Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.10.2022, Az.: 1 KN 165/20

abwägungserheblich; Abwägungserheblichkeit; Antragsbefugnis; Verkehrslärm; Verkehrslärmbelastung; Normenkontrollantragsbefugnis bei planbedingter Änderung der Verkehrsführung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.10.2022
Aktenzeichen
1 KN 165/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 63631
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2022:1006.1KN165.20.00

Amtlicher Leitsatz

Die Normenkontrollantragsbefugnis für einen außerhalb des Plangebiets wohnenden Antragsteller kann sich auch bei einer Verkehrslärmzunahme von weniger als 2 dB(A) aus der Lage seines Grundstücks im geplanten Ein- und Ausfahrtbereich aus dem Plangebiet ergeben, weil dort mit einer qualitativ unterscheidbaren besonderen Belastung aufgrund der Anfahr- und Bremsgeräusche von Fahrzeugen zu rechnen ist, die das Plangebiet verlassen bzw. in dieses abbiegen wollen.

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen die 7. Änderung des Bebauungsplans Nr. 32 "Ehemalige Lüttich-Kaserne".

Das ehemals von der Gothaer Versicherung als Hauptsitz genutzte, ca. 9,8 ha große Plangebiet liegt im Südosten Göttingens und umfasst im Wesentlichen die Flächen innerhalb des durch die Geismar Landstraße im Westen, die Breslauer Straße im Süden, die Wörthstraße im Osten und der Straße Am Weißen Steine im Norden gebildeten Straßengevierts mit Ausnahme einiger unmittelbar an der Straße Am Weißen Steine liegender Grundstücke. Es wird insbesondere im Norden weiterhin durch die Gothaer Versicherung genutzt, andere Teile des Plangebiets werden von Büro-, Dienstleistungs- und Verwaltungseinrichtungen sowie von Parkflächen belegt oder liegen brach.

Die Antragsgegnerin beabsichtigt, dieses Gelände umfassend neu zu strukturieren. Künftig soll im östlichen und südlichen Bereich Wohnnutzung ermöglicht werden sowie im Bereich der gegenwärtig bebauten Flächen des westlichen und nördlichen Geländes eine gemischte Nutzung zulässig sein. Die Beigeladenen haben Grundstücke im Plangebiet erworben, auf denen sie die planerisch vorgesehenen Nutzungen verwirklichen wollen.

Innergebietlich wird das Gebiet in seinem Süden durch eine westlich in die Geismar Landstraße, östlich in die Wörthstraße einmündende West-Ost-Verbindung (Planstraße 1) z sowie durch eine von dieser Verbindung nach Norden abzweigende Planstraße 2 und durch eine daran anschließende ebenfalls in die Wörthstraße einmündende Planstraße 3 erschlossen. Diese Planstraßen sind durch Abschnitte unterbrochen, die jeweils nur für den Fuß- und Radverkehr eröffnet oder verkehrsberuhigt sind. Im Süden wird das Plangebiet durch die Breslauer Straße begrenzt, an der südlich und gegenüber des Plangebiets die Hauptfeuerwache ihren Standort hat. Eine direkte Ausfahrt aus dem Plangebiet heraus zu dieser Straße für den öffentlichen Verkehr ist nicht vorgesehen.

Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße (Gemarkung L-Stadt, Flur ..., Flurstück ...). Dieses Grundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, sondern im unbeplanten Innenbereich. Der im Südosten des Plangebiets vorgesehenen Aus- und Einfahrt liegt das Wohngrundstück des Antragstellers schräg gegenüber. Für die Fläche direkt gegenüber dem Grundstück des Antragstellers sieht der angefochtene Plan eine bis zu dreigeschossige Wohnbebauung in einem allgemeinen Wohngebiet vor. Bislang stand dort ein zweigeschossiges, gewerblich genutztes Gebäude. Der bisher gültige Bebauungsplan Nr. 32, 2. Änderung, hätte eine Bebauung direkt gegenüber dem Grundstück des Antragstellers mit einer ca. 140 m breiten und 40 m tiefen zweigeschossigen Parkpalette ermöglicht, der das Wohnhaus des Antragstellers mittig gegenübergestanden hätte.

