Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.11.2021, Az.: 13 KN 132/20

Corona; Mund-Nasen-Bedeckung; Normenkontrolle

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.11.2021
Aktenzeichen
13 KN 132/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71072
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes in der zuletzt durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 geänderten Fassung bot eine tragfähige Rechtsgrundlage für die Anordnung, in Einrichtungen mit Kunden- und Besucherverkehren eine Alltagsmaske zu tragen.

2. Ausgehend von einem behördlichen Handeln im Bereich des Gefahrenabwehrrechts ist für die Beurteilung der Notwendigkeit einer Infektionsschutzmaßnahme allein die Sachlage gemäß objektivierter Kenntnislage der die Maßnahme anordnenden zuständigen Infektionsschutzbehörde im Zeitpunkt ihres Handelns maßgeblich.

3. Die in § 9 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 in der Fassung vom 24. April 2020 angeordnete Pflicht, in Einrichtungen mit Kunden- und Besucherverkehren eine Alltagsmaske zu tragen, war eine notwendige Schutzmaßnahme.

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Normenkontrollverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner zuvor Sicherheit in der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass eine bereits außer Kraft getretene Regelung der Niedersächsischen Corona-Verordnung über die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung u.a. in Verkaufsstellen, Einkaufscentern und in den Verkehrsmitteln des Personenverkehrs sowie hierzu gehörenden Einrichtungen unwirksam gewesen ist.

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, handelnd durch die Ministerin, erließ am 17. April 2020 die (4.) Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus (Nds. GVBl. S. 74), die nach Änderungen durch die Verordnung vom 24. April 2020 (Nds. GVBl. S. 84) unter anderem folgende Regelung enthielt:

„§ 9

(1) Besucherinnen und Besucher von Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7, mit Ausnahme von Buchst. k, sowie Personen, die als Fahrgast ein Verkehrsmittel des Personenverkehrs und die hierzu gehörenden Einrichtungen, wie zum Beispiel Haltestellen und Aufenthaltsbereiche am Gleis, nutzen, sind verpflichtet, eine textile Barriere als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Private Personenkraftwagen sowie private und gewerbliche Lastkraftwagen sind keine Verkehrsmittel des Personenverkehrs im Sinne des Satzes 1.

(2) Eine Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne des Absatzes 1 ist jede textile Barriere, die aufgrund ihrer Beschaffenheit geeignet ist, eine Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln durch Husten, Niesen und Aussprache zu verringern, unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie; geeignet sind auch Schals, Tücher, Buffs, aus Baumwolle oder anderem geeignetem Material selbst hergestellte Masken oder Ähnliches.

(3) Personen, für die aufgrund von Vorerkrankungen, zum Beispiel schwere Herz- oder Lungenerkrankungen, wegen des höheren Atemwiderstands das Tragen einer Mund-NasenBedeckung nicht zumutbar ist, sind von der Verpflichtung nach Absatz 1 ausgenommen.

(4) Von der Verpflichtung nach Absatz 1 sind Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres ausgenommen.“

Nach weiterer Änderung durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 5. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 90) trat die (4.) Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus gemäß ihres § 13 Satz 1 in der zuletzt geltenden Fassung mit Ablauf des 10. Mai 2020 außer Kraft.

Die Antragstellerin hat am 30. April 2020 bei dem Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrollantrag gestellt und zunächst sinngemäß beantragt,

§ 9 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74), geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 24. April 2020 (Nds. GVBl. S. 84), für unwirksam zu erklären.

Mit Schriftsatz vom 15. April 2021 hat die Antragstellerin diesen Antrag geändert und beantragt,

festzustellen, dass § 9 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74), geändert durch die Verordnung vom 24. April 2020 (Nds. GVBl. S. 84), unwirksam gewesen ist.

Zur Begründung macht die Antragstellerin geltend, sie sei durch die Regelung in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), in der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) sowie in ihrer Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 2 GG) betroffen. Es liege ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip vor. Es bestünden schon Zweifel an dem Vorliegen einer Epidemie, da das Verhältnis von durchgeführten Tests und den dabei ermittelten Infiziertenzahlen nicht uneingeschränkt veröffentlicht werde. Es fehle an der Geeignetheit der Maßnahme. Behördliche Maßnahmen könnten nur geeignet sein, die Ausbreitung des Virus zu verhindern, sofern infizierte Personen beteiligt seien. In jeder Situation, in der Nichtinfizierte aufeinandertreffen, seien die Maßnahmen wirkungslos, weil sie keine Verbesserung darstellten. Die Geeignetheit könne allenfalls dann anzunehmen sein, wenn unterstellt würde, in Niedersachsen sei eine drohende Verbreitung des Virus anzunehmen. In jedem Fall fehle es an der Erforderlichkeit. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Erforderlichkeit im Vergleich zum Umgang mit dem üblichen Grippevirus (Influenza) zu bewerten sei. Nach allgemein zugänglichen Medienberichten hätten beide Viruserkrankungen ähnliche Symptome sowie Krankheitsverläufe, und auch die Sterblichkeitsraten würden sich offenbar allenfalls unwesentlich unterscheiden. Beim Grippevirus (Influenza) würden die mit der Verordnung getroffenen Maßnahmen jedoch nicht ergriffen und trotzdem komme die Bevölkerung mit der Bewältigung zurecht. Als milderes Mittel sei eine Verpflichtung zum Abstandhalten anzusehen. Dies sei ausreichend, um den Zweck der Verordnung zu erfüllen und gleichzeitig auf die Verpflichtung zum Tragen der Masken zu verzichten. Intention der Grundrechtseinschränkungen sei es, die Ansteckung von Angehörigen sogenannter Risikogruppen zu verhindern, da in diesen Fällen mit lebensgefährlichen Krankheitsverläufen zu rechnen sei und die Anzahl der zur Verfügung stehenden Intensivbetten in den Krankenhäusern möglicherweise nicht ausreiche. Es sei jedoch bereits nicht nachvollziehbar und deshalb anzuzweifeln, dass in Niedersachsen diesbezüglich konkrete Gefährdungen bestanden hätten und weiterbestehen würden. Darüber hinaus sei das mildeste Mittel bei der Verhütung von Infektionen der Risikogruppen anzusetzen und nicht - wie bislang - bei der gesamten Bevölkerung. Aus dem Merkblatt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergebe sich zum einen die nur sehr geringe Wirksamkeit der Mund-Nasen-Bedeckungen und zum anderen würden umfangreiche Gebrauchsanweisungen erteilt, deren Einhaltung offenkundig dringend erforderlich sei, um eine Fremd- und Eigengefährdung zu vermeiden. Dazu äußere sich die beanstandete Regelung in § 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung jedoch nicht. Dies begründe die konkrete Gefahr, dass Benutzer, die lediglich die Verordnung kennen, die Masken unsachgemäß desinfizierten, reinigten oder benutzten. Folgen davon könnten sein, dass man als Träger Hautkrankheiten im Gesicht bekomme, als Träger, der nicht coronainfiziert sei, zahlreiche Bakterien bzw. bei einer Corona-Infektion zahlreiche Viren durch die nicht gereinigte Mund-Nasen-Bedeckung an die Umwelt verteile und Dritte damit schädige oder durch Träger in vorstehender Weise mit Bakterien und/oder Viren in konzentrierterer Form, als diese sonst ohne das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen gegeben wäre, geschädigt zu werden. In Anbetracht der sich für jeden Bürger und mithin auch für die Antragstellerin ergebenden erheblichen Gesundheitsgefahren sei die Vollziehung des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung unzumutbar und jedenfalls unverhältnismäßig gewesen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hält den Antrag bereits für unzulässig. Der Antragstellerin fehle hinsichtlich der Freizügigkeit aus Art. 11 GG die Antragsbefugnis. Die Freizügigkeit werde durch die angegriffene Regelung nicht eingeschränkt. Der Antragstellerin fehle darüber hinaus das Rechtschutzbedürfnis, da die angegriffene Verordnung mit Ablauf des 10. Mai 2020 außer Kraft getreten sei und eine weitergehende Rechtsverfolgung der Antragstellerin keine Verbesserung ihrer Rechtsstellung bringe. Der Antrag sei auch unbegründet. Die streitgegenständliche Verordnungsregelung sei rechtmäßig. Sie könne auf §§ 32 und 28 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes gestützt werden. Gründe, die vom Robert Koch-Institut (RKI) ermittelten Zahlen zu bezweifeln, gebe es nicht. Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an bestimmten Orten sei insbesondere notwendig, um Neuinfektionen und weitere unkontrollierbare Infektionsketten zu verhindern, um die Pandemielage weiterhin einzudämmen und bereits erreichte Erfolge nicht wieder zu gefährden. Dabei könne eine isolierte Betrachtung einer jeden Maßnahme nicht erfolgen, vielmehr sei eine wertende Gesamtschau im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen vorzunehmen. Das RKI habe weiterhin die soziale Distanz als Primärmaßnahme gegen das Corona-Virus angesehen. Ebenso empfehle es das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, um andere und sich selbst vor einer Tröpfchenübertragung durch feuchte Aussprache, plötzliches Niesen etc. zu verhindern. Die Mund-Nasen-Bedeckung entfalte damit eine zusätzliche Schutzwirkung. Als Folge würden (infizierte) Aerosole nicht so sehr von einer Person verbreitet, wie ohne Mund-Nasen-Bedeckung, wodurch auch die Ansteckungsgefahr zwangsläufig reduziert werde. Aufgrund der bekannten hohen Infektiösität sei dabei jede Kontaktreduzierung mit (infizierten) Aerosolen geeignet und erforderlich. Dies sei gerade in Situationen wichtig, in denen der gebotene Mindestabstand nicht immer eingehalten werden könne, wie z.B. im öffentlichen Personenverkehr oder auch im Supermarkt oder Einkaufszentrum. Im Vergleich zu dem vorherigen Lock-down stelle ein Wiederanfahren der Wirtschaft unter Auflagen wie der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an bestimmten Orten ein wesentlich milderes Mittel dar. Es sei auch nicht möglich, nur bereits Infizierte mit Auflagen zu belegen, da nicht sicher gesagt werden könne, wer infiziert sei, denn es bestehe vielmehr eine hohe Dunkelziffer an Personen, die unerkannt infiziert seien. Eine ausreichende medizinische Versorgung etwa mit Beatmungsgeräten sei im Falle eines weiteren Ausbruchs gefährdet. Bei einer Addition von langen Liegedauern bei Intensivmaßnahmen könne das Gesundheitssystem schnell an seine Kapazitätsgrenzen stoßen.

