Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.06.2020, Az.: 2 ME 179/20
Beleidigung; Faustschlag; grobe Pflichtverletzung; Sachaufklärungspflicht; Schläfe; Schlägerei; Verhältnismäßigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.06.2020
- Aktenzeichen
- 2 ME 179/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 72026
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 12.02.2020 - AZ: 5 B 3463/19
Rechtsgrundlagen
- § 43 Abs 3 S 2 SchulG ND
- § 63 Abs 3 S 2 SchulG ND
- § 63 Abs 2 SchulG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Es zählt zu den allgemeinen Pflichten eines Schülers aus dem Schulverhältnis, keine Gewalt gegen Personen oder Sachen auszuüben. Vandalismus und Gewalt kann die Schule mit den Mitteln des § 61 NSchG konsequent entgegentreten.
2. Bei einer durch gegenseitige Gewaltausübungen geprägten (Schulhof-)Schlägerei ist der Festsetzung einer Schulordnungsmaßnahme das eigene pflichtwidrige Verhaltens des jeweiligen Schülers zu Grunde zu legen.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluss bleibt ohne Erfolg.
Der Antragsteller ist Schüler des Antragsgegners und befindet sich im 9. Schuljahrgang. Zu Beginn des Schuljahres 2019/2020 besuchte er die Klasse 9e. Nach einer körperlichen Auseinandersetzung mit seinem damaligen Klassenkameraden D. E. am … 2019 beschloss die Klassenkonferenz am … 2019 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, den Antragsteller (sowie seinen Mitschüler) in eine Parallelklasse zu versetzen. Zudem wurde ausweislich des Protokolls nachträglich die Suspendierung des Antragstellers am … 2019 ab 9:15 Uhr beschlossen. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2019 gab der Antragsgegner den Eltern des Antragstellers die gegen ihn gerichtete Maßnahme bekannt. Der Antragsteller besucht seitdem die Klasse 9a des Antragsgegners. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches vom 1. November 2019 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Oktober 2019 wiederherzustellen, abgelehnt.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass sich der Bescheid vom 28. Oktober 2019 aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweise. Die Verhängung einer Ordnungsmaßnahme sei nach § 61 Abs. 2 NSchG zulässig, da der Antragsteller seine Pflichten als Schüler in grober Weise verletzt habe. Der körperlichen Auseinandersetzung mit dem Mitschüler seien gegenseitige Beleidigungen vorausgegangen. Ausweislich der eigenen Schilderung des Antragstellers sei dieser aktiv an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen und es habe mitnichten eine Situation vorgelegen, in welcher sich der Antragsteller nur gegen einen Angriff des Mitschülers zur Wehr gesetzt habe. Gewalttätige Auseinandersetzungen seien als grob pflichtwidrig anzusehen. Der Antragsteller habe gegen die rechtliche Bestimmung des § 223 StGB (vorsätzliche Körperverletzung) verstoßen und durch sein Verhalten zudem die Sicherheit eines Mitschülers ernstlich gefährdet und damit auch den Schulbetrieb nachhaltig beeinträchtigt. Bei der Wahl der konkreten Ordnungsmaßnahme habe sich die Klassenkonferenz innerhalb des ihr zustehenden pädagogischen Ermessens, dessen Ausfüllung gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei, gehalten. Verfahrensfehler lägen nicht vor. Die Klassenkonferenz sei von einer ausreichenden Tatsachengrundlage ausgegangen. Zwar hätten möglicherweise weitere Zeugen zu dem fraglichen Geschehensablauf befragt werden können, was unterblieben sei. Da sich die Auseinandersetzung am … 2019 während der kleinen Pause zwischen zwei Physikstunden abgespielt habe, sei davon auszugehen, dass mehrere Mitschüler die Auseinandersetzung verfolgt hätten. Dies führe jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung