Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.03.2019, Az.: 12 LB 125/18

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.03.2019
Aktenzeichen
12 LB 125/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69688
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 06.12.2017 - AZ: 5 A 2869/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Nach Erteilung einer immissionschutzrechtlichen Genehmigung fällt die Zuständigkeit zum Vollzug der öffentlich-rechtlichen Vorschriften außerhalb des Immissionsschutzrechts wieder an die zum Vollzug dieser Vorschriften zuständigen Behörden, die daher für spätere Anordnungen nach den entsprechenden Vorschriften zuständig sind.

Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 BNatSchG ist nach Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch systematische Auslegung insoweit einzuschränken, als auf naturschutzrechtlicher Grundlage keine Maßnahmen erlassen werden können, die eine (Teil-)Aufhebung oder Änderung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung darstellen.

Für die Frage, ob eine Maßnahme, mit der nachträglich Betriebszeiten eingeschränkt werden, als (Teil-)Widerruf zu qualifizieren ist, ist zum einen darauf abzustellen, ob sich die Maßnahme bei Genehmigungserteilung als inhaltliche Einschränkung bzw. Teilversagung der Genehmigung und nicht lediglich als Nebenbestimmung dargestellt hätte, zum anderen, ob mit der behördlichen Maßnahme eine unverhältnismäßige (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BImSchG) Einschränkung der Betriebszeiten, also ein Eingriff in den „Genehmigungskern“, verbunden ist.

Die Anwendung des § 3 Abs. 2 BNatSchG ist nach erfolgter immissionsschutzrechtlicher Genehmigungserteilung außerdem auf ein behördliches Einschreiten wegen nachträglicher Sachverhaltsveränderungen, nachträglicher Erkenntnisse über bestimmte Gefahren oder Rechtsänderungen zu beschränken.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist. Im Übrigen wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer - vom 6. Dezember 2017 geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2016 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 28. März 2017 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine naturschutzrechtliche Verfügung des Beklagten zum Schutz von Fledermäusen, die u. a. eine zeitweise Abschaltung der von ihr betriebenen, immissionsschutzrechtlich genehmigten Windenergieanlage sowie ein Gondelmonitoring vorsieht.

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Windenergieanlage vom Typ ENERCON E-53 mit einer Nabenhöhe von 73,25 m und einer Nennleistung von 800 kW wurde dem Rechtsvorgänger der Klägerin am 12. April 2012 ohne Einschränkung der Betriebszeiten vom Beklagten erteilt. Standort der Anlage ist das Flurstück F., Flur G. in der Gemarkung H. etwa zwei Kilometer nordwestlich des Ortes I.. Die Anlage befindet sich etwa 150 bis 160 m nördlich des J. und ca. 110 m östlich des K. wegs auf einer Ackerfläche.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens war bezüglich einer möglichen Gefährdung von Fledermäusen ein Gutachten des Diplom-Ingenieurs und Diplom-Biologen L. eingeholt worden. Der Gutachter hatte sich sowohl zur Situation im Frühjahr/ Sommer 2010 als auch nachfolgend in einem zweiten Gutachtenteil vom 6. März 2011 zu seinen Beobachtungen im Herbst 2010 geäußert. Aufgrund der von ihm durchgeführten Untersuchungen mit einer Horchkiste am geplanten Anlagenstandort und Detektorerfassungen im Umkreis von 1.000 m um diesen war er zu dem Ergebnis gekommen, dass weder im Frühjahr/Sommer noch im Herbst von einem besonderen Schlagrisiko für die vor Ort festgestellten Fledermausarten auszugehen sei.

Im Januar 2015 erhielt das Amt für Naturschutz und Landschaftspflege des Beklagten im Rahmen des Beteiligungsverfahrens für die Neuaufstellung eines Bebauungsplans der Gemeinde H. zur Ermöglichung weiterer Windenergieanlagen von einem neueren, im November 2014 fertig gestellten Gutachten Kenntnis. Dieses befasst sich mit der Frage einer möglichen Fledermausgefährdung in der Umgebung des Standorts der klägerischen Anlage. Das Gutachten war im Hinblick auf die Aufstellung zweier Bebauungspläne erstellt worden, nämlich des Bebauungsplans Nr. M., welcher ein weiter von der klägerischen Anlage entferntes Gebiet westlich der N. Landstraße betrifft, sowie des Bebauungsplans Nr. O., der sich auf einen fast unmittelbar an die klägerische Anlage angrenzenden Bereich bezieht.

Das Gutachten beruht auf Untersuchungen, die der Diplom-Biologe P. in der Zeit von Juli 2011 bis Mitte Oktober 2012 durchgeführt hatte. Untersuchungsgebiet waren die Geltungsbereiche der beiden Bebauungspläne sowie ein Umkreis von 1.000 m um diese Bereiche. Von den Untersuchungen erfasst war somit auch der Standort der Windenergieanlage der Klägerin. Die von dem Sachverständigen aufgestellte Horchkiste 1 für das Bebauungsplangebiet Nr. O. befand sich etwa 100 m entfernt südlich von der Anlage der Klägerin, laut Gutachten etwa 40 m östlich des K. wegs und schätzungsweise 20 bis 30 m nördlich des J.. Die Aufzeichnungen mit der Horchkiste 1 wurden sämtlich im Jahr 2012 durchgeführt.

Für den Zeitraum April bis Mai ging der Gutachter P. am Horchkistenstandort 1 von einem mittleren Konfliktpotential aus. Im Zeitraum Juni bis Juli nahm er ein hohes Kollisionsrisiko an wegen sehr hoher Aktivitätsdichten, insbesondere von Arten der Gattung Nyctalus. Außerdem sei der Verlust eines Jagdgebietes hoch zu bewerten. Ein hohes Kollisionsrisiko bejahte er auch für den Zeitraum August bis Anfang Oktober. Hier seien überwiegend sehr hohe Aktivitätsdichten ermittelt worden. Unter anderem seien regelmäßige Jagdaktivitäten von Arten der Gattung Nyctalus und von Zwergfledermäusen aufgezeichnet worden.

Im September 2015 teilte eine in der Bürgerinitiative H. „Windpark Q.“ engagierte Person dem Beklagten mit, am 31. August 2015 einen toten Großen Abendsegler unterhalb der klägerischen Anlage gefunden zu haben, und fügte ihrer E-Mail Fotos von dem Tier bei.

Der Beklagte leitete in der Folgezeit eine Prüfung bezüglich einer nachträglichen Anordnung von Abschaltzeiten und eines Gondelmonitorings ein. Unter dem 29. April 2016 hörte er die Klägerin zu dem beabsichtigten Erlass einer naturschutzrechtlichen Anordnung zum Schutz von Fledermäusen an, die eine auf den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober bezogene, bestimmte Wind- und Witterungsbedingungen voraussetzende Abschaltanordnung zur Nacht- bzw. Dämmerungszeit sowie ein Gondelmonitoring während der Aktivitätszeiten von Fledermäusen vorsah.

Nachdem die Klägerin im Anhörungsverfahren Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung geäußert hatte, überprüfte der Beklagte zunächst einige Angaben im Gutachten P.. Darüber hinaus holte er eine ergänzende fachliche Einschätzung des Diplom-Biologen R. ein, der jedoch keine neuen systematischen Untersuchungen vor Ort durchführte. Zu der Frage, ob sich aus der Untersuchung des Gutachters P. Rückschlüsse auf die bestehende Windenenergieanlage der Klägerin ziehen ließen, äußerte sich Herr R. dahingehend, dass dies hinsichtlich der Pipistrellusarten (Zwerg- und Rauhautfledermaus) möglich sei.