Das Planaufstellungsverfahren verlief wie folgt: Im Amtsblatt für die Stadt Göttingen wurde am 27. Juli 2018 aufgrund zuvor gefasster Aufstellungsbeschlüsse der Entwurf für den Bebauungsplan Göttingen Nr. 32, 6. und 7. Änderung, veröffentlicht. Die öffentliche Auslegung des Entwurfs und die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange wurde nach Beschluss des Verwaltungsausschusses der Antragsgegnerin vom 9. Dezember 2019 in der Zeit vom 8. Januar 2020 bis 7. Februar 2020 durchgeführt. In seiner Sitzung am 15. Mai 2020 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan. Dem Satzungsbeschluss lag ein schalltechnisches Gutachten des Akustikbüros ... vom 6. November 2019 (Nr. 18483) zugrunde, das für den Bereich der Wörthstraße eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV für ein allgemeines Wohngebiet errechnet hatte. Der Bebauungsplan wurde sodann am 28. Mai 2020 im Amtsblatt für die Stadt Göttingen (Heft Nr. 24, Seite 183 ff.) bekannt gemacht, wobei auf die Jahresfrist gemäß § 215 BauGB hingewiesen wurde.

Gegen den Bebauungsplan hat der Antragsteller an 4. Dezember 2020 einen Normenkontrollantrag gestellt.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2021 hat das Schallgutachter-Büro während des laufenden gerichtlichen Verfahrens sein im Planaufstellungsverfahren erstelltes schalltechnisches Gutachten vom 6. November 2019 (Nr. 18483), das dem Satzungsbeschluss zugrunde lag, korrigiert. In jenem Gutachten sei festgestellt worden, dass die Immissionsgrenzwerte und die Orientierungswerte im straßennahen Bereich an der Wörthstraße überschritten würden. Dies beruhe auf einem Berechnungsfehler. Tatsächlich ergebe sich, dass die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV am Wohnhaus des Antragstellers und in einem Bereich südlich davon eingehalten würden. Die Mehrbelastung liege tags und nachts unterhalb von 2,0 dB(A).

Der Antragsteller hat seinen Normenkontrollantrag wie folgt begründet: Er sei antragsbefugt, da zum Abwägungsmaterial sein Interesse an der Erhaltung einer ruhigen Wohnlage gehöre, mithin sein Interesse, von zusätzlichem Verkehrslärm verschont zu bleiben. Nach dem im Verfahren eingeholten Verkehrslärmgutachten sei der Orientierungswert im straßennahen Bereich des Plangebiets an der Grenze zur Wörthstraße überschritten. Gleiches müsse daher für sein ebenfalls an der Wörthstraße gelegenes Grundstück gelten. Der Zu- und Abgangsverkehr werde auch und vor allem über die Wörthstraße abgeführt. Zudem habe die geplante Bebauung direkt gegenüber seinem Grundstück eine erdrückende Wirkung.

Sein Antrag sei auch begründet. Der Bebauungsplan sei unwirksam, weil er abwägungsfehlerhaft zustande gekommen sei. Seinem Grundstück gegenüber hätten sich bislang ein parkartig gestalteter Freiraum und Stellplatzflächen befunden. Die Antragsgegnerin habe daher seinen Gebietserhaltungsanspruch nicht in hinreichendem Maße berücksichtigt. Es sei auch nicht angemessen gewürdigt worden, dass der Zu- und Abgangsverkehr vor allem durch die Wörthstraße abgeführt werde. Zudem habe die Antragsgegnerin berücksichtigen müssen, dass auch durch den Bebauungsplan Nr. 253 "Grüne Mitte Ebertal" für ein Gebiet westlich der Wörthstraße und nördlich seines Wohngrundstücks eine verdichtete Bebauung zugelassen werde. Die Antragsgegnerin habe aber nicht ermittelt, welche Kumulationseffekte im Hinblick auf die Verkehrslärmbelastung durch die Bebauung östlich und westlich der Wörthstraße entstünden. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2022 hat der Antragsteller zudem geltend gemacht, das im Planverfahren eingeholte Schallgutachten gehe zu Unrecht davon aus, dass eine Verkehrsanlage in die Breslauer Straße einmünde. Tatsächlich sei eine solche Ausfahrt nicht gesichert. Zudem seien die Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen in ihrer veralteten Fassung (Ausgabe 1990; RLS-90) statt in ihrer neueren Fassung (Ausgabe 2019; RLS-19) angewandt worden.