Am 30. April 2020 hat die Antragstellerin einen Normenkontrolleilantrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 9 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus gestellt. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 5. Mai 2020 - 13 MN 133/20 - abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).

I. Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

1. Streitgegenstand des Normenkontrollverfahrens ist nach der prozessualen Erklärung der Antragstellerin vom 15. April 2021 die bereits außer Kraft getretene Regelung in § 9 Abs. 1 und 2 der (4.) Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74), geändert durch die Verordnung vom 24. April 2020 (Nds. GVBl. S. 84).

Die Antragsänderung im Sinne des § 91 VwGO (vgl. zur Anwendung dieser Bestimmung im Normenkontrollverfahren: BVerwG, Urt. v. 30.9.2009 - BVerwG 8 CN 1.08 -, juris Rn. 16) im Schriftsatz vom 15. April 2021, mit der anstelle der zunächst begehrten Unwirksamkeitserklärung einer Verordnungsregelung nach deren Außerkrafttreten nunmehr die Feststellung der Unwirksamkeit der außerkraftgetretenen Verordnungsregelung beantragt wird, lässt der Senat unter Betätigung des ihm zukommenden Ermessens als sachdienlich zu, da sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff sich jedenfalls nicht erheblich verändert (vgl. zu Anforderungen an die Annahme einer Sachdienlichkeit: Senatsurt. v. 16.7.2020 - 13 LC 302/19 -, juris Rn. 53 ff. m.w.N.).

2. Der Antrag ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJGstatthaft. Die von der Antragstellerin angegriffene Verordnungsregelung ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.).

3. Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 20 m.w.N.), da sie den Antrag während der Geltungsdauer der Verordnung gestellt hat und geltend machen kann, durch die Verordnungsregelung in eigenen Rechten verletzt worden zu sein.

Ein Normenkontrollantrag ist nur gegen eine erlassene Rechtsvorschrift zulässig (vgl. Senatsbeschl. v. 24.3.2021 - 13 MN 145/21 -, juris Rn. 108; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 11 jeweils m.w.N.) und dies grundsätzlich nur solange, wie die mit ihm angegriffene Rechtsvorschrift gültig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2004 - BVerwG 7 CN 1.03 -, juris Rn. 13; Urt. v. 29.6.2001 - BVerwG 6 CN 1.01 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 14.7.1978 - BVerwG 7 N 1.78 -, BVerwGE 56, 172, 176 - juris Rn. 11; Beschl. v. 2.9.1983 - BVerwG 4 N 1.83 -, BVerwGE 68, 12, 13 - juris Rn. 8). Von diesem Grundsatz werden in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ausnahmen gemacht, bei denen die Aufhebung oder das Außerkrafttreten nach Ablauf der Geltungsdauer einer Rechtsvorschrift die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags nicht beeinflusst (vgl. hierzu den Überblick von Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 71 ff. m.w.N.). Ein gestellter Normenkontrollantrag kann u.a. trotz Aufhebung oder Außerkrafttretens nach Ablauf der Geltungsdauer der angegriffenen Rechtsvorschrift zulässig bleiben, wenn die Vorschrift während der Anhängigkeit eines zulässigerweise gestellten Normenkontrollantrags aufgehoben wird oder außer Kraft tritt. Die Aufhebung oder das Außerkrafttreten der Norm allein lässt den zulässig gestellten Normenkontrollantrag nicht ohne weiteres zu einem unzulässigen Antrag werden, wenn die Voraussetzung der Zulässigkeit nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO fortbesteht, mithin der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein. Das beruht darauf, dass das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO nicht nur der objektiven Rechtskontrolle dient, sondern - wenngleich von der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich nicht geboten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.7.1971 - 2 BvR 443/70 -, BVerfGE 31, 364, 370 - juris Rn. 12; BVerwG, Beschl. v. 7.4.1997 - BVerwG 2 BN 1.97 -, juris Rn. 8 m.w.N.) - auch dem individuellen Rechtsschutz. Dieses Ergebnis folgt unmittelbar aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Einer entsprechenden Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bedarf es nicht. Erforderlich ist in diesen Fallgestaltungen aber, dass ein berechtigtes individuelles Interesse an der begehrten Feststellung, die bereits außer Kraft getretene Rechtsvorschrift sei unwirksam gewesen, besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2004 - BVerwG 7 CN 1.03 -, juris Rn. 13; Beschl. v. 2.9.1983 - BVerwG 4 N 1.83 -, BVerwGE 68, 12, 14 f. - juris Rn. 9 ff.). Ein berechtigtes individuelles Interesse an der Fortführung des Normenkontrollverfahrens kann sich u.a. ergeben zur Rechtsklärung bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Freiheiten des Antragstellers durch die angegriffene Rechtsvorschrift, insbesondere dann, wenn die Rechtsvorschrift typischerweise auf kurze Geltung angelegt ist mit der Folge, dass sie regelmäßig außer Kraft tritt, bevor ihre Rechtmäßigkeit in einem Normenkontrollverfahren abschließend gerichtlich geklärt werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.7.2020 - 1 BvR 1630/20 -, juris Rn. 9; Beschl. v. 3.6.2020 - 1 BvR 990/20 -, juris Rn. 8; BVerwG, Urt. v. 29.6.2001 - BVerwG 6 CN 1.01 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 2.9.1983 - BVerwG 4 N 1.83 -, BVerwGE 68, 12, 15 - juris Rn. 9; vgl. hierzu auch Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 111 und 122 f.).

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung aus eigener Überzeugung an (vgl. so schon Senatsbeschl. v. 9.6.2021 - 13 KN 127/20 -, juris Rn. 60 ff.). Auch das Bundesverfassungsgericht hat auf die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Ausnahmefälle verwiesen, wonach "ein Normenkontrollantrag auch gegen eine bereits aufgehobene Rechtsnorm zulässig sein kann, wenn während des Normenkontrollverfahrens eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm etwa wegen Zeitablaufs außer Kraft getreten ist", und lediglich klargestellt, dass eine solche Überprüfung auch bei den infektionsschutzrechtlichen Verordnungen nach § 32 IfSG während der Corona-Pandemie angesichts deren kurzer Geltungsdauer und häufig schwerwiegender Grundrechtsbeeinträchtigungen naheliege (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.7.2020 - 1 BvR 1630/20 -, juris Rn. 9; Beschl. v. 3.6.2020 - 1 BvR 990/20 -, juris Rn. 8).