Mit Bescheid vom 30. Juni 2016 verfügte der Beklagte die Abschaltung der klägerischen Anlage im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober eines jeden Jahres von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang bei Windgeschwindigkeiten unter 6 m/s und Temperaturen von über 10 Grad Celsius in Nabenhöhe sowie Niederschlagsfreiheit (1.). Außerdem ordnete er ein zunächst zweijähriges Gondelmonitoring ab Frühjahr 2017 vom 1. April bis zum 15. November der entsprechenden Jahre an, um „das Ausmaß des bestehenden signifikant erhöhten Tötungsrisikos mit den höchsten Fledermausaktivitäten im Gefahrenbereich der Rotoren in zeitlicher Hinsicht einzugrenzen und eine Feinsteuerung der Abschaltzeiten auch zur ggf. nachträglichen „betriebsfreundlichen“ Optimierung zu ermöglichen“ (2.). Weiter behielt er sich vor, die Abschaltzeiten abhängig von den Ergebnissen des Gondelmonitorings durch Erlass einer zusätzlichen Anordnung auch auf weitere Zeiträume auszuweiten und den Betriebsalgorithmus entsprechend der Monitoringergebnisse anzupassen (3.). Hinsichtlich der Abschaltanordnung (1.) ordnete er die sofortige Vollziehung an (4.). Für den Fall der Nichtbeachtung der Abschaltanordnung drohte er ein Zwangsgeld an (5.).

Zur Begründung der Abschaltanordnung führte er u. a. aus, er könne nach § 3 Abs. 2 BNatSchG eine Einschränkung der Betriebszeiten der Windenergieanlage der Klägerin verfügen, um sicherzustellen, dass es nicht zu Verstößen gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG komme. Der Umstand, dass die Anlage immissionsschutzrechtlich genehmigt worden sei, stehe dem nicht entgegen, weil die Zuständigkeit zum Vollzug der öffentlich-rechtlichen Vorschriften unter Einschluss derjenigen des Artenschutzrechts nach Genehmigungserteilung wieder an die zum Vollzug dieser Vorschriften berufenen Behörden - hier ihn als untere Naturschutzbehörde - zurückfalle.

Maßgeblich sei, ob es durch den Betrieb der Windenergieanlage zu einer deutlichen Steigerung des Tötungsrisikos (signifikante Erhöhung des Risikos) für Tiere besonders geschützter Arten komme. Dies sei regelmäßig in solchen Bereichen gegeben, in denen es zu - gegenüber der Umgebung - deutlich erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten kollisionsgefährdeter, windenergieempfindlicher Arten (Zentren der Aktivität) komme. Im Bereich des Standorts der Windenergieanlage seien im Jahr 2012 sehr hohe Aktivitäten verschiedener Fledermausarten erfasst worden. Der Gutachter P. sei zu der Einschätzung gekommen, dass sich in unmittelbarer Nähe zu der Windenergieanlage ein Balzrevier der Zwergfledermaus sowie ein Jagdrevier von besonderer Bedeutung u. a. für den Abendsegler befinde. Mit dem Gutachter sei für die Zeit von Juli bis Oktober von einem signifikant erhöhten Schlagrisiko auszugehen. Nach eigener Auswertung der Daten zeige sich u. a. ab Juli ein deutlicher Aktivitätsanstieg von Arten der Gattung Pipistrellus. Gegenüber den Untersuchungen des Gutachters L. im Jahr 2010 sei der Gutachter P. zwei Jahre später am „gleichen Standort“ zu deutlich anderen Ergebnissen gekommen.

Die getroffene Anordnung sei auch ermessensgerecht, insbesondere verhältnismäßig, da sie sich auf die zum Schutz von Fledermäusen erforderlichen Zeiten und Witterungsbedingungen beziehe. Die mit der Anordnung verbundenen Ertragseinbußen seien zumutbar.

Hinsichtlich des angeordneten Gondelmonitorings führte der Beklagte zur Begründung insbesondere aus, es sei angesichts des jetzt festgestellten Handlungsbedarfs zum Schutz der Fledermäuse „auch längerfristig ein abgestimmtes, art- und vorkommenspezifisches Abschaltszenario festzulegen“. Erst wenn das Vorhaben nach naturschutzfachlicher Einschätzung unter Berücksichtigung von Vermeidungsmaßnahmen kein signifikant erhöhtes Risiko kollisionsbedingter Verluste verursache, werde nicht mehr gegen das naturschutzrechtliche Tötungsverbot verstoßen. Angesichts des Totfundes eines Abendseglers an der Anlage und hoher Aktivitäten geschützter Fledermäuse sei davon auszugehen, dass der Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG - und damit eine „Störung“ - bei uneingeschränktem Anlagenbetrieb bereits eingetreten sei. Es gehe bei der Anordnung des Gondelmonitorings daher um „die Ermittlung des Ausmaßes der Gefahr bzw. Störung in zeitlicher Hinsicht, nicht hingegen um „Gefahr-erforschung“ und - mit Blick auf die Windgeschwindigkeit - darum, die Abschaltung in einer der Gefahrenlage angepassten Weise zu steuern“. Auch eine „betriebsfreundliche“ Optimierung der Abschaltzeiten komme - je nach Ergebnis des Monitorings - in Betracht. Da die Messung in Gondelhöhe aussagekräftigere Ergebnisse liefere als eine Bodenmessung, sei die Maßnahme auch erforderlich.

Der gegen den Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2017 der Sache nach zurückgewiesen.

Der - nach Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung durch den Beklagten - gestellte Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde vom Verwaltungsgericht Oldenburg mit Beschluss vom 5. April 2017 (5 B 3473/16) abgelehnt.

