungs)Bebauungsplans nicht von Bedeutung. Wie sich dem von der Klägerin selbst angeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2011 entnehmen lässt, soll mit der Erstreckung der bei dem Ursprungsbebauungsplan festgestellten Unwirksamkeit auf einen nachfolgenden Änderungsplan verhindert werden, dass es jedenfalls für einzelne seiner Festsetzungen an jeglicher Abwägung fehlt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.7.2011 - 4 B 23.11 -, juris Rn. 5). Dieses Risiko kann sich aber nur innerhalb desselben Planbereichs verwirklichen. Im Übrigen besteht auch kein Anhalt für die Annahme, dass die Beigeladene auf die mit der 2. Änderung verfolgten Neuplanung der Allgemeinen Wohngebiete des Bebauungsplans Nr. 8 verzichtet hätte, wenn sie von einer Unwirksamkeit der für die Gewerbegebiete getroffenen Festsetzungen ausgegangen wäre. Eine mit einer Wohnbebauung nicht kompatible Ausnutzung der Gewerbegebiete war nach den bis dahin beachteten Emissionsbeschränkungen nicht zu erwarten; für die Zukunft hätte ihr die Schutzwürdigkeit der festgesetzten Wohngrundstücke entgegengestanden.

Schließlich spricht gegen die hier angenommene inhaltliche Eigenständigkeit des Bebauungsplans Nr. 8, 2. Änderung entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht, dass die Festsetzung der baulichen Nutzung als Allgemeines Wohngebiet grundsätzlich bestehen geblieben und auch die Bestimmungen zum Maß der baulichen Nutzung nicht durchgängig geändert worden sind. Die Beigeladene hat nur insoweit von dem (Ursprungs)Bebauungsplans abweichende Festsetzungen erlassen, als sie hierfür zur besseren Vermarktung der Wohngrundstücke oder aus anderen Gründen Anlass gesehen hat. Aus der Wiederholung schon bei der Ursprungsfassung getroffener Entscheidungen wie etwa der erneuten Festsetzung von Mischgebieten direkt an der N. Straße lässt sich aber nicht auf eine fehlende Abwägung schließen. Die oben bereits angeführte Planbegründung zeigt gerade, dass die Beigeladene den Sachverhalt nochmals durch einen Sachverständigen hat überprüfen lassen (Begründung der 2. Änderung 2.9 Immissionsschutz). Daraus, dass sie aus unveränderten tatsächlichen Verhältnissen dieselben planerischen Schlussfolgerungen gezogen und zur Begründung auf ihre Darlegungen zum (Ursprungs)Bebauungsplan Bezug genommen hat, folgt nicht die Unselbständigkeit des Änderungsplans. Es handelt sich vielmehr um einen eigenständigen Plan, der Art und Maß der auf dem Grundstück der Klägerin zulässigen baulichen Nutzung insoweit abschließend regelt.

Offenbleiben kann daher, ob die von der Klägerin gegen den (Ursprungs)Bebauungsplan Nr. 8 erhobenen Rügen tatsächlich dessen Unwirksamkeit begründen. Nur ergänzend merkt der Senat an, dass dem Plan jedenfalls ein Mangel anhaftet, der zu seiner Unwirksamkeit führt; die weiteren Rügen greifen dagegen nicht durch.

Es liegt ein - durch Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB heilbarer – Bekanntmachungsmangel vor. Wie das Bundesverwaltungsgericht erstmals durch Beschluss vom 29. Juli 2010 entschieden hat, muss die planende Gemeinde für den Fall, dass eine Festsetzung des Bebauungsplans auf eine DIN-Vorschrift verweist und sich erst aus dieser Vorschrift ergibt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, "sicherstellen", dass die Planbetroffenen auch vom Inhalt der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können (BVerwG, Beschl. v. 29.7.2010 - 4 BN 21.10 -, juris Leitsatz und Rn. 12). Hinsichtlich der in der Textlichen Festsetzung Ziffer 1.3.1 in Bezug genommenen DIN ISO 9613-2, Ausgabe 10/1999, ergibt sich aber weder aus dem Plan selbst noch aus der Schlussbekanntmachung, wo die Vorschrift in zumutbarer Weise hätte eingesehen werden können.