Unter Anwendung dieses Maßstabs ist die Antragstellerin antragsbefugt. Die auch an sie adressierte Pflicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung, als Besucherin von Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7, mit Ausnahme von Buchst. k der Verordnung, sowie als Person, die als Fahrgast ein Verkehrsmittel des Personenverkehrs und die hierzu gehörenden Einrichtungen, wie zum Beispiel Haltestellen und Aufenthaltsbereiche am Gleis, nutzt, eine textile Barriere als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, lässt jedenfalls eine Verletzung ihres Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG möglich erscheinen.

Eine darüberhinausgehende Verletzung der Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und des Freizügigkeitsrecht aus Art. 11 Abs. 1 GG liegt hingegen nicht vor. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG betrifft allein die körperliche Bewegungsfreiheit. Dies meint die Möglichkeit, jeden Ort aufzusuchen, um sich dort aufzuhalten, und diesen wieder zu verlassen (vgl. Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Stand Jan. 2021, Art. 2, Rn. 22 ff.). Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung schränkt die körperliche Bewegungsfreiheit nicht ein. Der Antragstellerin ist es weiterhin möglich, sich frei zu bewegen und die in § 9 Abs. 1 genannten Einrichtungen/Betriebe aufzusuchen, um sich dort aufzuhalten sowie die Verkehrsmittel des öffentlichen Personenverkehrs zu nutzen. Ebenso ist das Freizügigkeitsrecht (Art. 11 Abs. 1 GG) von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht betroffen. Art. 11 Abs. 1 GG gewährleistet in Anerkennung freier und selbstbestimmter Lebensgestaltung allen Deutschen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Freizügigkeit im Sinne des Art. 11 Abs. 1 GG bedeutet das Recht, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08 -, BVerfGE 134, 242-357, juris Rn. 252 f.). Diese Freizügigkeit wird durch die angegriffene Regelung in § 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung nicht eingeschränkt. Die Antragstellerin kann weiterhin an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz nehmen.

Der Antragstellerin kommt das erforderliche berechtigte individuelle Interesse an der begehrten Feststellung, die bereits außer Kraft getretene Verordnungsregelung sei unwirksam gewesen, zu. Es besteht ein berechtigtes individuelles Interesse an der Rechtsklärung angesichts der geltend gemachten schwerwiegenden Beeinträchtigung ihrer grundrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit.

4. Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 3.6.2021 (Nds. MBl. S. 1020), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 23.2.2021 (Nds. MBl. S. 516)).

5. Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach der Normenkontrollantrag innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen ist, ist gewahrt.

II. Der Normenkontrollantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin kann die begehrte Feststellung, dass § 9 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74), geändert durch die Verordnung vom 24. April 2020 (Nds. GVBl. S. 84), unwirksam gewesen ist, nicht beanspruchen.

Die genannte Verordnungsregelung beruhte in ihrem Geltungszeitraum auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage (1.), war formell rechtmäßig (2.), hinreichend bestimmt (3.) und auch materiell rechtmäßig (4.).

1. Die streitgegenständliche Verordnungsregelung fand in § 32 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) in der zuletzt durch dasGesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) geänderten Fassung eine tragfähige Rechtsgrundlage.

Der Senat ist auch nach erneuter Prüfung seiner in zahlreichen Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes vertretenen Auffassung (vgl. bspw. Senatsbeschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 27 ff.; v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 14 ff.; v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 32; vgl. auch die Zusammenfassung der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe zu dieser Frage bei Thüringer VerfGH, Vorlagebeschl. v. 19.5.2021 - 110/20 -, juris Rn. 38 ff.) nicht zu einer die Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: BVerfG, Beschl. v. 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 -, BVerfGE 138, 64 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.) auslösenden Überzeugung gelangt, dass diese Rechtsgrundlage, insbesondere mit Blick auf die Bestimmtheit der getroffenen Regelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes, verfassungswidrig ist.

Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt im Hinblick auf Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf. Dabei betrifft die Normierungspflicht nicht nur die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt sein muss, sondern auch, wie weit diese Regelungen im Einzelnen zu gehen haben (sog. "Wesentlichkeitsdoktrin", BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 u.a. -, juris Rn. 199). Inwieweit es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, hängt vom jeweiligen Sachbereich und der Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstands ab (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 -, juris Rn. 67 f. m.w.N.). Auch Gesetze, die zu Rechtsverordnungen und Satzungen ermächtigen, können den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts genügen, die wesentlichen Entscheidungen müssen aber durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst erfolgen. Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage bei Delegation einer Entscheidung auf den Verordnungsgeber aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen, stellt insoweit eine notwendige Ergänzung und Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts und des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG führt als eine Ausprägung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts den staatlichen Eingriff durch die Exekutive nachvollziehbar auf eine parlamentarische Willensäußerung zurück. Eine Ermächtigung darf daher nicht so unbestimmt sein, dass nicht mehr vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 u.a. -, juris Rn. 198 ff. m.w.N.). Die Ermächtigungsnorm muss in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm. Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich daher nicht allgemein festlegen. Zum einen kommt es auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen an. Je schwerwiegender die grundrechtsrelevanten Auswirkungen für die von einer Rechtsverordnung potentiell Betroffenen sind, desto strengere Anforderungen gelten für das Maß der Bestimmtheit sowie für Inhalt und Zweck der erteilten Ermächtigung. Zum anderen hängen die Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Determinierung von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab, insbesondere davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Dies kann es auch rechtfertigen, die nähere Ausgestaltung des zu regelnden Sachbereichs dem Verordnungsgeber zu überlassen, der die Regelungen rascher und einfacher auf dem neuesten Stand zu halten vermag als der Gesetzgeber (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.9.2016 - 2 BvL 1/15 -, juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass einerseits § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG und andererseits § 32 Satz 1 und 2 IfSG diesen Anforderungen nicht genügt.

a. Mit § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG hat der Bundesgesetzgeber bewusst eine offene Generalklausel geschaffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 213 - juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.), ohne aber den zuständigen Infektionsschutzbehörden eine unzulässige Globalermächtigung zu erteilen.

Der Bundesgesetzgeber hat für den fraglos eingriffsintensiven Bereich infektionsschutzrechtlichen staatlichen Handelns selbst bestimmt, dass die zuständigen Behörden nur dann, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, "die notwendigen Schutzmaßnahmen" treffen dürfen, und zwar insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, dies aber auch nur "soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist". Schutzmaßnahmen können gegenüber einzelnen wie mehreren Personen ergriffen werden. Vorrangige Adressaten sind zwar die in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG benannten Personengruppen. Bei ihnen steht fest oder besteht der Verdacht, dass sie Träger von Krankheitserregern sind, die bei Menschen eine Infektion oder eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 1 bis Nr. 3 IfSG verursachen können. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie schon nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als "Störer" anzusehen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können aber auch (sonstige) Dritte ("Nichtstörer") Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 f. - juris Rn. 25 f.; Senatsbeschl. v. 11.11.2020 - 13 MN 436/20 -, juris Rn. 31; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.4.2020 - OVG 11 S 14/20 -, juris Rn. 8 f.). Der Begriff der "Schutzmaßnahmen" ist dabei umfassend angelegt, um den Infektionsschutzbehörden insbesondere bei einem dynamischen, zügiges Eingreifen erfordernden Infektionsgeschehen ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen an die Hand zu geben (vgl. Senatsbeschl. v. 29.5.2020 - 13 MN 185/20 -, juris Rn. 27; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 - 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35). Zugleich ist der Begriff der "Schutzmaßnahmen" nach Inhalt und Zweck der Rechtsgrundlage mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln hinreichend zu begrenzen (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 -; v. 14.8.2020 - 13 MN 283/20 -, juris Rn. 49 ff.; v. 6.7.2020 - 13 MN 238/20 -, juris; v. 28.8.2020 - 13 MN 307/20 -, juris Rn. 29; v. 14.10.2020 - 13 MN 358/20 -, juris Rn. 28 ff.; v. 24.8.2020 - 13 MN 297/20 -, juris Rn. 36). Darüber hinaus sind dem behördlichen Einschreiten durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 9.4.2020 - 1 B 97/20 -, juris Rn. 30).