Gegen den Bescheid vom 30. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2017 hat die Klägerin am 26. April 2017 Klage vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg erhoben. Zur Begründung ihrer Klage hat sie insbesondere vorgetragen, angesichts der bestandskräftigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung handele es sich bei der Abschaltanordnung faktisch um einen Teilwiderruf, den das Amt für Naturschutz und Landschaftspflege des Beklagten nicht habe verfügen dürfen. Nachträgliche Abschaltungen seien als Nebenbestimmungen zu der Ausgangsgenehmigung nur auf Grundlage von § 12 Abs. 2a BImSchG möglich. Hierfür sei ein Auflagenvorbehalt in der Genehmigung erforderlich. Das nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Prüfung des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erforderliche signifikant erhöhte Tötungsrisiko für einzelne Fledermausarten könne bezogen auf ihre Anlage nicht angenommen werden. Hierfür fehle es - trotz Bestehens einer Einschätzungsprärogative - an einer ausreichenden Sachverhaltsermittlung und insbesondere einer Bestandserfassung im Umfeld der Anlage. Das Gutachten aus dem Jahr 2011 habe nicht auf eine Betroffenheit von Fledermäusen am Standort hingewiesen. Die Untersuchungen des Gutachters P. beträfen andere Windenergieanlagenstandorte. Die Horchkiste Nr. 1 sei etwa 100 m von ihrer Anlage entfernt gewesen. Diese Distanz überschreite die Reichweite der Horchkistenerfassung für die meisten Fledermausarten. Insgesamt sei die Aussagekraft des Gutachtens P. für den vorliegenden Sachverhalt in Frage zu stellen. Eigene Untersuchungen habe der Beklagte nicht durchgeführt. Der Totfund eines Abendseglers werde bestritten. Die Abschaltungen gefährdeten die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Es gehe um jährliche Schäden von etlichen 1.000,- EUR. Ein Monitoring sei - wie sich sowohl aus dem aktuellen Windenergieerlass als auch aus den Vorgaben des Niedersächsischen Landkreistages ergebe - nicht zulässig, wenn es - wie hier - um Gefahrerforschungsmaßnahmen gehe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2017 aufzuheben und hilfsweise für den Fall der Klageabweisung Beweis darüber zu erheben, ob und wenn ja, welche anlage- und betriebsbedingten Auswirkungen die streitgegenständliche Windkraftanlage auf Fledermäuse hat, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat den streitgegenständlichen Bescheid verteidigt und insbesondere ausgeführt, bei der Abschaltanordnung handele es sich nicht um einen Teilwiderruf, weil kein Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG vorliege. Die nachträglich eingetretene Fledermausproblematik hätte im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung nicht zur inhaltlichen Beschränkung oder Teilablehnung der Genehmigung, sondern lediglich zur Beifügung einer Auflage gem. § 12 Abs. 1 BImSchG geführt. § 3 Abs. 2 BNatSchG berechtige nicht erst dann zu Eingriffen, wenn Verbote verletzt würden, sondern bereits dann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, dass bei unverändertem Lauf der Dinge ein Schadensfall eintreten werde. Der Zufallsfund eines toten Abendseglers trage lediglich zur Erhärtung der ohnehin bereits bestandenen Einschätzung bei, dass der uneingeschränkte Anlagenbetrieb mit § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG unvereinbar sei.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. Dezember 2017 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei der Abschaltanordnung handele es sich nicht um einen Teilwiderruf. § 21 BImSchG sei nur einschlägig, wenn sich die Genehmigungsfähigkeit der Anlage - bei hypothetischer Betrachtung vor Genehmigungserteilung - nicht durch eine Auflage hätte herstellen lassen, was hier - hypothetisch betrachtet - möglich gewesen wäre. Im Falle einer ursprünglich möglichen Auflage sei die nachträgliche Einschränkung von Betriebszeiten nur dann als Widerruf zu qualifizieren, wenn sie erheblich sei, wovon hier nicht auszugehen sei. Soweit das OVG Sachsen-Anhalt in Betracht ziehe, eine nachträgliche Abschaltanordnung für drei Monate jeweils zur Nachtzeit als teilweise Aufhebung oder Abänderung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung anzusehen, unterscheide sich die vom OVG Sachsen-Anhalt bewertete Abschaltanordnung von der vorliegenden, die unter „teilweise stärkeren Einschränkungen“ stehe. Maßgeblich sei die Betrachtung des Einzelfalls. Der Regelungs- und Bindungsumfang der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beziehe sich nur auf die bei Erteilung der Genehmigung erkennbaren, möglicherweise aber falsch eingeschätzten Gefahren. Spätere Veränderungen des geprüften Sachverhalts würden vom Regelungsgehalt der Genehmigung dagegen nicht erfasst. Zur Abwehr nicht voraussehbarer Gefahren - wie sie hier mit dem Gutachten P. erkennbar geworden seien - seien die jeweiligen Fachbehörden zuständig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 BNatSchG lägen vor. Die Abschaltanordnung habe ergehen müssen, um sicherzustellen, dass das Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht verletzt werde. Der Gutachter P. sei von einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos ausgegangen. Unter anderem habe er den S. und die angrenzende Ackerfläche als wichtige Jagdhabitate festgestellt. Hier seien neben Flugrouten der wandernden Fledermausarten (vor allem des Abendseglers) sogar weitere Jagdgebiete und ein Balzrevier der Zwergfledermaus festgestellt worden. Die Entscheidung sei auch ermessensfehlerfrei ergangen. Das angeordnete Gondelmonitoring habe ebenfalls auf § 3 Abs. 2 BNatSchG gestützt werden können. Es sei auch nicht als ungeeignete Maßnahme anzusehen, weil es eine Tötung von Tieren nicht verhindern könne. Es stelle als Beobachtungsmaßnahme einen notwendigen Bestandteil des Schutzkonzepts dar. § 3 Abs. 2 BNatSchG sei auch als Grundlage für Gefahrerforschungsmaßnahmen anerkannt, wobei vorliegend anzunehmen sei, dass die Gefahr selbst bereits feststehe und Ermittlungen zu ihrem Umfang sowie zu den zu ihrer Abwehr geeigneten Maßnahmen unter Inanspruchnahme der Klägerin angeordnet werden könnten. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich gewesen, weil sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen hinreichende Erkenntnisse zur Prüfung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos gem. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ergeben.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 26. Juli 2018 (12 LA 12/18) die Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen. Diese beträfen zum einen die Frage nach der zutreffenden Rechtsgrundlage für die zum Schutz von Fledermäusen verfügte Abschaltanordnung (§ 3 Abs. 2 BNatSchG oder ggf. stattdessen § 21 BImSchG). Zum anderen erscheine die Frage rechtlich schwierig, ob neben den verfügten Abschaltzeiten eine Auflage im Wege der nachträglichen Anordnung zulässig sei, die der Klägerin ein Gondelmonitoring aufgebe.

Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, bei der Abschaltanordnung handele es sich nicht um eine Auflage, sondern um eine Inhaltsbestimmung. Durch die Anordnung ergäben sich geschätzte Ertragsverluste von 5% und mehr im Jahr. Das Vorliegen eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos sei vom Verwaltungsgericht nicht hinreichend geprüft worden. Der Gutachter P. habe den Standortbereich ihrer Windenergieanlage nicht untersucht und insbesondere keine Bestands-erfassung am konkreten Standort durchgeführt. Dieser liege weder in einer Hauptflugroute noch in einem bevorzugten Jagdgebiet geschützter und kollisionsgefährdeter Fledermausarten. Auch ein Quartier befinde sich nicht in einem geringeren Abstand als 200 m zur Windenergieanlage. Gegen die Einschätzung des VG Oldenburg, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko bereits feststehe, spreche auch, dass gleichzeitig ein Gondelmonitoring für erforderlich gehalten worden sei. Soweit das Verwaltungsgericht darauf abgestellt habe, die Naturschutzbehörde habe eingreifen dürfen, weil es sich um die Abwehr nicht vorhersehbarer Gefahren gehandelt habe, überzeuge dies nicht. Etwaige Gefährdungen von Fledermäusen durch den Betrieb der Windenergieanlage der Klägerin seien schon im Genehmigungsverfahren bekannt gewesen und durch das Gutachten L. überprüft worden. Das Gondelmonitoring sei rechtswidrig. Es gebe dafür im Naturschutzrecht keine Rechtsgrundlage. § 3 Abs. 2 BNatSchG finde keine Anwendung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgericht Oldenburg - 5. Kammer - vom 6. Dezember 2017 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2017 mit Ausnahme von Ziffer 3 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei der Abschaltanordnung handele es sich nicht um eine Teilaufhebung oder einen Teilwiderruf. Die in der Praxis geläufigen Abschaltungen wegen Fledermäusen schränkten typischerweise nicht die von der Genehmigung umfasste Gestattung zum Betrieb einer Windenergieanlage ein. Sie besagten gerade nicht, dass die Windenergieanlage nur in eingeschränktem Umfang betrieben werden dürfe, sondern knüpften an den genehmigten Betrieb an und begründeten die zur Betriebsgenehmigung hinzutretende Verpflichtung des Betreibers, die Anlage zur Nachtzeit bei näher bestimmten Wind- und Witterungsverhältnissen abzuschalten. Nur bei einer Unverhältnismäßigkeit der nachträglichen Anordnung könne von einem Widerruf ausgegangen werden. Die Behauptung erheblicher wirtschaftlicher Einbußen werde von der Klägerin nicht belegt. Das Gutachten P. habe auch Aussagekraft für den Standort der klägerischen Windenergieanlage. Eine Gefahr bzw. eine bereits eingetretene Störung in Gestalt eines Verstoßes gegen das durch § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG begründete Verbot liege vor. Bei dem angeordneten Gondelmonitoring handele es sich auch nicht um Gefahrerforschung, sondern um einen integralen Bestandteil der Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung. Es entspreche allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätzen, dass der Störer verpflichtet werden könne, die weiteren Erforschungsmaßnahmen durchzuführen. Die Anordnung eines Gondelmonitorings biete - entgegen der Annahme der Klägerin - auch keinen Anhaltspunkt für eine unzureichende Bestandserfassung im Vorfeld der getroffenen Maßnahmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren ist gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin mit ihrer - in der Antragstellung deutlich gewordenen - Erklärung in der mündlichen Verhandlung ihre Klage bezüglich der Ziffer 3 des Bescheids zurückgenommen und der Beklagte konkludent seine Einwilligung hierzu erklärt hat (§ 92 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO).