des Antragsgegners, auch wenn eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hilfreich gewesen wäre. Denn nach den Berichten der beiden in die Auseinandersetzung involvierten Schüler stehe hinreichend sicher fest, dass gegenseitige Provokationen stattgefunden hätten und beide Kontrahenten aktiv an der körperlichen Auseinandersetzung beteiligt gewesen seien. Die Klassenkonferenz habe, indem sie beide involvierten Schüler in eine Parallelklasse überwiesen habe, auch keine sachfremden Erwägungen angestellt. Schließlich stelle sich die Maßnahme dem Antragsteller gegenüber als verhältnismäßig dar. Er sei bereits zu Beginn des Schuljahres 2019/2020 in eine körperliche Auseinandersetzung mit einem Sechstklässler verwickelt gewesen und das damals verhängte Erziehungsmittel habe seine Wirkung offenbar verfehlt. Ein schriftlicher Verweis komme als mildere Maßnahme nicht in Betracht. Ein Unterrichtsausschluss aus einzelnen Fächern i. S. d. § 61 Abs. 3 Nr. 1 NSchG sei vom Antragsgegner mit tragfähiger Begründung nicht beschlossen worden. Im Protokoll der Abhilfekonferenz vom … 2019 heiße es hierzu, dass sich die Auseinandersetzung zwischen dem Antragsteller und seinem Mitschüler nicht auf einzelne Fächer beschränkt habe. Ein längerer Unterrichtsauschluss sei zudem als unverhältnismäßig betrachtet worden, da sich die schulischen Leistungen des Antragstellers überwiegend im ausreichenden Bereich, teilweise auch schlechter, befunden hätten und ein längeres Fernbleiben vom Unterricht die Erreichung des Klassenziels gefährdet hätte. Im Übrigen bleibe auch der Verweis des Antragstellers auf wechselbedingte Schwierigkeiten in Bezug auf den Lehrplan in seiner jetzigen Klasse 9a ohne Erfolg.
Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts stellt der Antragsteller mit seinem Vorbringen im Beschwerdeverfahren, auf dessen Überprüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, nicht durchgreifend in Frage. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches des Antragstellers gegen den unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) ergangenen Bescheid des Antragsgegners vom 28. Oktober 2019 durch den Senat gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist daher nicht gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung einer Ordnungsmaßnahme vorliegen (dazu unter 1.). Die Klassenkonferenz hat ihrer Entscheidung zudem eine ausreichende Sachverhaltsermittlung zu Grunde gelegt (dazu unter 2.). Die Verhältnismäßigkeit der Überweisung in eine Parallelklasse wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Antragsteller bereits unmittelbar nach dem fraglichen Vorfall für den Rest des Tages vom Schulunterricht suspendiert worden ist (dazu unter 3.).
1. Rechtsgrundlage für die angegriffene Maßnahme ist § 61 Abs. 3 Nr. 2 NSchG. Hiernach kann die Überweisung in eine Parallelklasse angeordnet werden. Gemeinsame Tatbestandsvoraussetzung aller in § 61 Abs. 3 NSchG genannten Ordnungsmaßnahmen ist gemäß § 61 Abs. 2 NSchG, dass der Schüler seine Pflichten grob verletzt hat. Dies kommt nach dem Gesetzeswortlaut insbesondere bei einem Verstoß gegen rechtliche Bestimmungen, bei einer nachhaltigen Störung des Unterrichts, bei einer Verweigerung der von dem Schüler geforderten Leistungen oder einem unentschuldigten Fernbleiben vom Unterricht in Betracht.
Mit dem Verwaltungsgericht geht auch der Senat davon aus, dass eine grobe Pflichtverletzung des Antragstellers festgestellt werden kann.
Mit seinem Beschwerdeeinwand, allein die aktive Teilnahme an einer körperlichen Auseinandersetzung stelle keinen Verstoß gegen § 223 StGB dar und sein Verhalten sei durch Notwehr i. S. d. § 32 StGB gerechtfertigt gewesen, vermag der Antragsteller nicht durchzudringen.