Der Antragsteller beantragt,

den vom Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung am 15. Mai 2020 beschlossenen Bebauungsplan Nr. 32 "ehemalige Lüttich-Kaserne", 7. Änderung für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt. Bisherige Pläne hätten weder parkartige Flächen noch Teichanlagen vorgesehen. Tatsächlich sei die Errichtung einer mehrgeschossigen Parkpalette bauplanungsrechtlich zulässig gewesen, zu der es durch die Verlagerung der Gothaer Versicherung nicht mehr gekommen sei. Die zu erwartenden Lärmmehrbelastungen lägen insgesamt, also auch unter Berücksichtigung des Nachbarplangebiets, deutlich unterhalb der Schwelle der Wahrnehmbarkeit. Angesichts der tatsächlichen Straßenbreite und Geschossigkeit des höher gelegenen Hauses des Antragstellers liege eine erdrückende Wirkung der festgesetzten Wohnbebauung auf der anderen Straßenseite fern.

Die Beigeladenen zu 1.-4. beantragen ebenfalls,

den Antrag abzulehnen.

Der Antrag sei mangels Antragsbefugnis bereits unzulässig. Der Antragsteller trage als betroffene Belange allenfalls geringfügig berührte Interessen vor, die nicht abwägungserheblich seien. Wohnbedingte Immissionen, die von der künftigen Bebauung auf der gegenüberliegenden Straßenseite herrührten, seien nicht wahrnehmbar. Das Interesse des Antragstellers, von erhöhtem Verkehrslärm verschont zu bleiben, sei nicht per se schutzwürdig. Es sei erforderlich, dass sich die Verkehrssituation in einer spezifisch planbedingten Weise zum Nachteil des Antragstellers verändere. Abwägungsrelevant seien planbedingte Steigerungen des Verkehrslärms selbst dann nur, wenn sie im Bereich von 3 dB(A) und höher lägen oder der Bereich der Gesundheitsgefahren (mehr als 70 dB(A) tags und mehr als 60 dB(A) nachts) erreicht werde. Eine solche Belastung ergebe sich aus den Zahlen des eingeholten Verkehrsgutachtens nicht.

Auch die Beigeladene zu 5. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller habe kein abwägungserhebliches Interesse benannt. Von dem Bauvorhaben gehe keine erdrückende oder bedrängende Wirkung aus. Ein Gebietserhaltungsanspruch scheitere schon daran, dass auf der anderen Straßenseite bis vor kurzem ein Gebäude in einer Höhe von ca. 7-8 m, einer Gebäudelänge von ca. 54 m und einer Grundfläche von ca. 1000 m2 gestanden habe. Ein Interesse an der Vermeidung von vermehrten Verkehrslärmbeeinträchtigungen sei nur dann abwägungserheblich, wenn diese eine Geringfügigkeits- bzw. Wahrnehmbarkeitsschwelle überschritten, die regelmäßig bei 3 dB(A) bzw. 2 dB(A) angesetzt werde, oder die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung überschritten werde. Nach den eingeholten Verkehrsgutachten lägen diese Voraussetzungen nicht vor. Soweit das Schallgutachten zum Satzungsbeschluss hin noch fehlerhaft gewesen sei, komme dies dem Antragsteller nicht zugute, weil der Rat der Antragsgegnerin bei der Abwägung von einer (fehlerhaft) zu hoch angesetzten Lärmbelastung ausgegangen sei und somit erst recht die tatsächlich geringere Lärmbelastung hingenommen hätte. Das Interesse am Werterhalt des eigenen Grundstücks sei ebenfalls nicht abwägungserheblich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig (dazu unter 1.), aber unbegründet (dazu unter 2.).

1.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren eine Person nur antragsbefugt, wenn sie geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Antragsteller - wie hier - Eigentümer oder Nutzer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Das dort normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot gewährt ein subjektives Recht. Der Betroffene kann verlangen, dass seine eigenen Belange in der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht "abgearbeitet" werden. Ein Antragsteller kann sich daher im Normenkontrollverfahren darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. In diesem Fall obliegt es ihm, einen eigenen Belang als verletzt zu bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 28.10.2020 - 4 BN 44.20 -, juris Rn. 7 m.w.N.).