Die nach der Zulassung durch den Senat statthafte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts im Übrigen ist zulässig und hat Erfolg.

Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2017 ist - soweit noch angefochten - rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I. Die angefochtenen Regelungen in dem Bescheid sind rechtswidrig.

1. Zunächst war der Beklagte nicht befugt, eine zeitweise Abschaltanordnung bezüglich der Windenergieanlage der Klägerin (Ziffer 1 des Bescheids) zu verfügen, denn es mangelte vorliegend an den tatsächlichen Voraussetzungen für eine derartige Maßnahme.

Zwar war es dem Beklagten nicht grundsätzlich verwehrt, auf naturschutzrechtlicher Grundlage einzuschreiten, jedoch fehlte es auch bei Annahme einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle naturschutzfachlicher behördlicher Einschätzungen an einer hinreichenden Tatsachengrundlage für die Annahme, dass eine Einschränkung des Betriebs der Anlage erforderlich war bzw. ist, um einen Verstoß gegen das Tötungsverbot in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG auszuschließen.

Der Umstand, dass die Anlage im Jahr 2012 - nach zuvor erfolgter sachverständiger Untersuchung einer möglichen Gefährdung von Fledermäusen - immissionsschutzrechtlich ohne Abschaltanordnung genehmigt worden war, stand einem Tätigwerden des Beklagten auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 BNatSchG nicht generell entgegen.

Grundsätzlich gilt, wovon auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen ist, dass sich die Konzentrationswirkung der Genehmigung einer Windenergieanlage nach § 13 BImSchG allein auf die Genehmigung bezieht. Nach Erteilung dieser Genehmigung fällt die Zuständigkeit zum Vollzug der öffentlich-rechtlichen Vorschriften außerhalb des Immissionsschutzrechts wieder an die zum Vollzug dieser Vorschriften zuständigen Behörden, die daher für spätere Anordnungen nach den entsprechenden Vorschriften zuständig sind (Nds. OVG, Beschl. v. 25.7.2011 - 4 ME 175/11 -, juris, vgl. auch Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 88. EL September 2018, § 13 BImSchG, Rn. 117 m. w. N.).

Dass damit der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 BNatSchG grundsätzlich eröffnet ist, sagt allerdings noch nichts dazu aus, in welchem Umfang dies der Fall ist. Um nicht in Konflikt mit dem Regelungsinhalt der zuvor erteilten, fortbestehenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und ihrer sog. Legalisierungswirkung (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.2008 - 7 C 48/07 -, juris, Rn. 27) zu geraten, ist vielmehr im Wege der systematischen Auslegung eine Einschränkung in zweifacher Hinsicht geboten: Erstens sind davon Maßnahmen ausgeschlossen, die eine (Teil-)Aufhebung oder Änderung einer zuvor erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung darstellen. Derartige Regelungen fallen nach den insoweit einschlägigen Vorschriften des § 48 VwVfG (Rücknahme) bzw. des § 21 BImSchG (Widerruf) weiter (allein) in die Kompetenz der Immissionsschutzbehörde (vgl. Jarass, BImSchG, 12. Aufl., § 13 Rn. 25). Die Anwendung des § 3 Abs. 2 BNatSchG ist zweitens außerdem auf ein Einschreiten wegen nachträglich eingetretener Umstände beschränkt, weil die immissionsschutzrechtliche Genehmigung die Feststellung enthält, dass im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) die Errichtung und der Betrieb der Anlage den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, d. h. auch den naturschutzrechtlichen, entsprachen (vgl. zum Ganzen: Seibert, in: Landmann/Rohmer, a. a. O., Rn. 122 und 123).

Vorliegend war der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 BNatSchG entgegen der Ansicht der Klägerin nicht durch § 21 BImSchG verschlossen. Die Anordnung des Beklagten stellt sich nicht als (Teil-)Widerruf der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gem. § 21 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG dar.

Für die Frage, ob eine Maßnahme, mit der - wie hier - nachträglich Betriebszeiten eingeschränkt werden, als (Teil-)Widerruf zu qualifizieren ist, sind zwei Kriterien maßgeblich: Zum einen ist darauf abzustellen, ob sich die Maßnahme bei Genehmigungserteilung als inhaltliche Einschränkung bzw. Teilversagung der Genehmigung und nicht lediglich als Nebenbestimmung dargestellt hätte (vgl. Koch/Roller, in: Führ, GK-BImSchG, 2016, § 21 Rn. 35; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, a. a. O., § 21 Rn. 32). Zum anderen ist - wie bei der Abgrenzung zwischen nachträglicher Anordnung gem. § 17 BImSchG und Widerruf gem. § 21 BImSchG - maßgeblich, ob mit der behördlichen Maßnahme eine unverhältnismäßige (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BImSchG) Einschränkung der Betriebszeiten, also ein Eingriff in den „Genehmigungskern“, verbunden ist (vgl. Koch/Roller, in: Führ, a. a. O., § 21 Rn. 35).

Die vorliegende Abschaltanordnung hätte nach Auffassung des Senats bei der hier vorzunehmenden hypothetischen Betrachtung keine Teilablehnung der beantragten Genehmigung dargestellt, sondern bei Genehmigungserteilung im Wege der Auflage erlassen werden können. Maßgeblich für die Qualifizierung der vorliegenden Abschaltanordnung als Auflage im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ist insbesondere, dass die vom Beklagten getroffene Anordnung der Klägerin ein selbständiges und isoliert vollstreckbares Tun in Form der Abschaltung der Anlage zu bestimmten Zeiten und bei bestimmten Witterungs- und Windverhältnissen aufgibt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die Regelung nicht als modifizierende Auflage oder Inhaltsbestimmung der vorhandenen Genehmigung qualifiziert werden. Die bestehende (Betriebs-)Genehmigung für die Anlage wird durch die getroffene Anordnung nicht unmittelbar eingeschränkt.