Es ist unstreitig, dass es am … 2019 in der kleinen Pause zwischen zwei Physikstunden zu einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Antragsteller und seinem Mitschüler D. E. gekommen ist. Zum genauen Geschehensablauf haben die beiden involvierten Schüler in ihren im Verwaltungsvorgang enthaltenen schriftlichen Stellungnahmen unterschiedliche Angaben gemacht. Von einer dem Antragsteller vorzuhaltenden groben Pflichtverletzung ist aber auch dann auszugehen, wenn man zu Gunsten des Antragstellers den von ihm selbst geschilderten Geschehensablauf zu Grunde legt. Zwar stand hiernach eine durch den Mitschüler ausgesprochene Beleidigung des Antragstellers und seiner Mutter am Anfang der Auseinandersetzung. Der Antragsteller ging hierauf ein, indem er nach seinen Angaben näher zu D. E. ging und ihn fragte, was für ein Problem er mit ihm habe. Dies tat er in dem Wissen, dass es seit längerer Zeit bereits „Stress“ zwischen ihm und dem Mitschüler gegeben hatte und sie sich bereits in der Vergangenheit gegenseitig beleidigt hatten. Der Antragsteller gab sodann an, dass D. versucht habe, ihn ins Gesicht zu boxen, was er aber habe abwehren können. Der Antragsteller versuchte sich gemäß seiner Version des Vorfalls danach nicht aus der Auseinandersetzung zurückzuziehen, sondern schlug seinen Mitschüler auf den Kopf. Er gab hierzu an, er habe D. „leicht auf den Kopf gehauen“. Dies ließ die Angelegenheit auch nach den Angaben des Antragstellers weiter eskalieren. D. habe ihn sodann am Hinterkopf getroffen und sei immer wütender geworden. Daraufhin habe er - der Antragsteller - seinen Mitschüler „leider“ an der Schläfe getroffen.
Diese Schlägerei zwischen dem Antragsteller und seinem Mitschüler war unabhängig von einer - nach dem Vortrag des Antragstellers zu unterstellenden - Auslösung der Auseinandersetzung durch D. E. durch die gegenseitige Ausübung von erheblicher körperlicher Gewalt geprägt. Es zählt zu den allgemeinen und für Schüler selbstverständlich mit der Schulgemeinschaft verbundenen Pflichten, keine unerlaubte Gewalt gegen Personen und Sachen auszuüben. Vandalismus und Gewalt kann die Schule regelmäßig mit den Mitteln des § 61 NSchG konsequent entgegenwirken (vgl. Littmann, in: Brockmann/Littmann/Schippmann, NSchG, Stand 60. EL Februar 2019, § 61 Tz. 3.2, 4.1). Zwar kann auch im Rahmen einer durch gegenseitige Gewaltausübungen geprägten Schlägerei nur das eigene pflichtwidrige Verhalten eines Schülers zur Grundlage einer Ordnungsmaßnahme gemacht werden (vgl. Littmann, in: Brockmann/Littmann/Schippmann, § 61 Tz. 3.1). Die Tatbeiträge des Antragstellers sind aber ausweislich seines eigenen Vortrages als erheblich zu werten. Denn er schlug seinem Mitschüler zweimal auf den Kopf, wobei er beim zweiten Schlag die Schläfe seines Kontrahenten traf. Hierin ist eine vorsätzlich ausgeübte körperliche Gewaltausübung zu sehen, die jedenfalls den Tatbestand des § 223 StGB verwirklicht hat. Grundsätzlich können - unabhängig von der individuellen strafrechtlichen Würdigung - alle Handlungen als grobe Pflichtverletzungen angesehen werden, die einen Bezug zu Straftatbeständen wie Diebstahl, Erpressung, Bedrohung und Gewalttätigkeit gegenüber Mitschülern aufweisen (vgl. Littmann, in: Brockmann/Littmann/Schippmann, § 61 Tz. 4.1). Die Berufung auf das Vorliegen einer Notwehrlage i. S. d. § 32 StGB zugunsten des Antragstellers vermag seiner Beschwerde daher nicht zum Erfolg zu verhelfen. Entscheidend im Hinblick auf die Feststellung einer groben Pflichtverletzung i. S. d. § 61 Abs. 2 NSchG ist vielmehr, dass auch nach seiner eigenen Darstellung von einem bloß einen verbalen und körperlichen Angriff seines Mitschülers abwehrenden defensiven Verhalten des Antragstellers nicht ausgegangen werden kann. Vielmehr hat der Antragsteller durch seine eigenen Schläge an den Kopf seines Mitschülers das Fortschreiten der Auseinandersetzung erheblich eskalieren lassen (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 14.1.2013 - 2 ME 416/12 -, juris Rn. 7). Hinzu kommt, dass gerade Faustschläge an den Kopf und insbesondere an die Schläfe eines Menschen schwerwiegende Gesundheitsschäden zur Folge haben können.