Dass diese durch Auslegung bestimmten Grenzen nicht vom Willen des Bundesgesetzgebers gedeckt wären, vermag der Senat unverändert nicht festzustellen. Vielmehr hat der Bundesgesetzgeber mit dem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) den Satz 1 des § 28 Abs. 1 IfSG um den zweiten Halbsatz "sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten" ergänzt und gleichzeitig den bis dahin geltenden Satz 2 Halbsatz 2 gestrichen. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dieser Änderung um eine bloße Anpassung aus Gründen der Normenklarheit handelt, besteht für den Senat kein vernünftiger Zweifel, dass damit der Gesetzgeber selbst hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht hat, dass über punktuell wirkende Maßnahmen hinaus allgemeine oder gleichsam flächendeckende Ge- und Verbote wie in der hier streitgegenständlichen Verordnungsregelung erlassen werden können. Dafür spricht nicht nur der Wortlaut von § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG. Auch der Umstand, dass es sich bei der Gesetzesänderung um eine Reaktion auf das seinerzeit angesichts der aufgekommenen Corona-Pandemie aktuelle Bedürfnis zum Erlass von landesweit geltenden Schutzmaßnahmen handelt, trägt dieses Auslegungsergebnis, zumal der Gesetzgeber in Kenntnis der zu diesem Zeitpunkt bereits erlassenen Länderverordnungen bei gleichzeitig bestehender Kritik an der ursprünglichen Gesetzesfassung gehandelt hat (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 26.3.2021 - LVG 25/20 -, juris Rn. 63; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.4.2020 - 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 52 m.w.N.). Eine weitergehende Konkretisierung der Eingriffsgrundlagen erscheint angesichts der Besonderheiten des Infektionsschutzrechts, die bei Eintritt eines Pandemiegeschehens kurzfristige Reaktionen des Verordnungsgebers auf sich ändernde Gefährdungslagen erforderlich machen können, verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Infektionsschutz zählt zur Regelungsmaterie der Gefahrenabwehr, die gerade durch sich ständig wandelnde Umstände geprägt ist, weil immer wieder Krankheitserreger auftreten können, deren Ansteckungsrisiken und gesundheitliche Folgen nicht oder nicht vollständig bekannt sind. Es liegt in der Natur übertragbarer - insbesondere neu auftretender - Krankheiten, dass sich die Art und Fülle der Schutzmaßnahmen, die sich im konkreten Fall als notwendig erweisen, nicht von vornherein vorhersehen lassen, was den Gesetzgeber letztlich dazu bewog, eine generelle Ermächtigung in das Gesetz aufzunehmen, um für alle Fälle gewappnet zu sein (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f. und Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 14/2530, S. 74 f.). Mit Blick auf diese konkreten Eigenarten des betroffenen Regelungsgegenstandes ist es der Exekutive schneller als dem Gesetzgeber möglich, das Bedürfnis nach erforderlichen Regelungen zu erkennen und diese auf dem neuesten Stand zu halten. Insoweit statuierte der parlamentarische Gesetzgeber einerseits eine Pflicht der Exekutive, notwendige Schutzmaßnahmen zu ergreifen und eröffnete ihr andererseits hierfür einen umfassenden Ermessenspielraum im Hinblick auf die Mittel, die zur Umsetzung des Gesetzeszieles ergriffen werden. Die Regelungsmaterie der Gefahrenabwehr, zu der auch das Infektionsschutzgesetz gehört, erfordert daher geradezu grundsätzlich eine solche Generalklausel, die der Exekutive einen weiten Gestaltungsspielraum einräumt und eine flexible Handhabung des ordnungsbehördlichen Instrumentariums ermöglicht (vgl. Thüringer VerfGH, Vorlagebeschl. v. 19.5.2021 - 110/20 -, juris Rn. 35 ff.).

Ob die hiernach mögliche Heranziehung der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG angesichts der immensen Reichweite und Intensität der mit den auf ihrer Grundlage angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen verbundenen Grundrechtseingriffe auf einen "Übergangszeitraum" beschränkt bleiben muss, der dem Gesetzgeber nur die erforderliche Zeit verschaffen soll, um adäquat reagieren und eventuelle Regelungslücken schließen zu können (vgl. zu diesem Erfordernis Thüringer VerfGH, Vorlagebeschl. v. 19.5.2021 - 110/20 -, juris Rn. 48 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 26.3.2021 - LVG 25/20 -, juris Rn. 65), bedarf in diesem Verfahren keiner Entscheidung. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19, der offiziellen Bezeichnung der durch den neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) als Krankheitserreger ausgelösten Erkrankung, ist erst am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt worden. Bis zum Erlass und selbst bis zum Auslaufen der hier streitgegenständlichen Verordnungsregelung Anfang Mai 2020 waren nur wenige Wochen verstrichen, in denen ein signifikanter Erkenntnisgewinn der Infektionsschutzbehörden und auch des Gesetzgebers nicht belegt ist. Es bestehen daher für den Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein etwa zu beachtender "Übergangszeitraum" im hier allein zu beurteilenden Geltungszeitraum der streitgegenständlichen Verordnungsregelung bereits abgelaufen war.

b. Genügt danach § 28 Abs. 1 IfSG in der hier zu beurteilenden Fallgestaltung den an eine gesetzliche Rechtsgrundlage für staatliche Eingriffe zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß, gilt dies auch für die Verordnungsermächtigung in § 32 Satz 1 und 2 IfSG. Denn diese Verordnungsermächtigung knüpft hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen auch an § 28 Abs. 1 IfSG an und ermächtigt die Landesregierungen bzw. von ihr befugte Stellen nur dazu, "unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen". Der Gesetzgeber gibt also nicht verordnungstypisch einen Regelungsbereich in bestimmten Grenzen aus der Hand, um diesen der Exekutive zur eigenverantwortlichen abstrakten Ausfüllung zu übertragen. Die Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 und 2 IfSG stellt lediglich ein anderes technisches Instrument zur Verfügung, um konkret notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG zu erlassen und insbesondere bei flächendeckenden Infektionsgeschehen nicht auf Einzel- oder Allgemeinverfügungen angewiesen zu sein, denen aber durchaus eine vergleichbare flächenhafte Wirkung zukommen kann (vgl. Senatsbeschl. v. 24.3.2021 - 13 MN 145/21 -, juris Rn. 33).

2. Die streitgegenständliche Verordnungsregelung war auch formell rechtmäßig.

a. Anstelle der nach § 32 Satz 1 IfSG ermächtigten Landesregierung war aufgrund der nach § 32 Satz 2 IfSG gestatteten und durch § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S. 487) in der hier maßgeblichen zuletzt durch Verordnung vom 17. März 2017 (Nds. GVBl. S. 65) geänderten Fassung betätigten Subdelegation das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung zum Erlass der Verordnung zuständig.

b. Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 2 NV sind die (4.) Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74) und auch die Änderungsverordnung vom 24. April 2020 (Nds. GVBl. S. 84) von der das Ministerium vertretenden Ministerin ausgefertigt und im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet worden.

c. § 13 Abs. 1 der Verordnung bestimmte, wie von Art. 45 Abs. 3 Satz 1 NV gefordert, den Tag des Inkrafttretens.

d. Auch dem Zitiergebot des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 NV (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: BVerfG, Urt. v. 6.7.1999 - 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 - juris Rn. 152 ff. (zu Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG); Brosius-Gersdorf/Remé, in: Butzer/Epping u.a., Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2. Aufl. 2021, Art. 43 Rn. 20 m.w.N.) genügte die Verordnung. Dabei ist unschädlich, dass in der (subdelegierten) Verordnung die Subdelegationsermächtigung in § 32 Satz 2 IfSG nicht genannt ist. Denn das Zitiergebot entfaltet die ihm zugedachte Wirkung bereits hinreichend, wenn die subdelegierte Verordnung ihre Grundlage in der subdelegierenden Verordnung angibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 -, BVerfGE 151, 173 - juris Rn. 21 ff.; a.A. Brosius-Gersdorf/Remé, in: Butzer/Epping u.a., Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2. Aufl. 2021, Art. 43 Rn. 42). Die subdelegierende Verordnung, hier die (Nds.) Subdelegationsverordnung, nennt in ihrer Präambel die Subdelegationsermächtigung in § 32 Satz 2 IfSG.

e. Etwaige Verstöße des Antragsgegners gegen die Unterrichtungspflicht nach Art. 25 NV beeinflussen die Rechtmäßigkeit der Verordnung nicht (vgl. Niedersächsischer StGH, Beschl. v. 9.9.2020 - StGH 1/20 -, juris Rn. 9).