Das Interesse des Eigentümers eines Grundstücks außerhalb des Plangebiets, von einer Lärmzunahme aufgrund des Zu- und Abfahrtsverkehrs zum Plangebiet verschont zu bleiben, kann nach den Umständen des Einzelfalls einen abwägungserheblichen Belang darstellen, wenn sich der durch die Planung ausgelöste Verkehr innerhalb eines räumlich überschaubaren Bereichs bewegt und vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar ist. In diesem Fall gehört eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms auch unterhalb der Grenzwerte zum Abwägungsmaterial. Ist der Lärmzuwachs allerdings nur geringfügig, geht er mithin über die Bagatellgrenze nicht hinaus oder wirkt er sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück aus, so muss er nicht in die Abwägung eingestellt werden (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 1.7.2020 - 4 BN 49.19 -, BRS 88 Nr. 170 = juris Rn. 8 m.w.N; zu alledem auch Senatsbeschl. v. 21.2.2022 - 1 MN 160/21 -, BauR 2022, 911 = juris Rn. 13 ff. und Senatsbeschl. v. 22.6.2022 - 1 MN 28/22 -, juris Rn. 15-16).

Dies vorangestellt kann nach einer danach vorzunehmenden Würdigung des Einzelfalls jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller von einer Verkehrslärmzunahme betroffen ist, die die Geringfügigkeitsschwelle überschreitet.

Die Antragsgegnerin hat im Planaufstellungsverfahren die Verkehrsentwicklung und die daraus resultierende Lärmzunahme begutachten lassen. Das von ihr beauftragte Akustikbüro ... ist in seinem Gutachten vom 6. November 2019 (Gutachten 18483) auf dem das Wohnhaus des Antragstellers berührenden Abschnitt der Wörthstraße (Q4, ...) bei einer Verkehrsbelastung von 2049 Kfz/d im Bestand von einem Mehrverkehr von 787 Kfz/d ausgegangen (Gutachten S. 14/15 und S 58/59). Das entspricht einer Verkehrszunahme von rund einem Drittel auf 2836 Kfz/d; darin enthalten ist allerdings auch Mehrverkehr, der durch den Bebauungsplan Nr. 253 "Grüne Mitte Ebertal" verursacht wird (Gutachten, S. 33/34). Zu geringfügig niedrigen Werten gelangt man, wenn man den Mehrverkehr aufgrund der Angaben zur Verkehrsbelastung der beiden Zufahrten des Plangebiets zur Wörthstraße bestimmt. Diese weisen 635 Kfz/d aus der südlichen Zufahrt zur Wörthstraße und 1850 Kfz/d aus der nördlichen Zufahrt aus, wobei allerdings zugunsten der Anwohner der Wörthstraße unberücksichtigt bleibt, dass bereits in der Vergangenheit die Hauptzufahrt des Versicherungsgeländes zur Wörthstraße gelegen war. Unter Zugrundelegung eines am Grundstück des Antragstellers vorbeifahrenden Anteils dieses Neuverkehrs in Höhe von 30 % ergibt sich eine Verkehrsmehrbelastung von rund 745 Kfz/d. Gemessen am Bestand von 2049 Kfz/d macht dies ebenfalls eine Zunahme von rund einem Drittel aus.

Ob dies angesichts der von den Beigeladenen mit einiger Berechtigung hervorgehobenen Tatsache, dass die Verkehrslärmzunahme am Grundstück ausweislich des Nachtrags zum schalltechnischen Gutachtens vom 16. Februar 2021 unterhalb von 2 dB(A) liegt und damit die Wahrnehmbarkeitsschwelle allenfalls berührt, ausreichen würde, um die Antragsbefugnis zu begründen, lässt der Senat offen. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls zusätzlich zu berücksichtigen, dass das Wohngebäude des Antragstellers schräg gegenüber der geplanten südlichen Ausfahrt aus dem Plangebiet liegt. Neben der rechnerischen Verkehrslärmmehrbelastung, die im Wesentlichen aus dem an dem Grundstück vorbeifahrenden Verkehr resultiert, ist im Ein- und Ausfahrtbereich aus dem Plangebiet zusätzlich damit zu rechnen, dass sich eine besondere Belastung aus den Anfahr- und Bremsgeräuschen von Fahrzeugen ergibt, die das Plangebiet verlassen bzw. in dieses abbiegen wollen. Die Störwirkung von Fahrzeugen, die ein- und ausfahren, ist größer als diejenige von Fahrzeugen, die das Grundstück lediglich in gleichmäßiger Fahrt passieren.