Auf den weiteren Einwand des Antragstellers, der vom Verwaltungsgericht gezogene Schluss, dass der Schulbetrieb durch die körperliche Auseinandersetzung nachhaltig beeinträchtigt worden sei, sei nicht belegt, kommt es im Hinblick auf die verhängte Ordnungsmaßnahme nicht an. Denn die in § 61 Abs. 4 Satz 1 NSchG genannte weitere Tatbestandsvoraussetzung, dass ein Schüler durch den Schulbesuch die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährdet oder den Schulbetrieb nachhaltig und schwer beeinträchtigt hat, gilt ausweislich des Gesetzeswortlauts lediglich für die Verhängung einer Ordnungsmaßnahme nach § 61 Abs. 3 Nrn. 3 bis 6 NSchG, nicht jedoch für die hier zu beurteilende Überweisung in eine Parallelklasse gemäß § 61 Abs. 3 Nr. 2 NSchG.
2. Entgegen der Ansicht des Antragstellers war die Klassenkonferenz auch nicht zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes verpflichtet. Ob die gemäß § 61 Abs. 5 Satz 1 NSchG für die Verhängung einer Ordnungsmaßnahme zuständige Klassenkonferenz von einer richtigen und vollständigen Tatsachengrundlage ausgegangen ist, unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Prüfungskompetenz (std. Rspr. des Senats, vgl. Senatsbeschl. v. 14.5.2019 - 2 PA 490/18 -, juris Rn. 6; Senatsbeschl. v. 14.1.2013 - 2 ME 416/12 -, juris Rn. 4, m. w. N.). Die von der Klassenkonferenz herangezogene Sachverhaltsgrundlage stellt sich jedoch weder als falsch dar, noch wäre es im Hinblick auf die gegen den Antragsteller verhängte Maßnahme erforderlich gewesen, den Sachverhalt gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 24 VwVfG weiter auszuermitteln. Zwar erscheint es - wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - naheliegend, dass die Möglichkeit bestand, weitere eventuell bei dem fraglichen Vorfall am … 2019 anwesende Mitschüler als Zeugen zum Geschehensablauf zu befragen. Im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen sind Mitschüler und Lehrkräfte anzuhören, wenn ihre Aussagen für die Entscheidung von Bedeutung sein können (vgl. Littmann, in: Brockmann/Littmann/Schippmann, § 61 Tz. 7.1). Aus einer solchen Befragung hätten sich unter Umständen weitere Erkenntnisse im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der gegensätzlichen Stellungnahmen des Antragstellers und seines Mitschülers ergeben können. In diese Richtung weist auch die im Protokoll der Klassenkonferenz vom … 2019 enthaltene Passage, wonach ein Schüler die Variante von D. in Teilen widerlegt habe. Die hier für die angeordnete Verweisung in eine Parallelklasse allein relevanten eigenen Tatbeiträge des Antragstellers, die wie ausgeführt als grobe Pflichtverletzung zu werten sind, ergeben sich in ausreichender Deutlichkeit aber bereits aus seiner eigenen schriftlichen Stellungnahme, welche die Klassenkonferenz ihrer Entscheidung zugrunde legen durfte. Seine eigenen Aussagen hat auch der Antragsteller im nachfolgenden Verfahren nicht in Zweifel gezogen. Dass eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes durch Anhörung von gegebenenfalls vorhandenen Zeugen unterblieben ist, stellt sich daher als unschädlich dar.