3. Die streitgegenständliche Verordnungsregelung war auch hinreichend bestimmt. Sie ließ für die Regelungsadressaten ihren Inhalt und ihre Tragweite, insbesondere welche Handlungen ge- und verboten sind (vgl. zu den Anforderungen des Bestimmtheitserfordernisses: Bayerischer VGH, Urt. v. 13.2.2019 - 19 N 15.420 -, juris Rn. 125), hinreichend klar erkennen.

4. Die streitgegenständliche Verordnungsregelung war auch materiell rechtmäßig. Die materielle Rechtmäßigkeit war weder im Hinblick auf das "Ob" eines staatlichen Handelns (a.) noch in Bezug auf die Notwendigkeit der Infektionsschutzmaßnahme durchgreifenden Bedenken ausgesetzt (b.).

Nach § 32 Satz 1 IfSG dürfen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen werden.

a. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG waren im Geltungszeitraum der hier zu beurteilenden Verordnungsregelung erfüllt.

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

Es wurden zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider (vgl. die Begriffsbestimmungen in § 2 Nrn. 3 ff. IfSG) im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellt. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19, die offizielle Bezeichnung der durch den neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (anfangs 2019-nCoV) als Krankheitserreger ausgelösten Erkrankung, wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt (vgl. WHO, Coronavirus disease (COVID-19) Pandemic, veröffentlicht unter: www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019, Stand: 13.4.2020).

Bei Einführung der streitgegenständlichen Infektionsschutzmaßnahme durch Erlass der Änderungsverordnung vom 24. April 2020 waren im Bundesgebiet mehr als 150.000 Menschen infiziert und mehr als 5.300 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben und in Niedersachsen mehr als 9.500 Menschen infiziert und mehr als 360 Menschen infolge der Erkrankung verstorben (vgl. Robert Koch-Institut (RKI), Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) v. 24.4.2020, S. 1 f.).

COVID-19 stellte sich auch im hier zu beurteilenden Zeitraum als eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG dar. Die Erkrankung manifestierte sich seinerzeit als Infektion der Atemwege mit den Leitsymptomen Fieber und Husten. Bei 81 % der Patienten ist der Verlauf mild, bei 14 % schwer und 5 % der Patienten sind kritisch krank. Zur Aufnahme auf die Intensivstation führte im Regelfall Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz (> 30/min), dabei steht eine Hypoxämie im Vordergrund. Mögliche Verlaufsformen waren die Entwicklung eines akuten Lungenversagens (Acute Respiratory Distress Syndrome - ARDS) sowie, bisher eher seltener, eine bakterielle Koinfektion mit septischem Schock. Weitere beschriebene Komplikationen sind zudem Rhythmusstörungen, eine myokardiale Schädigung sowie das Auftreten eines akuten Nierenversagens (vgl. zum Krankheitsbild im Einzelnen mit weiteren Nachweisen: Kluge/Janssens/Welte/Weber-Carstens/Marx/Karagiannidis, Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19, in: Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin v. 12.3.2020, veröffentlicht unter: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00063-020-00674-3.pdf, Stand: 30.3.2020). Obwohl schwere Verläufe auch bei Personen ohne Vorerkrankung auftraten und auch bei jüngeren Patienten beobachtet wurden, hatten ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren), Raucher, Personen mit bestimmten Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck) und der Lunge (z.B. COPD) sowie Patienten mit chronischen Lebererkrankungen, mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), mit einer Krebserkrankung oder mit geschwächtem Immunsystem (z.B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr schwächen, wie z.B. Cortison) ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe. Eine Impfung oder eine spezifische Medikation waren seinerzeit nicht verfügbar. Die Inkubationszeit betrug im Mittel fünf bis sechs Tage bei einer Spannweite von einem bis zu 14 Tagen. Der Anteil der Infizierten, der auch tatsächlich erkrankte (Manifestationsindex), betrug bis zu 86%. Die Erkrankung war sehr infektiös. Die Übertragung erfolgte hauptsächlich im Wege der Tröpfcheninfektion. Auch eine Übertragung durch Aerosole und kontaminierte Oberflächen konnte nicht ausgeschlossen werden. Es war zwar offen, wie viele Menschen sich insgesamt in Deutschland mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren würden. Schätzungen gingen aber von bis zu 70 % der Bevölkerung aus, es war lediglich unklar, über welchen Zeitraum dies geschehen würde. Grundlage dieser Schätzungen war die so genannte Basisreproduktionszahl von COVID-19. Sie war seinerzeit ohne die Ergreifung von Maßnahmen mit 2,4 bis 3,3 angegeben. Dieser Wert konnte so interpretiert werden, dass bei einer Basisreproduktionszahl von etwa 3 ungefähr zwei Drittel aller Übertragungen verhindert werden müssen, um die Epidemie unter Kontrolle zu bringen (vgl. zu Vorstehendem im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888, Stand: 10.4.2020; Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, veröffentlicht unter: www.rki.de/SharedDocs/FAQ/ NCOV2019/FAQ_Liste.html, Stand: 10.4.2020).

Auch wenn nach den seinerzeitigen Erkenntnissen nur ein kleiner Teil der Erkrankungen schwer verlief, hätte eine ungebremste Erkrankungswelle aufgrund der damals fehlenden Immunität und nicht verfügbarer Impfungen und spezifischer Therapien zu einer erheblichen Krankheitslast in Deutschland geführt. Bei vielen schweren Verläufen musste mit einer im Verhältnis zu anderen schweren akuten respiratorischen Infektionen (SARI) - vermutlich sogar deutlich - längeren intensivmedizinischen Behandlungen mit Beatmung/zusätzlichem Sauerstoffbedarf gerechnet werden. Selbst gut ausgestattete Gesundheitsversorgungssysteme wie das in Deutschland hätten hier schnell an Kapazitätsgrenzen gelangen können, wenn sich die Zahl der Erkrankten durch längere Liegedauern mit Intensivtherapie aufaddiert. Dieser Gefahr für das Gesundheitssystem und daran anknüpfend der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung konnte seinerzeit, da weder eine Impfung noch eine spezifische Therapie in konkret absehbarer Zeit zur Verfügung standen, nur dadurch begegnet werden, die Verbreitung der Erkrankung so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkrankungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung am Gipfel leichter bewältigbar zu machen (vgl. zur aktuellen Zahl seinerzeit - gemeldeter - freier Krankenhausbetten mit Beatmungskapazität: RKI, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) v. 2.4.2020, S. 5 f. und v. 19.4.2020, S. 7). Neben der Entwicklung von Impfstoffen und spezifischen Therapien sowie der Stärkung des Gesundheitssystems und der Erhöhung der medizinischen Behandlungskapazitäten, die indes nicht sofort und nicht unbegrenzt möglich waren, bedurfte es hierzu zuvörderst der Verhinderung der Ausbreitung durch Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko, des Schaffens sozialer Distanz und ähnlich wirkender bevölkerungsbezogener antiepidemischer Maßnahmen sowie des gezielten Schutzes und der Unterstützung vulnerabler Gruppen (vgl. hierzu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health, Epidemiologisches Bulletin Nr. 12/2020 v. 19.3.2020, veröffentlicht unter: 2020/Ausgaben/12_20.pdf?__blob=publicationFile; Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 26.3.2020).

Die danach vorliegenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG verpflichteten die zuständigen Behörden zum Handeln (gebundene Entscheidung, vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 - juris Rn. 23).

Zugleich stand fest, dass die in der streitgegenständlichen Verordnungsregelung getroffenen Maßnahmen nicht auf die Rechtsgrundlage des § 16 Abs. 1 IfSG gestützt werden konnten. Denn die Rechtsgrundlagen einerseits des § 16 Abs. 1 IfSG im Vierten Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes "Verhütung übertragbarer Krankheiten" und andererseits des § 28 Abs. 1 IfSG im Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes "Bekämpfung übertragbarer Krankheiten" stehen in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander; der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 IfSG ist nur eröffnet, solange eine übertragbare Krankheit noch nicht aufgetreten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - BVerwG I C 60.67 -, BVerwGE 39, 190, 192 f. - juris Rn. 28 (zu §§ 10 Abs. 1, 34 Abs. 1 BSeuchG a.F.); Senatsurt. v. 3.2.2011 - 13 LC 198/08 -, juris Rn. 40).

b. Die in § 9 Abs. 1 Satz 1 der (4.) Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020, geändert durch Verordnung vom 24. April 2020, angeordnete Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für Besucherinnen und Besucher von Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7, mit Ausnahme von Buchst. k der Verordnung, sowie Personen, die als Fahrgast ein Verkehrsmittel des Personenverkehrs und die hierzu gehörenden Einrichtungen nutzen, war eine notwendige Infektionsschutzmaßnahme. Die Maßnahme ist mit Blick auf den Adressatenkreis ((1)), die Art der Schutzmaßnahme ((2)) und auch den konkreten Umfang der Schutzmaßnahme ((3)) nicht zu beanstanden.