2.

Der Antrag ist aber unbegründet. Der angegriffene Bebauungsplan ist rechtmäßig; insbesondere leidet er nicht in einer seine Unwirksamkeit begründenden Weise unter den vom Antragsteller allein geltend gemachten Abwägungsfehlern.

Das in § 1 Abs. 7 BauGB verankerte Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 = juris Rn. 29). Zur Unwirksamkeit des Plans führen Mängel im Abwägungsvorgang nur, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB). Solche Mängel liegen hier nicht vor.

a)

Der Antragsteller wendet zu Unrecht ein, die durch den Bebauungsplan ermöglichte Bebauung auf der gegenüberliegenden Straßenseite entfalte ihm gegenüber eine erdrückende Wirkung. Im Grundsatz kann zwar eine Verletzung des Abwägungsgebots gerügt werden, wenn ein Bebauungsplan Bebauungsmöglichkeiten zulässt, von denen eine erdrückende Wirkung auf Nachbargrundstücke ausgeht (vgl. auch Senatsbeschl. v. 19.1.2012 - 1 MN 93/11 -, NordÖR 2012, 185 = juris Rn. 94; VGH BW, Urt. v. 15.9.2015 - 3 S 975/14 -, BRS 83 Nr. 178 = BauR 2015, 1984 = juris Rn. 27 m.w.N.). Dabei ist in der Rechtsprechung des Senats seit langem geklärt, dass die "Masse" eines Vorhabens als solche in der Regel keine erdrückende Wirkung entfaltet. Das anzunehmen kommt nur in Ausnahmefällen, und zwar erst dann in Betracht, wenn die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, das heißt dort ein Gefühl des "Eingemauertseins" oder eine Gefängnishofsituation hervorruft (stRspr. des Senats, vgl. Senatsbeschl. v. 15.7.2022 - 1 MN 132/21 -, juris Rn. 18 und Senatsbeschl. v. 3.11.2021 - 1 ME 159/20 -, BauR 2022, 65 = juris Rn. 33 unter Verweis auf Senatsbeschl. v. 15.1.2007 - 1 ME 80/07 -, ZfBR 2007, 284 = NdsVBl. 2007, 248 = juris Rn. 13 m.w.N. zur Senatsrechtsprechung). Können die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen zu den benachbarten Grundstücken ohne weiteres eingehalten werden, schließt dies die Annahme einer erdrückenden Wirkung in der Regel aus (vgl. Senatsbeschl. v. 15.1.2007 - 1 ME 80/07 -, ZfBR 2007, 284 = NdsVBl. 2007, 248 = juris Rn. 14 f. m.w.N.).

Gemessen hieran kommt eine Abriegelung nicht in Betracht. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 NBauO beträgt der Grenzabstand 0,5 H, mindestens jedoch 3 m, wobei H - eine durchgehende Ausnutzung der maximalen Höhe unterstellt - (hier) 14 m betragen würde. In diesem Fall wäre ein Abstand von 7 m zur Grundstücksgrenze des Antragstellers einzuhalten. Schon die Breite des Straßenkörpers der Wörthstraße von 18 m sichert die Einhaltung dieses Grenzabstands. Umstände, die in der konkreten Situation des Grundstücks des Antragstellers die Annahme eines atypischen Falls rechtfertigen würden, in dem ausnahmsweise trotz Einhaltung der Grenzabstände eine erdrückende Wirkung angenommen werden kann, liegen nicht vor.

b)