3. Die Verweisung in eine Parallelklasse stellt sich auch nicht - wie der Antragsteller meint - deshalb als rechtswidrig dar, weil gegen ihn bereits unmittelbar nach dem Vorfall am … 2019 eine Ordnungsmaßnahme nach § 61 Abs. 3 Nr. 1 NSchG verhängt worden ist.
Wie sich aus dem Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin ergibt (vgl. Bl. 25, 45 der Beiakte 001), ist der Antragsteller nach dem fraglichen Vorfall am … 2019 vom Schulleiter der Antragsgegnerin für den Rest des Tages vom Schulunterricht suspendiert worden. Hierbei handelte es sich um eine vom Schulleiter in Ausübung seiner Eilfallkompetenz nach § 43 Abs. 3 Satz 2 NSchG i. V. m. § 61 Abs. 3 Nr. 1 NSchG erlassene vorläufige Schulordnungsmaßnahme, die rechtlich von der durch die Klassenkonferenz in Ausübung ihrer Regelzuständigkeit gemäß § 61 Abs. 5 Satz 1 NSchG am 23. Oktober 2019 beschlossenen Verweisung in eine Parallelklasse getrennt zu betrachten ist. Dementsprechend hatte die im angegriffenen Bescheid vom 28. Oktober 2019 enthaltene Passage, dass die Klassenkonferenz nachträglich auch die Suspendierung des Antragstellers am … 2019 ab 9:15 Uhr beschlossen habe, lediglich deklaratorischen Charakter. Eine nachträgliche Bestätigung oder rückwirkende Ersetzung der von dem Schulleiter ausgesprochenen Eilmaßnahme durch die Klassenkonferenz ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. Senatsbeschl. v. 19.12.2019 - 2 ME 743/19 -, juris Rn. 5 f.). Die Klassenkonferenz ist bei ihrer Beschlussfassung über die von ihr zu verhängende endgültige Ordnungsmaßnahme nicht an die vom Schulleiter im Rahmen einer vorherigen Eilmaßnahme getroffene Wahl einer Ordnungsmaßnahme gebunden. Vielmehr stehen ihr im Rahmen ihrer Regelkompetenz nach § 63 Abs. 5 Satz 1 NSchG alle Möglichkeiten nach § 61 Abs. 3 NSchG offen. Im Rahmen ihrer Ermessensausübung hat sie allerdings zu berücksichtigen, ob und inwieweit durch den Vollzug der Eilmaßnahme des Schulleiters das Ziel der Ordnungsmaßnahme bereits erreicht worden ist (vgl. Littmann, in: Brockmann/Littmann/Schippmann, § 61 Tz. 8.4).