Ausgehend von einem behördlichen Handeln im Bereich des Gefahrenabwehrrechts (siehe hierzu bereits oben II.1.a.) ist dabei für die Beurteilung der Notwendigkeit einer Infektionsschutzmaßnahme allein die Sachlage gemäß objektiver Kenntnislage der die Maßnahmen anordnenden zuständigen Infektionsschutzbehörde im Zeitpunkt ihres Handelns maßgeblich (vgl. zur Maßgeblichkeit dieser ex ante-Sicht bei der Beurteilung von Gefahrenprognosen: BVerfG, Beschl. v. 20.4.2017 - 2 BvR 1754/14 -, juris Rn. 48 f.; BVerwG, Urt. v. 29.3.2019 - BVerwG 9 C 4.18 -, BVerwGE 165, 138 - juris Rn. 48; Urt. v. 25.10.2017 - BVerwG 6 C 46.16 -, BVerwGE 160, 169, 192 f. - juris Rn. 49; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 19.3.2019 - 11 LC 161/17 -, NordÖR 2019, 379 - juris Rn. 32 m.w.N.).

(1) Die streitgegenständliche Verordnungsregelung war mit den Besucherinnen und Besuchern von Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7, mit Ausnahme von Buchst. k der Verordnung, sowie Personen, die als Fahrgast ein Verkehrsmittel des Personenverkehrs und die hierzu gehörenden Einrichtungen nutzen, an den richtigen Adressatenkreis gerichtet.

Wird ein Kranker, Krankheitsverdächtiger, Ansteckungsverdächtiger oder Ausscheider festgestellt, begrenzt § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG den Handlungsrahmen der Behörde nicht dahin, dass allein Schutzmaßnahmen gegenüber der festgestellten Person in Betracht kommen. Die Vorschrift ermöglicht Regelungen gegenüber einzelnen wie mehreren Personen. Vorrangige Adressaten sind zwar die in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG benannten Personengruppen. Bei ihnen steht fest oder besteht der Verdacht, dass sie Träger von Krankheitserregern sind, die bei Menschen eine Infektion oder eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 1 bis Nr. 3 IfSG verursachen können. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie schon nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als "Störer" anzusehen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können aber auch (sonstige) Dritte ("Nichtstörer") Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 f. - juris Rn. 25 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.4.2020 - OVG 11 S 14/20 -, juris Rn. 8 f.). Diese Sichtweise entspricht mittlerweile ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 7.9.2021 - 13 MN 378/21 -, juris Rn. 24; v. 11.11.2020 - 13 MN 436/20 -, juris Rn. 31).

Aus infektionsschutzrechtlicher Sicht maßgeblich ist insoweit allein der Bezug der durch die konkrete Maßnahme in Anspruch genommenen Person zur Infektionsgefahr. Dabei gilt für die Gefahrenwahrscheinlichkeit kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Vielmehr ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§§ 1 Abs. 1, 28 Abs. 1 IfSG), sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen unterschiedlich gefährlich sind. Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 216 - juris Rn. 32).

Nach der seinerzeit aktuellen Risikobewertung des gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu berufenen Robert Koch-Instituts bestand weltweit und in Deutschland eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Bei einem Teil der Fälle erwiesen sich die Krankheitsverläufe als schwer, auch tödliche Krankheitsverläufe kamen vor. Die Zahl der Fälle in Deutschland stieg weiter an und die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wurde insgesamt als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen als sehr hoch. Die Belastung des Gesundheitswesens hing maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen (Isolierung, Quarantäne, soziale Distanzierung) ab und konnte örtlich sehr hoch sein (vgl. RKI, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) v. 19.4.2020, S. 7).

Aufgrund dieser Bewertungen durfte seinerzeit für alle Betriebe, Geschäfte, öffentlichen Verkehrsmittel und anderen Einrichtungen mit Publikumsverkehr und Besuchern, in denen die gebotene "soziale Distanzierung" nicht ohne Weiteres gewährleistet war, eine das allgemeine Infektionsrisiko erhöhende Gefahrenlage und damit ein hinreichend konkreter Bezug zu einer Infektionsgefahr angenommen werden, der es gestattete, Infektionsschutzmaßnahmen an die Besucherinnen und Besucher von Betrieben, Verkaufsstellen und anderen Einrichtungen mit Publikumsverkehr und Besuchern bzw. an Personen, die den öffentlichen Personenverkehr nutzen, zu adressieren.

(2) Auch die in der streitgegenständlichen Verordnungsregelung gewählte Art von Schutzmaßnahmen war nicht zu beanstanden.

§ 28 Abs. 1 IfSG liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 213 - juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.). Der Begriff der "Schutzmaßnahmen" ist dabei umfassend angelegt, um den Infektionsschutzbehörden insbesondere bei einem dynamischen, zügiges Eingreifen erfordernden Infektionsgeschehen ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen an die Hand zu geben (vgl. Senatsbeschl. v. 29.5.2020 - 13 MN 185/20 -, juris Rn. 27; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 - 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35). Nach der ausdrücklichen Klarstellung in § 28 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz IfSG können durch eine Schutzmaßnahme auch Personen verpflichtet werden, "bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten". "Schutzmaßnahmen" im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG können daher auch Beschränkungen des Zutritts und Aufenthalts in öffentlich zugänglichen Betrieben, Geschäften und Einrichtungen sowie bei der Nutzung des öffentlichen Personenverkehrs sein, wie sie mit dem Gebot, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, angeordnet worden sind.

(3) Die in § 9 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74), geändert durch die Verordnung vom 24. April 2020 (Nds. GVBl. S. 84), angeordnete Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7, mit Ausnahme von Buchst. k der Verordnung, sowie im öffentlichen Personenverkehr erweist sich auch im Hinblick auf die Schutzmaßnahme in ihrer konkreten Ausgestaltung, mithin dem Umfang, als notwendig und damit rechtmäßig.

Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall "notwendig" sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020 - 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

(a) Mit der in der streitgegenständlichen Verordnungsregelung angeordneten Infektionsschutzmaßnahme verfolgte der Verordnungsgeber die legitimen Ziele, im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der hierdurch ausgelösten Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden. Die damit erstrebte Gewährleistung der Gesundheit der Bevölkerung ist auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 - juris Rn. 119 m.w.N.).

(b) Zur Erreichung dieser Ziele war die angeordnete Infektionsschutzmaßnahme auch geeignet. Die legitimen Ziele konnten im hier zu beurteilenden Zeitraum nur erreicht werden, wenn neben der Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko sowie dem gezielten Schutz und der Unterstützung vulnerabler Gruppen auch "soziale" Distanz, vornehmlich verstanden als körperliche Distanz, geschaffen und in Situationen in denen eine solche nicht gewährleistet werden konnte, weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ergriffen wurden. Eine Mund-Nasen-Bedeckung konnte, auch nach dem damaligen Kenntnisstand, grundsätzlich filternde Wirkung auf die Ausatemluft haben, indem sie in dieser vorhandene Tröpfchen und Partikel teilweise zurückhält oder jedenfalls deren Austrittsgeschwindigkeit und damit den Ausbreitungsradius verringert. Abhängig vom jeweiligen Wirkungsgrad der Mund-Nasen-Bedeckung und der Zahl der Personen, die eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, konnte sie daher durchaus als eine Maßnahme angesehen werden, die den Schutz Fremder vor einer Infektion verbessert. Dies betraf insbesondere Ansammlungen zahlreicher, untereinander nicht bekannter Personen, in Situationen, in denen der Mindestabstand nicht immer verlässlich eingehalten werden kann, wie beispielsweise in Geschäften, Einkaufscentern und Verkehrsmitteln des Personenverkehrs, weil bei solchen Personenansammlungen Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können und zudem mangels Bekanntheit der Personen untereinander die Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird.