Die hinreichende Bestimmtheit der Textlichen Festsetzung Ziffer 2.1, nach der Bezugspunkt für die zulässige Höhe baulicher Anlagen jeweils die Höhe der fertigen Straße, gemessen in der Straßenmitte an der Grundstückszufahrt, ist, steht hingegen nicht in Frage. Der von der Klägerin als offen angesehene Fall, dass ein Grundstück - wie das ihrige - zwei Zufahrten hat, ist in der Rechtsprechung des Senats bereits dahin geklärt, dass, wenn die Auslegung nicht die vorrangige Berücksichtigung einer bestimmten Straßenseite ergibt, das Gebäude die Höhenbegrenzung mit Blick auf beide Erschließungsstraßen einhalten muss (vgl. Senatsbeschl. v. 2.6.2020 - 1 MN 116/19 -, juris Rn. 22).

Ebenfalls nicht überzeugend sind die Einwände der Klägerin gegen die hinreichende Bestimmtheit der die IFSP betreffenden Textlichen Festsetzungen. Die unter Verweis auf Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 10.12.2008 - OVG 2 A 9.08 -, juris Rn. 42) vertretene Auffassung, es fehle an hinreichend klaren Vorgaben zu den maßgeblichen Immissionsorten, beruht, wie in der Fachliteratur nachvollziehbar dargelegt ist, auf einem Missverständnis. Durch die Festsetzung eines IFSP wird geregelt, welcher „Lärmteppich“ sich im Umfeld des Plangebiets ergeben kann. Wenn sich an einer bestimmten Stelle im Umfeld ein schutzwürdiges Gebäude befindet, muss an dieser Stelle die zulässige Lärmimmission eingehalten werden (vgl. Storr, Lärmbekämpfung Bd. 5 (2010) Nr. 5, 196 (197)). Nur einzelne maßgebliche Immissionsorte gibt es daher nicht.

Das zur Festsetzung von Emissionskontingenten für ein Gewerbegebiet ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2017 (- 4 CN 7.16 -, juris), dem sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Senatsurt. v. 18.7.2019 - 1 KN 78/17 -, juris Rn. 52 ff. m.w.N.), führt schließlich ebenfalls nicht zur Fehlerhaftigkeit des (Ursprungs)Bebauungsplan Nr. 8. Die Klägerin führt selbst an, dass sich die durch die Rechtsprechung aufgestellte Anforderung, dass es bei einer planinternen Gliederung von Gewerbegebieten nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO eine Teilfläche geben muss, die keinen Beschränkungen unterliegt, auch durch ein Teilgebiet erfüllen lässt, das mit Emissionskontingenten belegt ist, die jeden nach § 8 BauNVO zulässigen Betrieb ermöglichen (BVerwG, Urt. v. 7.12.2017 - 4 CN 7.16 -, juris Rn. 15). Das GE 1 ist mit einem Emissionskontingent von 65 dB(A)/m² tagsüber und 52 dB(A)/m² nachts, die GE 2 und 2.1 sind mit 65 dB(A)/m² bzw. 50 dB(A)/m² versehen. Das reicht nach der ständigen Senatsrechtsprechung aus, um grundsätzlich jedem in einem Gewerbegebiet der Art nach zulässigen Betrieb die Ansiedlung zu ermöglichen (vgl. Senatsurt. v. 18.7.2019 - 1 KN 78/17 -, juris Leitsatz 3 und Rn. 53 ff. m.w.N.).

Der Kostenentscheidung liegen die Vorschriften der §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO zugrunde. Es entspricht nicht der Billigkeit i.S. von § 162 Abs. 3 VwGO, der unterliegenden Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn die (einfach) Beigeladene hat sich im Berufungsverfahren weder schriftsätzlich geäußert noch einen eigenen Antrag gestellt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.