Gemessen hieran lag es auf der Hand, dass der mit der von der Klassenkonferenz verhängten Ordnungsmaßnahme verfolgte Zweck, nämlich die Sicherstellung der Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrages der Schule gemäß § 2 Abs. 1 NSchG sowie des Schutzes von Mitschülern, durch die vom Schulleiter am … 2019 ausgesprochene Suspendierung des Antragstellers für den Rest des Tages noch nicht erreicht worden war. Wie sich aus dem späteren Vortrag seiner Eltern ergibt, war die Maßnahme des Schulleiters für den Antragsteller kaum spürbar. Dass es sich überhaupt um eine Suspendierung gehandelt hatte, sei ihm hiernach nicht bewusst gewesen (vgl. Bl. 25 der Beiakte 001). Im Hinblick auf die erhebliche eigene Gewaltanwendung des Antragstellers im Rahmen der Schlägerei mit seinem Mitschüler (s. o.) durfte die Antragsgegnerin eine Ordnungsmaßnahme auswählen, die dem Antragsteller deutlich vor Augen führte, dass Gewaltanwendungen in der Schule - auch im Rahmen einer Schlägerei mit gegenseitigen Tatbeiträgen - nicht zu tolerieren ist. Zu Recht hat die Klassenkonferenz im Rahmen ihrer Ermessensausübung auch berücksichtigt, dass der Antragsteller aufgrund einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Sechstklässler am … 2019 von der Antragsgegnerin ein Erziehungsmittel auferlegt bekommen hat, welches ihn nicht davon abgehalten hat, im Rahmen der Auseinandersetzung am … 2019 erneut körperliche Gewalt gegen einen Mitschüler auszuüben.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin nicht anstelle der ausgesprochenen Verweisung in eine Parallelklasse einen teilweisen Ausschluss vom Unterricht nach § 61 Abs. 3 Nr. 1 NSchG beschlossen hat. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, hat die Antragsgegnerin insofern für ihre Wahl der Ordnungsmaßnahme nachvollziehbare pädagogische Gründe anführen können. Insbesondere wäre ein bloßer teilweiser Unterrichtsauschluss nicht geeignet gewesen, das bereits zuvor von Auseinandersetzungen gekennzeichnete Verhältnis zwischen dem Antragsteller und seinem Mitschüler D. E. einer tragfähigen Lösung zuzuführen. Es ist insofern auch nicht zu beanstanden, dass die Klassenkonferenz im Rahmen des ihr zustehenden pädagogischen Wertungsspielraums davon ausging, dass der Umgang der beiden betroffenen Schüler miteinander zeige, dass ihr Konflikt noch nicht gelöst scheine (vgl. Bl. 45 der Beiakte 001). Dass es im Zeitraum zwischen der Auseinandersetzung am … 2019 und dem Zusammenkommen der Klassenkonferenz am … 2019, in welchen auch die Herbstferien fielen, zu keinen weiteren körperlichen Zusammenstößen zwischen dem Antragsteller und seinem Mitschüler gekommen ist, steht dem nicht entgegen. Der Verweis des Antragstellers auf den Beschluss des Senats vom 25. Juli 2017 (- 2 ME 133/16 -, in juris) geht schon deshalb fehl, weil die nach dem in § 61 Abs. 3 NSchG angelegten Stufenverhältnis einzig in Betracht kommende mildere Ordnungsmaßnahme eines teilweisen Unterrichtsauschlusses nach der nicht zu beanstandenden pädagogischen Wertung der Klassenkonferenz - anders als in dem angeführten Senatsbeschluss - eben gerade nicht in gleicher Weise geeignet gewesen wäre, den Konflikt des Antragstellers mit seinem Mitschüler zu entschärfen.
Soweit der Antragsteller im Rahmen seiner Beschwerdebegründung schließlich hilfsweise die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2019, ist dieser Antrag bereits unzulässig, da ein solcher Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO nur bei Vorliegen eines gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung statthaft ist. Die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzuges in § 61 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 NSchG gilt aber nur für die Ordnungsmaßnahmen nach § 61 Abs. 3 Nrn. 3 bis 6 NSchG, nicht aber für die hier zu beurteilende Ordnungsmaßnahme gemäß § 61 Abs. 3 Nr. 2 NSchG (vgl. LT-Drs. 16/4620, S. 8).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 2013 - (NordÖR 2014,11).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).