Die im Beschluss vom 5. Mai 2020 - 13 MN 133/20 - vom Senat geforderte weitere Sachaufklärung kann sich dabei nur auf die damalige Sachlage beziehen. Unter Zugrundelegung der ex ante Sicht sind nur die Erkenntnisse zu berücksichtigen, die auch der Verordnungsgeber während der Geltungsdauer der streitgegenständlichen Verordnung hatte, oder zumutbar hätte erlangen können.

Das RKI empfahl im Geltungszeitraum der Verordnung ein generelles Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen Baustein, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren. Diese Empfehlung beruhte auf einer Neubewertung aufgrund der zunehmenden Evidenz, dass ein hoher Anteil von Übertragungen unbemerkt erfolge, und zwar bereits vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen. Die Filterwirkung von Mund-Nasen-Bedeckungen auf Tröpfchen und Aerosole sei nur in wenigen Studien untersucht worden und sei im Vergleich zum medizinischen Mund-Nasen-Schutz geringer. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe zu diesem Zeitpunkt festgestellt, dass der Einsatz von Mund-Nasen-Bedeckungen im öffentlichen Raum nicht ausreichend evaluiert sei und daher weder eine Empfehlung für noch gegen den Einsatz gegeben werden könne. Eine aktuelle Stellungnahme des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) komme zu dem Schluss, dass der Einsatz von Gesichtsmasken als Mittel der Kontrolle von Infektionsquellen eingesetzt werden könne, um die Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung durch infizierte Personen, die noch keine Symptome entwickelt haben, zu verhindern. Die Centers for Disease Control and Prevention (das amerikanische Public-Health-Institut CDC) sprächen eine Empfehlung für den Einsatz von Mund-Nasen-Bedeckungen aus, um in Situationen, in denen andere Maßnahmen der physischen Distanzierung nur schwierig eingehalten werden könnten, eine Übertragung des Virus auf andere zu verhindern. Wie Beobachtungen aus Ausbruchsuntersuchungen und Modellierungsstudien zeigten, beruhe die rasche Ausbreitung von SARS-CoV-2 auf einem hohen Anteil von Erkrankungen, die initial mit nur leichten Symptomen beginnen, ohne die Erkrankten in ihrer täglichen Aktivität einzuschränken. Bereits 1 - 3 Tage vor Auftreten der Symptome könne es zu einer Ausscheidung von hohen Virusmengen kommen. Eine teilweise Reduktion dieser unbemerkten Übertragung von infektiösen Tröpfchen durch das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen könne auf Populationsebene zu einer weiteren Verlangsamung der Ausbreitung beitragen. Dies betreffe die Übertragung im öffentlichen Raum, in Situationen in denen mehrere Menschen zusammenträfen und sich dort länger aufhielten (z.B. Arbeitsplatz) oder der physische Abstand von mindestens 1,5 m nicht immer eingehalten werden könne (z.B. Einkaufssituation, öffentliche Verkehrsmittel). Da bei vielen Ansteckungen die Infektionsquelle unbekannt sei, könne eine unbemerkte Ausscheidung des Virus in diesen Fällen weder durch eine Verhaltensänderung (wie eine Selbstquarantäne) noch durch eine frühzeitige Testung erkannt werden, da der Beginn der Infektiosität unbekannt sei. Aus diesem Grund könne das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen im öffentlichen Raum vor allem dann im Sinne einer Reduktion der Übertragungen wirksam werden, wenn sich möglichst viele Personen daran beteiligten. In dem System verschiedener Maßnahmen sei ein situationsbedingtes generelles Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen (oder von Mund-Nasen-Schutz, wenn die Produktionskapazität dies erlaube) in der Bevölkerung ein weiterer Baustein, um Übertragungen zu reduzieren (vgl. zu alledem Robert Koch-Institut, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19. Strategie-Ergänzung zu empfohlenen Infektionsschutzmaßnahmen und Zielen (3. Update), in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 19/2020, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 14.4.2020).

Ohne, dass dies für den Ausgang dieses Verfahrens noch erheblich wäre, konnte sich der Antragsgegner auch seinerzeit auf weitere Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Mund-Nasen-Bedeckungen stützen. Eine Studie der American Chemical Society befasste sich mit der Wirksamkeit von Stoffmasken. Dabei wurden verschiedene Stoffe wie Baumwolle, Seide oder Chiffon hinsichtlich ihrer Filtrationsleistung bei unterschiedlich großen Aerosolpartikeln getestet. Die Forscher prüften auch die Wirksamkeit einer unterschiedlichen Anzahl von Stofflagen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Masken umso effizienter seien, je enger das Gewebe und je höher die Fadenanzahl ist. Dies gelte vor allem für Baumwollstoffe, die in der Studie insgesamt gute Ergebnisse erzielten. Auch Stoffe wie Chiffon und Seide könnten aufgrund ihrer elektrostatischen Effekte, die vor allem sehr kleine Aerosole abfangen, sehr wirksam sein, wobei sich die Effizienz mit der Anzahl der Stofflagen erhöhe. Eine Kombination verschiedener Stoffe sei dabei besonders geeignet, da durch die unterschiedliche Beschaffenheit der Stoffe unterschiedlich große Aerosole abgefangen werden könnten. Die Filtrationsleistung bei mehrschichtigen Masken aus dichter Baumwolle plus Seide, Flanell oder Chiffon habe der Leistung, die die amerikanische medizinische Atemschutzmaske N 95 erbringe, geähnelt. Die Forscher wiesen jedoch darauf hin, dass Öffnungen zwischen der Maske und dem Gesicht unabhängig vom Stoff die Wirksamkeit deutlich reduzierten (ACS NANO, Aerosol Filtration Efficiency of common Fabrics Used in Respiratory Cloth Masks, veröffentl. am 24.4.2020, abrufbar unter: https://pubs.acs.org/doi/pdf/10.1021/acsnano.0c03252; eine Zusammenfassung ist abrufbar unter https://www.sciencedaily.com/releases/2020/04/200424081648.htm).

Eine weitere Studie des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München hat die Atemströmung mit und ohne Maske verglichen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass einfache selbstgenähte Masken vor allem dem Fremdschutz, nicht aber dem Selbstschutz dienten. Es habe sich jedoch gezeigt, dass selbst ein einfacher Mund-Nasen-Schutz die Ausbreitung der Atemluft wirkungsvoll begrenze. Auch bei einer schlecht sitzenden Maske sei der kontaminierte Bereich erheblich reduziert verglichen mit der Situation ohne Maske. Dies stehe jedoch unter der Bedingung, dass die Dichtigkeit des Materials der Maske mindestens der einer OP-Maske entspreche (Kähler/Hain, Strömungsanalysen zur SARS-CoV-2 Schutzmaskendebatte, Stand 11.4.2020, S. 13 ff., abrufbar unter: https://www.unibw.de/lrt7/bericht_atemschutzmaske_unibw_lrt7_06_04_2020.pdf).

Auch das von der Antragstellerin zitierte Merkblatt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Bl. 30 f. d. GA) spricht der Mund-Nasen-Bedeckung nicht jegliche Wirksamkeit ab. Vielmehr wird ausgeführt, die Bedeckung habe zwar keine nachgewiesene Schutzfunktion für die Trägerin oder den Träger selbst, könne bei einer Infektion aber dazu beitragen, das Virus nicht an andere Menschen weiterzugeben. Denn Tröpfchen, die beim Husten, Niesen oder Sprechen entstehen, könnten dadurch gebremst werden. Zusätzlich werde der Mund-/Nasen-Schleimhautkontakt mit kontaminierten Händen erschwert. Weiter wird ausgeführt, dass nach wie vor die wichtigsten und effektivsten Maßnahmen zum Eigen- und Fremdschutz das Einhalten der Husten- und Niesregeln, eine gute Händehygiene und das Abstandhalten von anderen Personen seien.