Soweit der Antragsteller sich auf eine durch die Dichte der geplanten Bebauung bedingte Veränderung des "Gebietscharakters" seines Wohnumfeldes stützt, macht er keinen abwägungserheblichen Belang geltend.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Interesse am Fortbestand des bauplanungsrechtlichen Zustands eines Nachbargebiets grundsätzlich abwägungsrelevant. Zwar gewährt das Baugesetzbuch keinen Anspruch auf Fortbestand eines Bebauungsplans und schließt auch Änderungen des Plans nicht aus. Die ortsrechtlichen Festsetzungen begründen aber regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden. Ein solches Interesse ist nicht nur dann gegeben, wenn der Bebauungsplan in seiner ursprünglichen Fassung ein subjektives öffentliches Recht begründet hat. Abwägungsrelevant ist vielmehr jedes mehr als geringfügige private Interesse am Fortbestehen des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung, auch wenn es auf einer einen Nachbarn nur tatsächlich begünstigenden Festsetzung beruht. Ob diese Interessen Gegenstand der Abwägung waren und dabei hinreichend berücksichtigt worden sind, kann der Betroffene im Wege der Normenkontrolle überprüfen lassen. Abweichendes ergibt sich sowohl bei nur geringfügigen Änderungen als auch bei solchen Änderungen, die sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirken können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.6.2020 - 4 BN 51.19 -, NVwZ 2020, 1533 = BRS 88 Nr. 169 = juris Rn. 7 m.w.N.).

Hier liegt allerdings auf der Hand, dass die Interessen des Antragstellers am Erhalt des vorherigen Planzustands geringfügig und daher nicht abwägungserheblich waren. Wie ausgeführt erlaubte der zuvor geltende Bebauungsplan Nr. 32, 2. Änderung, die Errichtung einer zweigeschossigen Parkpalette. Diese - nach den zutreffenden Ausführungen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem in einem allgemeinen Wohngebiet zulässigen Nutzungsspektrum deutlich störintensivere - Parkpalette hätte dem Grundstück des Antragstellers mittig gegenübergestanden und ihm somit jegliche Sicht auf die davon westlich gelegenen restlichen Flächen des Plangebiets genommen. Ein Interesse des Antragstellers, der mit dem Normenkontrollantrag seine bisherige - lediglich tatsächlich bestehende, aber bauplanungsrechtlich nicht garantierte - Aussicht auf bisher bestehende Freiflächen im Plangebiet zu sichern sucht, ist daher nicht schützenswert. Hinzu kommt, dass das seinem Grundstück gegenüberliegende Grundstück im Plangebiet bis vor kurzem noch mit einem Gebäude bestanden gewesen ist und insofern auch keine freie Sicht bestand.

c)

Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, aus der Bebauung des Plangebiets resultiere für ihn eine unzumutbare Belästigung mit Verkehrslärm.

Ohne Erfolg meint er, die Sachverhaltsermittlung im Planaufstellungsverfahren sei nicht ausreichend. Gemäß § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten. Der Antragsteller macht insofern geltend, das Schallgutachten sei fehlerhaft, weil es davon ausgehe, dass der Verkehr zum Teil über eine Ausfahrt zur Breslauer Straße hin aus dem Plangebiet abfließen könne, deren Realisierung aber zweifelhaft sei. Das trifft nicht zu. Das dem Satzungsbeschluss zugrunde liegende Schallgutachten des Akustikbüros ... vom 6. November 2019 (Nr. 18483) führt hierzu explizit aus (S. 4), dass - anders als noch zum Zeitpunkt der Erstellung des Verkehrsgutachtens vom 3. Juni 2019 - "mittlerweile keine Zufahrt von der Breslauer Straße aus mehr vorgesehen ist und somit über die südliche Zufahrtsstraße der Wörthstraße 555 +80 = 635 Kfz/24 h zu berücksichtigen sind." Überdies hat der Antragsteller diesen (vermeintlichen) Mangel erst mit Schriftsatz vom 21. Juli 2022, also mehr als ein Jahr seit Bekanntmachung des Bebauungsplans am 28. Mai 2020 geltend gemacht. Gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB wäre dieser Mangel im Abwägungsvorgang daher unbeachtlich geworden.

Ebenso verspätet hat er gerügt, das Schallgutachten beruhe auf Anwendung einer veralteten Richtlinie für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90 statt RLS-19). Dass diese Rüge auch in der Sache nicht zutrifft, bedarf daher keiner weiteren Ausführungen.