Die vorliegende Abschaltanordnung ist auch nicht wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die Rechte der Klägerin als Genehmigungsinhaberin als (Teil-)Widerruf der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung anzusehen.

Die hier im Streit stehende Regelung bezieht sich auf vier Monate im Jahr. Demgegenüber ist der Anlagenbetrieb acht Monate im Jahr, insbesondere im windstärkeren Spätherbst und Winter, uneingeschränkt möglich. Während der Monate Juli bis Oktober kann die Anlage tagsüber ohne Beschränkung genutzt werden. Die Abschaltanordnung betrifft nur die - in der Sommer- und Frühherbstzeit vergleichsweise kurzen - Nächte bei Windgeschwindigkeiten von unter 6 m/s, in denen der Betrieb einer Windenergieanlage ohnehin nur geringe Erträge bringt. Hierzu führt die Klägerin selbst aus, ihre Anlage beginne erst ab Windgeschwindigkeiten zwischen 3 und 4 m/s in Nabenhöhe mit der Stromproduktion. Von der Abschaltanordnung ausgenommen sind Zeiten mit Niederschlag und Temperaturen unter 10 Grad Celsius in Nabenhöhe. Durch diese Vorgaben ergibt sich nur eine sehr geringfügige Einschränkung der Nutzbarkeit der vorhandenen Genehmigung.

Soweit der Beklagte unter Bezugnahme auf eine Studie von Brinkmann et al. (Oliver Behr, Robert Brinkmann, Fränzi Korner-Nievergelt, Martina Nagy, Ivo Niermann, Michael Reich & Ralph Simon (Hrsg.), Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen (RENEBAT II), S. 368 (bzw. S. 243), abrufbar unter: https://tethys.pnnl.gov/sites/default/files/publications/Behr-et-al-2016.pdf) davon ausgeht, dass sich die Einbußen im Falle von Abschaltungen bei Windgeschwindigkeiten von unter 6 m/s von April bis Oktober im Mittel auf 2,1 % beliefen, hat die Klägerin diese Angaben, die sich auf einen wesentlich weitergehenden Zeitraum beziehen, nicht substantiiert bestritten. Sie selbst macht in ihrem - aus dem erstinstanzlichen Verfahren bekannten (Bl. 50 d. GA) - Schadensersatzforderungsschreiben vom 17. Mai 2017 Ertragsverluste in Höhe von 1.566,25 EUR für das Jahr 2016 geltend. Mit diesen Angaben - als zutreffend unterstellt - hat die Klägerin nicht plausibel gemacht, dass die behördliche Regelung eine erhebliche Betriebseinschränkung mit sich bringt. Gemessen an der Gesamtnutzungsmöglichkeit der Windenergieanlage fällt eine Einschränkung der Betriebszeiten in dem von der Klägerin geltend gemachten Umfang nicht erheblich ins Gewicht.

Eine andere Einschätzung bezüglich der Verhältnismäßigkeit der hier von der Abschaltanordnung ausgehenden Betriebseinschränkung ergibt sich auch nicht aus der von den Beteiligten angesprochenen obergerichtlichen Rechtsprechung (Sächsisches OVG, Beschl. v. 5.2.2018 - 4 B 127/17 - und OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 9.11.2016 - 2 L 112/14 -, beide juris). Beide Entscheidungen betrafen Anordnungen mit weitergehenden Auswirkungen. In dem vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall waren mehrere Abschaltanordnungen zu verschiedenen Zwecken kombiniert worden, darunter eine artenschutzrechtliche Anordnung für den Zeitraum vom 15. Februar bis 15. August ohne Eingrenzung auf bestimmte Windgeschwindigkeiten oder Witterungsbedingungen. In dem vom Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt entschiedenen Fall war die Anordnungsdauer mit drei Monaten zwar kürzer als die vorliegende, bezog sich aber auf Windgeschwindigkeiten von unter 8 m/s. Eine eindeutige Festlegung dahingehend, dass die jeweilige Abschaltanordnung als immissionsschutzrechtlicher (Teil-)Widerruf anzusehen wäre, findet sich in keiner der Entscheidungen.

Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 BNatSchG ist - wie bereits ausgeführt - außerdem auf ein Einschreiten wegen nachträglicher Sachverhaltsveränderungen, nachträglicher Erkenntnisse über bestimmte Gefahren oder Rechtsänderungen zu beschränken (vgl. in diesem Zusammenhang zu den Grenzen des Regelungsgehalts der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung: Seibert, in: Landmann/Rohmer, a. a. O., § 13 Rn. 122). Dies dient ebenfalls der Abgrenzung der Befugnisse der Naturschutzbehörde von der Rücknahmekompetenz der Immissionsschutzbehörde gem. § 48 VwVfG. Grund für die insoweit vorzunehmende Einschränkung des Anwendungsbereichs der naturschutzrechtlichen Generalklausel ist die bereits angesprochene, in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung enthaltene Feststellung, dass Errichtung und Betrieb der Anlage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, d. h. auch den naturschutzrechtlichen, entsprachen.

Vorliegend bezog sich die naturschutzrechtliche Prüfung im Genehmigungsverfahren auch auf die Frage einer Gefährdung von Fledermäusen. Ob die - dem Beklagten im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens erstmalig bekannt gewordenen - Daten aus dem Jahr 2012 sowie die hieran anknüpfende Bewertung des Herrn R. überhaupt solche nachträglichen Erkenntnisse darstellten, die erstmalig ein naturschutzrechtliches Einschreiten notwendig machen konnten, ist nicht eindeutig. In Betracht käme grundsätzlich auch - was der Beklagte allerdings in Abrede stellt -, die später bekannt gewordene Datenlage so zu interpretieren, dass sie die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gutachters L. in Frage stellt, was den Anwendungsbereich des § 48 VwVfG eröffnen und damit den Rückgriff auf § 3 Abs. 2 BNatSchG ausschließen könnte.

Diese Frage muss jedoch nicht geklärt werden, weil selbst bei Annahme einer nachträglichen Sachverhaltsänderung die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 BNatSchG im maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorlagen.

Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang, ob die Datenlage aus dem Jahr 2012 im Zeitpunkt ihrer Erhebung bzw. ihres Bekanntwerdens beim zuständigen Amt des Beklagten ein Einschreiten hätte rechtfertigen können. Dagegen könnte sprechen, dass die Untersuchung des Sachverständigen P. im Jahr 2012 (zugrunde gelegt in seinem Gutachten aus dem Jahr 2014) nicht den konkreten Standort der klägerischen Windenergieanlage betraf und angesichts dessen nicht eindeutig ist, ob die von den ursprünglichen Erkenntnissen abweichenden Daten eine veränderte Situation am 100 m entfernt gelegenen Anlagenstandort belegen konnten.

Der Senat lässt auch diese Frage offen, weil die streitige Abschaltanordnung jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 17.4.1998 - 2 L 2/98 -, juris, Rn. 20) nicht auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhte.

Gemäß § 3 Abs. 2 BNatSchG konnte der Beklagte als untere Naturschutzbehörde in dem oben aufgezeigten, durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung begrenzten Rahmen grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Einhaltung der Vorschriften des BNatSchG sicherzustellen. Bei der gebotenen europarechtskonformen Auslegung des BNatSchG konnte sich im Einzelfall auch eine Verpflichtung zum Einschreiten aus den Vorgaben der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) ergeben.