Auch wenn danach der Einsatz von Mund-Nasen-Bedeckungen die seiner Zeit zentralen Schutzmaßnahmen, wie die (Selbst-)Isolation Erkrankter, die Einhaltung der physischen Distanz von mindestens 1,5 m, die Hustenregeln und die Händehygiene zum Schutz vor Ansteckung, nicht ersetzen konnte, führt dies nicht dazu, die grundsätzliche Geeignetheit der Mund-Nasen-Bedeckung als einem Baustein der Pandemiebekämpfung durchgreifend in Frage zu stellen. Denn selbst wenn nach den damals verfügbaren Erkenntnissen der genaue Wirkungsgrad von Mund-Nasen-Bedeckungen in der von § 9 Abs. 2 der Verordnung geregelten Form („jede textile Barriere, die aufgrund ihrer Beschaffenheit geeignet ist, eine Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln durch Husten, Niesen und Aussprache zu verringern, unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie; geeignet sind auch Schals, Tücher, Buffs, aus Baumwolle oder anderem Material selbst hergestellte Masken oder Ähnliches“) nicht eindeutig und abschließend, insbesondere auch aufgrund der Vielzahl an zugelassenen, nicht zertifizierten, textilen Mund-Nasen-Bedeckungen, geklärt werden kann, ist jedenfalls von einem gewissen (Rest)Nutzen der Mund-Nasen-Bedeckung und damit der Geeignetheit zur Reduzierung des Infektionsdrucks und damit der Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung auszugehen.

(c) Der Verordnungsgeber durfte die in der streitgegenständlichen Verordnungsregelung angeordnete Infektionsschutzmaßnahme auch für erforderlich halten. Insbesondere standen im hier zu beurteilenden Geltungszeitraum der Verordnung die Grundrechte weniger stark einschränkende mildere, in ihrer infektiologischen Wirkung aber gleich geeignete effektive Mittel nicht zur Verfügung.

Die von der Antragstellerin vorgeschlagene Einhaltung eines ausreichenden Abstandes stellt ersichtlich kein zur Zweckerreichung gleich geeignetes milderes Mittel dar, weil die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in § 9 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung gerade Situationen betrifft (Verkaufsstellen, Einkaufscenter, Verkehrsmittel), in denen die Einhaltung eines ausreichenden Abstandes nicht immer gewährleistet ist. Auch wäre allein die Einhaltung eines ausreichenden Abstandes nicht gleich geeignet, da das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung den Ausstoß von (infizierten) Tröpfchen verringert und damit - neben dem Abstandsgebot des § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung und den allgemeinen Hygieneregeln - dazu beiträgt, das Virus nicht an andere Personen weiterzugeben.

Die Erforderlichkeit der Maßnahme ist auch vor dem Hintergrund des Verhaltens des Verordnungsgebers in Bezug zur herkömmlichen saisonalen Grippe (Influenza) gegeben, die je nach Saison ebenfalls schwere Verläufe mit hohen Kranken- und Todesfallzahlen aufweisen kann, ohne dass der Verordnungsgeber darauf bisher in entsprechender Weise wie während der Corona-Pandemie reagiert hätte. Dafür gibt es allerdings tragfähige Gründe. Das Corona-Virus selbst ist hochansteckend. Einen Impfstoff gegen COVID-19 gab es (im Gegensatz zur Influenza) nicht. Erkrankungen an COVID-19 bergen gegenüber der herkömmlichen saisonalen Grippe besondere Risiken, gegen die es seinerzeit keinerlei spezifische Therapien gab. So wiesen nach dem RKI die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse auf einen deutlich höheren Anteil beatmungspflichtiger COVID-19-Patienten hin, die im Vergleich zu saisonalen Grippewellen eher jünger sein können, sehr viel länger beatmet werden müssen und nicht unbedingt an Grunderkrankungen leiden (vgl. Epidemiologisches Bulletin 14/2020, „Schwereeinschätzung von COVID-19 anhand von deutschen Vergleichsdaten zu Pneumonien“, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/14_20.pdf?__blob=publicationFile). Dies ließ es, solange es weder einen Impfstoff noch spezifische Behandlungsmöglichkeiten gab, als erforderlich erscheinen, bereits der Verbreitung des Virus in der Bevölkerung mit besonderen Maßnahmen entgegenzuwirken.

(d) Die danach erforderliche Infektionsschutzmaßnahme in der streitgegenständlichen Verordnungsregelung führte nicht zu einer unangemessenen Belastung der Antragstellerin.

Auch wenn nach den damaligen Erkenntnissen nur ein, im Vergleich zu anderen Maßnahmen, geringerer Nutzen des Tragens sogenannter Alltagsmasken in der von § 9 Abs. 2 der Verordnung beschriebenen Form angenommen werden konnte, war das Gewicht dieses Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit der Antragstellerin auch nur als gering anzusehen und im Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten legitimen Ziel eines effektiven Infektionsschutzes von der Antragstellerin hinzunehmen. Die Belastung erschöpfte sich darin, als Besucherin von Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7, mit Ausnahme von Buchst. k der Verordnung, sowie als Person, die als Fahrgast ein Verkehrsmittel des Personenverkehrs und die hierzu gehörenden Einrichtungen, wie zum Beispiel Haltestellen und Aufenthaltsbereiche am Gleis, nutzt, eine textile Barriere als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und die damit für den Träger in wenigen, kurzzeitigen Alltagssituationen verbundenen subjektiven Unannehmlichkeiten zu ertragen. Die Beschaffung der Mund-Nasen-Bedeckung dürfte angesichts der an sie in § 9 Abs. 2 der Verordnung gestellten minimalen Anforderungen regelmäßig mit keinem messbaren Aufwand verbunden gewesen sein. Hygienische und daran anknüpfende Bedenken, die sich aus der Nutzung der eigenen Mund-Nasen-Bedeckung ergeben konnten, waren durch den Träger selbst hinreichend zu beeinflussen.

Nachdem damaligen Stand der Wissenschaft war das Tragen der „Alltagsmasken“ gesundheitlich unbedenklich und außer für Menschen mit sehr schweren Atemwegserkrankungen unproblematisch. Einer erhöhten Keimbelastung im Maskenmaterial konnte durch einen Maskenwechsel und die Reinigung der Maske hinreichend vorgebeugt werden (vgl. zu diesem Hygieneaspekt: RKI, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, Epidemiologisches Bulletin 19/2020, S. 4, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 14.4.2020). Nachvollziehbare Anhaltspunkte für negative gesundheitliche Folgen durch die Akkumulation von Kohlendioxid unter Masken und dessen Rückatmung bestanden nicht (vgl. etwa Butz, Rückatmung von Kohlendioxid bei Verwendung von Operationsmasken, 2005, S. 43: „Die Akkumulation von Kohlendioxid […] erhöhte den transkutan gemessenen Kohlendioxid-Partialdruck […]. Eine kompensatorische Erhöhung der Atemfrequenz oder ein Abfall der Sauerstoffsättigung wurde dabei nicht nachgewiesen.“, veröffentlich unter https://mediatum.ub.tum.de/doc/602557/602557.pdf). Soweit sich kritisch gegenüber der Unbedenklichkeit von Masken geäußert wurde, betraf dies überwiegend nur bestimmte Gruppen von Personen, die gesundheitlich z.B. in Form einer eingeschränkten Lungen- oder Herzfunktion vorbelastet waren (vgl. aerzteblatt.de, „Nicht für jeden ist das Tragen einer Maske unbedenklich“ v. 27.4.2020, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/112344/Nicht-fuer-jeden-ist-das-Tragen-einer-Maske-unbedenklich). Standen jedoch gesundheitliche Gründe der Nutzung einer Mund-Nasen-Bedeckung von vorneherein entgegen, bestimmte § 9 Abs. 3 der Verordnung eine ausnahmsweise Befreiung von der grundsätzlichen Pflicht. Soweit sich der Weltärztepräsident Montgomery zu diesem Zeitpunkt (noch) kritisch gegenüber den Alltagsmasken äußerte (vgl. Deutschlandfunk, Weltärztepräsident Montgomery „Pflicht für nicht funktionierende Masken ist ein Armutszeugnis“, 27.4.2020, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/weltaerztepraesident-montgomery-pflicht-fuer-nicht.694.de.html?dram:article_id=475525), beruhte dies im Wesentlichen darauf, dass er die Wirksamkeit der Alltagsmasken insbesondere im Vergleich zu medizinischen FFP-2-Masken insgesamt in Frage stellte und hinsichtlich der Gesundheitsgefahren auf eine mögliche fehlerhafte Anwendung abstellte. Belastbare wissenschaftliche Studien zu etwaigen Gesundheitsgefahren beim Tragen der Maske benannte er jedoch nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Für die begehrte Feststellung der Notwendigkeit der Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren ist kein Raum, weil es an einem dem vorliegenden Rechtsstreit zuzuordnenden Vorverfahren im Sinne des § 162 Abs. 2 VwGO fehlt. Darüber hinaus mangelt es an einer positiven Kostengrundentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 (in analoger Anwendung, vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 27.9.2018 - 12 KN 191/17 -, juris Rn. 67), 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.