Unzutreffend ist auch seine Rüge, das eingeholte Schallgutachten berücksichtige nicht die aus dem Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 253 "Grüne Mitte Ebertal" für ihn resultierende Verkehrslärmmehrbelastung. Das Schallgutachten des Akustikbüros ... vom 6. November 2019 beruht auf den Verkehrsmengenangaben des Verkehrsgutachtens der M. vom 2. April 2019, die nachrichtlich im Anhang B zum Schallgutachten übernommen worden sind. Der Nachtrag zu diesem Gutachten vom 16. Februar 2021 ändert daran nichts, weil das Gutachterbüro mit diesem Nachtrag nur Rechenfehler korrigiert hat. Das Verkehrsgutachten hat seinerseits berücksichtigt, dass zeitgleich zur Neuentwicklung der Flächen des Gothaer Areals das Wohnquartier östlich der Wörthstraße entwickelt wird. Die Gutachter haben hierzu ausgeführt, die aus diesem Gebiet resultierenden Neuverkehre seien somit bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit sowie der Ermittlung der Lärmkennwerte mit zu berücksichtigen (S. 32-34 des Gutachtens). Ob diese Gesamtbetrachtung rechtlich zwingend geboten war, bedarf keiner Entscheidung.

Die auf dieser Grundlage vorgenommene Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB ist auch im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat der Abwägung zwar das - fehlerhafte - Schallgutachten zugrunde gelegt, wonach die Verkehrslärmbelastung in der Wörthstraße in der Höhe von 4,0 dB(A) tagsüber und maximal 4,5 dB(A) nachts zu einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV um jeweils 3 dB(A) führen würde. Dieser Verkehrslärmmehrbelastung hat die Antragsgegnerin gegenübergestellt, dass durch Festsetzungen im Bebauungsplan sichergestellt werde, dass der Immissionsschutz gewährleistet werden könne und gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Plangebiet selbst, aber auch in den angrenzenden Gebieten nicht durch Maßnahmen im Plangebiet beeinträchtigt würden. Zudem entfalle die vorhandene großflächige oberirdische Parkierungsanlage, die bislang eine erhebliche gewerbliche Lärmquelle darstelle. Auch die bislang zentral an der Wörthstraße angeordnete Zu- und Abfahrt der Parkierungsanlagen entfalle künftig und die zur Erschließung der Wohnbebauung und der verbleibenden gemischt genutzten Bauflächen vorgesehenen Verkehrsflächen (Planstraßen 1 und 3) würden an zwei Stellen im südlichen und nördlichen Bereich des Plangebiets an die Wörthstraße angebunden. Des Weiteren erhalte das Plangebiet eine öffentliche Erschließung an der Geismar Landstraße. Durch diese Zufahrten in das Plangebiet würden die aus den bislang vorhandenen und künftig geplanten Nutzungen resultierenden Verkehre weiträumig verteilt und nicht - wie im Bestand gegeben - gebündelt über die bestehende Hauptzufahrt an der Wörthstraße abgewickelt (vgl. Bescheidung der Anregungen. S. 22). Diese Abwägung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte ist in der Abwägung nicht unüberwindbar, zumal es hier auch nicht um die Planung einer neu zu errichtenden öffentlichen Straße geht, für die die 16. BImSchV gemäß deren § 1 Abs. 1 unmittelbar gilt.

Fehlerhaft ist die Abwägung allenfalls insoweit, als sie auf einer fehlerhaften, weil zu hohen Prognose der Verkehrslärmmehrbelastungen beruht. Denn die ausweislich des Nachtrags zum schalltechnischen Gutachten vom 16. Februar 2021 tatsächlich deutlich niedrigere Verkehrslärmmehrbelastung, die nicht mit einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV nördlich des Grundstücks N-Straße einhergeht, war dem Rat der Antragsgegnerin bei Satzungsbeschluss nicht bekannt. Ob darin ein gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB erheblicher Mangel im Abwägungsvorgang liegen kann, kann offenbleiben. Denn ein solcher Mangel ist jedenfalls mangels fristgerechter Rüge gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich geworden. Zugleich wäre das Ergebnis der Abwägung dann erst recht nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen beruht die Entscheidung auf § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, weil diese sich durch Stellung eines Abweisungsantrags selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.