Der Beklagte hat die vorliegende Abschaltanordnung zum Schutz von Fledermäusen erlassen, um für die Zukunft sicherzustellen, dass der Betrieb der klägerischen Windenergieanlage nicht (mehr) gegen das Tötungsverbot in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verstößt. Für ein solches Einschreiten ist auf Tatbestandsseite ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erforderlich. Einen solchen hat der Beklagte jedoch vorliegend auf unzureichender Tatsachenbasis zu Unrecht bejaht.

Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Bei allen Arten der Gattung der Fledermäuse (Microchiroptera) handelt es sich um besonders geschützte Arten gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 b) aa) BNatSchG i. V. m. dem Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG.

Das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist individuenbezogen zu verstehen. Dass einzelne Exemplare besonders geschützter Arten durch Kollisionen mit Windenergieanlagen zu Schaden kommen können, dürfte indes bei lebensnaher Betrachtung nie völlig auszuschließen sein. Solche kollisionsbedingten Einzelverluste sind zwar nicht „gewollt“ im Sinne eines zielgerichteten „dolus directus“, müssen aber  - wenn sie trotz aller Vermeidungsmaßnahmen doch vorkommen - als unvermeidlich ebenso hingenommen werden wie Verluste im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat angeschlossen hat, ist daher, wenn das Tötungsverbot nicht zu einem unverhältnismäßigen Hindernis für die Realisierung von Vorhaben werden soll, zur Erfüllung des Tatbestandes des artenschutzrechtlichen Tötungsverbotes zu fordern, dass sich das Risiko des Erfolgseintritts durch das Vorhaben in signifikanter Weise erhöht (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2013 - 4 C 1/12 - juris, Rn. 11 unter Hinweis auf Urt. v. 12.3.2008 - 9 A 3.06 -, juris, Rn. 219; Urt. v. 9.7.2008 - 9 A 14.07 -, juris, Rn. 91 sowie nunmehr § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG)

Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind insbesondere artspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des maßgeblichen Raums und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.7.2011 - 9 A 12.10 -, juris, Rn. 99). Hinsichtlich einer Gefährdung von Fledermausarten ist insbesondere maßgeblich, ob sich die betroffenen Bereiche als bevorzugte Jagdgebiete darstellen oder Hauptflugrouten durch diese verlaufen (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.3.2008, a. a. O., Rn. 219).

Nach der - zu Planfeststellungsverfahren entwickelten und auf Genehmigungsverfahren übertragenen Rechtsprechung - des Bundesverwaltungsgerichts ist der Genehmigungsbehörde bei der Prüfung, ob der artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungstatbestand erfüllt ist, ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt. Dabei bezieht sich die behördliche Einschätzungsprärogative sowohl auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare der geschützten Arten bei Realisierung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2013, a. a. O., Rn. 14).

Von einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative ist insoweit nach Auffassung des Senats nicht nur für das Genehmigungsverfahren, sondern auch bei einem nachträglichen Einschreiten der Behörde auf Grundlage des BNatSchG auszugehen.

Grund für die Zuerkennung einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative ist der Umstand, dass es im Bereich des Naturschutzes regelmäßig um ökologische Bewertungen und Einschätzungen geht, für die normkonkretisierende Maßstäbe fehlen. Die Rechtsanwendung ist daher auf die Erkenntnisse der ökologischen Wissenschaft und Praxis angewiesen, die sich aber nicht als eindeutiger Erkenntnisgeber erweist. Bei zahlreichen Fragestellungen steht - jeweils vertretbar - naturschutzfachliche Einschätzung gegen naturschutzfachliche Einschätzung, ohne dass sich eine gesicherte Erkenntnislage und anerkannte Standards herauskristallisiert hätten. Sind verschiedene Methoden wissenschaftlich vertretbar, bleibt die Wahl der Methode der Behörde überlassen (BVerwG, Urt. v. 27.6.2013, a. a. O., Rn. 15).

Die dargestellten fachlichen Unsicherheiten bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das Verbot in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG durch die Behörde bestehen gleichermaßen im Kontext eines naturschutzrechtlichen Einschreitens der Behörde nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens. Die Einschätzungsprärogative bezieht sich auf das Vorliegen des Tatbestandes des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Dieser kann - wie hier - auch im Rahmen der Anwendung des § 3 Abs. 2 BNatSchG zu prüfen sein, was entscheidend dafür spricht, die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze zu einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative auf die vorliegende Konstellation zu übertragen (vgl. auch VG Kassel, Beschl. v. 2.8.2018 - 2 L 1764/18.KS -, juris, Rn. 90; VG Augsburg, Urt. v. 17.12.2015 - Au 2 K 15.1343 -, juris, Rn. 27; Lau, Einwandern geschützter Arten in den Gefahrenbereich genehmigter Vorhaben, NuR 2018, 587 (593)).

Die behördliche Einschätzungsprärogative hat zur Folge, dass die Annahmen der Naturschutzbehörde einer nur eingeschränkten Kontrolle zugänglich sind. Sie sind vom Gericht hinzunehmen, sofern sie im konkreten Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.7.2008, a. a. O., Rn. 65). Das Gericht bleibt verpflichtet zu prüfen, ob im Gesamtergebnis die artenschutzrechtlichen Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichten, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu überprüfen (BVerwG, Urt. v. 27.6.2013, a. a. O., Rn. 16).

Die mit der Annahme einer Einschätzungsprärogative verbundene Rücknahme der Kontrolldichte setzt allerdings voraus, dass von Seiten der Behörde eine den wissenschaftlichen Maßstäben und den vorhandenen Erkenntnissen entsprechende Sachverhaltsermittlung vorgenommen worden ist (vgl. Beschl. d. Sen. v. 18.4.2011 - 12 ME 274/10 -, juris, Rn. 6). Dies beinhaltet insbesondere eine Erhebung von Daten, denen sich in Bezug auf das maßgebliche Gebiet die Häufigkeit und Verteilung der geschützten Arten sowie deren Lebensstätten entnehmen lassen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.3.2008 - 9 VR 9/07 -, juris, Rn. 31).

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 2018   (- 1 BvR 2523/13 -, juris) folgt das eingeschränkte Kontrollmaß nicht aus einer der Verwaltung eigens eingeräumten Einschätzungsprärogative, sondern schlicht aus dem Umstand, dass es insoweit am Maßstab zur sicheren Unterscheidung von richtig und falsch fehlt (BVerfG, a. a. O., Rn. 23). Die Entscheidung führt jedoch nicht zu einem anderen Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind die Verwaltungsgerichte in derartigen Fällen auf eine Vertretbarkeits- bzw. Plausibilitätskontrolle der behördlichen Einschätzung beschränkt.

Hieran gemessen stellt sich die Annahme des Beklagten, von der klägerischen Windenergieanlage gehe ein signifikant erhöhtes Tötungsrisikos für verschiedene Fledermausarten aus, aus Sicht des Senats als nicht mehr vertretbar dar.

Für ein nachträgliches behördliches Einschreiten im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids bestand zumindest im Jahr 2017 keine ausreichende Tatsachengrundlage mehr. Die aus dem Gutachten Moritz bekannte Datengrundlage aus dem Jahr 2012 reichte nicht zur Annahme eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos aus. Der Beklagte hat nicht nachvollziehbar gemacht, weshalb er davon ausging, dass die Daten aus dem Jahr 2012 im Jahr 2017 noch repräsentativ für die Situation vor Ort gewesen sein sollten.

Dem Beklagten war es nach Ansicht des Senats zwar nicht generell verwehrt, bei seiner naturschutzfachlichen Einschätzung fünf Jahre altes Datenmaterial zu berücksichtigen. Vorliegend ergab sich jedoch aus den Gesamtumständen des Einzelfalls und insbesondere aus der eigenen vorausgegangenen Bewertung des Sachverhalts durch den Beklagten, dass die Daten aus dem Jahr 2012 im Jahr 2017 nicht mehr ungeprüft als aussagekräftig angesehen werden konnten.

So ist der Beklagte selbst davon ausgegangen, dass sich die Situation am Anlagenstandort innerhalb von (nur) zwei Jahren, zwischen 2010 und 2012, grundlegend geändert habe. Er meint, dass - abweichend von der im Jahr 2010 von dem Gutachter L. vorgenommenen Einschätzung - nun aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen P. - beruhend auf Datenerhebungen aus dem Jahr 2012 - ein erhöhtes Schlagrisiko für verschiedene Fledermausarten am Anlagenstandort zu bejahen sei. Ausgehend von der von ihm angenommenen grundlegenden Änderung innerhalb von nur zwei Jahren, unterstellt er sodann im Jahr 2017, dass die Situation ab dem Jahr 2012 bis zum Jahr 2017 völlig unverändert geblieben sei. Die hier seitens des Beklagten erfolgte Annahme einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Situation innerhalb des recht kurzen Zeitraums von zwei Jahren kombiniert mit der Einschätzung, die Sachlage habe sich am selben Standort während des wesentlich längeren Folgezeitraums von fünf Jahren nicht verändert, ist ohne nähere Begründung nicht nachvollziehbar.

Auch Herr R., den der Beklagte im Verwaltungsverfahren ergänzend befragt hat, hat sich nicht dazu geäußert, wie die zeitliche Komponente - auch vor dem Hintergrund abweichender Erkenntnisse aus dem Jahr 2010 - zu bewerten sein könnte.

Die Tatsache, dass der Beklagte außerdem ein Gondelmonitoring zur weiteren Beobachtung für erforderlich hielt und dies u. a. damit begründet hatte, dass sich sowohl eine stärkere als auch eine geringere Gefährdung der vorhandenen Fledermäuse als angenommen ergeben könne, zeigt, dass er offenbar selbst Zweifel hatte, ob ihm eine ausreichende Tatsachengrundlage vorlag, um die Gefährdung von Fledermäusen am Anlagenstandort zuverlässig einzuschätzen.

Angesichts dieser Gesamtumstände vermochte der Senat sich nicht davon zu überzeugen, dass der Beklagte im Jahr 2017 in vertretbarer Weise zu der Einschätzung gelangt wäre, es bestehe ein signifikant erhöhtes Risiko einer Tötung von Fledermäusen am Standort der klägerischen Windenergieanlage.

2. Das von dem Beklagten unter Ziffer 2 des Bescheids angeordnete Gondelmonitoring ist ebenfalls rechtswidrig.

Allerdings hat sich die vom Beklagten angeordnete Maßnahme, die ihrem Wortlaut nach im Frühjahr 2017 beginnen und für zunächst zwei Jahre durchgeführt werden sollte, nicht durch Zeitablauf erledigt. Der Beklagte hat diesbezüglich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2019 klargestellt, dass die Regelung im Falle der Einlegung von Rechtsmitteln so zu verstehen sei, dass das Gondelmonitoring nach Bestandskraft der Verfügung ab dem nächstmöglichen 1. April durchgeführt werden soll. Die Klägerin hat diesem Verständnis der Regelung nicht widersprochen.

Auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 BNatSchG sind Gefahrerforschungsmaßnahmen, zu denen die vorliegende Anordnung zu zählen sein wird, generell möglich (vgl. nur Nds. OVG, Beschl. v. 26.10.2015 - 4 ME 229/15 -, juris), ungeachtet dessen, dass der Beklagte seine Maßnahme selbst nicht dem Bereich der Gefahrerforschung zuordnet.

Ob im Einzelfall auf Grundlage von § 3 Abs. 2 BNatSchG gegenüber einem Störer zur Gefahrerforschung auch Maßnahmen angeordnet werden können, die über eine bloße Duldung entsprechender behördlicher Maßnahmen hinausgehen (vgl. § 65 Abs. 1 BNatSchG), bedarf anlässlich des hier zur Entscheidung stehenden Falls keiner Klärung.

Zumindest das vorliegend angeordnete Gondelmonitoring konnte nicht auf die Generalklausel des § 3 Abs. 2 BNatSchG gestützt werden, weil es eine Maßnahme zur Sachverhaltserforschung in Form der Eigenüberwachung eines immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlagenbetriebs auf Kosten des Betreibers darstellt, für die nach Abschluss des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens wegen der vorbezeichneten Legalisierungswirkung der Genehmigung in dieser Form kein Raum bleibt.

Bei möglichen Gefahren, die von einem immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlagenbetrieb ausgehen, ist zu berücksichtigen, dass die erteilte Genehmigung eine Feststellungswirkung auch in Bezug auf das Fachrecht, hier das Naturschutzrecht, entfaltet. So wurde vorliegend insbesondere die Frage einer ggf. von der klägerischen Anlage ausgehenden Gefährdung für Fledermäuse bereits im Genehmigungsverfahren gutachterlich untersucht und hier verneint. Die bestandskräftig erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung schränkt die Möglichkeiten der Behörde, gegen die genehmigte Anlage auf naturschutzrechtlicher Grundlage vorzugehen, ein. Jedenfalls kann der Betreiber einer genehmigten Anlage bezüglich solcher naturschutzrechtlicher Fragestellungen, die bereits Gegenstand der Prüfung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren waren, nicht auf Grundlage des § 3 Abs. 2 BNatSchG verpflichtet werden, eine ggf. von seiner Anlage ausgehende Gefahr bzw. das Ausmaß einer von der Behörde angenommenen Gefahr auf seine Kosten untersuchen zu lassen.

Während der Anlagenbetreiber als Antragsteller im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gem. § 4 Abs. 2 der 9. BImSchG verpflichtet ist, die für die Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens nach naturschutzrechtlichen Vorschriften erforderlichen Unterlagen vorzulegen, gilt nach Abschluss des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für den Beklagten als Naturschutzbehörde für den Erlass einer auf § 3 Abs. 2 BNatSchG zu stützenden Verfügung der Amtsermittlungsgrundsatz gem. § 1 NVwVfG i. V. m. 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG.

Hinsichtlich etwaiger Mitwirkungspflichten im Rahmen dieses Verwaltungsverfahrens regelt § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG, dass die Beteiligten bei der Sachverhaltsermittlung mitwirken, insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben sollen. Eine weitergehende Mitwirkungspflicht besteht nach Abs. 2 Satz 3 der Vorschrift nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist. Eine spezialgesetzliche Vorschrift, mit der der Betreiber einer bestandskräftig immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage zu Eigenüberwachungsmaßnahmen auf seine Kosten verpflichtet werden könnte, existiert im Bereich des Naturschutzrechts jedoch nicht (vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 17.12.2015, a. a. O., Rn. 37).

Soweit der Beklagte zur Begründung einer gefahrenabwehrrechtlichen Verantwortlichkeit der Klägerin Parallelen zum Polizei- und Ordnungsrecht bzw. den Regelungen des Bundesbodenschutzgesetzes ziehen will und in seinem Schriftsatz vom 28. März 2018 diesbezügliche Rechtsprechung zitiert, lassen sich die dortigen Grundsätze nicht auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Die Klägerin als Betreiberin einer immissionsschutzrechtlich - und damit auch unter Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Belange - genehmigten Windenergieanlage kann bezüglich dieses Betriebs jedenfalls im bezeichneten Umfang nicht als Störerin im naturschutzrechtlichen Zusammenhang angesehen werden (so zu einer vergleichbaren Fallkonstellation auch: VG Augsburg, a. a. O.). Damit bietet sich - entgegen der Ansicht des Beklagten - schon grundsätzlich keine Möglichkeit, die Klägerin auf Grundlage des § 3 Abs. 2 BNatSchG, in dessen Rahmen der Beklagte die von ihm dargestellten allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätze offenbar angewandt wissen will, zu Sachverhaltsermittlungsmaßnahmen auf ihre Kosten zu verpflichten.

Selbst wenn man jedoch mit dem Beklagten davon ausgeht, dass auch der Inhaber einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gestützt auf § 3 Abs. 2 BNatSchG nachträglich auf seine Kosten zu anlagenbezogenen naturschutzrechtlichen „Aufklärungsmaßnahmen“ herangezogen werden darf, liegen jedenfalls die dann notwendigen tatsächlichen Voraussetzungen nicht vor.

Dies mag mit dem Beklagten nach allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätzen in Betracht kommen, wenn ein (nachträglicher) Verstoß gegen eine naturschutzrechtliche Vorschrift feststeht, jedoch der Umfang dieses Verstoßes noch zu klären ist und zu diesem Zweck der Betroffene herangezogen werden soll.

Eine solche Fallgestaltung ist hier jedoch auch tatsächlich nicht gegeben. Denn die vom Beklagten bei seiner Argumentation zugrunde gelegte Annahme, dass in naturschutzrechtlicher Hinsicht eine Gefahr vorliege, entspricht - wie unter I. 1. ausgeführt - nicht der Einschätzung des Senats.

Wenn der Beklagte diesbezüglich in dem angefochtenen Bescheid ausführt, es sei, u. a. wegen des Totfunds unterhalb der Anlage, davon auszugehen gewesen, dass bereits eine Gefahr bzw. Störung vorläge, deren Umfang habe festgestellt werden müssen, überzeugt dies schon deswegen nicht, weil der Totfund eines einzelnen Exemplars einer geschützten Art noch keinen Verstoß gegen das naturschutzrechtliche Tötungsverbot belegt, sondern allenfalls schwach indiziert und - wie dargelegt - die übrigen Indizien ebenfalls unzureichend sind.

Die hinsichtlich des Vorliegens einer Gefahr eingenommene Sichtweise des Beklagten ist zudem widersprüchlich, weil er sich einerseits auf die von ihm unter Ziffer 1 angeordneten Abschaltzeiten festlegt und diese offenbar - jedenfalls vorerst - als ausreichend ansieht, um Verstöße gegen das Tötungsverbot (und damit die angenommene Gefahr) zu unterbinden, andererseits aber sowohl hinsichtlich der Geltungszeit der Abschaltanordnung als auch für den darüber hinausgehenden Zeitraum vom 1. April bis zum 15. November (wohl) weiter vom Vorliegen einer Gefahr ausgeht, deren Umfang nach Maßgabe der Regelungen unter Ziffer 2 ergänzend untersucht werden müsse.

Dass es sich bei dem von ihm unter Ziffer 2 angeordneten Gondelmonitoring um eine auf § 3 Abs. 2 BNatSchG zu stützende Gefahrerforschungsmaßnahme handele, macht der Beklagte selbst nicht geltend, sondern stellt dies ausdrücklich in Abrede. Bei einer jedenfalls dem Umfang nach in seinem Ermessen stehenden Verwaltungsakt ist es daher nicht geboten, diesem Gesichtspunkt von Amts wegen näher nachzugehen. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich der Beklagte mit seiner Art der Anordnung sehr weit von dem im Rahmen von Planfeststellungs-/Genehmigungsverfahren entwickelten und in der Rechtsprechung gebilligten Konzept eines Monitorings gelöst hat.

Ein Monitoring kann als Beobachtungsmaßnahme Bestandteil eines Schutzmaßnahmenkonzepts sein, das sich gerade bei wissenschaftlicher Unsicherheit über die Wirksamkeit von Schutz- und Kompensationsmaßnahmen anbieten kann, um weitere Erkenntnisse über die Beeinträchtigungen zu gewinnen und dementsprechend die Durchführung des Vorhabens zu steuern (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 - 9 A 20/05 -, juris, Rn. 55 m. w. Nachw.). Ein im Genehmigungsverfahren angeordnetes Monitoring setzt dabei voraus, dass die Behörde bereits zu der Einschätzung gekommen ist, dass sich das Tötungsrisiko im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG durch das Vorhaben nicht in signifikanter Weise erhöht. Hiervon geht der Beklagte nach seinen eigenen Ausführungen gerade nicht aus. Es ist indes nicht zulässig, erst anhand eines Monitorings bei unbeschränktem Betrieb der Anlagen und bestehenden Unsicherheiten über die Relevanz des Tötungsrisikos Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob die Risikoerhöhung die Signifikanzschwelle überschreitet (Beschl. d. Sen. v. 20.12.2016 - 12 LA 39/16 -). Hiervon geht auch der Windenergieerlass (Planung und Genehmigung von Windenenergieanlagen an Land (Windenergieerlass), Gem. RdErl. d. MU, d. ML, d. MS, d. MW u. d. MI v. 24.2.2016 - MU-52-29211/1/100 -, Nds. MBl. 2016 Nr. 7, S. 190) aus und betont in Ziffer 5. 2. 1., dass das Gondelmonitoring kein zulässiges Mittel darstelle, um behördliche Ermittlungs- und Erkenntnisdefizite zu kompensieren.

Dass das Gondelmonitoring, ggf. gemeinsam mit der Abschaltanordnung, ein Schutzmaßnahmenkonzept in dem oben dargestellten Sinn sein könnte, nimmt der Beklagte offenbar selbst nicht an. Seinen Ausführungen lässt sich gerade nicht entnehmen, dass er davon ausginge, durch die Abschaltanordnung sei das Risiko einer Gefährdung von Fledermäusen bereits ausreichend eingedämmt und es bedürfe nur noch der Überprüfung von Prognoseunsicherheiten durch das Monitoring.

Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass vorliegend nicht darüber zu entscheiden war, ob es die Klägerin dulden muss, wenn der Beklagte auf seine Kosten ein Gondelmonitoring anordnet und durchführen lässt.

3. Die Androhung eines Zwangsgelds (Ziffer 5 des Bescheids) war infolge der Rechtswidrigkeit und Aufhebung der Abschaltanordnung als „Grundverfügung“ ebenfalls rechtswidrig.

II. Die Maßnahmen verletzen die Klägerin als Adressatin in ihren Rechten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.